Die akute Pankreatitisist eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die meist mit starken, gürtelförmig in den Rücken ausstrahlendenOberbauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einhergeht. Zu den Hauptursachen zählen Gallensteine und Alkoholkonsum. Die Diagnose der akuten Pankreatitis wird anhand der typischen Klinik und erhöhter Lipasewerte im Labor gestellt. Hinzu kommen bildgebende Verfahren wie die Abdomensonografie und im weiteren Verlauf ggf. die Endosonografie oder die Computertomografie (CT). Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome, die Stabilisierung der Patient:innen durch Flüssigkeitszufuhr und Schmerzmanagement sowie die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache.
Epidemiologie
Inzidenz: Die akute Pankreatitis hat eine Inzidenz von etwa 13-45 Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr
Geschlechterverteilung: Männer sind häufiger betroffen als Frauen, insbesondere aufgrund eines höheren Alkoholkonsums, während Frauen häufiger eine biliäre Pankreatitis entwickeln.
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Ursachen
Gallenwegserkrankungen in ca. 45% der Fälle (biliäre Pankreatitis z.B. durch eine Verlegung des Pankreasgangs/Gallengangs durch einen Gallenstein)
Autoimmunerkrankung (z.B. im Rahmen eines Sjögren-Syndroms)
Hypercalcämie
Hypertriglyzeridämie
Im Rahmen einer ERCP (Endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikografie)
Merke
Merkhilfe: “I GET SMASHED”
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Pathophysiologie
Aktivierung von Pankreasenzymen
Vorzeitige Aktivierung von Verdauungsenzymen, insbesondere Trypsin, im Pankreas
Normalerweise erfolgt die Aktivierung dieser Enzyme erst im Darm
Autodigestion des Pankreas
Enzyme beginnen, das Pankreasgewebe selbst zu verdauen
Freisetzung weiterer Verdauungsenzyme und Entzündungsmediatoren
Entzündungsreaktion
Schwellung (Ödem) des Pankreas aufgrund der Entzündungreaktion
Beteiligung der Blutgefäße, was zu Blutungen führen kann
Erhöhte Kapillarpermeabilität (Kapillarleckage), Flüssigkeit tritt ins umliegende Gewebe aus → Hypotonie und verminderte Organperfusion (ggf. prärenale Nierenschädigung)
Nekrose und Infektion
In schweren Fällen Nekrose des Pankreasgewebe
Nekrotisches Gewebe ist anfällig für Infektionen → Risiko der Bildung von Abszessen und Sepsis
Fettgewebsnekrose und Saponifikation
Fettverdauung durch Lipasen im Pankreas
Freisetzung von Fettsäuren → Fettsäuren binden Calcium → Entstehung von Calciumseifen/Kalkseifen (Saponifikation)
Tipp
Ein niedriger Calciumspiegel kann auf eine schwere Verlaufsform der Erkrankung hinweisen. Calcium wird daher auch als prognostischer Marker bei der akuten Pankreatitis verwendet
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Diagnostik
Diagnosekriterien der akuten Pankreatitis: Wenn mindestens zweider folgenden Kriterien erfüllt sind, kann die Diagnose einer akuten Pankreatitis gestellt werden:
Die Lipase im Serum ist um mehr als das Dreifache der Norm erhöht (Ausschluss einer Pankreatitis bei normwertiger Lipase)
Es liegen typische Oberbauchschmerzen vor (akuter Beginn, häufig gürtelförmige Ausstrahlung in den Rücken)
Es liegen charakteristische Befunde in der Bildgebung vor (i.d.R. Sonografie ausreichend)
Klinik und Anamnese
Symptome:gürtelförmiger, starker Oberbauchschmerz (Epigastrium), ausstrahlend in den Rücken, konstant
Ggf. Sklerenikterus/Hautikterus (biliäre Genese; ggf. auch durch Leberversagen)
Auskultation:spärliche Darmgeräusche (als Hinweise auf einen Ileus)
Ggf. Cullen-Zeichen, Grey-Turner- und Fox-Zeichen
Tipp
Ein sog. Gummibauch spricht für eine akute Pankreatitis. Der Bauch ist hier nicht wie bei einer Peritonitis bakterieller Genese „bretthart“, sondern lässt sich eindrücken und hat eine Konsistenz wie ein praller Gummischlauch. Diese Konsistenz wird durch Reizung des Peritoneums und Blähung des Abdomens erzeugt.
Info
In seltenen, schweren Fällen können bei akuter Pankreatitis Cullen-Zeichen, Grey-Turner-Zeichen oder ein Fox-Zeichen auftreten. Hierbei handelt es sich um Ekchymosen (blaue Flecken), die periumbilikal (Cullen), an den Flanken (Grey-Turner) oder in der Leiste (Fox) auftreten können. Die lokale Blutung entsteht durch die Schädigung von Gefäßwänden durch auslaufende Pankreasenzyme.
