Einleitung
Im Folgenden stellen wir die gerinnungshemmende Therapie ausgewählter Erkrankungen dar. Hierbei fokussieren wir uns nur auf die gerinnungshemmende Therapie und gehen nicht auf die anderen diagnostischen oder therapeutischen Schritte ein. Diese sind im jeweiligen Artikel erklärt.
Venenthrombose
Initiale gerinnungshemmende Therapie einer Venenthrombose
- Sofortiger Beginn einer Antikoagulation in therapeutischer Dosierung
- Durch die Antikoagulation soll ein weiteres Wachstum des Thrombus und eine Lungenarterienembolie
vermieden werden. Weiterhin soll ein postthrombotisches Syndrom verhindert werden - Dauer: 5-21 Tage
- Wirkstoff:
- DOAK: Apixaban
oder Rivaroxaban (Apixaban und Rivaroxaban mit erhöhter Initialdosis ➜ bei der Erhaltungstherapie Dosisreduktion) - Bei geplanter Erhaltungstherapie mit Dabigatran
, Edoxaban , Vitamin-K-Antagonisten : initiale Antikoagulation mit Heparin - Zu bevorzugen (effektiver, sicherer und praktischer als unfraktioniertes Heparin
): niedermolekulares Heparin , Fondaparinux - Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion oder ggf. notwendiger/geplanter Operation oder Intervention: unfraktioniertes Heparin
- Zu bevorzugen (effektiver, sicherer und praktischer als unfraktioniertes Heparin
- DOAK: Apixaban
- Durch die Antikoagulation soll ein weiteres Wachstum des Thrombus und eine Lungenarterienembolie
Erhaltungstherapie
- Nach der Initialtherapie sollte eine Erhaltungstherapie zur Verhinderung von Rezidiven erfolgen
- Die Dauer der Erhaltungstherapie hängt von den Risikofaktoren, den Komorbiditäten, der Anzahl von Venenthrombosen in der Vergangenheit und der Ursache für die Venenthrombose ab. Die Erhaltungstherapie sollte für mindestens 3 Monate erfolgen
- 3 Monate genügen in der Regel bei:
- Vorübergehendem Risikofaktor (z.B. Immobilisation aufgrund einer Operation)
- Distaler Unterschenkelthrombose mit idiopathischer Ursache
- Armvenenthrombose
- Thrombose der V. jugularis interna
- Für 6 Monate/verlängerte Erhaltungstherapie bei:
- Rezidiv
- Malignomerkrankung (ggf. bis zur Heilung/dauerhafte Antikoagulation)
- Proximaler Beinvenenthrombose/Beckenbeteiligung mit unklarer Ursache
- Lungenarterienembolie
mit unklarer Ursache - Thrombophilie ➜ auch nach den 6 Monaten ggf. verlängerte Erhaltungstherapie abhängig von den individuellen Faktoren
- 3 Monate genügen in der Regel bei:
Wirkstoffe:
- 1. Wahl DOAK (geringere Rate von schweren Blutungen als Vitamin-K-Antagonisten
): Dabigatran , Apixaban , Rivaroxaban (Apixaban und Rivaroxaban mit erhöhter Initialdosis ➜ bei der Erhaltungstherapie Dosisreduktion), Edoxaban - Vitamin-K-Antagonisten
: Phenprocoumon, Warfarin - Ziel-INR: 2,0-3,0 (während der Eindosierung parallele Gabe von Heparin
, bis ein konstanter INR-Wert von >2 vorliegt)
- Ziel-INR: 2,0-3,0 (während der Eindosierung parallele Gabe von Heparin
- Niedermolekulares Heparin
: bei tumorbedingter Venenthrombose
Medikamentöse Sekundärprävention nach der Erhaltungstherapie:
- Nach der Erhaltungstherapie sollte eine Evaluation für eine Antikoagulation im Rahmen der Sekundärprävention erfolgen. Die Evaluation sollte insbesondere bei Patient:innen mit einer proximalen Venenthrombose und/oder einer Lungenarterienembolie
