Die Lyme-Borreliose ist eine durch Zecken übertragene Erkrankung. Hervorgerufen wird sie durch die gram-negative Bakteriengattung Borrelia spp. Die Lyme-Borreliose betrifft vor allem die Haut, das Nervensystem und das Herz.
Die klinische Manifestation wird in 3 Stadienunterteilt: frühes Stadium (Stadium 1), früh-disseminiertes Stadium (Stadium 2) und spät-disseminiertes Stadium (Stadium 3). Die Inkubationszeit umfasst eine breite Spanne von einigen Tagen bis hin zu einigen Wochen oder Monaten. Die Manifestation im frühen Stadium erfolgt häufig in Form kutaner Symptome als Wandererythem (Erythema migrans) nach 7-10 Tagen. Im disseminierten Stadium, welches nach einigen Wochen, bis Monaten oder Jahren auftritt, können das Nervensystem, in Form von Meningitis, Bannwarth-Syndrom oder Enzephalitis und das Herz, in Form von Lyme-Karditis, sowie große Gelenke in Form von Lyme-Arthritis betroffen sein.
Die Diagnostik erfolgt primär durch die klinische Präsentation klassischer Symptome, wie z.B. das Erythema migrans und kann mit einer Infektionsserologie und ELISA-Suchtest bestätigt werden. Eine Infektionsserologie bei negativem klinischen Befund, vor allem kurz nach Zeckenstich, ist wegen der geringen Sensitivität, sowie des diagnostischen Fensters, nicht indiziert.
Die Therapie erfolgt in Stadium 1 mit Antibiotika der Tetrazyklin-Klasse oder Amoxicillin. Im Stadium 2 und 3 mit Cephalosporinen.
Epidemiologie
Die Lyme-Borreliose ist auf der Nordhalbkugel die am häufigsten durch die Zecke übertragene Erkrankung
Da nur in wenigen Staaten eine Meldepflicht der Erkrankung besteht, liegen keine genauen Daten zu Inzidenz und Prävalenz vor
In Europa wird die Inzidenz auf 16-140/100.000 Einwohner geschätzt
Jahreszeiten-abhängig lassen sich Häufungen einzelner Borreliose-Manifestationen feststellen. So tritt das Erythema migrans vor allem im Juni und Juli häufig auf, die Neuroborreliose im Juli und August und die Lyme-Arthritis durch die variable Inkubationszeit des Spät-disseminierten Stadiums ganzjährig
Die Schildzecke ist ab einer Temperatur von ca. 6 °C aktiv
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Erreger und Vektor
Erreger
Die Bakteriengattung Borrelia spp. gehört zur Familie der gram-negativen Spirochäten.
Info
Die Abkürzung “spp.” steht in der biologischen Klassifikation (Erreger-Taxonomie) von Lebewesen für "Spezies/Art”. “Spezies” bezeichnet die Rangstufe direkt unterhalb der “Gattung”.
“Spp.” fasst alle Spezien (= Arten) einer Erreger-Gattung zusammen. So sind mit “Borrelia spp.” alle Borrelien-Spezies inkludiert und die nachfolgende Information bezieht sich auf die gesamte Gattung.
Damit nicht zu verwechseln ist die Abkürzung “ssp.” Sie steht in der Taxonomie für “Subspezies/Unterart” und beschreibt somit den Rang, unterhalb der Spezies/Art.
“Borrelia” wird im weiteren Verlauf mit “B.” abgekürzt.
Die Lyme-Borreliose kann durch verschiedene Spezies der Borrelien-Gattung ausgelöst werden. Betreffende Spezies werden als “Borrelia-burgdorferi-sensu-lato-Komplex” zusammengefasst. Der Komplex umfasst mehr als 20 beschriebene Spezies, von welchen 6 gesichert humanpathogen und in Europa vorkommend sind:
B. afzelii
B. bavariensis
B. burgdorferi sensu stricto
B. garinii
B. mayonii
B. spielmanii
In den USA ist “B. burgdorferi sensu stricto” hinsichtlich der Lyme-Borreliose die einzig humanpathogen-vorkommende Spezies.
Vektor
Der Vektor, durch den die Bakterien an den Menschen gelangen, ist zumeist die Schildzecke(Ixodes). Je nach geographischer Lage sind verschiedene Spezies vorherrschend:
Die Zecke durchläuft nach dem Schlüpfen aus dem Ei drei Entwicklungsstadien: die Larve, direkt nach dem Schlüpfen, entwickelt sie sich mit der nächsten Blutmahlzeit zur Nymphe und diese nach einer weiteren Blutmahlzeit zur adulten Zecke.
Es bestehen deutliche Unterschiede der Infektionsraten je nach Entwicklungsstadium der Zecke. So beträgt die Infektionsrate bei Larven nur 1%, bei Nymphen 10% und bei adulten Tieren ca. 20%. Diese Unterschiede sind auf die Acquisition der Borreliose-Bakterien im Laufe des Lebens der Zecke zurückzuführen und lassen rückschließen, dass eine transovarielle Weitergabe sehr selten ist.
Info
Fun Facts zur Zeckenentwicklung
Die Zecke hat im Larvenstadium nur 6 Beine. Erst nach der Häutung und Entwicklung zur Nymphe trägt sie 8 Beine. Die geschlechtliche Differenzierung der Zecke entwickelt sich erst im letzten Entwicklungsschritt zur adulten Zecke.
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Pathophysiologie
Das Hauptreservoir der Borrelien-Gattung sind Rotwild, Vögel und Nager, v.a. Mäuse und Igel.
Der Vektor, die Schildzecke (Ixodes), nimmt beim Stich eines Wildtieres die Bakterien über das Blut in ihren Körper auf. Hier leben die Bakterien im Darm der Zecke weiter und werden bei einem erneuten Stich im Zuge des Saugaktes vom Darm in die Speicheldrüsen mobilisiert. Über den Speichel können die Bakterien dann an den nächsten Wirt, z.B. Mensch, übertragen werden.
Um diesen Ablauf und somit die Übertragung möglich zu machen, muss die Zecke mindestens einige Stunden gesaugt haben. Die Übertragungszeit beträgt in der Regel mindestens 24 Stunden,es gibt jedoch keine zuverlässige zeitliche Untergrenze.
Nach Eindringen in die Haut und Blutbahn können sich die Erreger hämatogen oder lymphogen in andere Organe ausbreiten.
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Stadien
Die klinische Einteilung der Borreliose erfolgt in 3 Stadien:
Zwischen Zeckenstich und der Entstehung erster Symptome liegt ein asymptomatisches Intervall im Sinne der Inkubationszeit von 3-30 Tagen. Im Mittel zeigen sich die ersten Manifestationen nach 7-10 Tagen.
Das lokalisierte Früh-Stadium umfasst vor allem kutane Manifestationen. Es tritt wenige Tage bis Wochen nach der Infektion auf.
Das disseminierte Früh-Stadium ergibt sich durch die Ausbreitung der Borrelien im Körper und manifestiert sich Wochen bis Monate nach Infektion. Hierbei kommt es zu extrakutanen Manifestationen beispielsweise am Herz oder in den Gelenken.
Das disseminierte Spät-Stadium betrifft vor allem das Nervensystem, auch als “Neuroborreliose” bezeichnet. Die Manifestation erfolgt Monate bis Jahre nach Infektion.
Stadien müssen nicht kontinuierlich ineinander übergehen, sondern können auch übersprungen werden.
An einem disseminierten Stadium leiden nur ca. 1-5% der Patient:innen.
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Klinik
Ein Großteil der Infektionen verläuft asymptomatisch. Wenn es zur Krankheitsentwicklung kommt, können je nach Stadium folgende Organsysteme betroffen sein:
Späte Neuroborreliose (Encephalomyelitis, zerebrale Vaskulitis, periphere Neuropathie assoziiert mit ACA)
Chronische Lyme-Arthritis (Mon-Oligo-Arthritis)
Kutane Manifestationen
Die kutanen Manifestationen der Borrelioseinfektion stellen häufig die frühesten Anzeichen der Infektion dar, vor allem das Erythema migrans, das im Durchschnitt nach 7-10 Tagen um die Einstichstelle herum erscheint. Das Borrelien-Lymphozytom sowie die Acrodermatitis chronica atrophicans stellen disseminierte Früh- bzw. Spät-Manifestationen der Borrelioseerkrankung dar und treten somit deutlich später im Infektionsverlauf auf (Wochen bis Monate, bzw. Monate bis Jahre nach Stich).
In Abhängigkeit der Infektionsdauer können beim Borrelien-Lymphozytom vermehrt IgG-Antikörper im Serum nachgewiesen werden
Acrodermatitis chronica atrophicans
Disseminierte kutane Spät-Manifestation (Monate bis Jahre nach Stich)
Auftreten vor allem an Streckseiten der Extremitäten
Ablauf in 3 Stadien:
Ödematös-infiltratives Stadium:
Asymptomatische Schwellung, livide Verfärbung
Atrophes Stadium:
Verlust des subkutanen Fettgewebes
Hautvenen werden sichtbar, die Haut wirkt dünn, vgl. Zigarettenpapierhaut
Fibrose Stadium:
Fibroide Knotenbildung neben Gelenken
Info
*Charakteristik der Lymphozytome
Innerhalb der Lymphozytome (= Pseudolymphome) kann der Erreger nachgewiesen werden, häufig B. afzelii. Histologisch zeigen sich zumeist gemischte B- und T-lympohzytäre Infiltrate, selten reine B-Zell-Infiltrate (diagnostisch schwer von niedrig malignem B-Zell-Lymphom abzugrenzen).
Neurologische Manifestationen (ZNS und PNS)
Die neurologischen Symptome der Borreliose umfassen zu 99% das “Bannwarth-Syndrom”, als früh-disseminierte Manifestation. Die disseminierte Spät-Manifestation, auch als “Späte Neuroborreliose” bezeichnet, tritt häufig in Form zentralnervöser Entzündungen auf und ist sehr selten.
Manifestation
Allgemeines
Klinik
Frühe Neuroborreliose
>98% der neurologischen Manifestationen
Disseminierte Früh-Manifestation (Wochen bis Monate nach Stich)
Bannwarth-Syndrom:
Meist nachts, brennend-schmerzhafte Meningoradikulitis* einzelner Rückenmarksnerven (spinale Nerven)
Radikuläre (in das Versorgungsgebiet ausstrahlende) Schmerzen des betreffenden Rückenmarksnervs
Häufig ein- oder beidseitige Fazialisparese
Lymphozytäre Meningitis
Späte Neuroborreliose
Disseminierte Spät-Manifestation (Monate bis Jahre nach Stich)
Klassisch: Entzündung des ZNS (Enzephalomyelitis) mit Blasenstörung und spastisch-ataktischer Gangstörung
Achtung
*Neuroborreliose bei Kindern
Bei Kindern präsentiert sich eine frühe Neuroborreliose klinisch häufig abweichend:
Statt Meningoradikulitis leiden Kinder häufiger an Meningitiden. Die Symptomatik äußert sich somit daher ggf. durch Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und Nervendehnungsschmerz im Sinne eines positivenLasègue-Zeichens sowie Verwirrung und Erbrechen
Die Fazialisparese liegt bei Kindern zumeist nur einseitig vor
Gelenke
In den Gelenken kann sich die Borreliose in Form einer Lyme-Arthritis manifestieren. Dies erfolgt im Rahmen der frühen oder späten Disseminierung und tritt somit Wochen bis Monate, bzw. Monate bis Jahre nach Infektion auf.
Manifestation
Allgemeines
Klinik
Lyme-Arthritis
Disseminierte Früh- oder Spät-Manifestation (Wochen, Monate bis Jahre nach Stich)
Schubweise oder chronisch
Betrifft eines oder mehrere Gelenke, v.a. große Gelenke* (Knie, Sprung-, Ellenbogengelenke)
Merke
*Betroffene Gelenke im Rahmen der Lyme-Arthritis
Auftreten einer Arthritis in kleinen Gelenken oder der Wirbelsäule spricht NICHT für die Lyme-Arthritis.
Herz
Die Lyme-Karditis beschreibt die kardiale Manifestation der Borrelioseerkrankung. Sie stellt eine disseminierte Früh-Manifestation dar und tritt Wochen bis Monate nach Infektion auf.
Manifestation
Allgemeines
Klinik
Lyme-Karditis
Disseminierte Früh-Manifestation (Wochen bis Monate nach Stich)
Sehr selten
Myokarditis/Perikarditis
Reizleitungsstörungen (AV-Block I. bis III. Grades)
Rhythmusstörungen
Vorhofflimmern
Ventrikuläre Extrasystolen
Tachykardie
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Diagnostik
Die Diagnostik der Borreliose erfolgt in erster Linie durch die klinische Präsentation.
Erythema migrans, Stadium 1
Rein klinische Diagnose
Bei bekanntem Zeckenstich:Beobachtung der Einstichstelle für 4 bis 6 Wochen → Wenn Ausbildung Erythema migrans: Indikation für Antibiotika-Therapie
Keine Serologie indiziert, da in Frühphase oft negative Serologie
Merke
Zeckenstich Anamnese
Bis zu 50% der an Borreliose erkrankten Patient:innen verneinen, einen Zeckenstich gehabt zu haben. Ein Zeckenstich in der Anamnese ist daher hinweisend, aber nicht obligat für die Diagnosestellung der Borreliose.
Alle anderen Stadien/Manifestationen
1. Klinischer Verdacht
2. Serologische Diagnostik
Untersuchung mit 1 ml Serum (+ Liquor bei neurologischer Manifestation)
Stufe 1: ELISA-Suchtest nach Anti-Borrelien-Antikörpern
Stufe 2: Immunoblot als Bestätigungstest
Test
Ergebnis [Unit pro ml]
Bewertung
IgG
IgM
<3 U/ml
Negativ
3-5 U/ml
Schwach positiv
>5 U/ml
Positiv
IgM-Antikörper erst ab 3. Woche positiv
IgG-Antikörper-Bildung ab 6. Woche
Bei Spätmanifestationen sind in der Regel nur IgG-Antikörper vorhanden
Ein isolierter IgM-Nachweis spricht gegen eine Spätmanifestation
Info
Borrelien-Serologie
Borrelien-Antikörper haben eine hohe Prävalenz in der Normalbevölkerung und können über Jahre im Blut persistieren (auch IgM).
Desweiteren besteht eine diagnostische Lücke in der frühen Phase der Infektion, in welcher serologisch oft noch keine Antikörper bestimmbar sind. In späteren Stadien der Infektion sind hingegen nahezu alle Patient:innen seropositiv.
Eine serologische Diagnostik ohne vorliegende Symptomatik nach Zeckenbiss ist deshalb nicht indiziert und der Antikörper-Nachweis gilt in diesem Fall als diagnostisch unpräzise. Es kann nicht zwischen einer akuten oder vergangenen Infektion unterschieden werden.
Ebenso ist die Serologie nicht zur Therapiekontrolle geeignet.
Achtung
Falsch-positive Antikörperbefunde sind bei Syphilis-Erkrankung (Erreger: Treponema pallidum) oder infektiöser Mononukleose (Pfeifferisches Drüsenfieber, Eppstein-Barr-Virusinfektion) möglich.
3. Liquordiagnostik
Für Diagnosestellung der Neuroborreliose
Hinweisend: entzündliche Veränderungen
Parameter
Physiologischer Befund
Neuroborreliose Befund
Zellzahl
< 5 Leukozyten/uL
Zellzahl: 170 bis 220/uL Lymphozytäre Pleozytose mit Plasmazellen und Lymphozyten
Kulturelle Anzucht schwierig; möglich aus Haut-, Liquorprobe, Gelenkspunktat oder Blutplasma
Im fortgeschritteneren Stadium: PCR aus Gelenkspunktat am zuverlässigsten (andernfalls auch möglich aus Haut, Liquor)
6. Bildgebung
Indiziert bei:
V.a. borrelieninduzierte Vaskulitis
V.a. Encephalomyelitis
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Differentialdiagnosen
Die Differentialdiagnosen zur Borreliose sind vielseitig. Im folgenden Abschnitt werden einige wichtige Differentialdiagnosen aufgeführt, eingeteilt nach Manifestationsort der Borreliose:
Kutane Differentialdiagnosen
Neurologische Differentialdiagnosen
Gelenksbetonte Differentialdiagnosen
Des Weiteren sollten zur korrekten Diagnosestellung, vor allem bei Zeckenstich in der Anamnese, andere, durch Zecken übertragene Erkrankungen bedacht werden. Die folgenden 5 werden im unten stehenden Abschnitt genauer beleuchtet:
Babesiose
Anaplasmose
Zecken-Rückfallfieber
Zeckenbissfieber
FSME
Kutane Differentialdiagnosen
Borreliose-Manifestation
Differentialdiagnosen
Erythema migrans
Unspezifische Reaktion eines nicht-infizierten Zeckenstichs*
Fixes Arzneimittelexanthem
Granuloma anulare
Erysipel (vor allem bei schneller Ausbreitung des Erythema migrans ist Verwechslung häufig)
Beim Erythema exsudativum multiforme zeigen sich unter anderem Läsionen an den Schleimhäuten.
Die Borreliose hingegen zeigt keine Schleimhautbeteiligung, sowie keine palmoplantare Beteiligung.
Neurologische Differentialdiagnosen
Relevante Differentialdiagnosen zur Neuroborreliose:
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
Guillan-Barré-Syndrom (GBS)
Multiple Sklerose (MS)
Plexusneuritis
Polymyalgia rheumatica
Spondyloarthritis
Bandscheibenvorfall
Gelenksbetonte Differentialdiagnosen
Relevante Differentialdiagnosen zur Lyme-Arthritis:
Reaktive Arthritis bei Erwachsenen
Juvenile idiopathische Arthritis bei Kindern
Psoriasis-Arthritis
Rheumatische Arthritis
Löfgren-Syndrom
Info
Diagnostik der Arthritiden
Die Differentialdiagnostik der verschiedenen Arthritiden und rheumatischen Erkrankungen erfolgt unter anderem mithilfe der Bestimmung von Autoantikörpern (ANA, ANCA, CCP), Rheumafaktoren und HLA-Diagnostik. Zusätzlich sollte ein Routinelabor mit BSG und CRP für die Einschätzung der Entzündungsaktivität erfolgen.
Andere durch Zecken übertragene Infektionskrankheiten:
Einnistung in Erythrozyten mit nachfolgender Zerstörung derselben
Klinik:
Grippe-ähnliche Symptome
Thrombopenie, hämolytische Anämie
Häufig asymptomatisch
Selten beim Mensch, erfordert meist keine Behandlung
Humane Anaplasmose:
Erreger: Anaplasma phagocytophilum
Bakterien befallen Leukozyten
Klinik:
Plötzlich einsetzend, Grippe-ähnliche Symptome
Thrombopenie, Leukopenie
Häufig asymptomatisch
Info
Epidemiologie der Anaplasmose
Die Anaplasmose tritt vor allem im Nordwesten und an der Westküste der USA, sowie in den mittelamerikanischen Staaten auf. Zunehmend finden sich jedoch auch Infektionen in Europa.
Zecken-Rückfallfieber:
Erreger: Borrelia miyamotoi (weltweit)
Klinik:
Schwer kranke Patient:innen mit initial hohem Fieber über 40 °C und systemischer Begleitsymptomatik: Schüttelfrost, Tachykardie, Tachypnoe, Husten, Myalgie, Arthralgie, Photophobie, Bauchschmerzen, Hepatosplenomegalie, petechialen Blutungen
Erste Fieberepisode: 3-6 Tage mit absinkendem Fieber zwischen Tag 3 und 6
Am Ende des Fieberschubs: Entwicklung eines makulösen, stammbetonten Exanthems, teilweise mit petechialen Einblutungen
Nach 7 bis 10 Tagen erneuter Fieberschub mit Begleitsymptomatik
Insgesamt sind mehrere Intervalle möglich, die Symptomatik wird von Schub zu Schub milder
Ca. 30 % der Patient:innen zeigen schwere neurologische Symptome, z.B. Koma, Krampfanfälle, Hemiplegie
Nach symptomfreien Intervall von ca. 1 Woche folgen spezifische neurologische Manifestationen:
Meningitis
Enzephalitis
Myelitis
Achtung
Vor allem bei Erwachsenen besteht bei biphasischem Verlauf mit ausgeprägter neurologischer Symptomatik eine Gefahr für bleibende Spätfolgen wie anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder neurologische Ausfälle, z.B. Paresen.
Diagnostik:
Erste Infektionshälfte: PCR-Nachweis von Virusantigen aus Serum oder Liquor
Zweite Infektionshälfte: Nachweis virusspezifischer IgM- und IgG-Antikörper in Serum und Liquor
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Therapie
Entfernung der Zecke
Die Zecke verankert sich beim Stich mittels ihrer Mundwerkzeuge, sowie ihres Speichelsekrets (vergleichbar mit Zement) in der Haut.
Das Entfernen der Zecke erfolgt daher am sichersten mit einer feinspitzigen Pinzette. Die Zecke sollte am Kopf oder den Mundwerkzeugen, direkt an der Einstichstelle gefasst und durch langsamen, kontinuierlichen Zug nach oben, entfernt werden.
Die Zecke sollte nicht am Körper gefasst oder gequetscht werden. Ebenso sollten ruckartige oder drehende Bewegungen vermieden werden, da diese eine unvollständige Entfernung der Zecke begünstigen.
Das Verwenden von Desinfektionsmitteln sollte erst nach der Entfernung der Zecke erfolgen, da es die Zecke andernfalls reizen und zur vermehrten Speichelsekretion führen könnte. Aus demselben Grund sollte nicht versucht werden, das Tier mit anderen chemischen Substanzen wie Öl, Nagellackentferner oder Wachs vor der Entfernung zu ersticken/abzutöten.
Unvollständige Entfernung der Zecke:
Sollte die Entfernung der Zecke nicht vollständig gelingen, so verbleibt oft ein kleiner schwarzer Punkt in der Einstichstelle. Die weitere Penetration der Einstichstelle sollte vermieden werden, da sie Verletzungen und Infektionen begünstigt.
In der Regel werden die hinterbliebenen Bestandteile der Zecke vom Körper nach einigen Tagen abgestoßen und wandern dann an die Hautoberfläche oder werden phagozytiert und abgebaut.
Sollten sich an der Einstichstelle im Verlauf Anzeichen einer Entzündung, wie Rötung, Schwellung, etc., entwickeln, so empfiehlt sich die Vorstellung beim Hausarzt/der Hausärztin zur sterilen Exploration und Reinigung der Einstichstelle.
Info
Funfacts zur Zeckenentwicklung
Zecken gehören zu den Spinnentieren und sind eine Unterklasse der Milben. Sie haben keinen Kopf an ihrem Körper und entgegen der gängigen Annahme, verbleibt beim unvollständigen Entfernen der Zecke nicht ihr Kopf, sondern Teile der Mundwerkzeuge in der Haut.
Medikamentöse Therapie
Die Lyme-Borreliose wird kausal mit Antibiotika behandelt. Je nach Stadium und Manifestation unterscheidet sich der Wirkstoff der ersten Wahl. So sind im lokalen, sowie früh- und spät-disseminierten Stadium ohne neurologische Symptomatik Doxycyclin oder Amoxicillin der Goldstandard. Im spät-disseminierten Stadium mit neurologischen Manifestationen sind in erster Linie Beta-Lactam-Antibiotika, vor allem Penicillin G, Ceftriaxon oder Cefotaxim indiziert. Die genauen Dosierungen zeigt die untenstehende Tabelle.
Je nach Stadium können weitere Manifestationen symptomatisch mit zusätzlichen Medikamenten, wie beispielsweise Schmerzmitteln, vorübergehend behandelt werden.
Lokale und disseminierte Frühmanifestation, Spätmanifestation OHNE neurologische Symptome:
Antibiotikum
Erwachsene Dosis/Tag
Kinder Dosis [pro kg KG]/Tag
Dauer
Doxycyclin
2 x 100 mg 1-0-1-0 p.o./ 1 x 200 mg p.o.
*ab 9. Lj. 4 mg, max. 200 mg
Lokalisierte Frühmanifestation:
10-14 Tage
Disseminierte Frühmanifestation:
14-21 Tage
Spätmanifestation ohne neurologische Symptome:
30 Tage
Amoxicillin
3 x 500-1.000 mg 1-1-1-0 p.o.
50 mg
Lokalisierte Frühmanifestation:
14 Tage
Disseminierte Frühmanifestation:
14-21 Tage
Spätmanifestation ohne neurologische Symptome:
30 Tage
Spätmanifestationen MIT neurologischen Symptomen:
Antibiotikum
Erwachsene Dosis/Tag
Kinder Dosis pro kg KG/Tag
Dauer
Penicillin G
4 x 5 mio IE 1-1-1-1 i.v.
200-500.000 IE i.v.
14-21 Tage, danach weiter oral bis 30 Tage
Ceftriaxon
1 x 2 g i.v.
50 mg i.v.
14-21 Tage, danach weiter oral bis 30 Tage
Cefotaxim
3 x 2 g 1-1-1-0 i.v.
100-150 mg i.v.
14-21 Tage, danach weiter oral bis 30 Tage
Achtung
Doxycyclin-Therapie
*Die Therapie von Kindern mit Doxycyclin darf erst nach Abschluss der Zahnschmelzbildung erfolgen. Andernfalls kann es zu Zahnverfärbungen, Zahnschmelzdefekten und Knochenwachstumsstörungen kommen.
Desweiteren ist Doxycyclin bei Schwangerschaft kontraindiziert.
Tipp
Merkhilfe zur Borreliose-Therapie
Doxy und Amoxi machen Borrelien fix und foxi!
Sind sie dann noch nicht ganz zahm, hilft nur noch ein Beta-Lactam.
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Komplikationen
Die Borreliose ist insgesamt gut zu therapieren und besonders bei einem frühen Therapiebeginn können Komplikationen am besten vermieden werden, sodass die meisten Patient:innen nach abgeschlossener Behandlung beschwerdefrei sind.
Dennoch kann es in seltenen Fällen oder bei ausbleibender Therapie zu Langzeitfolgen kommen.
Zu den wichtigsten Langzeitfolgen gehören die folgenden drei Beschwerdebilder:
Herzrhythmusstörungen
Kardiale Manifestationen treten bei bis zu 8 % der Patient:innen im Rahmen des früh-disseminierten Stadiums auf. In seltenen Fällen kann der Herzmuskel oder das Reizleitungssystem dauerhaft geschädigt werden.
So kann bei einem vollständigen AV-Block die Indikation für einen Herzschrittmacher bestehen.
Post-Lyme-Syndrom
Auch bezeichnet als: Post-Treatment-Lyme-Disease-Syndrome (PTLDS)
Anhaltende Arthritis, auch nach erfolgreicher Antibiotikatherapie
Anhaltend Kopfschmerzen, Gelenk- oder Muskelschmerzen
Psychische Probleme wie z.B. Depressionen, Ängste, etc.
Therapeutisch wird in erster Linie auf die Linderung der Schmerz-Symptomatik durch NSAR wie Aspirin oder Ibuprofen gesetzt. Flüssigkeitsansammlungen in Gelenken können zudem drainiert werden.
Weitere Beschwerden
Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) mit anhaltender körperlicher Schwäche, erhöhter Ermüdbarkeit, Antriebs- und Kraftlosigkeit, unspezifischen Schmerzen
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Prävention
Gegen Borreliose gibt es zum aktuellen Zeitpunkt (September 2024) noch keine Impfung.
Als Prävention gilt daher bei Aufenthalten in der Natur von Hochrisiko Gebieten, insbesondere im Wald und hohen Wiesen, das Tragen langer, heller Kleidung. Diese bietet den Zecken weniger Hautkontakt und macht sie außerdem besser sichtbar.
Des Weiteren können Insektenschutzmittel entweder direkt auf die Haut (Wirkstoff: Diethyltoluamid (DEET)) oder auf die Kleidung (Wirkstoff: Permethrin) aufgetragen werden.
Sollte es dennoch zum Zeckenstich kommen, empfiehlt sich aufgrund der langen Übertragungszeit der Borrelien ein frühes Entfernen der Zecke.
Info
FSME-Impfung
Gegen den Erreger der FSME gibt es seit vielen Jahren eine Impfung, welche nach der Grundimunisierung durch drei Impfungen alle 5 Jahre aufgefrischt werden sollte.
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