Labor:
Kleines Blutbild: meistens Leukozytose
Lipase: Die Lipase ist ein Enzym, das vom Pankreas synthetisiert und über das Pankreassekret in den Darm abgegeben wird. Dort spaltet die Lipase freie Fettsäuren von den Triglyceriden ab. Die Lipase kommt nur im Pankreas vor und ist daher sehr spezifisch. Bei einer akuten Pankreatitis kommt es zu einer Freisetzung der Lipase ins Blut. Da die Lipase über die Nieren ausgeschieden wird, kann es bei einer Niereninsuffizienz ebenfalls zu einer Erhöhung kommen. Es besteht keine direkte Korrelation zwischen der Lipaseaktivität im Serum und dem Ausmaß der Schädigung. Bei einer dreifachen Erhöhung besteht der Verdacht auf eine Pankreatitis
Amylase: die Amylase ist nicht pankreasspezifisch. Sie wird im Pankreas, aber auch in den Speicheldrüsen synthetisiert und ist an der Verdauung von Kohlenhydraten beteiligt. Eine Erhöhung der Amylase kann auf eine akute Pankreatitis, aber auch eine Entzündung der Speicheldrüsen oder auf eine Niereninsuffizienz hindeuten
AP, GGT, ALT, AST: erhöhte Cholestase-Parameter als Hinweis auf eine biliäre Genese der Pankreatitis (ein erhöhter GGT- und MCV-Wert können Hinweise für eine äthyltoxische Genese sein)
Calcium ↓: bei der Selbstverdauung des Pankreas frei werdende Fettsäuren binden Ca2+. Eine Hypercalcämie kann weiterhin die Ursache einer Pankreatitis sein. Der Ca2+-Gehalt im Serum ist ein Marker für die quantitative Gewebeschädigung und damit ein prognostischer Parameter
LDH ↑: Zeichen für einen Zellzerfall
Blutglucose ↑: Untergang der Betazellen
CRP ↑: Hinweis auf eine nekrotisierende Pankreatitis
PCT: Differenzierung zwischen bakterieller und steriler Nekrose
Hämatokrit ↑: bei Diagnosestellung mit schlechter Prognose assoziiert (ein Hämatokrit-Abfall um >10% nach 48 Stunden gilt als Hinweis für die Entwicklung einer schweren Pankreatitis)
Kreatinin, Harnstoff: ein Anstieg nach 24 Stunden gilt als Hinweis für einen schweren Verlauf
Abdomensonografie: Pankreasödem, Abklärung der Genese (Gallensteine? Raumforderung?) und zum Ausschluss möglicher Komplikationen (Pankreaspseudozysten, Pankreasabszesse, Gefäßarrosionen)
Röntgen-Abdomen & Röntgenthorax: ggf. Kalzifikationen oder Zeichen eines paralytischen Subileus (dilatierte Darmschlingen), Nachweis von Pneumonie/Pleuraergüssen
Bei unklarem Befund in der Abdomensonografie: ggf. Endosonografie (Ausschluss einer Choledocholithiasis und eines Pankreasmalignoms), ERCP (= Endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie), MRCP (= Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie) oder CT mit Kontrastmittel
Bei V.a. Komplikationen:CT am nützlichsten für die Prognose >48 Stunden nach Symptombeginn (hier wird der sog. CTSI-Score verwendet)
Der CTSI-Score beinhaltet den Balthazar-Score und den Anteil der Nekrose
Nekrosen können CT- oder Sonografie-gesteuert punktiert werden, um eine Infektion zu diagnostizieren
CT-Grad (Balthazar-Score)
Beschreibung
Punkte
Prognose
A
Pankreas unauffällig
0
Kein erhöhtes Infektions- und Mortalitätsrisiko
B
Pankreas ödematös
1
C
Peripankreatische Entzündungsreaktion
2
Infektions- und Mortalitätsrisiko steigend
D
Einzelne Flüssigkeitsansammlung
3
E
Mehrere Flüssigkeitsansammlungen
4
Nekrose-Score
Beschreibung
Punkte
Summe Balthazar + Nekrose Score
Keine Nekrosen
0
0-3: Mortalität 3%
4-6: Mortalität 6%
7-10: Mortalität 17%
Nekrosen in 1/3 des Pankreas
2
Nekrosen in ½ des Pankreas
4
Nekrosen in >½ des Pankreas
6
Merke
PANCREAS:Perfusion (Flüssigkeit), Analgesia, Nutrition, Clinical (Überwachung), Radiology (Bildgebung z.B. Sonografie/CT), ERC (ggf. Steinextraktion), Antibiotics, Surgery (ggf. Operation)
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Therapie
Stationäre Überwachung
Flüssigkeitssubstitution:
Grund: durch Vasodilatation und Endothelschäden kommt es zu massiven Flüssigkeitsverlusten ⟶ Hypotonie
Bilanzierung der Flüssigkeitsaufnahme und -ausscheidung
Meist hoher Flüssigkeitsbedarf in den ersten 48 Stunden: z.B. Vollelektrolytlösungen
Analgesie:
Bei leichten Schmerzen: z.B. Metamizol
Bei starken Schmerzen: z.B. Piritramid
Ernährung:
Keine allgemeine Nahrungskarenz
Faustregel: „Was vertragen wird, kann gegessen werden.”
