Breitkomplextachykardien sind Tachykardien mit einem verbreiterten QRS-Komplexunbekannter Genese. In der klinischen Praxis ist es wichtig, supraventrikuläre von ventrikulären Breitkomplextachykardien zuunterscheiden. Ein schmalerQRS-Komplex spricht für eine supraventrikuläre Tachykardie. Ein breiterQRS-Komplex kann bei einer ventrikulären und supraventrikulärenTachykardie vorliegen. Die Differenzierung ist in der klinischen Praxis nicht immer einfach und erfordert meistens einer Mitbeurteilung durch erfahrene Kolleg:Innen.
Defintion
Als Breitkomplextachykardie bezeichnet man Tachykardien mit verbreitertem QRS-Komplexund unbekannter Genese.
Differenzialdiagnosen von Breitkomplextachykardien
Breitkomplextachykardien werden als monomorph bezeichnet, wenn alle QRS-Komplexe ähnlich aussehen.
Wenn die QRS-Komplexe unterschiedlich aussehen, werden sie als polymorph bezeichnet.
Weiterhin können monomorphe Breitkomplextachykardien in regelmäßige und unregelmäßige Formen unterteilt werden. Die polymorphen Breitkomplextachykardien sind immer unregelmäßig.
Im klinischen Alltag tritt am häufigsten die monomorpheVT auf. Sie entsteht aufgrund kreisender Erregungen in den Kammern. Aus diesem Grund sind die QRS-Komplexe gleich konfiguriert und regelmäßig.
Auch bei supraventrikulären Tachykardien wie AVNRT oder Vorhofflattern kann eine aberrante Überleitung zu monomorphenregelmäßigenTachykardien führen.
Zu den unregelmäßigenmonomorphenTachykardien gehören das Vorhofflimmern mit aberranter Überleitung, die FBI-Tachykardie und ventrikuläre Tachykardien. Letztere sind jedoch meistens regelmäßig.
Die polymorphen Tachykardiensind nur selten anhaltend. Zu ihnen gehört die Torsades-de-pointes-Tachykardie. Die polymorphen VTs entstehen meistens im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes und degenerieren häufig in ein Kammerflimmern.
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Differenzierung supraventrikulär und ventrikulär
Zur Differenzierung der Breitkomplextachykardien ist es in der klinischen Praxis wichtig, supraventrikuläre Breitkomplextachykardien von ventrikulären Breitkomplextachykardien zu unterscheiden. Ein schmalerQRS-Komplex spricht für eine supraventrikuläre Tachykardie. Ein breiterQRS-Komplex kann bei einer ventrikulärenundsupraventrikulären Tachykardie vorliegen.
Merke
Differenzierung supraventrikulär und ventrikulär
Die Differenzierung von Breitkomplextachykardien erfolgt anhand der Konfiguration des QRS-Komplexes. Hierbei sollte man zuerst überprüfen, ob eine linksschenkel- oder rechtsschenkelblockartige Konfiguration vorliegt.
Linksschenkelblock
Hinweise für ventrikuläre Tachykardie: Kerbe im abfallenden S, R-S-Dauer >60 ms in V1 und Q-Zacke in V6
Hinweise für supraventrikuläre Tachykardie: Fehlen dieser Punkte in V1 und V6
Rechtsschenkelblock
Hinweise für ventrikuläre Tachykardie: mono- oder biphasischer QRS-Komplex in V1, Amplitude der R-Zacke kleiner als Amplitude der S-Zacke
Hinweise für supraventrikuläre Tachykardie: triphasischerQRS-Komplex, hohes R
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Ventrikuläre Tachykardie
Definition
Ventrikuläre Tachykardie
Bei drei aufeinanderfolgenden Kammerkomplexen, die unterhalb des His-Bündels entstanden sind und eine Frequenz von über 100 Schlägen pro Minute aufweisen spricht man von einer ventrikulären Tachykardie.
Pathophysiologie
Im Kammermyokard können aufgrund von abnormen Automatiezentren oder kreisenden Erregungen Kammertachykardien entstehen. Durch das ektope Erregungszentrum kommt es zu einer Dissoziation von Kammer- und Vorhoferregung. Dabei ist die Kammerfrequenz schneller als die Vorhoffrequenz. Bei drei aufeinanderfolgenden Kammerkomplexen, die unterhalb des His-Bündels entstanden sind und eine Frequenz von über 100 Schlägen pro Minute aufweisen spricht man von einer ventrikulären Tachykardie.
Dauert die ventrikuläre Tachykardieunter 30 Sekunden (selbstlimitierend) an, so wird diese als nicht-anhaltend oder auf Englisch als non-sustained ventricular Tachykardia (nsVT) bezeichnet. Bei einer langsamen Herzfrequenz von unter 120 Schlägen pro Minute (teilweise auch unter 100 Schlägen pro Minute) spricht man von einer langsamen ventrikulären Tachykardie (= VT)/Slow VT.
Ursachen
Koronare Herzkrankheit (häufigste Ursache in Deutschland)
Chronisch rezidivierend (aufgrund myokardialer Narbe, die Reentry-Kreisläufe begünstigt)
Im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms
Herzinsuffizienz: insbesondere bei einer systolischen Herzinsuffizienz mit einer LVEF von unter 40%
Herzklappenvitien
Kardiomyopathien: insbesondere dilatative Kardiomyopathie oder hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (= HOCM)
Elektrolytstörungen: insbesondere Hypo- und Hyperkaliämie sowie Hypomagnesiämie
Selten: Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (= ARVD), Ionenkanalerkrankungen (z.B. Brugada-Syndrom), katecholaminerge ventrikuläre Tachykardie, medikamentenassoziiert (z.B. durch Antiarrhythmika, Schädigung des Herzmuskels durch Chemotherapeutika oder durch ein erworbenes Long-QT-Syndrom), Myokarditis, Sarkoidose, Prinzemtal-Angina, Hämochromatose, Intoxikationen (z.B. durch Gifte der Pflanzengattung Eisenhut)
Primäre (idiopathische) ventrikuläre Tachykardie
Symptome
Abhängig von der vorbestehenden Herzfunktion und der Frequenz der ventrikulären Tachykardie können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Palpitationen
Dyspnoe, Angina pectoris
Bewusstseinstrübung, Synkope
Diagnostik
Die allgemeine Diagnostik bei Herzrhythmusstörungen findest du hier: Herzrhythmusstörungen (Übersicht).
Die Diagnose einer ventrikulären Tachykardie erfolgt mittels eines EKGs:
Im EKG äußern sich Kammertachykardien aufgrund der ektopen Erregungsentstehung in einem schenkelblockartig deformierten, M-förmigen und über 120 ms verbreitertenQRS-Komplex
Da die Kammer unabhängig vom Sinusknoten erregt wird, liegt in den meisten Fällen eine vollständige AV-Dissoziation vor. Das heißt, dass P-Wellen und QRS-Komplexe zwar regelmäßig, jedochunabhängig voneinander auftreten. Die P-Welle kann also vor, im oder auch nach dem QRS-Komplex erscheinen.
Bei einer ventrikulären Tachykardie liegt die Herzfrequenz in der Regel im Bereich von 100-200 Schlägen pro Minute
Sehen alle QRS-Komplexe gleich aus, spricht man von einer monomorphen ventrikulären Tachykardie; sind sie unterschiedlich formiert, wird dies als polymorphe ventrikuläre Tachykardie bezeichnet
Ist die ventrikuläre Tachykardiekürzer als30 Sekunden und selbstlimitierend, wird sie als nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie(non-sustained VT) bezeichnet.Bei einer Dauer von mehr als 30 Sekunden spricht man von einer anhaltenden ventrikulären Tachykardie(sustained VT).
Eine Sonderform ist die Torsade-de-Pointes-Tachykardie. Bei dieser kommt es zu paroxsmalen ventrikulären Tachykardien mit einer sich verändernden Ausrichtung der Komplexe um die Nulllinie. Eine Torsade-de-Pointes-Tachykardie kann in ein lebensbedrohliches Kammerflimmern übergehen.
Torsade-de-Pointes-Tachykardie im EKG
Langzeit-EKG: Detektion nicht anhaltender ventrikulärer Tachykardien
Ursachensuche: z.B. Koronarangiographie bei Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit oder bei akutem Koronarsyndrom;Echokardiographie (z.B. zum Nachweis einer Herzinsuffizienz oder zum Nachweis von Wandbewegungsstörungen als Hinweis für einen Myokardinfarkt), Labor (Elektrolyte – insbesondere Kalium und Magnesium)
Vorgehen/Therapie
Akuttherapie:
Bei Kreislaufstillstand:Reanimation (siehe Reanimation)
Pulslose ventrikuläre Tachykardie:Defibrillation
Hämodynamische Instabilität/kardiogener Schock, Lungenödem, keine Wirksamkeit der medikamentösen antiarrhythmischen Therapie: elektrische synchronisierte Kardioversion
Bei hämodynamischer Stabilität und guter Pumpfunktion: Ajmalin
Bei hämodynamischer Stabilität und Herzinsuffizienz:Amiodaron (kontraindiziert bei Schilddrüsenfunktionsstörungen aufgrund eines hohen Iodgehaltes)
Bei einer koronaren Herzerkrankung oder einem akuten Koronarsyndrom:Koronarangiographie
Bei einer Elektrolytstörung: Elektrolytausgleich
Prävention:
ß-Blocker
Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (= ICD) = Antitachykarde Schrittmachertherapie
Katheterablation
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Kammerflattern und Kammerflimmern
Zu den ventrikulären Tachykardien gehört auch das Kammerflattern und das Kammerflimmern.
Kammerflattern
Beim Kammerflattern kommt es zu kreisendenund regelmäßigenErregungen in den Kammern mit Kammerfrequenzen über 250 Schlägen pro Minute. Der QRS-Komplex ist hierbei über 120 ms verbreitert.
Kammerflattern
Kammerflimmern
Beim Kammerflimmern kommt es zu einer gänzlichunkoordinierten Kontraktion der Ventrikel. Es lassen sich keine QRS-Komplexe mehr ableiten.
Kammerflimmern
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Torsade-de-Pointes-Tachykardie
Eine Torsade-de-Pointes-Tachykardie kann im Rahmen eines Long-QT-Syndroms auftreten. Torsade-de-pointes bedeutet übersetzt Spitzenumkehrtachykardie. Bei dieser liegt zuerst ein Sinusrhythmus mit einer verlängerten QT-Zeit über 550 ms vor. Es kommt zu einem plötzlichenEinsetzen der Tachykardie mit breitem QRS-Komplex, der um die isoelektrische Linie unduliert und an Größe zu- und abnimmt.
Die Torsade-de-Pointes-Tachykardie ist eine lebensbedrohliche Arrhythmie. Sie kann spontan sistieren, aber auch in ein Kammerflimmern übergehen. Mit Magnesium kann versucht werden, die Tachykardie zu beenden.
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FBI-Tachykardie: fast, broad, irregular
Eine Sonderform der Breitkomplextachykardien ist die sogenannte FBI-Tachykardie. FBI steht für fast, broad, irregular.
Eine FBI-Tachykardie entsteht im Rahmen von Vorhofflimmern mit einer zusätzlich vorliegenden akzessorischen Leitungsbahn.
Es resultieren hohe Frequenzen, ein verbreiterter QRS-Komplexund eine variable Morphologie, da die Erregung teilweise über die akzessorische Leitungsbahn und teilweise regulär über den AV-Knoten übergeleitet wird.
Die Therapie beläuft sich auf eine synchronisierte Kardioversion.
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Vorgehen/Therapie
Kreislaufstillstand/hämodynamische Instabilität
Bei Kreislaufstillstand:Reanimation (siehe Reanimation)
Bei instabilen Breitkomplextachykardien sollte eine elektrische Kardioversion erfolgen. Bei polymorphen Breitkomplextachykardien ist dies nicht immer möglich, weshalb häufig eine Defibrillation notwendig ist.
Hämodynamische Stabilität
Reanimationsbereitschaft: Defibrillator-Pads ankleben und anschließen
Ggf. Anforderung von Unterstützung
Weitere Differentialdiagnostik einleiten: 12-Kanal-EKG, Blutgasanalyse, Elektrolyte, Troponin, ggf. Echokardiographie
Bei guter Pumpfunktion: Ajmalin (kontraindiziert bei Herzinsuffizienz ➜ In diesem Fall Amiodaron)
Bei Herzinsuffizienz: Amiodaron (aufgrund des hohen Iodgehalts bei Schilddrüsenfunktionsstörungen kontraindiziert)
Vorhofflimmern und akzessorische Leitungsbahn (auch als FBI (fast, broad, irregular) bezeichnet): elektrische synchronisierte Kardioversion
Bei dem Verdacht auf eine FBI-Tachykardie und guter Pumpfunktion: ggf. Ajmalin
Supraventrikuläre Tachykardie mit Schenkelblock:siehe jeweilige Herzrhythmusstörung
Kausaltherapie
Bei einer koronaren Herzerkrankung oder einem akuten Koronarsyndrom:Koronarangiographie
Bei einer Elektrolytstörung: Elektrolytausgleich
Prävention
ß-Blocker
Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (= ICD) = Antitachykarde Schrittmachertherapie
Ggf. Katheterablation
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Fallbeispiel
Für ein praktisches EKG-Fallbeispiel zum Thema zum Üben der EKG-Auswertung siehe: EKG-Fallbeispiel 14
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Video
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