Zusammenfassung
Die adäquate Schmerztherapie bei Kindern stellt im rettungsdienstlichen Alltag eine besondere Herausforderung dar. Neben einer altersgerechten Kommunikation und nichtmedikamentösen Maßnahmen ist die sichere und wirksame Anwendung von Analgetika zentraler Bestandteil der Versorgung. Zwei der wichtigsten Applikationswege in der prähospitalen Versorgung sind die intranasale und die intravenöse Gabe.
Um Dosierungsfehler – insbesondere in Stresssituationen – zu vermeiden, ist der Einsatz standardisierter Hilfsmittel unerlässlich. Dazu gehören längenbasierte Systeme (z. B. Broselow-Tape), altersbasierte Gewichtsschätzformeln sowie digitale Unterstützungstools.
Eine sichere Analgesie bei Kindern erfordert nicht nur Kenntnisse in Pharmakologie und kindlicher Physiologie, sondern auch ein gutes Schmerzeinschätzungsvermögen, den routinierten Umgang mit Hilfsmitteln und ein einfühlsames, ruhiges Vorgehen im Umgang mit dem Kind und seinen Bezugspersonen.
Eine frühzeitige, kindgerechte und individuell dosierte Schmerztherapie ist nicht nur ethisch geboten, sondern trägt entscheidend zur medizinischen Versorgungssicherheit bei und kann psychische Folgekomplikationen wie Traumatisierung reduzieren.
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema Analgesie etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
- Stichwort: Gestürzte Person
- Ort: Kindertagesstätte, Spielplatz
- Alarmzeit: 10:44 Uhr
- Anrufer:in: Erzieherin
- Anzahl der Betroffenen: 1
- Zusatzinfo:
- Männlich, 3 Jahre alt
- Sturz auf dem Spielplatz
- Starke Schmerzen im rechten Arm
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes sitzt ein 3-jähriger Junge mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden des Spielplatzes. Eine Erzieherin kniet neben ihm, spricht beruhigend auf ihn ein und hält ein feuchtes Tuch an seinen rechten Arm.
Die Lage ist wie folgt:
- Kind ist wach und reagiert altersentsprechend
- Er wirkt deutlich verängstigt und klagt über starke Schmerzen im rechten Arm
- Der Arm wird von dem Jungen eng am Körper gehalten
- Er vermeidet jede Bewegung, schon leichte Berührung führt zu intensiven Schmerzen
- Im Bereich des distalen Unterarms ist eine Schwellung sichtbar, die Haut ist intakt
- Beim Klettern an einem Spielgerüst verlor der Junge den Halt und stürzte aus etwa 1 Metern Höhe auf den rechten Arm. Daraufhin setze die Erzieherin den Notruf ab und verständigte die Eltern

Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALL·E (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Ersteinschätzung nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten angewendet werden kann, beispielsweise bei einem gestürzten Kind mit Verdacht auf eine Unterarmfraktur, der über starke Schmerzen klagt und eine präklinische Analgesie benötigt.
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Messung des Blutzuckers
x |
|
|
A |
| Kein |
B |
| Kein |
C |
| Kein |
D |
| Kein |
E |
| Akutes |
AchtungDas hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
Indikation
Indikationen für eine Analgesie bei Kindern im Rettungsdienst bestehen bei allen akuten Schmerzzuständen, die mit einer hohen subjektiven oder beobachteten Schmerzbelastung einhergehen. Da Kinder ihren Schmerz nicht immer adäquat äußern können, ist eine beobachtungsbasierte Schmerzeinschätzung (z.B. mithilfe des KUSS-Schemas
Typische Indikationen:
- Traumatische Schmerzen:
- Frakturen und Luxationen
- Starke Prellungen
- Weichteilverletzungen
- Verbrennungen
und Verbrühungen
- Abdominelle Schmerzen:
- z. B. Appendizitis, Invagination, Harnverhalt
- z. B. Appendizitis, Invagination, Harnverhalt
MerkeDie Hauptindikation für eine Analgesie im Rettungsdienst bei Kindern ist das traumatische Geschehen, insbesondere bei Frakturen, Luxationen, starken Prellungen oder Verbrennungen
, die mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik einhergehen. Auch Stürze, z.B. vom Spielgerüst oder Fahrrad, sind eine häufig anzutreffende Indikation.