Zu Beginn Schonkost
Bei starkem Reflux oder fehlender Verträglichkeit der enteralen Ernährung: endoskopische Anlage einer Jejunalsonde
Parenterale Ernährung, wenn der Energie- und Nährstoffbedarf innerhalb von 5 Tagen nach Krankheitsbeginn enteral nicht ausreichend gedeckt werden kann (so kurz wie möglich, vorzugsweise in Kombination mit enteraler Ernährung)
Antibiotika: bei Nachweis bakterieller Superinfektion (Nachweis von Nekrosen im CT/MRT + Fieber + sprunghaft erhöhte laborchemische Entzündungsparameter ⟶ Nekrosen infizieren sich meistens nach ca. 10-14 Tagen), Cholangitis
Kalkulierte Antibiotikatherapie: z.B. Meropenem und Imipenem/Cilastatin
Intervention: da es bei einer Intervention oder Operation nahezu immer zu einer bakteriellen Cholangitis kommt, sollte bereits vorher eine antibiotische Behandlung erfolgen
Thromboseprophylaxe
Protonenpumpeninhibitoren zur Stressulkusprophylaxe (z.B. Pantoprazol)
Bei biliärer Genese/Cholangitis: kurative Therapie mit ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie) zur Steinextraktion
Bei Auftreten von Komplikationen (bspw. Arrosionsblutungen):Operation
Pseudozysten mit Größe > 5 cm/symptomatisch: minimalinvasive Drainage (perkutan oder über Magen/Duodenum)
Ggf. Nekrosektomie bei infiziertem, nekrotischem Gewebe/Abszessen
Prophylaxe: bei biliärer Genese sollte nach Abklingen der Entzündung eine elektive Cholezystektomie erfolgen
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Komplikationen
Lokale Komplikationen
Frühe Komplikationen (innerhalb von 4 Wochen nach Beginn der Erkrankung):
Akute Flüssigkeitssammlungen: durch erhöhte Gefäßpermeabilität
Abgekapselte Pankreasnekrose: Absterben von Pankreasgewebe, kann infektiös oder steril sein
Späte Komplikationen (>4 Wochen nach Beginn der Erkrankung):
Pankreaspseudozysten: Flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die Wochen nach der akuten Phase entstehen können
Infizierte abgekapselte Nekrose (früher Pankreasabzess): Sekundäre Infektion des nekrotischen Gewebes
Gefäßkomplikationen: Thrombosen in der V. splenica oder der V. portae, Blutungen durch Gefäßarosionen
Pankreasfisteln: Abnormale Verbindungen zwischen dem Pankreas und anderen Organen oder Geweben
Systemische Komplikationen
Sepsis: Infektion mit systemischer Entzündungsreaktion, kann zu Multiorganversagen führen
Schock: Hypotension und Organminderperfusion, z.B. aufgrund Sepsis oder Volumenverluste in den dritten Raum
Paralytischer Ileusdurch entzündungsbedingte Störung der Darmperistaltik
Disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) durch systemische Gerinnungsaktivierung
Weitere Komplikationen
Hypokalzämie: Niedriger Calciumspiegel im Blut, oft durch Saponifikation bei Fettgewebsnekrose
Hyperglykämie: Erhöhter Blutzuckerspiegel durch beeinträchtigte Insulinsekretion (pankreopriver Diabetes mellitus)
Malnutrition:Mangelernährung durch verminderte Nahrungsaufnahme und gestörte Verdauungsfunktion
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Prognose
Milde Verläufe: Etwa 80% der Fälle der akuten Pankreatitis verlaufen mild und heilen mit adäquater medizinischer Betreuung innerhalb weniger Tage bis Wochen vollständig aus
Schwere Verläufe: Ungefähr 20% der Fälle entwickeln schwerwiegende Komplikationen wie Nekrose, Infektionen oder Organversagen, die zu einer signifikant höheren Letalität von bis zu 50% (bei nekrotisierender Pankreatitis) führen können
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Fallbeispiel
Für ein praktisches Fallbeispiel zum Thema siehe Fall 3: Frau mit Oberbauchschmerzen.
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Video
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Quellen
S3-Leitlinie Pankreatitis, Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS)
Zuletzt aktualisiert am 01.03.2025
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