Zusammenfassung
Der medizinische Fachbegriff benignes Prostatasyndrom (BPS) umfasst die histologische Veränderung der Prostata (gutartige Vergrößerung) sowie die dadurch entstehenden Symptome im unteren Harntrakt (Blasenspeicherung-, Blasenentleerungsstörung).
Das BPS ist eine häufige urologische Erkrankung des älteren Mannes mit bislang unbekannter Genese. Mögliche Einflussfaktoren, die die Entstehung begünstigen (Kausalgenese) sind u.a. hormonelle Veränderungen, Übergewicht
Bemerkbar macht sich die Erkrankung durch Beschwerden beim Wasserlassen (bspw. verzögerter Miktionsbeginn, plötzlicher Harndrang, schwacher Strahl). Die Symptome werden in obstruktive und irritative Symptome eingeteilt.
Die Diagnostik beinhaltet eine umfangreiche Anamnese, körperliche Untersuchung, Labor (mit Fokus auf Entzündungswerte, PSA-Wert), Fragebogen zu Symptomen und Lebensqualität, bildgebende Diagnostik (abdominale und transrektale Sonografie) sowie zur Funktionsüberprüfung u.a. eine Uroflowmetrie
Je nach Indikationsprofil und Symptomgrad kommen folgende Therapien zum Einsatz: Watchful Waiting und Lebensstilveränderung
InfoWissenssnack
Bis vor
Kurzem war der Begriff benigne Prostatahyperplasie (BPH) in Verwendung, der sich aber rein auf die histologische Veränderung der Prostata beschränkte. Um sowohl die histologische als auch symptomatische Komponente zum Ausdruck zu bringen, wurde dieser durch benignes P rostatasyndrom (BPS) ersetzt.
Epidemiologie
Beim BPS handelt es sich um die häufigste urologische Erkrankung des älteren Mannes. Ab
Ursachen
Die genaue Genese ist bislang
- Adipositas
: Fettzellen produzieren Östrogen , welches ein Wachstumsstimulus für Prostatazellen ist - Erhöhter Testosteronspiegel: Testosteron
ist essenziell für das Wachstum der Prostata - Erhöhte Aktivität von Prostatastammzellen
- Erhöhte Ausschüttung von anti-apoptotischen Wachstumsfaktoren in der Prostata
- Familiäre Prädisposition
- Hohes Alter
Pathophysiologie
Entstehung der Blasenentleerungs- & Speicherstörung
- Durch die Volumenzunahme der Prostata kommt es zu einer Verengung unterhalb der Harnblase (subvesikalen Obstruktion)
- Diese äußere Kompression der Harnröhre erschwert die Miktion
- Es entstehen Blasenentleerungssymptome mit inadäquate Entleerung (Restharnbildung)
- Diese äußere Kompression der Harnröhre erschwert die Miktion
- Durch den Verbleib von Restharn in Kombination mit Miktionsstörung
ist die maximale Harnblasenkapazität schnell erreicht - Im Verlauf des BPS kann es auch zu einer Harninkontinenz kommen, welche meist, durch den Restharn bedingt, als
Überlaufinkontinenz einzuordnen ist
- Im Verlauf des BPS kann es auch zu einer Harninkontinenz kommen, welche meist, durch den Restharn bedingt, als
- Durch Wachstum des Detrusormuskel der Harnblase
- Es kommt zur Detrusorüberaktivität, bei der der Detrusormuskel unkontrolliert kontrahiert
- Es entsteht u.a. der plötzliche Harndrang (imperative Harndrang)
- Es kommt zur Detrusorüberaktivität, bei der der Detrusormuskel unkontrolliert kontrahiert
Klinik
Die Einteilung der Symptome erfolgt in obstruktiv und irritativ. Die Größe der Prostata muss nicht mit dem Ausmaß der Symptomatik korrelieren.
InfoEnglische Abkürzung (Akronym) für Symptome der unteren Harnwege lautet LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms).
Obstruktive Symptome
- Störungen/Symptome der Blasenentleerung, bedingt durch subvesikale Obstruktion
- Erschwerter Beginn der Miktion
- Tröpfelnde oder mehrzeitige Miktion
- Verlängerte Miktionszeit
- Abgeschwächter Harnstrahl
- Nachträufeln nach der Miktion
- Gefühl des Restharns
Irritative Symptome
- Störungen/Symptome der Blasenspeicherung, bedingt durch die inadäquate Blasenentleerung (Restharn) und raschem Erreichen der max. Blasenkapazität
- Nykturie
- Pollakisurie
- Imperativer Harndrang
- Dysurie
- Nykturie
Diagnostik
Durchgeführt wird die Basisdiagnostik (Anamnese, körperliche Untersuchung, Urinanalyse
Anamnese
TippAls
Orientierungsfaden bei der Anamnese kann man das SAMPLERS-Schema verwenden.
- Symptome: Abfrage nach Miktionsbeschwerden
(obstruktive und irritative Symptome) - Allergien
- Medikamente: Dauer- und Bedarfsmedikation
- P
ast medical history: bekannte Vorerkrankungen - Last
: letzte Miktion, letzter Stuhlgang, letzte Nahrungsaufnahme, letzter Krankenhausaufenthalt - Events: vorangegangene Ereignisse; Umstände, die zur aktuellen Erkrankung geführt hätten
- Risikofaktoren: siehe oben Ursachen
Körperliche Untersuchung
- Untersucht werden vor
allem - Abdomen, inkl. Nieren
- äußeres Genital auf Fehlbildung, Verengungen
- Größe der Prostata, Drüsenbeschaffenheit (mittels digital-rektaler Untersuchung)
Urinuntersuchung
- Urin-Stix
zum Ausschluss oder Nachweis eines akuten Harnwegsinfektes und/oder einer Mikrohämaturie - Bei Auffälligkeiten kann eine Urinkultur
durchgeführt werden
MerkeDer Urin-Stix
dient in der Urologie als schnelles, diagnostisches Mittel bei Aufkommen von Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS).
Labor
- Prostataspezifisches Antigen
: zum Ausschluss (Differenzialdiagnose) eines Prostatakarzinoms (siehe Prostatakarzinom ) - Zusätzlich sollte im Serum
das Kreatinin untersucht werde, um eine bereits vorangegangene Schädigung des oberen Harntrakts zu erkennen
AchtungDer PSA-Wert kann durch Medikamente wie bspw. 5-alpha-Redukatse-Inhibitoren beeinflusst werden. Es besteht die Gefahr einer Fehlinterpretation, bei fehlerhafter Anamnese (Medikamentenanamnese).
Zu beachten ist auch, dass der PSA-Wert beim BPS zwar häufig leicht erhöht ist, jedoch sind die Werte meist niedriger als
beim klinisch signifikanten Prostatakarzinom und haben eine geringere Dynamik!
Fragebogen
- IPSS „International Prostate Symptom Score“ als
internationaler Standardfragebogen zur: - Einschätzung der Symptome
- Einschränkung der Lebensqualität
- Erfolgskontrolle bzw. Nachsorge
- Gefragt wird nach subjektiv, wahrgenommen Symptomen im Rahmen des Wasserlassens, in den letzten 4 Wochen und Lebensqualitätsbeeinträchtigung durch die Symptome
- Auswertung
- Symptom-Skala von 0 bis 5 (0 = niemals, 5 = fast immer), max. Punkteanzahl 35
- Einteilung in drei Patientengruppen nach milder, mittlerer, schwerer Symptomatik
Punkte | Patient mit |
---|---|
0-7 | milder Symptomatik |
8-19 | mitteler Symptomatik |
20–35 | schwerer Symptomatik |
- Lebensqualitäts-Skala von 0 bis 6 (0 = ausgezeichnet, 6 = sehr schlecht); diese Punkte werden separat ermittelt.
- Das Ergebnis lautete dann zum Beispiel 20 + 5
Obligate Sonografie
- Abdomen-Sonografie von Nieren, Harnblase
- Transrektale Sonografie der Prostata (siehe urologische Diagnostik)
Uroflowmetrie (siehe Urologische Diagnostik)
- Methode: nicht invasiv
- Indikation: zur Objektivierung des BPS und zur Klärung einer OP-Indikation
- Auswertung: eine Urinflussrate von <10 ml/s sind typisch für ein BPS; bei einer Flussrate über 15 ml/s ist eine operative Therapie wenig sinnvoll
Therapie
Konservative Therapie
- Kontrolliertes Abwarten (Watchful Waiting) mit Umstellungen des Lebensstils bei Patienten mit:
- Geringen Symptomen
- Geringem Leidensdruck (IPSS <7) und
- Keinen drohenden Organschäden
InfoLebensstilveränderungen
- Gewichtsreduktion
- Vermeiden diuretisch wirksamer Substanzen (Alkohol, Koffein)
- Blasentraining oder Miktion in festen Intervallen
Medikamentöse Therapie
Ist der Leidensdruck zu hoch oder die o.g. Maßnahmen erfolglos, stehen verschiedene medikamentöse Behandlungsoptionen zur Verfügung.
- Medikamente für Entleerungsstörung
- α1-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Tamsulosin)
- Hemmung der glatten Muskulatur in Prostata und Blasenhals
- Unterstützt die Entspannung der Muskulatur (Relaxation), welche zu einer Verringerung des Blasenauslasswiderstandes führt
- Miktion wird erleichtert
- Unterstützt die Entspannung der Muskulatur (Relaxation), welche zu einer Verringerung des Blasenauslasswiderstandes führt
- Hemmung der glatten Muskulatur in Prostata und Blasenhals
- 5α-Reduktase-Hemmer (z.B. Finasterid)
- Hemmt die Umwandlung von Testosteron
zu Dihydrotestosteron (DHT) - Wachstumsreiz für die Prostata wird vermindert
- Hemmt die Umwandlung von Testosteron
- Phytotherapeutika, wie z.B. Sägepalmextrakt zur kurzfristigen Linderung
- α1-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Tamsulosin)
TippTamsulosin und Finasterid gibt es oft als
Kombinationstherapie.
- Medikamente für Speicherstörung
- Anticholinergika
(z.B. Trospiumchlorid) - Verringert die Kontraktionen des Detrusormuskels der Harnblase
- β3-Agonisten (z.B. Mirabegron)
- Unterstützt die Relaxation des Detrusormuskels und erhöht die Compliance
der Harnblase
- Unterstützt die Relaxation des Detrusormuskels und erhöht die Compliance
- Anticholinergika
Operative Therapie
InfoIndikationen für eine Operation sind rezidivierende Harnwegsinfekte, rezidiveriende Harnverhalte
, Schädigungen des oberen Harntrakts, Rezidivierende Makrohämaturien , die konservativ nicht beherrschbar sind, Harnblasensteine und/oder Harnblasendivertikel, Medikamentös nicht ausreichend gelinderte Symptomatik.
- Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P
) - Durchführung: mittels einer Elektroschlinge (Resektoskop) wird transurethral, die hyperplastische Prostata abgeschält
- Um Sichtbehinderung durch Blutungen aus der Prostata zu vermeiden, wird das OP-Gebiet dauerhaft mit einer Spülflüssigkeit gespült
- Bei Anwendung von monopolarem Strom muss diese elektrolytfrei sein
- Durchführung: mittels einer Elektroschlinge (Resektoskop) wird transurethral, die hyperplastische Prostata abgeschält
InfoKomplikationen
- TUR-Syndrom: Durch die Resorption der salzfreien Spülflüssigkeit kann eine Hyponatriämie
entstehen. Besonders bei einer langen OP-Dauer besteht dieses Risiko. Insgesamt liegt die Wahrscheinlichkeit eines TUR-Syndroms bei 2 % (d.h. sehr selten) - Retrograde Ejakulation: Durch die Resektion ist die Prostataloge deutlich erweitert, wodurch das Ejakulat nach TUR-P
bei 60 % der Patienten zunächst in die Harnblase fließt und bei der nächsten Miktion ausgeschieden wird. Es ist wichtig, den Patienten hierüber aufzuklären - Entwicklung einer Harnröhrenstriktur durch die Manipulation bei der OP, etwa bei 5 % der Patienten
- Miktionsstörungen
, wie Harninkontinenz oder Harnverhalt : diese treten meistens nur vorübergehend postoperativ auf - Allgemeine OP-Risiken: z.B. Blutungen und Infektionen
- Laserablation der Prostata
- Durchführung: Abtragung des obstruierenden Prostatagewebes mittels Laser
- Lasertypen: mit unterschiedlicher Energie, z.B. Holmium oder Thulium-Laser
- Vorteil: es können vor
allem sehr große Prostata effektiv verkleinert werden, da das Gewebe zunächst mit einem sogenannten Morcellator in der Harnblase zerkleinert und dann transurethral entfernt wird
- Offene Adenomenukleation
- Indikationen: eine sehr stark vergrößerte Prostata, eine bekannte Harnröhrenstriktur sowie -blasensteine
- Durchführung: Entfernung der stark vergrößerten Teile durch einen offenen Zugang (Unterbauch)
- Anwendung: entweder transvesikal oder retropubisch; mittlerweile vergleichsweise selten, da ihr die transurethralen Verfahren überlegen sind
Komplikationen
Harnverhalt (Ischurie )
- Definition: Blasenentleerungsstörung, Harnstau (ein urologischer Notfall!)
- Ursachen: u.a. als
Spätkomplikation des BPS, zusätzlich getriggert durch Alkohol, Narkosen oder anticholinerge Medikamente - Symptome: unruhiger Patient, seit mehreren Stunden bestehendes Unvermögen zu urinieren, Unterbauchschmerzen, imponierender Unterbauchtumor (die massiv gefüllte Harnblase)
- Diagnose: schnellste Bildgebung ist die Harnblasensonografie
; weiterführend kann ein CT gemacht (siehe untenstehendes Bild: CT der Harnblase) - Medizinischer Eingriff: akute Anlage eines Katheters, falls möglich transurethral, oder notfalls suprapubisch

Hellerhoff, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildung wurde zugeschnitten und eine Markierung ergänzt.
Wiederkehrende Harnwegsinfektionen
- Rezidivierende Harnwegsinfektionen durch eine erhöhte Restharnmenge
- Bei Männern sind Harnwegsinfektionen immer suspekt, gelten als
komplizierte HWIs und bedürfen einer ausführlichen Abklärung!
Nierenschädigung
- Ebenso kann bei deutlich erhöhten Restharnmengen und einem dekompensierten unteren Harntrakt eine Schädigung der Nieren auftreten (bspw. Hydronephrose, postrenale Nierenschädigung
)
Weitere Komplikationen
- Entwicklung eines Blasensteins (achtfaches Risiko)
- Blut
im Urin (Makrohämaturie ) - Harnblasendivertikelbildung (Gefahr der Restharnansammlung und evtl. dadurch entstehenden HWIs)
- Störung der Blasenmuskulatur (Detrusorfunktionsverlust)
Quellen
- S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS), Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU)
- Gassar et al: Basiswissen Urologie. Springer Verlag 2023, ISBN: 978-3-662-67449-9
- Hautmann et al: Urologie. Springer Verlag 2014, ISBN: 13 978-3-642-34318-6