Leitalgorithmus Schmerz
Intravenöse vs. nasale Gabe von Analgetika
InfoExkurs Lachgas
In einigen rettungsdienstlichen Bereichen wird inzwischen Lachgas
(Distickstoffmonoxid , N₂O) vorgehalten. Es eignet sich zur Behandlung kurzer, intensiver Schmerzspitzen und hat zusätzlich eine angstlösende und sedierende Wirkung.
- Vorteile:
- Schneller Wirkungseintritt (ca. 2–3 Minuten)
- Reversibilität: Wirkung klingt kurz nach Absetzen ab (5–10 Minuten)
- Inhalative Anwendung ohne Injektion
- Typische Einsatzbereiche:
- Umlagerung von Patient:innen
- Reposition dislozierter Frakturfragmente
- Immobilisation schmerzhafter Extremitäten
- Kontraindikationen (Auswahl) beachten:
- Luftansammlung in Körperhöhlen: wie Pneumothorax
, kürzliche intraokuläre Gasinjektion (iatrogen), Ileus, Belüftungsstörungen des Mittelohrs (z.B. Otitis media) oder bei Hinweisen auf erhöhten intrakraniellen Druck - Erstes Trimester der Schwangerschaft aufgrund Plazentagängigkeit
Anlage eines i.v.-Zugangs im Kindesalter
In der präklinischen Versorgung ist der venöse Zugang bei Kindern deutlich schwieriger als bei Erwachsenen. Gründe sind u. a.:
- Altersbedingt kleine Gefäße und erhöhte periphere Vasokonstriktion (z. B. bei Hypothermie, Volumenmangel
) - Fehlende Kooperation des Kindes
- Mangelnde Routine oder Stress im Team
TippDer Nutzen eines i.v.-Zugangs sollte kritisch hinterfragt werden, insbesondere bei nicht vital bedrohten Kindern. In vielen Fällen ist eine intranasale Applikation (z. B. von Fentanyl
oder Midazolam ) völlig ausreichend.
AchtungIn Notfällen mit vitaler Bedrohung, Bewusstseinsstörung oder schwerem Trauma sind ein i.v.- oder ggf. intraossärer Zugang
jedoch unverzichtbar, um eine rasche und sichere Medikamentengabe sowie Volumentherapie zu gewährleisten.
- Praxistipps zur Zugangsanlage:
- Vorab: nasale Analgosedierung
zur Stress- und Schmerzreduktion - Wenn möglich: zweite Person zur Extremitätenfixierung einplanen, um sichere Punktionsbedingungen zu schaffen
Tipps zur Anlage eines i.v.-Zugangs:
- Mögliche Punktionsorte:
- Säuglinge & Kleinkinder: Handrücken, Fußrücken, Skalpvenen (nur durch erfahrene Kräfte)
- Größere Kinder: Handrücken oder Ellenbeuge (V. mediana cubiti)

Tipp
- Sorgfältige Auswahl der Vene
- Wärmeapplikation (warme Tücher auflegen) zur Vasodilatation
- Auf gute Stauung achten, da Blutdruck bei Kindern niedriger ist
- Extremitäten (Hand oder Fuß) unter Herzniveau halten, um Venenfüllung zu optimieren
Intranasale Medikamentengabe
Die intranasale Applikation von Medikamenten bietet mehrere Vorteile:
- Minimalinvasive Technik
- Gut tolerierbar
- Wirkbeginn: meist innerhalb von 5–10 Minuten
- Die intranasale Applikation eignet sich sowohl als alleinige Maßnahme, z.B. zur Analgesie bei unkomplizierten Frakturen als auch als initiale Sedierung oder Analgosedierung
, um das spätere Legen eines venösen Zugangs zu erleichtern
TippTipps zur Durchführung:
- Wirkstoff zu gleichen Teilen auf beide Nasenlöcher verteilen
