Zusammenfassung
Bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1000 Gramm treten häufig Apnoen (Atemaussetzer von mehr als 20 Sekunden) auf, die durch die Unreife der zentralen Atemsteuerung bedingt sind. Diese Atemaussetzer gehen oft mit einer Bradykardie
Je nach Schweregrad erfordern diese Apnoen eine Behandlung, da sie das Risiko für hypoxische Hirnschäden und eine Retinopathie (sauerstoffmangelbedingte Schädigung der Netzhaut) erhöhen. Die Therapie umfasst bei leichten Fällen eine taktile Stimulation oder die Gabe von Koffein, um die Atemtätigkeit zu fördern. Bei schweren Apnoen kann eine CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure) oder, in besonders schweren Fällen, eine invasive Beatmung notwendig sein.
Allgemein
Unreife bedingtes Apnoe-Bradykardie
DefinitionKriterien für das ABHS
- Apnoen: Atempausen von mehr als 20 Sekunden oder Atempause unter 20 Sekunden, mit Bradykardie
/ Hypoxämie - Bradykardie
: Herzfrequenz unter 80 Schlägen pro Minute oder Abfall der HF auf über ein Drittel des Basalwertes - Hypoxämie
: Sauerstoffsättigung (SpO₂) unter 80 % für mindestens 4 Sekunden
MerkeMit zunehmendem Reifealter nimmt die Häufigkeit und Schwere der Symptome normalerweise ab.
Ursachen
- Unreifebedingt: Apnoen durch die Unreife der zentralen Atemregulation
- Symptom einer Grunderkrankung (symptomatischen Apnoe)
- Sepsis
- Respiratorische Insuffizienz
- Zentrale Atemregulationsstörung: Beeinträchtigungen wie Asphyxie oder Hirnblutungen
- Gastroösophagealer Reflux: Rückfluss von Mageninhalt kann Atemaussetzer fördern
- Obstruktion der oberen Luftwege: Verlegung der Atemwege durch anatomische oder funktionelle Faktoren
- Fütterungsbedingte Bradykardien: Durch Vagusreiz ausgelöste Herzfrequenzabfälle beim Füttern
AchtungApnoen gelten prinzipiell bis zum Beweis des Gegenteils als sepsisverdächtig!
Pathophysiologie
Das Apnoe-Bradykardie
Unreife bedingte Ursachen verschiedener Organsysteme
- Hypoxie-Reaktion bei Frühgeborenen: Im Gegensatz zu reifen Neugeborenen reagieren Frühgeborene auf eine Hypoxie (Sauerstoffmangel) häufig mit Apnoen, also Atempausen, anstatt einer gesteigerten Atemanstrengung.
- Verminderte CO₂-Responsivität: Durch die unreife Atemregulation zeigen Frühgeborene eine verminderte Reaktion auf erhöhte Kohlendioxidwerte (Hyperkapnie
), was zu einer geringen Atemstimulation führt. Diese verminderte CO₂-Responsivität verstärkt das Risiko für Atempausen. - Kollaps
der oberen Atemwege: Die Muskelspannung in den oberen Atemwegen ist oft schwach, was einen Kollaps und damit Obstruktionen begünstigt, insbesondere bei Hypotonie und während Apnoen. - Instabiler Thorax
: Ein weicher, weniger stabiler Brustkorb bei Frühgeborenen erhöht die Anfälligkeit für Kollapsereignisse der Atemwege und verstärkt Atemaussetzer.
MerkeDie Auswurfleistung des Herzens wird bei Frühgeborenen vor allem über die Herzfrequenz
gesteuert.
Folgen der Apnoe bei ABHS
Die oben beschriebenen Mechanismen führen zu einer Kette von physiologischen Ereignissen:
- Apnoen → Hypoxämie
(Sauerstoffmangel im Blut ) und Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) - Bradykardie
und Hypoxämie → Reduktion der Herzauswurfleistung - Verminderte Herzauswurfleistung → Minderdurchblutung und mögliche Folgeschäden an empfindlichen Organen, insbesondere:
- Hirnperfusion: Verminderte Durchblutung des Gehirns, die neurologische Folgeschäden verursachen kann
- Retinopathie: Sauerstoffmangel kann zu Gefäßwachstumsstörungen in der Retina führen, was bei schweren Verläufen zur Erblindung führen kann
MerkeDie pathophysiologische Kaskade des ABHS
Apnoen → Hypoxämie
und Bradykardie → Absinken der Herzauswurfleistung → Folgeschäden der Organe
Diagnose
Die Diagnose des Apnoe-Bradykardie
Oxy-Kardio-Respiro-Grafie
Dabei werden folgende Parameter gleichzeitig gemessen:
- Thorakale und nasale Atmung: Hierdurch lassen sich Atemaussetzer (Apnoen) und Atemmuster
erfassen. Die thorakale Atemmessung zeigt die Brustkorbbewegung, während die nasale Atmung die Luftströmung anzeigt - Herzfrequenz
: Eine Abnahme der Herzfrequenz (Bradykardie ) kann ein Hinweis auf das Syndrom sein und ist ein direktes Symptom der Hypoxie- und Apnoeereignisse - Sauerstoffsättigung
: Eine Abnahme der Sauerstoffsättigung (Hypoxämie ) zeigt an, dass das Blut weniger Sauerstoff transportiert, was bei länger anhaltenden Apnoen und Bradykardien auftreten kann und auf eine eingeschränkte Sauerstoffversorgung hinweist
Therapie
Die Therapie des Apnoe-Bradykardie
Therapeutische Ansätze
Taktile Stimulation
Leichte Berührungen wie sanftes Streicheln oder vorsichtiges Schütteln des Frühgeborenen können ausreichen, um eine Atempause zu unterbrechen und den Atemantrieb wiederherzustellen. Diese Methode wird häufig als erste Maßnahme bei milden Apnoe-Episoden eingesetzt.
Atemstimulation mit Methylxanthinen
Methylxanthine, insbesondere Koffein, werden häufig zur Atemstimulation verwendet. Sie wirken zentral auf das Atemzentrum im Gehirn und erhöhen die Atemantriebskraft. Koffein ist die bevorzugte Substanz, da es eine lange Halbwertszeit hat und meist gut vertragen wird.
Verbesserung der Sauerstoffversorgung
Bei anhaltender Hypoxämie
Ultima Ratio: Maschinelle Beatmung
Wenn die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichend sind und das Frühgeborene weiterhin schwere Apnoen und Hypoxämien erleidet, ist die maschinelle Beatmung
Diese abgestuften therapeutischen Maßnahmen ermöglichen eine Anpassung der Behandlung je nach Schweregrad und Häufigkeit der Apnoen sowie der individuellen Reaktion des Frühgeborenen auf die Therapie.
Quellen
S2k-Leitlinie: Therapie idiopathischer Apnoen, Bradykardien und Hypoxämien bei Früh- und Reifgeborenen, Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI)