Zusammenfassung
Antiarrhythmika sind eine sehr heterogene Medikamentengruppe, die zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden. Diese Medikamente haben verschiedene Wirkmechanismen und werden traditionell nach der Klassifikation von Vaughan Williams in vier Hauptklassen eingeteilt:
- Klasse I: Natriumkanalblocker (z. B. Ajmalin, Lidocain
, Flecainid), die die Erregungsleitung im Herzen verlangsamen - Klasse II: Betablocker
(z. B. Propranolol, Metoprolol ), die die Herzfrequenz reduzieren und die Erregbarkeit des Herzmuskels verringern - Klasse III: Kaliumkanalblocker (z. B. Amiodaron
, Sotalol), die die Refraktärzeit verlängern und die Repolarisation verzögern - Klasse IV: Calciumkanalblocker (z. B. Verapamil, Diltiazem), die den Calciumeinstrom in die Herzmuskelzellen verhindern und die Erregungsleitung verlangsamen, besonders im AV-Knoten
Antiarrhythmika regulieren die elektrische Aktivität des Herzens und stellen so die normale Herzfunktion wieder her. Sie werden zur Behandlung verschiedener Arrhythmien wie Vorhofflimmern
Aktionspotential am Abeitsmyokard
- Das Aktionspotenzial
am Arbeitsmyokard gliedert sich in die Depolarisation , eine verlängerte Plateauphase und in die Repolarisation - Die Phasen werden durch die dargestellten Elektrolytein- und ausströme bedingt
Einteilung der Arrhythmien
- Von Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) spricht man, wenn das Herz zu schnell, zu langsam oder unregelmäßig schlägt
- Liegt eine Herzfrequenz
von über 100 Schlägen pro Minute in Ruhe vor, so spricht man von tachykarden Rhythmusstörungen, bei einer Frequenz von unter 60 Schlägen pro Minute von bradykarden Rhythmusstörungen - Bei Belastung oder bei Sportlern können höhere oder niedrigere Frequenzen auch physiologisch sein
Klasse I: Natriumkanalblocker
- Die Klasse-I-Antiarrhythmika sind von den Lokalanästhetika
abgeleitet - Sie blockieren die schnellen Natrium
-Kanäle
→ Hierdurch wird ein größerer Reiz notwendig, um ein Aktionspotenzialauszulösen
→ Die Herzmuskelzellen sind somit weniger erregbar und es dauert länger bis eine Zelle erneut erregt werden kann - So kann die Fortleitung ektoper Erregungen, also Erregungen, die nicht am Sinusknoten
entstehen, unterdrückt werden. Auch akzessorische Leitungsbahnen , wie sie z.B. bei der AV-Reentry-Tachykardie auftreten, können so beendet werden - Die Klasse-I-Antiarrhythmika können weiter unterteilt werden in:
- Ia: blockieren den Natriumkanäle nur im offenen Zustand (Bsp.: Ajmalin)
- Ib: verkürzen das Aktionspotential, binden den Natriumkanal im inaktivierten Zustand (Bsp.: Lidocain
) - Ic: hemmen den Natriumkanal im offenen und inaktivierten Zustand, haben keinen Einfluss auf das Aktionspotential (Bsp.: Flecainid)

AchtungKlasse-I-Antiarrhythmika können durch die verlangsamte Erregungsleitung proarrhythmogen wirken. Ein besonders gefährliches Beispiel für eine solche proarrhythmogene Wirkung ist das Auslösen von Kammerflimmern
Klasse II: Betablocker
- Klasse-II-Antiarrhythmika umfassen Betablocker
- Durch die Blockade der ß1-Rezeptoren können die Katecholamine
nicht mehr binden und ihre stimulierende Wirkung bleibt aus → Negativ chronotrop, negativ dromotrop und negativ inotrop - ß-Blocker verbessern die Prognose nach Myokardinfarkt und bei Herzinsuffizienz
→ Alle Patienten sollten daher nach einem Herzinfarkt ß-Blocker erhalten, es sei denn es liegen Kontraindikationen vor

Klasse III: Kaliumkanalblocker
- Die Klasse-III-Antiarrhythmika blockieren die repolarisierenden Kalium
-Kanäle - Hierdurch kommt es zu einer Verbreiterung des Aktionspotenzials
und zu einer Verlängerung der Refraktärzeit
→ Somit können ähnlich zum Mechanismus der Klasse-I-Antiarrhythmika Reentry-Kreise unterbrochen werden - Durch die Verbreiterung des Aktionspotenzials
kann mehr Ca2+ in die Zelle einströmen. Dies kann als Nebenwirkungen zu einem LQT-Syndrom (Gefahr der Torsade-de-pointes-Tachykardie ) führen - Ein wichtiger Wirkstoff ist das Amiodaron
- Es ist das am häufigsten verordnete Antiarrhythmikum
- Amiodaron
hat ein hohes Verteilungsvolumen und muss daher aufgesättigt werden (Halbwertszeit von bis zu 100 Tagen)
→ Schlechte Steuerbarkeit - Enthält viel Jod (Merkhilfe: Am-jod-aron) und kann daher zu einer Hyper- und Hypothyreose führen

Klasse IV: Calciumkanalantagonisten
- Die Klasse-IV-Antiarrhythmika haben wir bereits bei den Antihypertensiva
behandelt: Calciumantagonisten vom Verapamil- und Diltiazem-Typ - Sie hemmen insbesondere die L-Typ-Calciumkanäle und wirken daher vor allem am Sinus- und AV-Knoten
- Die Calciumantagonisten
wirken primär auf die Überleitungsgeschwindigkeit des AV-Knotens → Behandlung von Vorhofflimmern oder -flattern mit einer schnellen Überleitung auf die Kammern (Einsatz, wenn Kontraindikationen gegen ß-Blocker vorliegen) - Nur die Calciumantagonisten
vom Verapamil- und Diltiazem-Typ wirken antiarrhythmisch. Calciumantagonisten vom Nifedipin -Typ können sogar proarrhythmogen wirken

Weitere Antiarrhythmika
Adenosin
- Wirkung:
- Aktiviert K+-Kanäle im Sinusknoten
und hemmt Ca2+-Kanäle im AV-Knoten
→ Negativ chronotrop und bathmotrop - Kann den AV-Knoten
für einige Sekunden vollständig blockieren (sehr kurze Halbwertszeit <10 sek)
- Aktiviert K+-Kanäle im Sinusknoten

Magnesium
- Magnesium liegt im Körper überwiegend gebunden in den Knochen und Muskeln vor
- Magnesium ist ein physiologischer Calciumantagonist
- Behandlung von Torsade-de-pointes-Tachykardien und von glykosidbedingten Herzrhythmusstörungen
Ivabradin
- Wirkung:
- Ivabradin hemmt die "Funny'"-Natriumkanäle im Sinusknoten
→ Verlangsamte Depolarisationund Reduktion der Herzfrequenz (negativ chronotrop)
- Ivabradin hemmt die "Funny'"-Natriumkanäle im Sinusknoten

Siehe auch Ivabradin bei Herzinsuffizienz
Herzglykoside
- Wirkung:
- Herzglykoside hemmen die Natrium
-Kalium -ATPase
→ Dadurch verbleibt mehr Natriumin der Zelle
→ Die Triebkraft für den Natrium-Calcium -Antiporter nimmt ab
→ Mehr Calciumverbleibt intrazellulär→ Positiv inotrop, negativ dromotrop
- Herzglykoside hemmen die Natrium
- Herzglykoside aktivieren zentrale Vaguskerne (Parasympathikus
aktiv) → Negativ dromotrop, negativ chronotrop - Positiv bathmotrop
(Erregbarkeit ist gesteigert)
Siehe auch Digitalisglykoside bei Herzinsuffizienz
| Besonderheiten | Indikationen | Nebenwirkungen | |
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Digoxin ![]() Abbildung verwendet gemäß Flaticon-Premium-Lizenz. Dieses Bild darf ggf. nur mit einer entsprechenden Flaticon-Premium-Lizenz außerhalb der Medi Know-Materialien verwendet werden. |
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MerkeDigitoxin längeres Wort → Über größeres Organ Leber metabolisiert
Digoxin kürzeres Wort → Über kleineres Organ Niere eliminiert
Digitalisintoxikation
- Ursache: Überdosierung, Akkumulation bei Niereninsuffizienz, Verzehr von Fingerhut (digitalishaltige Pflanze)
- Verstärkung des Digitaliseffekts:
- Hypokaliämie
- Hyperkalzämie
- Hypokaliämie
- Hemmung des P-Glykoproteins (Verapamil, Erythromycin)

- EKG
: - Muldenförmige ST-Streckensenkungen
- AV-Block
- Herzrhythmusstörungen
- Muldenförmige ST-Streckensenkungen
- Therapie:
- Absetzen von Digitalis
- Gabe von Aktivkohle
- Ggf. Magenspülung
- Digitalis Antitoxin
- Kalium
im oberen Referenzwert einstellen - Nur bei Digitoxin: Colestyramin, Hämoperfusion
Lernkarten: Kardiovaskuläres System
Fallbeispiele
Für viele praktische EKG
Erkennst du anhand des dargestellten EKGs
Video
Quellen
- Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
- Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012
- Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5
- Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4