- Nur die tatsächlich benötigte Menge aufziehen
- Bei angestrebter Analgosedierung
mit Esketamin + Midazolam → zuerst Esketamin verabreichen (Midazolam brennt stark)
MerkeVergleich intravenöse vs. nasale Verabreichung:
Nasale Gabe Intravenöse Gabe
- Hohe Akzeptanz (schmerzfrei)
- Einfach durchführbar
- Akzeptabler Wirkeintritt → 5-10 Minuten
- Mittel der Wahl bei vital stabilen Patient:innen
- Optimal als Überbrückungsmaßnahme bis Etablierung i.v.-Zugang
- Schlechte Akzeptanz (schmerzhaft)
- Häufig anspruchsvolle Durchführung, v.a. bei Kleinkindern
- Sehr schneller Wirkeintritt
- Beste Steuerbarkeit der Medikamente
- Mittel der Wahl bei vital instabilen Patient:innen
Gewichtsermittlung und Hilfsmittel zur Dosierung
Gewichtsermittlung bei Kindernotfällen
Eine möglichst exakte Ermittlung des Körpergewichts ist entscheidend für die sichere Dosierung von Notfallmedikamenten und die Auswahl passender Materialien (z. B. Tubusgrößen
Hierfür stehen verschiedene Vorgehensweisen zur Verfügung, die sich jedoch hinsichtlich ihrer Genauigkeit unterscheiden.
1. Befragung der Eltern:
Wenn möglich, bietet die Einschätzung der Eltern eine sehr zuverlässige Annäherung an das Körpergewicht des Kindes.
2. Altersbasierte Schätzformeln
Ist eine elterliche Einschätzung nicht möglich, kann das Körpergewicht anhand des Lebensalters abgeschätzt werden. Zur Orientierung
New APLS-Formel:
Eine der am häufigsten verwendeten Formeln zur Schätzung des kindlichen Körpergewichts basiert auf dem Advanced Pediatric Life Support (APLS). Die ursprüngliche APLS-Formel wurde inzwischen überarbeitet und durch die New APLS-Formel ersetzt.
Alter der erkrankten Person | Errechnung des Körpergewichts in kg |
---|---|
< 1 Jahr | (Alter in Monaten × 0,5) + 4 |
1-5 Jahre | (Alter in Jahren + 4) × 2 |
> 5 Jahre | (Alter in Jahren × 3) + 7 |
Best-Guess-Formel:
Ein weiteres altersbasiertes Verfahren zur Schätzung des kindlichen Körpergewichts stellen die sogenannten Best-Guess-Formeln dar. Diese bieten differenzierte Näherungswerte je nach Altersgruppe und gelten als praxistauglich und relativ genau.
Alter der erkrankten Person | Errechnung des Körpergewichts in kg |
---|---|
< 1 Jahr | (Alter in Monaten + 9) / 2 |
1-5 Jahre | (Alter in Jahren + 5) × 2 |
5-14 Jahre | Alter in Jahren × 4 |
3. Längenbasierte Gewichtsermittlung:
Bei der längenbasierten Gewichtsermittlung wird das Körpergewicht anhand der Körperlänge abgeschätzt. Bekanntestes Hilfsmittel ist das Broselow-Band, das seit den 1980er-Jahren etabliert ist. Weitere Produkte verschiedener Hersteller arbeiten nach demselben Prinzip. Grundlage dieser Verfahren ist in der Regel das Idealgewicht.
AchtungBei Kindern, die von der Norm abweichen, z.B. aufgrund von Entwicklungsverzögerungen oder Adipositas
, können längenbasierte Verfahren das Körpergewicht mitunter erheblich falsch einschätzen. Abweichungen von mehr als 10 % gegenüber dem tatsächlichen Gewicht sind in solchen Fällen nicht selten.
