Zusammenfassung
Die Zervikalstütze (häufig auch Stiffneck) dient der Immobilisation der Halswirbelsäule

"Military neck trauma simulation.jpg" von Senior Airman Janiqua P. Robinson, CC0, via Wikimedia Commons
Indikationen
Die Entscheidung zur HWS
NEXUS -Kriterien (National Emergency X-Radiography Utilization Study):
- Ziel: Identifikation von Patienten mit einem geringen Risiko für eine HWS
-Verletzung, die keine Immobilisation und keine bildgebende Diagnostik benötigen. - Eine HWS
-Verletzung ist unwahrscheinlich, wenn alle fünf Kriterien erfüllt sind: - Keine Bewusstseinsstörung (wacher und orientierter Patient, GCS
15) - Kein fokalneurologisches Defizit (z. B. keine Lähmungen, Sensibilitätsstörungen)
- Kein Druckschmerz über der Mittellinie der HWS
oder Muskelhartspann - Keine Intoxikation (z. B. Alkohol, Drogen, Sedierung)
- Kein schweres ablenkendes Extremitätentrauma, das Schmerzen maskieren könnte
- Keine Bewusstseinsstörung (wacher und orientierter Patient, GCS
→ Wenn alle Kriterien erfüllt sind, ist eine HWS
→ Falls mindestens eines der Kriterien nicht erfüllt ist, sollte eine HWS
Canadian C-Spine-Rule (CCR):
- Ziel: Entscheidungsfindung für bildgebende Diagnostik und Immobilisation basierend auf Hoch- und Niedrigrisikofaktoren.
- Schritt 1: Hochrisikofaktoren (Immobilisation erforderlich)
- Eine Immobilisation ist erforderlich, wenn mindestens ein der folgenden Hochrisikofaktoren vorliegt:
- Alter ≥ 65 Jahre
- Gefährlicher Unfallmechanismus (z. B. Sturz aus >2 m Höhe, direkter Schlag/Sturz auf den Kopf, Hochgeschwindigkeitsaufprall, Fahrradunfall, Überschlag)
- Parästhesien in den Extremitäten
- Eine Immobilisation ist erforderlich, wenn mindestens ein der folgenden Hochrisikofaktoren vorliegt:
- Schritt 2: Niedrigrisikofaktoren (Test der Beweglichkeit möglich):
- Falls keiner der Hochrisikofaktoren vorliegt, prüft man folgende Niedrigrisikofaktoren. Falls mindestens ein der folgenden Punkte erfüllt ist, kann eine Beweglichkeitsprüfung der HWS
erfolgen: - Einfacher Auffahrunfall
- Ambulanter Aufnahmestatus
- Sitzende Position in der Notaufnahme
- Verzögerter Schmerzbeginn
- Kein Druckschmerz über der HWS
- Falls keiner der Hochrisikofaktoren vorliegt, prüft man folgende Niedrigrisikofaktoren. Falls mindestens ein der folgenden Punkte erfüllt ist, kann eine Beweglichkeitsprüfung der HWS
- Schritt 3: Rotationsfähigkeit der HWS
prüfen - Falls keiner der Hochrisikofaktoren vorliegt und mindestens ein Niedrigrisikofaktor erfüllt ist:
- Der Person soll aktiv seinen Kopf um 45° in beide Richtungen drehen
- Falls diese Bewegung schmerzfrei möglich ist, keine Immobilisation erforderlich
- Falls die Person Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen hat, bildgebende Diagnostik und ggf. Immobilisation
- Falls keiner der Hochrisikofaktoren vorliegt und mindestens ein Niedrigrisikofaktor erfüllt ist:
Kontraindikationen
- Patient:innen mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Die Zervikalstütze kann den intrakraniellen Druck (ICP) erhöhen, was bei Hirndruckzeichen problematisch sein kann → Alternative Immobilisation (z. B. Vakuummatratze) sollte erwogen werden
- Akute vitale Bedrohung (A/B/C-Problem): Bei kritisch instabilen Patient:innen (z. B. Atemwegsprobleme, massiver Blutverlust) kann die Immobilisation nachrangig sein, wenn sie den Transport verzögert
- Unfähigkeit, den Kopf in Neutralposition zu bringen (z.B. Morbus Bechterew
)
Aufklärung
Da die Anlage einer Zervikalstütze in der Regel eine Notfallmaßnahme darstellt, ist eine formale Aufklärung nicht erforderlich. Dennoch ist es sinnvoll, den Patienten kurz über den Zweck und das Vorgehen zu informieren, um Ängste zu reduzieren und die Kooperation zu erleichtern.
Material
- Einmalhandschuhe
- Zervikalstütze
Durchführung
Vorbereitung:
- Begrüßung und Vorstellung des Teams
- Zuvor sollte festgelegt werden, wer den Kopf stabilisiert und wer die Zervikalstütze anlegt
- Einmalhandschuhe
anziehen - Manuelle HWS
-Immobilisierung: - Ein Helfer stabilisiert den Kopf der Person: Beide Hände unter den Kopf legen, Daumen zeigen in Richtung Unterkiefer
Größenauswahl und Anpassung:
- Enge Kleidung im Halsbereich öffnen, lange Haare aus dem Sichtfeld schieben
- Abstand zwischen Schulter und Unterkiefer messen: Hand mit lateraler Kante auf die Schulter setzen und Abstand bis zum Unterkiefer schätzen (in diesem Fall 4 Finger Breite)
- Größe an der Zervikalstütze entsprechend einstellen
- Arretierung öffnen und Höhe anpassen
- Höhe seitlich am Hals der Person überprüfen
- Arretierung verschließen
Anlage der Zervikalstütze:
- Helfer fixiert weiterhin den Kopf der Person in Neutralposition
- Links neben dem Oberkörper der Person knien
- Kinnteil der Zervikalstütze von außen greifen und von kaudal kommend unter das Kinn der Person schieben
- Das freie Ende der Zervikalstütze greifen und um den Nacken herumführen
- Helfer zieht Hände vorsichtig zurück, ohne die Immobilisation aufzugeben
- Klettverschluss fassen, straff ziehen und Zervikalstütze verschließen
- Sitz kontrollieren: Die Mundöffnung sollte noch problemlos möglich sein
InfoExkurs: Zervikalstützen sind röntgendurchlässig, sodass sie während einer CT
- oder Röntgen-Untersuchung nicht entfernt werden müssen. Das gilt auch für Vakuummatratzen, Spineboards oder Beckenschlingen. Diese Eigenschaft ermöglicht eine zuverlässige Immobilisation der Wirbelsäule während der Bildgebung, ohne die Diagnostik zu beeinträchtigen.

“Medical X-Ray imaging RAH06 nevit.jpg” von © Nevit Dilmen, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Komplikationen
- Erhöhter intrakranieller Druck durch gestörten venösen Abfluss
- Atemwegsobstruktion (z.B. bei Adipositäs)
- Fehlende Stabilisierung bei nicht korrekt angepasstem Kragen
- Verzögerung der Intubation
oder anderer lebensrettender Maßnahmen - Angst oder Panikreaktionen
- Dekubitus bei langer Tragedauer
Quellen
- S3-Leitlinie Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung, Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU), Stand 2022, Abrufdatum 30.01.2025
- S2k-Leitlinie Katastrophenmedizinische prähospitale Behandlungsleitlinien, Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Stand 2023, Abrufdatum 30.01.2025