Zusammenfassung
Die chronische Nierenerkrankung (CKD) ist durch einen irreversiblen Verlust der Nierenfunktion gekennzeichnet, in der Regel definiert durch eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR
DefinitionStrukturelle oder funktionelle Auffälligkeit der Niere >3 Monate mit Auswirkung auf die Gesundheit :
Mindestens eine der unter 1. oder 2. genannten Veränderungen muss länger als 3 Monate bestehen:
- Erniedrigte glomeruläre Filtrationsrate (GFR
) <60 ml/min/1,73 m² - Marker einer Nierenschädigung
- Albuminurie
- Pathologisches Urinsediment
- Hinweis auf tubuläre Störungen (z.B. Elektrolytveränderungen)
- Auffällige Nierenbiopsie
oder Bildgebung - Nierentransplantation in der Vorgeschichte
Epidemiologie
- Circa 10-15% der Erwachsenen in Deutschland leiden an einer CKD
- Höhere Inzidenz bei älteren Menschen, Patient:innen mit Diabetes mellitus
oder arterieller Hypertonie - Männer sind häufiger betroffen als Frauen
- Höhere Prävalenz in bestimmten ethnischen Gruppen, z.B. bei Menschen afroamerikanischer Abstammung in Deutschland
Ursachen
- 40% Diabetes mellitus
(häufigste Ursache, insbesondere bei Typ-2-Diabetes ): diabetische Nephropathie (Kimmelstiel-Wilson -Glomerulosklerose) - 20% arterielle Hypertonie
(zweithäufigste Ursache, oft in Kombination mit Diabetes ): hypertensive Nephropathie (Nephrosklerose) - 15% Glomerulonephritis
: primäre und sekundäre Formen - 10% Polyzystische Nierenerkrankung
- 10% tubulo-interstitielle Nierenerkrankungen
- Nephrotoxische Medikamente
(Auswahl): NSAR , bestimmte Antibiotika (z.B. Aminoglykoside ), Chemotherapeutika , Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin A) - Systemerkrankungen (z.B. systemischer Lupus erythematodes, Sichelzellanämie), chronische Niereninfektionen, weitere hereditäre/kongenitale Nierenerkrankungen (z.B. Alport-Syndrom, Morbus Fabry)
AchtungBei Patient:innen mit bekannter CKD sollten nephrotoxische Medikamente
vermieden oder deren Dosis angepasst werden!
TippBei Risikopatient:innen (z.B. Diabetiker:innen) sollte mindestens einmal jährlich eine GFR
-Bestimmung und Urinuntersuchung auf Proteinurie erfolgen.
InfoBei jungen Erwachsenen ist eine Glomerulonephritis
die häufigste Ursache für eine CKD! Eine frühe Diagnose und Therapie ist hier besonders wichtig für den weiteren Verlauf.
Pathophysiologie
MerkeDie Entstehung einer chronischen Nierenerkrankung findet in zwei Stadien statt:
- Initiale Schädigung durch die renale Grunderkrankung (z.B. diabetische Nephropathie
oder hypertensive Nephropathie ) - Fortschreiten der Nierenschädigung unabhängig von Grunderkrankung (z.B. durch konsekutive Entzündungsprozesse, Schädigung durch Proteine im Tubulussystem)
Progressionsfaktoren
- Intraglomerulärer Druckanstieg und Hyperfiltration:
- Bei Verlust von mehr als 50% der Nephrone durch die renale Grunderkrankung kommt es zu einer Kompensation durch die verbliebenen Nephrone durch Anstieg des intraglomerulären Drucks und Hyperfiltration
- Dies führt zunächst zu einer Aufrechterhaltung der glomerulären Filtration, indem die verbleibenden Nephrone mehr arbeiten, um den Filtrationsbedarf zu decken
- Der erhöhte Druck und die Hyperfiltration belasten die Glomeruli
zusätzlich, was langfristig zu strukturellen Schäden und Proteinurie führt - Proteinurie
ist ein Zeichen für den gestörten Filtrationsmechanismus der Glomeruli und trägt selbst zur weiteren Schädigung bei, da Proteine im Urin toxische Wirkungen auf die Nierentubuli haben können
- Tubulointerstitielle Fibrose:
- Die Überbelastung der Nephrone und die schädigende Wirkung von Proteinen im Urin führen zu Entzündungsreaktionen im Tubulointerstitium der Niere
- Diese Entzündungsprozesse fördern die Entwicklung von fibrotischem Gewebe (Narbenbildung), mit der Zeit führen diese Prozesse zu einer verkleinerten funktionsgestörten Niere ("Schrumpfniere")
Überblick
Gestörte Ausscheidungsfunktion (Exkretorische Funktionsstörung)
- Urinproduktion↓: Mit dem Fortschreiten der CKD sinkt die Fähigkeit der Nieren, Urin zu produzieren, was zu einer verminderten Urinausscheidung führt
- Folgen: Hypervolämie, periphere Ödeme
, Lungenödem und Hypertonie
- Folgen: Hypervolämie, periphere Ödeme
- Elektrolytstörungen
- Hyperkaliämie
: Verminderte Kaliumausscheidung, eine gleichzeitige metabolische Azidose (Kalium wird im Austausch mit Protonen nach extrazellulär verlagert) kann den Kaliumspiegel zusätzlich erhöhen, zudem können bestimmte Medikamente wie ACE-Hemmer , AT-1-Rezeptorblocker und Aldosteronantagonisten die Hyperkaliämie verstärken - Folgen: Oft unspezifisch, ggf. Herzrhythmusstörungen
- Hypernatriämie
oder Hyponatriämie abhängig vom Wasserhaushalt : Retention von Natrium und Wasser durch verminderte Fähigkeit der Nieren, Natrium auszuscheiden - Folgen: Bluthochdruck
, was die kardiovaskuläre Belastung erhöht
- Folgen: Bluthochdruck
- Hyperphosphatämie: Verminderte renale Phosphatausscheidung führt zu Anstieg des Phosphatspiegels im Blut
- Folgen: Trägt zur Entwicklung der renalen Osteopathie bei und verursacht atherosklerotische Gefäßveränderungen
- Hyperkaliämie
- Säure-Basen
-Haushalt - Metabolische Azidose
(meist ab einer GFR <30 mL/min = Stadium IV): Verminderte Ausscheidung von anfallenden Protonen und verminderte Rückresorption von Bikarbonat
- Metabolische Azidose
- Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen ↓
- Urämie: Anreicherung von harnpflichtigen Substanzen wie Harnstoff
und Kreatinin im Blut - Folgen: Eine schwere Urämie kann zu urämischer Enzephalopathie, Perikarditis
oder Pleuritis führen
- Folgen: Eine schwere Urämie kann zu urämischer Enzephalopathie, Perikarditis
- Hyperurikämie
: verminderte Harnsäure-Ausscheidung → Neigung zu Gicht
- Urämie: Anreicherung von harnpflichtigen Substanzen wie Harnstoff
Endokrine Funktionsstörung (Inkretorische Funktionsstörungen)
- Erythropoetin-Bildung↓: Die Niere produziert Erythropoetin, ein Hormon
, das die Bildung von roten Blutkörperchen stimuliert. Bei CKD ist die Erythropoetin-Produktion vermindert → renale Anämie (normochrome normozytäre Anämie ) - Vitamin D
-Aktivierung↓: Die Niere wandelt Vitamin D durch die 1-alpha-Hydroxylase in seine aktive Form Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol ) um, was für die Calciumabsorption im Darm notwendig ist. Eine verminderte Aktivierung führt zu Hypocalcämie . Die Hypocalcämie führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Parathormon aus den Nebenschilddrüsen → sekundärer Hyperparathyreoidismus (Parathormon ↑) und renale Osteopathie (z.B. Osteoporose, Osteomalazie) - Aktivierung des RAAS
(Renin-Angiotensin-Aldosteron -System): Bei verminderter Nierenfunktion wird das RAAS aktiviert, was den Blutdruck erhöht und zur Natrium - und Wasserretention beiträgt
Weitere Funktionsstörungen
- Lipidstoffwechselstörungen durch eine verringerte Lipoproteinlipase-Aktivität (Abbau von Triglyceriden ↓) und erhöhte Produktion von VLDL
(Very Low-Density Lipoprotein) → Hyperlipidämie
Stadien nach KDIGO
Die Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung basiert nach KDIGO auf dem Ausmaß der Reduktion der GFR
Grad | GFR | Beschreibung | Grad | Albuminurie |
---|---|---|---|---|
G1 | ≥ 90 ml/min | Normale Nierenfunktion mit Nierenschäden | A1 | <30 mg/24 Std |
G2 | 60-89 ml/min | Leichte Nierenfunktionsstörung | A2 | 30-300 mg/24 Std |
G3a | 45–59 ml/min | Mäßige Nierenfunktionsstörung | A3 | >300 mg/24 Std |
G3b | 30–44 ml/min | |||
G4 | 15-29 ml/min | Schwere Nierenfunktionsstörung | ||
G5 | <15 ml/min | Nierenversagen (NV) |
MerkeBei stark eingeschränkter GFR
<7 ml/min sollte bei chronischer Nierenerkrankung eine Dialyse durchgeführt werden!