erfolgen - Bei einem hohen Risiko für Rezidive kann nach der Erhaltungstherapie eine medikamentöse Sekundärprävention durch eine Antikoagulation erfolgen
- Die Indikation zur medikamentösen Sekundärprävention sollte in Zusammenschau aller Befunde und Risikofaktoren (Rezidivrisiko einer Thrombose/Lungenarterienembolie
und Risiko einer Blutung) sowie abhängig vom Patient:innenwunsch gestellt werden: - Geringes Rezidivrisiko (<3%/Jahr): keine Antikoagulation
- Vorübergehende, schwache Risikofaktoren: z.B. Immobilisation aufgrund einer Operation
- Isolierte Unterschenkelvenenthrombose
- Mittleres Rezidivrisiko (3-8%/Jahr): individuelle Entscheidung zur Antikoagulation abhängig vom Blutungsrisiko; bei einer Entscheidung für eine Antikoagulation sollte diese in geringerer Dosierung erfolgen
- Dauerhafte, schwache Risikofaktoren: z.B. Autoimmunerkrankung, chronisch entzündliche Darmerkrankung, leichte Thrombophilie, Paresen der unteren Extremitäten, duplexsonographisch residualer Thrombus, männliches Geschlecht, erhöhte D-Dimere
nach dem Absetzen einer 3-6-monatigen Antikoagulation etc. - Aktuell bestehender, vorübergehender, schwacher Risikofaktor: z.B. Schwangerschaft, Östrogentherapie, kleine Operation, Beinverletzung (ohne Fraktur), lange Reise >6-8 Stunden
- Unklare Ursache für die Beinvenenthrombose und die Lungenarterienembolie
ohne vorhandenen Risikofaktor
- Dauerhafte, schwache Risikofaktoren: z.B. Autoimmunerkrankung, chronisch entzündliche Darmerkrankung, leichte Thrombophilie, Paresen der unteren Extremitäten, duplexsonographisch residualer Thrombus, männliches Geschlecht, erhöhte D-Dimere
- Hohes Rezidivrisiko (>8%/Jahr): dauerhafte Antikoagulation in einer therapeutischen Dosierung
- Dauerhafte, starke Risikofaktoren: schwere Thrombophilie (z.B. Protein-C- und Protein-S-Mangel, Antithrombinmangel, homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation), Antiphospholipidsyndrom, aktive Malignomerkrankung
- Rezidiv einer Venenthrombose oder einer Lungenarterienembolie
ohne einen vorübergehenden, starken Risikofaktor - Schweres thromboembolisches Ereignis unter einer Antikoagulation
- Geringes Rezidivrisiko (<3%/Jahr): keine Antikoagulation
- Es sollte jährlich reevaluiert werden, ob eine Indikation zur medikamentösen Sekundärprävention besteht und ob das Rezidivrisiko höher ist als das Blutungsrisiko
Wirkstoffe zur Sekundärprävention:
- 1. Wahl DOAK (geringere Rate von schweren Blutungen als Vitamin-K-Antagonisten
): Dabigatran , Apixaban (Dosisreduktion im Vergleich zur Erhaltungstherapie), Rivaroxaban (bei mittlerem Rezidivrisiko Dosisreduktion im Vergleich zur Erhaltungstherapie), Edoxaban - Vitamin-K-Antagonisten
: Phenprocoumon, Warfarin - Ziel-INR: 2,0-3,0
- Der Nutzen der Antikoagulation zur Rezidivprophylaxe sollte gegen das Blutungsrisiko abgewogen werden:
- Beurteilung des Blutungsrisikos anhand des VTE-BLEED-Scores:
- Aktive Tumorerkrankung = 2 Punkte
- Anämie
(Hb-Wert bei Frauen <12 g/dl; Hb-Wert bei Männern <13 g/dl) = 1,5 Punkte - Frühere, klinisch relevante Blutung = 1,5 Punkte
- Alter ≥60 Jahre = 1,5 Punkte
- Niereninsuffizienz (GFR <60 ml/min) = 1,5 Punkte
- Männlich mit unkontrollierter Hypertonie
(≥140 mmHg) = 1 Punkt - Beurteilung:
- <2 Punkte = niedriges Risiko für eine Blutung
- ≥2 Punkte = hohes Risiko für eine Blutung
- Beurteilung des Blutungsrisikos anhand des VTE-BLEED-Scores:
Für eine Übersicht über die Wirkstoffe und deren Dosierungen siehe auch: Venenthrombose und Lungenarterienembolie
Antiphospholipidsyndrom
- Das Antiphospholipidsyndrom ist eine Autoimmunerkrankung, die durch das Vorhandensein von Antiphospholipid-Antikörpern
im Blut gekennzeichnet ist. Es kann mit einer erhöhten Thrombose- und Thromboembolieneigung sowie mit Schwangerschaftskomplikationen einhergehen - Patient:innen mit einem Antiphospholipidsyndrom haben ein hohes Risiko für thromboembolische Ereignisse. Es besteht daher die Indikation für eine langfristige Antikoagulation
- Es besteht ein stark erhöhtes Risiko bei:
- Nachweis von mehreren Antiphospholipid-Antikörpern
- Nachweis von einem Antiphospholipid-Antikörper zu verschiedenen Zeitpunkten
- Keine Antikoagulation nach einer Thrombose
- Nachweis von mehreren Antiphospholipid-Antikörpern
- Antikoagulation nach einer Thrombose bei einem bestehenden Antiphospholipidsyndrom:
- Dauerhafte Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten
(Phenprocoumon oder Warfarin) mit einem Ziel-INR von 2,0-3,0 - Bei einer Remission der Antikörper und/oder einer langfristig stabilen klinischen Situation sollte eine Reevaluation bezüglich der Notwendigkeit einer Antikoagulation gemeinsam mit dem/der Patient:in erfolgen (aktuell unklare Evidenz)
- Bei einem Antiphospholipidsyndrom sollte keine Antikoagulation mit einem DOAK erfolgen
- Bei einer arteriellen Thrombose, insbesondere bei einem erhöhten kardiovaskulären Risiko, sollte ggf. eine zusätzliche Therapie mit Acetylsalicylsäure
(= ASS) erfolgen
- Dauerhafte Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten
AchtungBei einem Antiphospholipidsyndrom sollte die orale Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten
und nicht mit einem DOAK erfolgen.
Schwangerschaft und Antiphospholipidsyndrom
- Bei mehrfachen Spontanaborten und Schwangerschaftswunsch: niedermolekulares Heparin
und ASS (off-label – z.B. ASS 50-150 mg 1-0-0 p.o. bis zur 34. Schwangerschaftswoche) - 1. und 2. Trimenon: niedermolekulares Heparin
und ASS (off-label – z.B. ASS 50-150 mg 1-0-0 p.o. bis zur 34. Schwangerschaftswoche) - Im 3. Trimenon sollte kein ASS gegeben werden, da dies zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus führen kann
- Phenprocoumon kann teratogen wirken und sollte daher nach Möglichkeit nicht gegeben werden (bei mechanischer Herzklappe: siehe Antikoagulation bei mechanischer Herzklappe bei schwangeren Patientinnen
)
- 3. Trimenon bis 6. Woche postpartal: niedermolekulares Heparin
Fallbeispiele
Fallbeispiele zur gerinnungshemmenden Therapie findest du im Ordner Fallbeispiele Gerinnungshemmung
Für ein Fallbeispiel zur gerinnungshemmenden Therapie bei einer tiefen Venenthrombose siehe:
Quellen
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie, Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA)