Zusammenfassung
Das Bobath-Konzept ist ein bewegungstherapeutisches Behandlungskonzept. Es wird in der Rehabilitation von Patient:innen mit Erkrankungen des ZNS eingesetzt, die mit Bewegungsstörungen, Lähmungserscheinungen und Spastiken einhergehen. Dieses Konzept wird in der therapeutisch-aktivierenden Pflege eingesetzt und nutzt die Plastizität des Gehirns aus. Diese bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, lebenslang zu lernen
Das Bobath-Konzept verfolgt vier zentrale Ziele:
- Aktivierung der Patient:innen zur Normalisierung des Muskeltonus
- Verbesserung der Haltungskontrolle
- Verbesserung der Körperwahrnehmung
- Anbahnung von normalen Bewegungsabläufen für Alltagshandlungen
Um diese Ziele umzusetzen, machen Pflegekräfte den Patient:innen mit jeder Positionierung und Mobilisation
Definitionen
Bobath-Konzept
Ursprünglich wurde das Bobath-Konzept als Therapiekonzept entwickelt und diente der Befundaufnahme und Behandlung von Menschen mit allen neurologischen Fähigkeitsstörungen, wie beispielsweise Hemiparesen oder Aphasie nach einem Schlaganfall. Mittlerweile wird es weltweit als bewegungstherapeutisches Behandlungskonzept angewendet und dient zur Rehabilitation von Menschen mit Erkrankungen des ZNS, die mit Bewegungsstörungen (z. B. Ataxie
Das Bobath-Konzept wird auch in anderen Fachbereichen eingesetzt, wie bei Menschen mit orthopädischen Problemen (z. B. nach Gelenkoperationen), chirurgischen Herausforderungen (wie bei der Rehabilitation nach großen Bauchoperationen), internistischen Erkrankungen (z. B. nach einem Herzinfarkt) oder sportmedizinischen Problemen (wie bei der Behandlung von Muskelverletzungen). Das Konzept wird seit den 1990er-Jahren spezifisch in der Pflege weiterentwickelt. Nun basiert es auf dem Prinzip, Menschen nach bio-psycho-sozialen Aspekten zu erfassen, das heißt, die körperlichen, psychischen und sozialen Dimensionen eines Menschen zu berücksichtigen, anstatt sich ausschließlich auf das Krankheitsbild zu konzentrieren.
Therapeutisch-aktivierende Pflege
Diese Art der Pflege fokussiert sich auf die Entwicklung von körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten von Menschen mit einem Pflegebedarf. Die Grundlage für die therapeutisch-aktivierende Pflege ist das Bobath-Konzept und hier werden die Maßnahmen, wie beispielsweise die gezielte Lagerung zur Vermeidung von Spastik
Entstehung des Bobath-Konzeptes
Die Physiotherapeutin Bertha Bobath entwickelte um 1940 das Bobath-Konzept. Bei der Behandlung von Patient:innen mit Hemiplegie
Die daraus entstandene Theorie basierte zunächst nur auf den Beobachtungen von Bertha Bobath und galt als umstritten, da Spastiken damals als nicht reversibel angesehen und primär als irreversible Schädigungen des zentralen Nervensystems interpretiert wurden. Deshalb entwickelte Bertha Bobaths Mann, der Neurologe Karl Bobath, die neurophysiologischen Grundlagen zur wissenschaftlichen Untermauerung des Konzeptes.
Anfangs wurde das Konzept bei Kindern mit Zerebralparese eingesetzt, ab 1960 jedoch auch auf Erwachsene ausgeweitet. Es wurde erkannt, dass ähnliche Prinzipien zur Hemmung von Spastiken und zur Förderung von Bewegungsfunktionen auch bei erwachsenen Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen, wie Schlaganfällen, wirksam sind. Das Konzept entwickelt sich laufend weiter und orientiert sich immer an den individuellen Fähigkeiten und Ressourcen der betroffenen Patient:innen.
Grundprinzipien
Das Bobath-Konzept basiert auf der Grundlage der Plastizität, also der lebenslangen Lern- und Umorganisationsfähigkeit des Gehirns. Somit bezeichnet Plastizität die Fähigkeit des Gehirns, sich durch neuronale Anpassungen an veränderte Anforderungen oder neue Lernprozesse anzupassen. Demnach ist es uns Menschen möglich, die motorische und geistige Entwicklung vom Säugling zum Erwachsenen zu durchleben. Im Erwachsenenalter geht die Plastizität zwar zurück, aber es ist dem Gehirn immer noch möglich, neue Verbindungen zwischen Nervenzellen
Auch nach einem Schlaganfall kann sich das Gehirn neu strukturieren, z.B. indem Patient:innen durch gezielte Therapie das Greifen von Gegenständen oder das Gehen neu erlernen. Dafür ist wiederholter Input wie im Rahmen der therapeutisch aktivierenden Pflege nötig. Dann können Lernprozesse zur Wiedererlangung verloren gegangener Funktionen von Bewegungsabläufen ausgelöst werden.
Ziele
Das Bobath-Konzept verfolgt vier zentrale Ziele: die Aktivierung der Patient:innen zur Normalisierung des Muskeltonus
Aktivierung der Patient:innen zur Normalisierung des Muskeltonus
Ein veränderter Muskeltonus
Wichtige Grundvoraussetzung: Die Reizweiterleitung zum Gehirn und deren Verarbeitung im ZNS muss intakt sein!
Faktoren, die den Muskeltonus
- Allgemeine Faktoren:
- (Raum-)Temperatur: Kälte erhöht und Wärme reduziert den Muskeltonus
- Bewegungsgeschwindigkeit: Schnelle Bewegungen erhöhen den Tonus, langsame Bewegungen reduzieren den Tonus
- Psychische Faktoren: Angst, Unsicherheit und Stress erhöhen den Muskeltonus
- (Raum-)Temperatur: Kälte erhöht und Wärme reduziert den Muskeltonus
- Spezielle Faktoren:
- Unterstützungsfläche: Je größer die Unterstützungsfläche, desto geringer der Muskeltonus
, z. B. kann im Sitzen das Gewicht auf die Sitzfläche sowie die Arm- und Rückenlehne des Stuhls verteilt werden - Lage im Raum (Einfluss von Schwerkraft): Die Ausführung von Bewegungen wird beeinflusst, z. B. ist es schwerer, einen Arm im Liegen zu heben als im Sitzen
- Stabilität vor Mobilität
: Um Bewegungen ausführen zu können, benötigen Patient:innen ausreichend Stabilität, z. B. festen Bodenkontakt der Füße, wenn Patient:innen sich nach vorne beugen - Schlüsselpunkte: Körperregionen, über die einfach und effektiv Bewegungen eingeleitet werden können, z. B. Drehbewegungen werden mit einem Impuls an der Schulter eingeleitet und nicht blockartig durchgeführt
- Thorax
als zentraler Schlüsselpunkt: Der Thorax ist besonders bedeutend, da er durch seine zentrale Lage und Beweglichkeit eine entscheidende Rolle bei der Einleitung und Koordination von Bewegungsabläufen spielt. Durch gezielte Impulse am Thorax können funktionale Bewegungen, wie das Drehen des Oberkörpers oder das Heben der Arme, effektiv unterstützt und kontrolliert werden.
- Thorax
- Unterstützungsfläche: Je größer die Unterstützungsfläche, desto geringer der Muskeltonus
Verbesserung der Haltungskontrolle
Ein weiteres Ziel des Bobath-Konzeptes ist es, den Patient:innen zu einer besseren Haltungskontrolle, also einem besseren Gleichgewicht, zu verhelfen. Die Haltungskontrolle ist essenziell, da sie die Grundlage für alltägliche Bewegungen wie das Aufstehen, Gehen oder das Halten einer stabilen Sitzposition bildet und somit die Selbstständigkeit der Patient:innen fördert. Denn die Haltungskontrolle ist für jegliche Aufgabenbewältigung Voraussetzung.
Mit der Stabilität im Becken, die als Kernstabilität bezeichnet wird, ist eine Rumpfaufrichtung möglich. Kernstabilität umfasst die Fähigkeit der tiefen Rumpfmuskulatur, insbesondere der Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur, den Körper in einer stabilen Position zu halten und Bewegungen effizient zu unterstützen. Demnach müssen Patient:innen Muskulatur im Rumpf und Beckenboden aufbauen, um dieses Ziel erreichen zu können. Außerdem ist es wichtig, dass die Arme nicht zur Haltungskontrolle benötigt werden, damit diese frei für Alltagsaktivitäten wie das Essen, Tragen von Gegenständen oder das Schreiben genutzt werden können. Fehlt die Haltungskontrolle im Rumpf, führt das zu einer vermehrten Anspannung der Muskulatur in den Extremitäten. Zum Beispiel kann es dazu kommen, dass Patient:innen beim Versuch, nach einem Glas Wasser zu greifen, die Arme stark anwinkeln und verkrampfen, wodurch die Bewegung unkoordiniert und ineffizient wird. Dies zeigt sich häufig in Form von Beugung in den Armen oder Beinen.
Verbesserung der Körperwahrnehmung
Für Patient:innen ist eine Kontaktaufnahme enorm wichtig. Diese kann durch Berührungen mit den Händen, während gemeinsamer Bewegungsübungen oder durch verbale Ansprache erfolgen, wodurch gezielt Vertrauen und eine verbesserte Wahrnehmung gefördert werden. Die Pflegekraft kann durch leichtes Berühren der betroffenen Körperseite während des Transfers oder durch gezielte Ansprache während der Mobilisation
Bei Patient:innen mit einer Hemiparese
Anbahnung von normalen Bewegungsabläufen für Alltagshandlungen
Im Bobath-Konzept sind normale/physiologische Bewegungsabläufe fest verankert. Unter normalen oder physiologischen Bewegungsabläufen versteht man zielgerichtete, flüssige und funktionelle Bewegungen, die mit minimalem Kraftaufwand und in einer anatomisch korrekten Weise ausgeführt werden. Demnach sollen Pflegekräfte die Patient:innen dabei durch ein zielorientiertes und angepasstes Bewegungsverhalten unterstützen. Dies geschieht mithilfe der Fazilitation.
Die Fazilitation ist eine Technik, die für die Interaktion zwischen Patient:innen und Pflegekraft die Hände einsetzt. Dabei werden gezielte taktile Reize genutzt, um Bewegungsmöglichkeiten bewusst zu machen und natürliche Bewegungsabläufe zu fördern. Diese Methode hilft den Patient:innen, ihre motorischen Fähigkeiten zu verbessern und Bewegungen gezielt und effizient auszuführen. Es geht um das Fühlen von Bewegungsmöglichkeiten und um die Unterstützung der Eigenaktivität während pflegerischer Interventionen. Die Technik unterstützt den interaktiven Lernprozess der Patient:innen und ermöglicht Alltagsaktivitäten.
Normale Alltagsaktivitäten benötigen nur so viel Kraftaufwand wie nötig, beispielsweise das Anziehen, Essen oder Greifen von Gegenständen. Ein konkretes Beispiel ist das Essen, bei dem Patient:innen lernen
Handling - Führen von Bewegungen
Handling dient als Überbegriff im Bobath-Konzept und beschreibt die therapeutisch richtige Handhabung der Patient:innen bei der Bewegung, z.B. das gezielte Unterstützen einer Armbewegung durch sanften Druck oder Zug, um eine physiologische Bewegung zu fördern. Es wird immer dann genutzt, wenn Patient:innen bewegt werden oder sich mittels Fazilitation selbst bewegen. Pflegekräfte sind in diesem Rahmen Begleiter der Bewegung und machen den Patient:innen ein Lernangebot. Sie geben gezielte Hilfestellungen, erklären die Bewegungsabläufe verständlich und schaffen Anreize, um die aktive Bewegung zu fördern. Die Patient:innen werden darin unterstützt, verlorengegangene, automatisierte Bewegungsabläufe neu einzuüben.
MerkeWorauf muss ich achten?
Die Pflegekraft und die Patient:innen sollten die gleiche Bewegungsrichtung einhalten, wobei das Bewegungstempo an die Fähigkeiten der Patient:innen angepasst sein muss. Dies kann durch Beobachtung der Reaktionen der Patient:innen, gezielte Rückfragen und schrittweise Anpassung des Tempos erfolgen, um eine Überforderung zu vermeiden. Sowohl die Pflegekraft als auch die Patient:innen sollten die Kontrolle über die Bewegungen haben. Außerdem ist es wichtig, dass Körperteile, die bewegt werden sollen, entlastet sind und kein Gewicht tragen.
Lernangebot Positionierung
Bei vielen Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen ist es wichtig, dass sie mehrmals am Tag positioniert werden, um weitere gesundheitliche Probleme wie Druckgeschwüre, Kontrakturen
Ein besonders gutes Lernangebot bietet das Sitzen im Stuhl oder Rollstuhl, weil die Patient:innen ihre Umwelt optimal wahrnehmen können, beispielsweise durch visuelle Reize oder soziale Interaktion. Zudem wird der Kreislauf durch die aufrechte Haltung stabilisiert und die Muskulatur durch die Haltearbeit der Rumpfmuskulatur gestärkt. Damit Patient:innen diese Position einnehmen können, müssen sie selbstständig die Sitzposition halten können und es dürfen keine Kontraindikationen bestehen, die dem Sitzen entgegenstehen, wie beispielsweise schwere Wirbelsäulenverletzungen, akute Schmerzen, orthostatische Hypotonie oder instabile Frakturen.
Positionierung im Bett – was ist zu beachten?
Bei der Positionierung im Bett sollten Pflegekräfte auf folgende Aspekte achten:
1. Die Stellung des Kopfteils: Viele Patient:innen empfinden es als unangenehm, das Kopfteil flach zu stellen. Ein hochgestelltes Kopfteil erhöht jedoch den Druck auf das Gesäß, was das Risiko für Dekubitus insbesondere bei immobilen Patient:innen steigern kann, und erschwert das Drehen der Patient:innen auf die Seite. Daher sollte die Position des Kopfteils individuell an die Bedürfnisse angepasst werden, um sowohl Komfort als auch Prophylaxe zu gewährleisten. Soll während der Positionierung eine erhöhte Position des Kopfes gewünscht sein, kann ein Kissen untergelegt werden.
2. Material: Für die Positionierung können gut formbare Kissen, Sofakissen, Handtücher und Decken verwendet werden. Wichtig ist, dass das Material möglichst nah an den Patient:innen liegt, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten und die Unterstützungsfläche zu vergrößern. Normalerweise lautet der Grundsatz: Je weniger Positionierungsmaterial benötigt wird, desto besser ist dies für die Patient:innen, da dies die Eigenstabilität fördert und die aktive Beteiligung der Patient:innen an der Positionierung ermöglicht. Bei Positionierungen nach Bobath hängt die Menge des Materials von der Stabilität der Patient:innen ab: Instabile Patient:innen benötigen mehr Material von außen, um Stabilität herzustellen. Des Weiteren sollten Patient:innen sich in der Position wohlfühlen und keine Schmerzen haben.
3. Pflegekraft: Die Pflegekraft sollte auf der mehr betroffenen Seite der Patient:innen stehen, um adäquat unterstützen zu können. Positionierungen nach Bobath berücksichtigen zudem alle relevanten Prophylaxen: Thrombose-, Kontrakturen
Rückenlage
Für die Rückenlage
Es ist möglich, das Becken oder die Hüfte mit Handtüchern zu unterstützen, um zu verhindern, dass das Bein auf der mehr betroffenen Seite in eine Außenrotation fällt. Alternativ können auch kleine, fest gerollte Kissen oder spezielle Positionierungsrollen verwendet werden, um eine stabilere Position zu gewährleisten. Der mehr betroffene Arm wird leicht angewinkelt auf dem Bauch der Patient:innen positioniert.
Eine Unterpolsterung der Knie ist nur notwendig, wenn diese stark überstreckt sind oder sich ein Hohlraum unter der Lendenwirbelsäule
Aufstellen des Beines
Wenn die Patient:innen eine schlaffe Lähmung auf der mehr betroffenen Seite haben, ist es nicht ungewöhnlich, dass dieses Bein beim Aufstellen nach außen kippt. Gleichzeitig führt das Kippen nach außen zu einer unnatürlichen Stellung im Hüftgelenk
- Ausrichten des Oberschenkels: Der Oberschenkel wird mit beiden Händen gegriffen und mit der unten liegenden Hand leicht angehoben. Nun führen beide Hände das Bein nach innen, bis der Oberschenkel gerade liegt.
- Stabilisieren und Aufstellen: Der Oberschenkel wird an der Außenseite des Knies gegriffen und so stabilisiert. Mit der anderen Hand wird der Fuß umgriffen und das Bein aufgestellt. Wichtig: Es darf nicht in die Kniekehle gefasst werden, da dies zu Druck auf Nerven und Blutgefäße führen kann, was Schmerzen oder Durchblutungsstörungen verursachen könnte.
- Fixieren der Position: Das aufgestellte Bein kann am Knie durch leichten Druck Richtung Bettende in Position gehalten werden.
Nachdem das mehr betroffene Bein aufgestellt wurde, können Patient:innen dazu aufgefordert werden, das andere Bein selbständig aufzustellen. Falls erforderlich, kann die Bewegung durch Fazilitation unterstützt werden, beispielsweise durch eine leichte Führung des Beines entlang der Bewegungsachse oder durch sanften Druck auf den Fuß, um die Muskelaktivität zu stimulieren.
Becken zur Seite bewegen
Um das Becken zur Seite zu bewegen, kann das sogenannte Bridging
MerkeBridging
und Prophylaxen Beim Bridging
finden automatisch mehrere Prophylaxen Anwendung, die zur Vorbeugung von gesundheitlichen Komplikationen wie Spitzfuß, Thrombosen und Druckgeschwüren beitragen. Die Patient:innen bringen das Sprunggelenk in eine physiologische Stellung, bevor sie die Füße in die Matratze drücken, und führen so eine Spitzfußprophylaxe durch. Durch den Druck in die Matratze und somit auf die Fußsohlen wird eine Thromboseprophylaxe durchgeführt. Und zu guter Letzt findet durch das Anheben des Gesäßes eine Dekubitusprophylaxe statt.
Oberkörper zur Seite bewegen
Für die Bewegung des Oberkörpers zur Seite, können Pflegekräfte ihre Hände unter die Schulterblätter
AchtungPatient:innen sollten nicht in den Nacken der Pflegekraft greifen. Dies hilft, Schmerzen und Verletzungen bei der Pflegekraft zu vermeiden und gewährleistet eine ungehinderte Durchführung der Bewegung.
Positionierung auf die mehr betroffene Seite
Ein anderer Name für die Positionierung auf der mehr betroffenen Seite, ist die 90°-Seitenlage
- Die Patient:innen werden mit der weniger betroffenen Seite möglichst nah an die Bettkante bewegt
- Aufstellen beider Beine: Die Drehung wird an den Beinen eingeleitet
- Die Pflegekraft unterstützt das mehr betroffene Bein am Knie, damit es nicht zur Seite fällt
- Der mehr betroffene Arm wird in Außendrehung etwas neben dem Körper platziert, da diese Position hilft, Schmerzen in der Schulter zu vermeiden und eine natürliche Gelenkstellung zu fördern
- Alternativ: Patient:innen können die Arme über der Brust kreuzen
AchtungDer Oberarm darf nicht in Innendrehung liegen, da es zu Schmerzen in der Schulter bei der Drehung kommen kann. Außerdem sollte kein Kissen unter Oberarm oder Schulter liegen, da dies den Drehvorgang behindert
- Beim Drehvorgang können Patient:innen den Kopf heben, um die Rumpfspannung und die Kontrolle über den Vorgang zu erhöhen
- Auf der Seite angekommen, wird der Kopf mit einem Kissen unterstützt und eine Handtuchrolle jeweils unter den Bauch und in den Rücken gelegt
- Der mehr betroffene Arm liegt in Außendrehung vor dem Körper der Patient:innen und das Handgelenk
ist ausgestreckt - Ist eine entspannte Position auf der Matratze nicht möglich, muss der Unterarm unterpolstert werden
- Knickt das Handgelenk
ab, kann dies mit einem Handtuch stabilisiert werden
- Das Schultergelenk
sollte entlastet sein: Dies kann erreicht werden, indem das Gewicht des Rumpfes durch Handtuchrollen oder Kissen unterhalb des Rumpfes und um die Schulter herum verteilt wird, sodass der Druck gleichmäßig verteilt wird - Die Beine sollten nicht übereinander liegen
- Stabilität durch eine Decke schaffen: die Decke wird zwischen die Beine gelegt und die Stellung des Beckens bestimmt, wie viel Material benötigt wird
Positionierung auf die weniger betroffene Seite
Wie bei der 90°-Seitenlage
MerkeBei dieser Positionierung haben die Patient:innen weniger Bewegungsspielraum, da die weniger betroffene Seite nun unten liegt. Dies kann von Vorteil sein, da es unkontrollierte Bewegungen reduziert und eine stabilere und entspanntere Lage für Schlaf- und Ruhephasen ermöglicht. Deshalb ist die Positionierung sehr gut für Schlaf- und Ruhephasen geeignet.
Sitzen im Bett
Damit die Patient:innen einen stabilen Sitz im Bett einnehmen können, ist es notwendig, dass sie zunächst an das Kopfende des Bettes bewegt werden, da diese Position die Basis für eine aufrechte Haltung bietet und den Oberkörper stabilisiert. Ist dies erfolgt, können die Oberschenkel der Patient:innen mit einer Decke oder einem Kissen unterpolstert werden. Der Oberkörper wird aufgerichtet, und die Lendenwirbelsäule
MerkeDiese Positionierung bietet den Patient:innen die Möglichkeit, aktiv an der Umwelt teilzuhaben, und kann als Alternative zum Sitzen im Stuhl oder Rollstuhl genutzt werden. Dennoch sollte das Kreuzbein
mindestens einmal pro Stunde kontrolliert werden, da Sitzen dort einen hohen Druck ausübt und die Entstehung eines Dekubitus begünstigen kann.
Sitzen im Stuhl oder Rollstuhl
Das Sitzen im Bett ist schon eine sehr gute Möglichkeit für Patient:innen, aktiv an der Umwelt teilzuhaben, da sie beispielsweise Gespräche mit anderen Personen führen oder sich besser am Pflegealltag beteiligen können. Dennoch bietet das Sitzen im Stuhl oder im Rollstuhl die Möglichkeit, auch aktiv am Leben teilzunehmen, da Patient:innen so mobil sind und beispielsweise soziale Kontakte pflegen oder an Freizeitaktivitäten teilnehmen können. Des Weiteren erleichtert es die Körperpflege
InfoStuhl oder Rollstuhl – worauf muss geachtet werden?
Als Pflegekraft sollte immer ein Stuhl zum Sitzen bevorzugt werden, da er eine stabilere Sitzposition bietet und die Haltung der Patient:innen besser unterstützt. Im Rollstuhl müssten die Fußstützen entfernt werden, da die Unterschenkel der Patient:innen sonst zu weit vorne und die Knie zu weit oben sind. Das bewirkt ein Kippen des Beckens nach hinten. Somit benötigen Patient:innen mehr Kraft, um den Oberkörper aufrichten zu können.
Auch bei einem Stuhl gibt es einiges zu beachten: Die Sitzfläche muss ausreichend groß und stabil sein, um ein sicheres und bequemes Sitzen zu ermöglichen. Außerdem darf sie nicht nach hinten geneigt sein. Es sollten Armlehnen vorhanden sein, um den Patient:innen zusätzlich Sicherheit und Stabilität zu bieten. Bei der Positionierung auf dem Stuhl sollten die Patient:innen sich so weit wie möglich nach hinten setzen, die Füße sollten den Boden aber noch berühren. Der mehr betroffene Arm kann auf einem Kissen positioniert werden, um Schwellungen zu vermeiden und die Durchblutung zu fördern.
Lernangebot Mobilisation
Mit der Mobilisation
Aufsetzen an die Bettkante
Patient:innen können mehrmals am Tag an die Bettkante mobilisiert werden, auch wenn anschließend kein Transfer stattfindet. Das Sitzen an der Bettkante fördert ebenfalls die Körperwahrnehmung, da die Patient:innen mit den Füßen Kontakt zum Boden haben und die Schwerkraft auf den Körper besser spüren als im Liegen oder Sitzen im Bett. Zusätzlich hilft es, die Muskulatur der unteren Extremitäten zu aktivieren und ein besseres Gleichgewichtsgefühl zu entwickeln.
AchtungDas Sitzen an der Bettkante erfordert Zeit der Pflegekraft, denn sie darf die Patient:innen nicht allein dort sitzen lassen. Es besteht immer die Gefahr einer Kreislaufschwäche. Bei Kreislaufschwäche kann es zu Schwindel, Übelkeit oder gar einem Kollaps
kommen, was eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit der Patient:innen darstellt.
Um Patient:innen an die Bettkante zu mobilisieren, sind folgende Schritte notwendig:
- Beginnend in der A-Lage und einem flach gestellten Bett, steht die Pflegekraft auf der mehr betroffenen Seite der Patient:innen
- Das Becken wird mit Hilfe des Bridging
an die Bettkante zur mehr betroffenen Seite bewegt - Das mehr betroffene Bein wird neben das Bett auf den Boden gestellt und stabilisiert
- Der mehr betroffene Arm liegt in Außenrotation auf der Matratze, und die weniger betroffene Hand liegt auf der Schulter der Pflegekraft
- Die Pflegekraft legt ihre Hände unter die Schulterblätter
der Patient:innen - Nun wird die weniger betroffene Schulter nach vorne bewegt, um die Drehbewegung einzuleiten
- Der Oberkörper wird aufgerichtet, und die Patient:innen sollen das weniger betroffene Bein aus dem Bett nehmen
- Die Pflegekraft unterstützt, indem sie den Oberkörper stabilisiert und gegebenenfalls das Bein vorsichtig führt, um die Bewegung zu erleichtern
- Als letztes wird die Position an der Bettkante stabilisiert: Bodenkontakt der Füße mit dem Boden und ausreichend große Auflagefläche des Gesäßes auf der Matratze
Stehen
Damit die Patient:innen ihr Körpergewicht und die Schwerkraft noch besser spüren, sollten Pflegekräfte dabei unterstützen, in den Stand zu kommen. Das Spüren des Körpergewichts hilft, die Balance und Stabilität zu verbessern, während die Wahrnehmung der Schwerkraft den Bewegungsablauf koordiniert und das Gleichgewicht trainiert. Außerdem beugt Stehen einem Spitzfuß vor, da es die Dehnung der Wadenmuskulatur fördert, und erhält gleichzeitig die Beweglichkeit in der Hüfte, indem es die Gelenke in einer aufrechten Position mobilisiert.
MerkePatient:innen müssen ihr Gewicht auf mindestens ein Bein abgeben können, bevor sie stehen, da dies die Belastung gleichmäßig verteilt
und die Balance beim Aufrichten verbessert. Denn sonst wird ein sehr hoher Kraftaufwand benötigt, was die Patient:innen überfordern könnte. Am Anfang sollten Patient:innen immer seitlich zur Wand oder zum Bett gewandt aufstehen, da diese eine stabile Stütze bieten, die das Gleichgewicht verbessert und ein Umkippen verhindert.
Zur Mobilisation
- Ausgangslage: Sitzen im Stuhl/Rollstuhl oder auf der Bettkante
- Die Pflegekraft steht neben den Patient:innen
- Wenn mehr Unterstützung notwendig ist, steht die Pflegekraft vor den Patient:innen, um das mehr betroffene Knie zu stabilisieren
- Die Füße der Patient:innen müssen Kontakt zum Boden haben
- Die Pflegekraft legt beide Hände an den Thorax
der Patient:innen, um die Bewegung einzuleiten, da dies hilft, den Oberkörper zu stabilisieren und eine gezielte Gewichtsverlagerung nach vorne zu ermöglichen - Der Oberkörper der Patient:innen wird nach vorne gebeugt, um das Gewicht auf die Füße zu übertragen
- Die Pflegekraft kann das mehr betroffene Knie vor ihre geschlossenen Knie nehmen und es so stabilisieren und bei der Streckung unterstützen
- Die Pflegekraft unterstützt die Patient:innen bei der Aufrichtung des Oberkörpers
Transfer vom Bett in den Stuhl oder Rollstuhl
Um Patient:innen in den Stuhl oder Rollstuhl zu transferieren, haben Pflegekräfte zwei Möglichkeiten: den Transfer über den Stand oder den tiefen Transfer. Für den Transfer über den Stand sollten die Patient:innen stehen und einige Schritte gehen können. Dies ist erforderlich, um das Gleichgewicht zu halten und sich sicher zur neuen Sitzposition bewegen zu können.
AchtungWas ist beim Transfer über den Stand zu beachten?
Beim Transfer über den Stand müssen Pflegekräfte darauf achten, das Sprunggelenk
der mehr betroffenen Seite zu stabilisieren, indem sie es mit einem Fuß fixieren und gleichzeitig darauf achten, dass der Fuß in einer neutralen Position bleibt, um eine sichere Gewichtsübertragung zu gewährleisten. Es sollte außerdem beweglich sein. Denn können die Füße nicht versetzt werden, kann es passieren, dass Patient:innen sich das Sprunggelenk verdrehen. Das Versetzen der Füße ist entscheidend, um eine gleichmäßige Gewichtsverlagerung zu ermöglichen und die Bewegungsrichtung zu kontrollieren. Pflegekräfte sollten darauf achten, dass die Füße parallel stehen und bei der Bewegung stabil geführt werden. Ist dies nicht möglich, kann es zum Verlust des Gleichgewichts und im schlimmsten Fall zu einem Sturz kommen.
Der tiefe Transfer ist somit für Patient:innen gut geeignet, die noch sehr eingeschränkt in ihren Bewegungen sind. Es erfolgt eine Bewegung von Sitzfläche zu Sitzfläche, ohne dass die Patient:innen stehen müssen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Patient:innen genügend Armkraft besitzen, um sich bei Bedarf abzustützen, und dass eine ausreichende Stabilität im Oberkörper gewährleistet ist, um die Bewegung sicher durchführen zu können.
Tiefer Transfer
- Auswahl der Körperseite:
- Weniger betroffene Seite: Der Muskeltonus
auf der mehr betroffenen Seite reicht nicht aus, das Gewicht zu tragen → sicherer und leichter für Patient:innen und Pflegekraft - Die Pflegekraft kann dies beurteilen, indem sie vorsichtig prüft, ob die mehr betroffene Seite bei Druck oder Bewegung stabil bleibt und das Gewicht aufnehmen kann, ohne dass es zu einem Nachgeben kommt
- Mehr betroffene Seite: Der Muskeltonus
ist ausreichend, um das Gewicht zu tragen und Bodenkontakt mit dem Fuß herzustellen - Dies kann sichergestellt werden, indem die Pflegekraft den Fuß vorsichtig in eine neutrale Position bringt und prüft, ob der gesamte Fuß stabil auf dem Boden aufliegt
- Weniger betroffene Seite: Der Muskeltonus
- Der Stuhl oder Rollstuhl wird neben das Bett gestellt
- Die Lücke zwischen Bett und (Roll-)Stuhl wird mit einem Kissen ausgefüllt, um ein Wegrutschen oder Einklemmen der Patient:innen zu verhindern und eine stabile Unterlage für den Transfer zu schaffen → Erhöht die Sicherheit sowohl für die Patient:innen als auch für die Pflegekraft
- Es erfolgt die Mobilisation
an die Bettkante - Die Füße der Patient:innen haben Bodenkontakt und stehen hüftbreit auseinander
- Die Pflegekraft stützt das Bein, über das der Transfer stattfinden soll, mit ihren geschlossenen Knien, um das Gelenk zu stabilisieren und ein unkontrolliertes Nachgeben oder Verrutschen des Beins während der Bewegung zu verhindern
- Die Pflegekraft hat ihre beiden Hände am Thorax
der Patient:innen und unterstützt so den Rumpf beim Aufrichten - Die Patient:innen beugen sich mit dem Oberkörper nach vorne und übertragen das Gewicht auf die Beine
- Weniger Gewicht auf dem Gesäß → in kleinen Schritten kann es seitlich versetzt werden, bis die Patient:innen im (Roll-)Stuhl sitzen
- Die Pflegekraft kann dabei das Gleichgewicht der Patient:innen unterstützen, indem sie den Oberkörper leicht stabilisiert und darauf achtet, dass die Patient:innen sich bei Bedarf an den Armlehnen oder der Pflegekraft selbst abstützen können
Quellen
- Al-Abtah et al.: I care Pflege. Georg Thieme Verlag 2020, ISBN: 978-3-132-41828-8
- Tholen-Ihnen, K. (2024): Bobath-Konzept für die Pflege. https://www.pflege.de/altenpflege/bobath-konzept/