Hilfsmittel zur sicheren Medikamentendosierung
Zur sicheren Medikamentendosierung bei Kindern stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, die eine schnelle und möglichst genaue Berechnung unterstützen. Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden und Werkzeuge kurz vorgestellt:
1. Längenbasierte Maßbänder:
Längenbasierte Maßbänder dienen zur schnellen Ermittlung des geschätzten Körpergewichts anhand der Körpergröße und der entsprechenden Medikamentendosierung. Diese werden von verschiedenen Herstellern angeboten.
2. Digitale Tools / Apps:
Digitale Anwendungen ermöglichen die schnelle und präzise Berechnung von Medikamentendosierungen durch Eingabe von Alter, Gewicht oder Körperlänge. Auch webbasierte Applikationen, wie der Ped(z) Kinderarzt Rechner oder das Kinderformularium können hilfreich sein.
3. Dosierungskarten und Tabellen:
Laminierte oder digitale Übersichten, die alters- und gewichtsspezifische Dosierungen enthalten.
TippDer Einsatz dieser Hilfsmittel minimiert die Gefahr von Dosierungsfehlern und trägt maßgeblich zur Erhöhung der Patientensicherheit bei Kindernotfällen bei. Um eine sichere und altersgerechte Medikamentengabe zu gewährleisten, sollte in jedem Fall eines dieser Hilfsmittel aktiv genutzt werden.
Nichtmedikamentöse supportive Maßnahmen
InfoDiese Maßnahmen können Schmerz reduzieren, Angst abbauen und Komplikationen verhindern – dürfen jedoch keine Verzögerung bei vital bedrohlichen Zuständen verursachen.
Physikalische Maßnahme
Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALL·E (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
- Schonende Lagerung entsprechend der Schmerzlokalisation:
- z. B. Bauchdeckenentlastung durch Anziehen der Beine bei abdominellen Schmerzen
- Oberkörperhochlagerung bei Thoraxschmerzen oder Dyspnoe
- Ruhigstellung von Extremitäten in Funktionsstellung
- Kühlung bei Prellungen, Verstauchungen oder Verbrennungen
Immobilisation
- Ruhigstellung schmerzhafter Körperregionen (z. B. Vakuumschienen, Immobilisationsschienen)
- Reduktion von schmerzverstärkenden Bewegungen zur Prävention weiterer Gewebeschäden
TippDie Immobilisation stellt eine essenzielle Ergänzung zur medikamentösen Analgesie im präklinischen Setting dar. Daher ist die Indikation großzügig zu stellen.
Psychologische Betreuung und Kommunikation
- Das Schmerzempfinden
wird im limbischen System affektiv und emotional verarbeitet - Eine einfühlsame Betreuung durch das Rettungsfachpersonal kann das subjektive Schmerzerleben deutlich reduzieren
- Altersgerechte Kommunikation:
- Ruhiger Tonfall
- Blickkontakt auf Augenhöhe
- Kind kleine Entscheidungen treffen lassen (z.B. „Welchen Arm darf ich anschauen?“)
TippInsbesondere ein empathisches, beruhigendes und sicheres Auftreten wirkt sich positiv auf die Schmerzwahrnehmung aus.
Einbeziehung vertrauter Bezugspersonen
- Eltern geben emotionale Sicherheit, reduzieren Angst und Schmerzen
- Körperkontakt und beruhigendes Sprechen wirken stabilisierend
- Eltern können – nach Absprache – das Kind auch bei Lagerung oder Zugangslegung unterstützen
Ablenkungstechniken
- Gespräch über Hobbys, Tiere, Familie
- Verwendung einfacher Reize (z. B. Spielzeug, Seifenblasen, Tablet)
- Ziel: Fokus des Kindes von Schmerz auf positive Inhalte umlenken
Praktische Anwendungsbeispiele
Die präklinische Analgesie bei Kindern erfordert ein strukturiertes Vorgehen unter Berücksichtigung alters- und gewichtsabhängiger Besonderheiten.