Pathologie
Makroskopische Merkmale

https://www.scientificanimations.com/, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
- Verminderte Nierengröße: Schrumpfung der Niere (sog. Schrumpfniere), mit einer Nierenlänge oft <9cm
- Unregelmäßige Oberfläche: knotenartige, vernarbte Struktur, oft mit Einkerbungen
- Verdickte Kapsel: sichtbare Verdickung der Nierenkapsel
Mikroskopische Merkmale

No machine-readable author provided. KGH assumed (based on copyright claims)., CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons. Es wurde ein schwarzer Pfeil hinzugefügt.
- Glomerulosklerose: Verhärtung der Glomeruli
durch Narbenbildung - Tubulusatrophie: Schrumpfung und Verkleinerung der Nierentubuli
- Interstitielle Fibrose: Ersatz des normalen Gewebes durch faseriges Gewebe
- Verlust der normalen Nierenarchitektur: deutliche Veränderungen in der Zellstruktur und -organisation
Klinik
MerkeDie chronische Nierenerkrankung (CKD) verläuft oft lange Zeit symptomlos. Sie wird daher häufig als Zufallsbefund bei Routineuntersuchungen entdeckt. Viele Symptome treten erst bei fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung auf.
Symptome der exkretorischen Funktionsstörung
- Flüssigkeitshaushalt
- Initial: Polyurie
(Urinmenge >2.000-5.000 ml/Tag), Nykturie (nächtliches Wasserlassen ) und Polydipsie (gesteigertes Durstgefühl) - Erklärung: Durch den Verlust funktionsfähiger Nephrone kommt es in den verbleibenden Nephronen zu einem Überschuss an harnpflichtigen Substanzen → Dies führt zu einer osmotischen Diurese, die Niere ist nicht mehr in der Lage den Urin zu konzentrieren (Isosthenurie
) → Produktion großer Mengen an verdünntem Urin
- Erklärung: Durch den Verlust funktionsfähiger Nephrone kommt es in den verbleibenden Nephronen zu einem Überschuss an harnpflichtigen Substanzen → Dies führt zu einer osmotischen Diurese, die Niere ist nicht mehr in der Lage den Urin zu konzentrieren (Isosthenurie
- Im Verlauf: Durch fortschreitenden Verlust von Nephronen nimmt die Urinproduktion immer weiter ab → Hypervolämie
- Ödeme
(peripher, periorbital, Lungenödem ) - Arterielle Hypertonie
(häufig therapieresistent)
- Ödeme
- Initial: Polyurie
- Elektrolytstörungen
- Hyperkaliämie
: Muskelschwäche, ggf. Herzrhythmusstörungen - Natrium
(Hyper- oder Hyponatriämie ): neurologische Symptome wie Kopfschmerzen oder Verwirrtheit - Hyperphosphatämie: oft asymptomatisch, ggf. Knochenschmerzen
- Hyperkaliämie
- Säure-Basen
-Haushalt - Metabolische Azidose
: oft asymptomatisch, ggf. Übelkeit, Erbrechen und Kußmaulatmung (tiefe Atemzüge bei normaler Frequenz)
- Metabolische Azidose
- Urämie
- Definition: Urämie bezeichnet die Ansammlung von harnpflichtigen Substanzen im Blut, die aufgrund eingeschränkter Nierenfunktion nicht ausreichend ausgeschieden werden können.
- Symptome:
- Allgemeine Symptome: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Sexualstörungen
- Gastrointestinale Symptome (urämische Gastroenteropathie
): Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und ein metallischer Geschmack im Mund - Foetor uraemicus
: unangenehmer urinähnlicher Geruch der Haut und der ausgeatmeten Luft (Mundgeruch) bei fortgeschrittener Nierenerkrankung - Hautveränderungen: Juckreiz (Pruritus) und urämisches Hautkolorit („schmutziges Hautkolorit“, Café-au-lait-Farbe)
- Neurologische Symptome: Kognitive Störungen, Verwirrtheit, periphere Neuropathie
, und in schweren Fällen, urämische Enzephalopathie (bis hin zum urämischen Koma) - Urämische Perikarditis
: Entzündung des Herzbeutels (Perikard ) - Thrombozytenfunktionsstörung
: Die Toxine beeinträchtigen die Blutgerinnung, was zu erhöhter Blutungsneigung führen kann - Erhöhte Infektanfälligkeit: Die Akkumulation von toxischen Substanzen schwächt das Immunsystem
Verlauf der exkretorischen Funktionsstörung
GFR | exkretorische Funktion | Klinik |
---|---|---|
<90 ml/min | Urin-Konzentrationsfähigkeit ↓ |
|
<50 ml/min | Exkretion |
|
<30 ml/min | H+-Elimination ↓ |
|
<20 ml/min | Natrium |
|
<10 ml/min | Exkretion |
|
Symptome der inkretorischen Funktionsstörung
- Renale Anämie: Blässe, Müdigkeit
- Sekundärer Hyperparathyreoidismus (renale Osteopathie): ggf. Knochenschmerzen
Diagnostik
Anamnese
- Symptome:
- Veränderungen der Miktion, Ödeme
- Symptome der Urämie → insbesondere Müdigkeit, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Pruritus und kognitive Störungen (z.B. Verwirrung, Konzentrationsstörungen)
- Veränderungen der Miktion, Ödeme
- Medikamente: Analgetikaabusus (NSAR
, Coxibe ), Einnahme anderer nephrotoxischer Medikamente (z.B. Amphotericin B, Aminoglykoside ) - Flüssigkeitsaufnahme und -verlust: z.B. Durchfall, Erbrechen, Blutungen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme
- Vorerkrankungen: z.B. akute oder chronische Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz
, Diabetes mellitus , langjährige arterielle Hypertonie , Kryoglobulinämie - Vorangegangene Nierenbelastungen: Exsikkose
, Kontrastmittelgabe, Hospitalisierungen, Operationen, Infektionen (z.B. Harnwegsinfektionen) oder Traumata - Lebensstil: Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch, hoher Proteinkonsum, salzreiche Diäten
- Familienanamnese: positive Familienanamnese für Nierenerkrankungen
- Polyzystische Nierenerkrankung
- Alport-Syndrom: chronisch progrediente Nierenerkrankung, Innenohrschwerhörigkeit, Augenveränderungen, aufgrund des X-chromosomal-dominanten Erbgangs sind vor allem Männer betroffen
- Berufliche Exposition: Kontakt mit nephrotoxischen Substanzen
wie Herbizide, Pestizide, Schwermetalle (z.B. Cadmium, Blei)
Körperliche Untersuchung
- Allgemeinzustand: Beurteilung von Müdigkeit, Schwäche und allgemeinen Krankheitsanzeichen
- Vitalparameter: Blutdruck (Hypertonie, Hypotonie, Schock
?), Körpertemperatur (Fieber?) und Puls - Inspektion der Haut- und Schleimhäute: Blässe, Kratzeffloreszenzen der Haut, trockene (dehydrierte) Schleimhäute oder Hyperpigmentierung
- Inspektion auf periphere Ödeme
: insbesondere an Beinen, Knöcheln und periorbital - Auskultation des Herzens
und der Lungen: Herzgeräusche oder Arrhythmien, Rasselgeräusche als Hinweis auf ein Lungenödem - Orientierende neurologische Untersuchung
: Verwirrtheit, Bewusstseinsveränderungen, Krämpfe oder Polyneuropathie - Muskuloskelettales System: Knochenschmerzen, Frakturen oder Muskelkrämpfe
- Ggf. Fundoskopie: Anzeichen von hypertensiver Retinopathie oder Diabetes
-Retinopathie
AchtungEine orientierende neurologische Untersuchung
ist im Rahmen der Erstdiagnose einer CKD sowie bei akuter Verschlechterung einer bereits bekannten CKD obligat!
MerkeRegelmäßige Untersuchungen auf Ödeme
und regelmäßige Gewichtskontrollen sind die wichtigste Methode zur Überwachung des Wasserhaushalts bei Patient:innen mit CKD!
Labordiagnostik
Serumparameter
- Retentionsparameter: Serum
-Kreatinin zur eGFR -Berechnung (eGFR <60 ml/min), Harnstoff , ggf. Cystatin C (sensitiver, aber teurer) - Elektrolyte: Hyperkaliämie
und Hyperphosphatämie durch gestörte tubuläre Sekretion, Hypokalzämie durch Vitamin D -Mangel - Venöse BGA
: metabolische Azidose - Lipidstatus: Cholesterin- und Triglyceridwerte zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikos
- Anämie
-Parameter: - Erythrozyten
, Hämoglobin (Anämie ), Hämatokrit , Erythrozytenindizes (MCV , MCH) → Normochrome normozytäre Anämie - Ferritin
und Transferrinsättigung (wichtig zur Beurteilung der Eisenreserven und der Effektivität einer möglichen Eisenersatztherapie)
- Erythrozyten
- Ab einer GFR
<45 ml/min (CKD-Stadium 3b oder höher): Bestimmung des Serumphosphats, Parathormon (PTH ) und 25-OH-Vitamin D3
Urindiagnostik
- U-Stix
: Proteinurie (insbesondere Albuminurie), Mikrohämaturie - 24-Stunden-Sammelurin
: quantitativen Proteinbestimmung (Albumin -Kreatinin -Quotient >30 mg/g, Albuminurie >30 mg/24 Std), Überwachung von Kalium , Natrium , Calcium und Phosphat im Urin - Urinsediment
: spezifische ursachenabhängige Zylinder und Zellen, z.B. aktives nephritisches Sediment bei Glomerulonephritis (Erythrozytenzylinder , Leukozytenzylinder , Akanthozyten )
Bildgebung
Sonografie der Nieren
: Beurteilung der Größe und Struktur (i.d.R. verkleinerte, relativ echoreiche Nieren mit schmalem Parenchymsaum), ggf. Nachweis von Zysten oder bilateraler Hydronephrose Kristoffer Lindskov Hansen, Michael Bachmann Nielsen and Caroline Ewertsen, CC BY 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via Wikimedia Commons
Info
Bei chronischer Nierenerkrankung sind die Nieren in der Regel fibrotisch verkleinert („Schrumpfniere") ⇔ Bei akuter Nierenschädigung
ohne vorbestehende CKD sind die Nieren in der Regel normal groß oder leicht vergrößert (z.B. entzündlich bedingt)! - Röntgen-Abdomen: Zeichen eines sekundären Hyperparathyreoidismus wie extraossäre Weichteilverkalkungen z.B. Herzklappen
- oder Gefäßverkalkungen - CT
-/MRT-Abdomen: bei Verdacht auf strukturelle Anomalien
Nierenbiopsie
- Indikation: insbesondere bei unklaren oder fortgeschrittenen Erkrankungen zur Bestimmung der Ursache der Erkrankung
Therapie
MerkeDie Behandlung der der chronischen Nierenerkrankung basiert im Wesentlichen auf drei Säulen:
- Aufhalten bzw. Verlangsamung der Progredienz (sog. „Nephroprotektion“)
- Therapie der Komplikationen
- Nierenersatzverfahren
1. Nephroprotektion
- Risikofaktorenmanagement durch Lebensstiländerungen: gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Gewichtsnormalisierung, Vermeiden von Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum
- Diätetische Maßnahmen:
- Phosphatarme und kaliumarme Ernährung (ggf. Gabe von Phosphat
- oder Kaliumbindern) - Ausgeglichene Flüssigkeitsaufnahme von ca. 2 l pro Tag unter Vermeidung von Ödemen
