Das 12-Kanal-EKG ist ein häufig eingesetztes diagnostisches Verfahren im Krankenhaus und im Rettungsdienst zur Beurteilung der elektrischen Herzaktivität. Es liefert wichtige Informationen zu Herzrhythmus, Erregungsleitung, Myokardischämien und strukturellen Herzerkrankungen. Die simultane Ableitung von 12 Kanälen ermöglicht eine dreidimensionale Beurteilung der kardialen Erregungsausbreitung. Es ist eine schnelle, kostengünstige und nicht-invasive Methode mit minimalen Risiken.
Positionierung der Extremitätenelektroden
Indikationen
Verdacht auf Myokardinfarkt oder akutes Koronarsyndrom
Herzrhythmusstörungen, z. B. Vorhofflimmern oder AV-Block
Diagnostik von Brustschmerzen oder Dyspnoe
Screening bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren
Verlaufsbeobachtung bei bekannten Herzerkrankungen
Evaluation von Elektrolytstörungen oder Medikamentennebenwirkungen (z. B. QT-Verlängerung)
Kontraindikationen
Es gibt keine absoluten Kontraindikationen für die Durchführung eines 12-Kanal-EKGs. Relative Kontraindikationen können sein:
Schwere Hauterkrankungen oder Verletzungen im Bereich der Elektrodenplatzierung
Ablehnung des Verfahrens durch die Person
Aufklärung
Für die Durchführung und die Aufzeichnung eines EKG ist eine mündliche Aufklärung ausreichend.
Material
EKG-Gerät mit farbcodierten EKG-Kabeln
Klebeelektroden (oder Saugelektroden)
Hautdesinfektionsmittel
Rasierer bei starker Behaarung
Patient:innenetikett
Durchführung
Vorbereitung:
Begrüßung und Vorstellung der eigenen Funktion
Aufklärung über geplante Maßnahme und Einholung der mündlichen Einwilligung
Name und Geburtsdatum der Person erfragen
Person soll entspannt und ruhig auf einer Liege positioniert werden
Oberkörper frei machen; bei Bedarf Haare im Elektrodenbereich mit Rasierer entfernen.
Ggf. Haut mit Desinfektionsmittel reinigen, um eine gute Leitfähigkeit zu gewährleisten.
Elektrodenplatzierung (EKG-Kleben)
Extremitätenableitungen:
Rote Elektrode (R): am rechten Handgelenk (oder rechts subclaviculär)
Gelbe Elektrode (L): am linken Arm (oder links subclaviculär)
Grüne Elektrode (G):am linken Fußgelenk (oder an der linken Leistengegend)
Schwarze Elektrode (N; Erdung): am rechten Fußgelenk (oder an der rechten Leistengegend)
Brustwandableitungen:
V1 (rot): 4. ICR rechts parasternal
V2 (gelb): 4. ICR links parasternal
V4 (braun): 5. ICR links medioklavikulär
V3 (grün): Zwischen V2 und V4
V5 (schwarz): Auf gleicher Höhe wie V4, vordere Axillarlinie
V6 (violett): Auf gleicher Höhe wie V4, mittlere Axillarlinie
Verbindung der geklebten Elektroden mit den entsprechenden EKG-Kabeln
Aufzeichnung:
Sicherstellen, dass alle Elektroden fest haften
EKG-Aufzeichnung starten und das Signal überprüfen
Artefakte (z. B. durch Bewegung) minimieren
Bei Arrhythmien sollte ein längerer Rhythmusstreifen für die bessere Beurteilung geschrieben werden
Dokumentation:
Ergebnis speichern und ggf. ausdrucken
Elektroden entfernen
Ankleiden
Merke
Merkhilfen
Extremitätenableitungen: Die Farben kann man sich gut anhand einer Ampel merken. Zuerst steht man an der roten Ampel und hat mit der rechten Hand den ersten Gang zum Anfahren eingelegt. Anschließend schaltet die Ampel auf Gelb und man greift mit der linken Hand sicher ans Lenkrad. Nun wird die Ampel grün und man lässt mit dem linken Fuß die Kupplung kommen. Mit dem rechten Fuß drückt man jetzt aufs Gas und die Autos hinter einem sehen den schwarzen Ruß aus dem Auspuff.
Brustwandableitungen:
Ampeln sind in Braunschweig lila → erst Ampelschema, dann braun, schwarz und lila
Alternativ: Beginn mit dem Ampelschema (rot, gelb, grün), dann folgenden Merksatz verwenden: Oma backt einen Kuchen, der braun werden soll. Der Kuchen wird aber schwarz, deshalb überzieht sie ihn mit lila Zuckerguss.
Info
Weitere EKG Diagnostik bei Herzinfarkt:
Die Ableitungen V7 bis V9 dienen dem Nachweis posteriorer Myokardinfarkte und werden ergänzend zum 12-Kanal-EKG angebracht. Die Elektroden werden auf dem Rücken der Patient:in in gleicher Höhe wie V6 (5. ICR) positioniert. V7 wird in der hinteren Axillarlinie, V8 auf der mittleren Skapularlinie und V9 paravertebral. Dabei werden die Elektroden V4-V6 verwendet. Bei Bedarf kann die Scapula leicht nach vorne gezogen werden, um eine optimale Positionierung der Elektroden zu gewährleisten. Diese Ableitungen erweisen sich insbesondere bei Hinweisen auf einen posterioren Infarkt im regulären EKG als außerordentlich hilfreich.
Die rechtspräkordialen EKG-Elektroden V3r bis V6r dienen der verbesserten Beurteilung der rechten Herzhälfte, insbesondere bei Verdacht auf einen rechtsventrikulären Infarkt. Die Positionen entsprechen den Standardableitungen V3 bis V6, jedoch erfolgt die Anbringung spiegelbildlich auf der rechten Thoraxhälfte: V3r wird zwischen V1 und V4r angebracht, V4r in der 5. ICR rechts in der Medioclavicularlinie, V5r in der vorderen Axillarlinie rechts und V6r in der mittleren Axillarlinie rechts. Diese Ableitungen ergänzen die Standardableitungen und verbessern die Diagnostik insbesondere bei inferioren Infarkten mit möglicher rechtsventrikulärer Beteiligung.
Achtung: Sobald die geklebten EKG-Ableitungen von der normalen Weise abweichen, muss dieses auf dem Ausdruck vermerkt werden, da dies die Geräte nicht von alleine können!
Komplikationen
Hautreaktionen wie Rötungen oder Irritationen durch Elektroden
Video
Quellen
Gertsch: Das EKG. 2. Auflage Springer 2008, ISBN: 978-3-540-79121-8.