Abhängig von Schmerzursache, klinischem Zustand und situativen Gegebenheiten müssen geeignete Wirkstoffe und Applikationswege individuell ausgewählt und sicher angewendet werden.
MerkeDie Auswahl eines geeigneten Analgetikums und Vorgehens hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Landesspezifische SOPs, §2a NotSanG
- Verfügbarkeit von Medikamenten im jeweiligen Einsatzgebiet
- Kompetenz und Sicherheit der Anwender:innen
- Patient:innenfaktoren: Alter, Vorerkrankungen, Begleitmedikation, Allergien
- Einschätzung der Schmerzursache (z. B. kolikartig, viszeral, somatisch)
- Geplante Maßnahmen: z. B. Reposition, Transport mit Vakuummatratze
InfoAnalgesie à la NotSan:
„Analgesie à la NotSan“ steht für einfache, schnell umsetzbare „Handlungsrezepte“ gegen den Schmerz. Ziel ist es, schnell umsetzbare und sichere Konzepte zur Schmerzreduktion bereitzustellen – aus der Praxis für die Praxis.
Schmerzreduktion zählt zu den wichtigsten Maßnahmen im Rettungsdienst. Analgesie muss dabei nicht kompliziert sein. Damit du im Einsatz schnell die passenden Maßnahmen findest, präsentieren wir hier beispielhafte analgetische Konzepte.
Unterarmfraktur - intravenöse Analgesie
Das Szenario
Ein 3-jähriges Kind ist auf einem Spielplatz aus ca. 1,5 m Höhe vom Klettergerüst gestürzt und landete ungebremst auf dem ausgestreckten rechten Arm. Das Kind weint laut, hält den rechten Unterarm und vermeidet jede Bewegung. Eine Schwellung und Fehlstellung sind sichtbar.
Gewichtsermittlung nach Best-Gues-Formel: (3 + 5) × 2 = 16 kg
Vitalparameter | SAMPLER-Schema | OPQRST-Schema |
---|---|---|
|
|
|
Analgesie à la NotSan
MerkeSchritt 1: Analgosedierung
- Midazolam
: 0,05–0,1 mg/kg KG i.v., z. B. bei 16 kg = 0,8–1,6 mg - Esketamin
: 0,25–0,5 mg/kg KG i.v., z. B. bei 16 kg = 4–8 mg Schritt 2: Bei anhaltendem Schmerz (NRS
≥6)
- Esketamin
: erneut 0,25 mg/kg KG i.v., z. B. bei 16 kg = 4 mg, Wirkungskontrolle nach jeder Gabe Schritt 3: Bei Schmerzpersistenz
- Weiterbehandlung durch Notarzt (NA) oder durch NotSan + Telenotarzt (TNA)
Handgelenksfraktur - intranasale Analgesie
Ein 5-jähriger Junge stürzt beim Fahrradfahren auf einem asphaltierten Weg und fällt ungebremst auf die ausgestreckte rechte Hand. Er weint, hält den rechten Arm schützend am Körper und vermeidet jede Bewegung. Am Handgelenk
Gewichtsermittlung nach New APLS Formel: (5 x3) + 7 = 22 kg
Vitalparameter | SAMPLER-Schema | OPQRST-Schema |
---|---|---|
|
|
|
Analgesie à la NotSan
MerkeSchritt 1: Analgosedierung
- Midazolam
: 0,2–0,5 mg/kg KG i.n., z. B. bei 22 kg = 4,4–11 mg i.n. - Esketamin
: 0,5–1 mg/kg KG i.n., z. B. bei 22 kg = 11–22 mg i.n. Schritt 2: Bei anhaltendem Schmerz (NRS
≥6)
- Esketamin
: 11 mg i.n. (bis zu 2x wiederholen) Schritt 3: Bei Schmerzpersistenz
- Weiterbehandlung durch Notarzt (NA) oder durch NotSan + Telenotarzt (TNA)
Appendizitis
Der 6-jährige Junge liegt zusammengerollt auf dem Sofa und klagt über starke Bauchschmerzen, die seit dem Vortag bestehen und zunehmend schlimmer geworden sind. Die Schmerzen begannen diffus im Mittelbauch, sind mittlerweile jedoch deutlich im rechten Unterbauch lokalisiert. Bei der Untersuchung zeigt sich eine klare Abwehrspannung bei Palpation des rechten Unterbauchs. Das Kind wirkt blass
Gewichtsermittlung nach Best-Guess-Formel: 4 x 6 = 24 kg
Vitalparameter | SAMPLER-Schema | OPQRST-Schema |
---|---|---|
|
|
|
Analgesie à la NotSan
MerkeSchritt 1: Basistherapie
- Paracetamol
: 15 mg/kg KG i.v., z. B. bei 24 kg = 360 mg i.v. Schritt 2: Bei anhaltendem Schmerz (NRS
≥6)
- Nalbuphin: 0,1–0,2 mg/kg KG i.v., z. B. bei 24 kg = 2,4–4,8 mg i.v.