und einer Exsikkose - Proteinrestriktion (ca. 0,6–0,8 g/kgKG pro Tag) → Wirksamkeit umstritten
- Phosphatarme und kaliumarme Ernährung (ggf. Gabe von Phosphat
- Blutdruckeinstellung (eine der wichtigsten Maßnahmen):
- Ziel: <130/80 mmHg, bei Proteinurie
: ≥1 g/Tag <125/75 mmHg, Werte <110 mmHg systolisch sollten vermieden werden - Antihypertensiva
: ACE-Hemmer oder alternativ AT-1-Rezeptorblocker wirken nephroprotektiv
- Ziel: <130/80 mmHg, bei Proteinurie
- Blutzuckereinstellung: Antidiabetika
(SGLT2-Inhibitoren ) - Vermeidung nephrotoxischer Medikamente
- Adäquate Infekttherapie (insbesondere bei Harnwegsinfekten)
- Kontinuierliche Anpassung bestehender Medikation an die GFR
bzw. Absetzen/Pausieren der Medikation
TippDa Insulin
über die Nieren ausgeschieden wird, kann bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung der Insulinbedarf von insulinpflichtigen Diabetiker:innen sinken.
InfoNephroprotektive Medikamente
- ACE-Hemmer
(z.B. Ramipril, Lisinopril) und AT-1-Rezeptorblocker (Sartane , z.B. Valsartan, Candesartan)
- Protektiv durch die Vasodilatation, Reduktion des Blutdrucks und Verringerung der glomerulären Hyperfiltration
- SGLT2-Inhibitoren
(z.B. Empagliflozin, Dapagliflozin, Canagliflozin)
- Protektiv durch die Hemmung der Rückresorption von Glukose
in den Nieren → vermehrte Ausscheidung von Glukose im Urin , günstige Wirkungen auf die glomeruläre Hämodynamik, die Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse - GLP-1-Analoga
(z.B. Liraglutid, Semaglutid)
- Protektiv durch Einstellung der Blutglucose, positive Wirkungen auf das kardiovaskuläre System
und die Nierenfunktion
2. Therapie der Komplikationen
- Therapie der renalen Anämie
- Erythropoese
-stimulierende Mittel (z.B. Erythropoetin) - Substitution von Eisen
bei niedrigem Serumferritin und geringer Transferrinsättigung
- Erythropoese
- Therapie des sekundären Hyperparathyreodismus
- Phosphatarme Diät: Reduktion von Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukten, Eigelb und Nüssen
- Phosphatbinder (z.B. Calciumcarbonat, Calciumacetat): Durch Einnahme zu den Mahlzeiten wird die intestinale Phosphataufnahme vermindert
- Substitution des aktiven 1,25(OH) Vitamin D3
- Calcimimetika (z.B. Cinacalcet): steigern die Sensitivität
des Calciumrezeptors an der Nebenschilddrüse und führen so zu einer Reduktion des Parathormons - Parathyreoidektomie: bei medikamentös therapierefraktären Fällen
- Kardiovaskuläre Prophylaxe: lipidsenkende Therapie
(Statine )
AchtungRisiken der EPO-Substitution bei bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Eine zu aggressive Behandlung der Anämie
mit EPO kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöhen, wie z.B. Herzinfarkte oder Schlaganfälle. - Zu hohe Hämoglobinwerte durch EPO könnten zu einer Erhöhung des Blutdrucks und einer erhöhten Belastung des Herz-Kreislauf-Systems
führen. Die Indikation zur Substitution von Erythropoetin (EPO) sollte daher nur nach sorgfältiger, kritischer Abwägung gestellt werden.
3. Nierenersatztherapie
Dauerdialysetherapie
- Formen: Hämodialyse
oder Peritonealdialyse - Indikationen zur Dialysetherapie
: - Stark reduzierte GFR
(<7 ml/min) - Symptomatische Urämie, urämische Enzephalopathie, urämische Perikarditis
/Pleuritis - Therapierefraktäre Hypertonie
- Therapierefraktäre Hypervolämie (z.B. Lungenödem
trotz Diuretikatherapie) - Therapierefraktäre schwere metabolische Azidose
oder - Therapierefraktäre Elektrolytstörungen (insbesondere Hyperkaliämie
) - Therapierefraktäre schwere renale Anämie
(<8,5 g/dl trotz Gabe von Eisen und Erythropoetin) - Therapierefraktärer Serum
-Harnstoff >200 mg/dl
- Stark reduzierte GFR
MerkeMerkhilfe: Indikationen zur Dialyse
: AEIOU (alle Vokale) → Azidose, Elektrolytstörung (Hyperkaliämie ), Intoxikationszeichen, Overload (Volumenüberladung), symptomatische Urämie

Laboratoires Servier, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Nierentransplantation
- Etwa 90-100.000 Menschen in Deutschland benötigen aufgrund eines terminalen Nierenversagens ein dauerhaftes Nierenersatzverfahren. Im Vergleich zur Dialyse
führt die Nierentransplantation zu einer geringeren Mortalität und einer höheren Lebensqualität. - Formen:
- Leichenspende (ca. 70%): Vergabe durch Eurotransplant, durchschnittliche Transplantat-Überlebenszeit von >14 Jahren
- Lebendspende (ca. 30%): längere Transplantat-Überlebenszeit
- Verfahren:
- Heterotope Implantation in die Fossa iliaca als dritte Niere mit Anschluss des Transplantat-Ureters
an die Harnblase des Empfängers und der Transplantat-Nierengefäße an die Iliakalgefäße des Empfängers - Lebenslange Immunsuppression, i.d.R. als Dreifachtherapie mit Ciclosporin A oder Tacrolismus plus Prednisolon
plus Mycofenolat mofetil Lebenslange regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion (Blut- und Urinkontrollen insbesondere der Nierenparameter, Elektrolyte, GFR
) und Kontrolle auf Abstoßungsreaktionen (körperliche Untersuchung, ggf. Biopsien)
- Heterotope Implantation in die Fossa iliaca als dritte Niere mit Anschluss des Transplantat-Ureters
InfoDie Nieren haben im Vergleich zu anderen Transplantaten die längste tolerable, kalte Ischämiezeit (24-36 Std)!
Komplikationen
- Kardiovaskuläre Erkrankungen: Patient:innen mit chronischer Nierenerkrankung versterben meist an einer kardialen Ursache:
- Koronare Herzerkrankungen durch Phosphat
- und Calciumablagerungen - Herzrhythmusstörungen im Rahmen von Hyperkaliämien
- Koronare Herzerkrankungen durch Phosphat
- Renale Anämie: häufige Komplikation, die die Lebensqualität stark beeinträchtigt
- Elektrolytentgleisungen: Hyperkaliämie
, Hypocalcämie und Hyperphosphatämie - Urämie
- Sekundärer Hyperparathyreoidismus (Renale Osteopathie)
- Hyperurikämie → Gicht
Prognose
Die Prognose einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) ist variabel und hängt stark vom Stadium der Erkrankung, der zugrunde liegenden Ursache sowie der Art und Qualität der Intervention ab.
Stadium der Erkrankung
Stadium | 10-Jahres-Überlebensrate |
---|---|
1 und 2 |
|
3 |
|
4 |
|
5 |
|
Zugrunde liegende Ursachen
- Diabetes mellitus
: Patient:innen mit diabetischer Nephropathie haben eine schlechtere Prognose, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium - Hypertonie: eine unkontrollierte Hypertonie
kann das Fortschreiten der CKD beschleunigen, was die Überlebensraten negativ beeinflusst
Art und Qualität der Intervention
- Eine frühe Intervention und Kontrolle der Risikofaktoren (z.B. Gewichtsmanagement, Blutdruckkontrolle, Raucherentwöhnung) können die Progredienz der Erkrankung verlangsamen
- Eine Senkung des Blutdrucks auf <130/80 mmHg kann das Risiko für Nierenversagen signifikant reduzieren
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Quellen
- S2k-Leitlinie Rationelle Labordiagnostik zur Abklärung Akuter Nierenschädigungen und Progredienter Nierenerkrankungen, Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V. (DGKL), Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)
- S3-Leitlinie Versorgung von Patienten mit chronischer nicht-dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM)