Bei der Anamnese sind vereinfacht folgende Bereiche zu berücksichtigen, über die Informationen zu sammeln sind:
Aktuelle Beschwerden
Allergien
Medikamenteneinnahme
Auffälligkeiten während der Schwangerschaft
Auffälligkeiten bei Geburt
Entwicklungsstand
Ernährung, Schlafverhalten
Vorerkrankungen
Familienanamnese
Soziale Anamnese
Achtung
Vor einer ausführlichen Anamnese sollte eine notfallmäßige Einschätzung des Kindes erfolgen, um bei Verdacht auf eine schwere Erkrankung unverzüglich die Notfallversorgung zu priorisieren.
Gehe hierfür nach der SAMPLER-Methode vor:
Sie steht für Symptome, Allergien, Medikamente, Patientengeschichte, Letzte Mahlzeit, Ereignisse, die zur Situation führten, und Risiken (z.B. Rauchen der Eltern). Diese Methode hilft, schnell relevante Informationen zu sammeln und eine fundierte Ersteinschätzung vorzunehmen.
Aktuelle Beschwerden
Die Erfassung der aktuellen Beschwerden ist ein entscheidender Schritt, um den Grund für den Arztbesuch zu verstehen und gleichzeitig potenzielle akute Erkrankungen frühzeitig zu erkennen. Indem die Hauptsymptome präzise beschrieben und die Entwicklung der Beschwerden genau nachverfolgt werden, kann eine fundierte Basis für die weitere Diagnostik und Behandlung geschaffen werden.
Beispielhafte Fragen:
Tipp
Zur Orientierung können folgende hilfreiche und nützliche Fragen gestellt werden:
Was sind die Hauptbeschwerden?
Seit wann bestehen die Symptome?
Gibt es begleitende Symptome?
Wie schnell haben sich die Symptome entwickelt und zeitlich verändert?
Sind Allergien bekannt?
Welche Maßnahmen wurden bisher durchgeführt (Medikamente, Hausmittel)?
Gab es kürzlich Kontakt zu Personen mit ansteckenden Krankheiten?
Bestehen Vorerkrankungen oder Voroperationen?
Schwangerschafts- und Geburtsanamnese
Informationen über die Schwangerschaft sind von großer Bedeutung, da sie einen wichtigen Aufschluss über mögliche Risikofaktoren geben können, die das Wohlbefinden und die Gesundheit des Kindes nachhaltig beeinflussen. Insbesondere können gesundheitliche Komplikationen der Mutter während der Schwangerschaft oder spezielle Umstände, wie etwa Infektionen oder Medikamente, Hinweise auf potenzielle Herausforderungen für das Kind liefern. Darüber hinaus spielen auch die genauen Umstände der Geburteine zentrale Rolle, da sie wertvolle Informationen über den Geburtsverlauf bieten und Hinweise auf notwendige medizinische Maßnahmen sowohl in der sofortigen Versorgung als auch in der langfristigen Betreuung des Kindes geben können.
Tipp
Hier einige beispielhafte und praxisorientierte Fragen zur Orientierung, die bei der strukturierten Erhebung der Schwangerschafts- und Geburtsanamnese hilfreich sein können:
Gab es Komplikationen (Blutungen, Infektionen, etc.) während der Schwangerschaft?
Wurden Medikamente während der Schwangerschaft eingenommen?
Wurde während der Schwangerschaft geraucht, Alkohol oder andere Drogen konsumiert?
In welcher Schwangerschaftswoche ist das Kind geboren worden?
Gab es vorherige Geburten, Schwangerschaften und Fehlgeburten?
War es eine vaginale Geburt oder ein Kaiserschnitt (Geburtsmodus)?
Gab es Geburtskomplikationen?
Wie waren das Geburtsgewicht, die Körperlänge und der Kopfumfang des Kindes bei der Geburt?
Gab es Auffälligkeiten im Neugeborenenscreening oder bei den Vorsorgeuntersuchungen?
Ernährungsanamnese
Die Erfassung der Ernährungsgewohnheiten eines Kindes stellt einen essenziellen Bestandteil der pädiatrischen Anamnese dar, da die Ernährung nicht nur maßgeblich das Wachstum und die körperliche Entwicklung beeinflusst, sondern auch das Immunsystem, die kognitive Entwicklung und das allgemeine Wohlbefinden des Kindes unterstützt. Eine detaillierte Ernährungsanamnese ermöglicht es, eventuelle Defizite oder Überversorgungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende präventive oder therapeutische Maßnahmen einzuleiten.
Tipp
Beispielhafte Fragen, die zur Erhebung des Ernährungszustandes eines Kindes gestellt werden können:
Welche Nahrung erhält das Kind aktuell (Muttermilch, Flaschennahrung, Breikost)?
Wie ist die genaue Zusammensetzung der Nahrung?
Gibt es Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien?
Werden Nahrungsergänzungsmittel verabreicht?
Wird eine Rachitis- und Kariesprophylaxe mit Vitamin D und Fluor durchgeführt?
Entwicklungsanamnese
Die Überwachung der Entwicklungsmeilensteine hilft, frühzeitig Entwicklungsverzögerungen oder -störungen zu erkennen.
Tipp
Beispielhafte Fragen, die als Orientierung dienen, die Entwicklung des Kindes einzuschätzen:
Wann wurden wichtige Entwicklungsmeilensteine erreicht (z.B. Krabbeln, Laufen, Sprechen)?
Entspricht die Entwicklung der Körpermaße (Gewicht, Länge und Kopfumfang) den Perzentilen?
Gibt es Besonderheiten in der motorischen oder sprachlichen Entwicklung?
Bestehen Verhaltensauffälligkeiten?
Info
Was sind Perzentilen?
Perzentilen sind ein in der Kinder- und Jugendheilkunde häufig genutztes statistisches Instrument, um Werte wie Körpergröße oder -gewicht in Bezug auf die Werte von Altersgenossen zu setzen und so die Entwicklung der Parameter einzuschätzen. Hierbei wird ein Einzelwert nach Rang bzw. Größe sortiert. Mithilfe von Perzentilen Kurven oder Tabellen lassen sich die Werte eines Individuums mit denen eines Vergleichskollektivs vergleichen. Vor allem der Verlauf des Wachstums und des Gewichts lässt sich so gut dokumentieren. Ein sogenanntes „Schneiden“ der Perzentile sollte die Behandelnden aufhorchen lassen und zu einer Überprüfung führen. Wichtig ist zudem, dass jeweils passende Vergleichskollektiv zu wählen - so gibt es beispielsweise für Geschlecht oder Herkunft unterschiedlichen Perzentilen Kurven.
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Gewichtsperzentilenkurve für Mädchen
Familienanamnese
Genetische Prädispositionen und familiäre Gesundheitsgeschichte können das Risiko für bestimmte Erkrankungen beim Kind erhöhen.
Tipp
Beispielhaft einige Fragen, die gestellt werden können, um sich ein Bild über mögliche erbliche Erkrankungen eines Kindes zu machen:
Gibt es chronische Erkrankungen in der Familie?
Sind erblich bedingte Krankheiten, Fehlbildungen oder Allergien bekannt?
Besteht ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Eltern (Konsanguinität)?
Impfanamnese
Der Impfstatus ist entscheidend für den Schutz des Kindes vor vermeidbaren Infektionskrankheiten.
Tipp
Welche Impfungen wurden durchgeführt?
Gibt es ausstehende oder versäumte Impfungen?
Soziale Anamnese
Das soziale Umfeld und Lebensbedingungen können die Gesundheit und Entwicklung des Kindes wesentlich beeinflussen.
Tipp
Wie ist die Wohnsituation?
Wie ist die familiäre Situation (Patchworkfamilie, alleinerziehend etc.)?
Gibt es besondere Stressfaktoren oder Belastungen in der Familie (Trennung, Arbeitslosigkeit, Suchterkrankungen)?
Wie ist die Betreuungssituation (z.B. Kindergarten, Schule)?
Sind in Kindergarten oder Schule Schwierigkeiten aufgetreten?
Was ist der Beruf der Eltern?
Altersspezifische Aspekte
Die Anamneseerhebung bei Kindern erfordert eine altersgerechte Anpassung, da sich körperliche, kognitive und emotionale Entwicklungsstufen von Säuglingen bis hin zu Jugendlichen deutlich unterscheiden. Während bei Säuglingen und Kleinkindern die Fremdanamnese durch Eltern oder Bezugspersonen im Vordergrund steht, gewinnen ab dem Schulalter zunehmend die Selbstanamnese und altersentsprechende Befragungstechniken an Bedeutung. Zudem spielen bei Jugendlichen psychosoziale Faktoren und die Berücksichtigung von Themen wie Pubertät und Identitätsentwicklung eine zentrale Rolle.
Überblick über die wichtigsten altersspezifischen Aspekte bei der Anamnese von Säuglingen, Kleinkindern, Schulkindern und Jugendlichen:
Neugeborenes/Säugling:
Erhebung durch Eltern/Erziehungsberechtigte
Schwangerschafts- und Geburtsanamnese
Stillverhalten, Trinkmenge, Schlafgewohnheiten
Entwicklungsmeilensteine
Impfstatus
Symptome: Fieber, Schreiverhalten, Auffälligkeiten beim Stillen/Nahrungsaufnahme
Kleinkind:
Eltern als Hauptquelle der Anamnese
Motorische und sprachliche Entwicklung
Ess- und Schlafgewohnheiten
Soziales Verhalten
Frühere Infektionen, Impfungen, Unfälle
Schulkind:
Kind kann selbst Informationen geben
Schulische Leistung, soziales Verhalten
Freizeitaktivitäten
Symptome: Kopfschmerzen, Bauchschmerzen
Eltern ergänzen mit Informationen zur Familienanamnese und bisherigen Erkrankungen
Jugendlicher:
Eigenständige Anamnese durch den Jugendlichen
Körperliche Veränderungen in der Pubertät
Psychosoziale Aspekte, schulische und berufliche Ziele
Gespräch ggf. ohne Eltern zur Wahrung der Privatsphäre
Tipp
Es ist hilfreich, das gelbe Untersuchungsheft des Kindes in die Anamnese und Untersuchung einzubeziehen. Es bietet zusätzliche Informationen zur Entwicklung und bisherigen Gesundheitsvorsorge, die für eine umfassende Beurteilung nützlich sein können.
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Quellen
Elterninformation "Mein Kind hat Fieber", Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.