Schritt 3: Bei Schmerzpersistenz
- Weiterbehandlung durch Notarzt (NA) oder durch NotSan + Telenotarzt (TNA)
Komplikationen
Atemdepression:
- Ursachen:
- Besonders bei Opioiden (z. B. Fentanyl
, Morphin ) - Kombination von Esketamin
mit Sedativa (z. B. Midazolam , Propofol ) - Überdosierung oder hohe Empfindlichkeit im Säuglingsalter
- Besonders bei Opioiden (z. B. Fentanyl
- Maßnahmen:
- Regelmäßige Kontrolle von Atemfrequenz
, SpO₂ und EtCO₂ - EtCO₂-Monitoring ist bei Kindern besonders wichtig zur Früherkennung
- Bei Hypoventilation
: O₂-Gabe, ggf. Maskenbeatmung vorbereiten - Naloxon
als Antidot bereithalten ( )
- Regelmäßige Kontrolle von Atemfrequenz
Hypotonie:
- Ursachen:
- Vasodilatation durch Opioide
oder Benzodiazepine - Hypotonie zeigt sich bei Kindern oft erst spät – Gefahr der kompensierten Schocksituation
- Vasodilatation durch Opioide
- Maßnahmen:
- Engmaschige RR-Kontrolle, Orientierung
: systolisch ≥ 70 + (2 × Alter in Jahren) - Volumengabe
bei Bedarf
- Engmaschige RR-Kontrolle, Orientierung
Übelkeit & Erbrechen:
- Ursachen:
- Häufig bei Opioidgabe
- Stimulation der Chemorezeptor
-Triggerzone (CTZ) in der Area postrema
- Maßnahmen:
- Antiemetika
vorbereiten, - Aspirationsprophylaxe
: Oberkörperhochlagerung, Absaugung bereithalten
- Antiemetika
Paradoxe Erregung / Agitation:
- Ursachen:
- V. a. bei Midazolam
, vor allem in niedriger Dosierung ohne Esketamin - Schmerz kann als Ursache nicht ausgeschlossen werden
- V. a. bei Midazolam
- Maßnahmen:
- Reizarme, ruhige Umgebung schaffen
- Verhalten beobachten, engmaschiges Monitoring
- Flumazenil
nur in Absprache mit ärztlicher Leitung
AchtungPatient:innensicherheit in der pädiatrischen Analgesie
- Kindgerechte Dosierung mit standardisierten Hilfsmitteln (z. B. Apps, Gewichtsbänder)
- Stufenweises Vorgehen mit titrierter Medikamentengabe
- Monitoring: RR, HF, SpO₂, ggf. EtCO₂ kontinuierlich
- Bewusstsein und Atemfrequenz
regelmäßig kontrollieren - Antidote kennen und altersgerecht dosieren (z. B. Naloxon
, Flumazenil ) - Material für Atemwegssicherung in Kindergrößen vorhalten (Masken, Tuben, Absaugung)
Quellen
- S2k-Leitlinie Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)
- Prähospitale Analgesie beim verletzten Kind, NOTARZT 2018; 34(05): 254 - 271