Unter dem Begriff Cushing-Syndrom werden Zustände zusammengefasst, bei denen der Cortisolspiegel im Blut krankhaft erhöht ist.
Die häufigste Ursache ist eine exogene, iatrogene Glucocorticoideinnahme. Die endogenen Cushing-Syndrome sind wesentlich seltener und werden in zentrale, ektope und adrenale Formen unterteilt.
Klinisch zeigen sich als Folge des erhöhten Glucocorticoidspiegels unter anderem typische Symptome wie Stammfettsucht, Muskelatrophie, Hautveränderungen und metabolische Störungen. Durch den Androgenanstieg kommt es bei Frauen außerdem häufig zu Menstruationsstörungen und Virilisierungserscheinungen.
Diagnostisch stehen verschiedene Stimulations- und Suppressionstests zur Verfügung, wobei der Dexamethason-Hemmtest (zusammen mit der ACTH-Bestimmung) die primäre Untersuchungsmethode darstellt.
Bei relevanter Symptomatik besteht die Therapie primär in der chirurgischen Entfernung des Tumors. Bei Inoperabilität oder in palliativen Situationen werden strahlentherapeutische und/oder medikamentöse Verfahren eingesetzt.
Epidemiologie
Genaue Angaben über die Inzidenz des Cushing-Syndroms liegen nicht vor. Insgesamt handelt es sich jedoch um eine seltene Erkrankung.
Geschätzte Inzidenz: etwa 2–10 Fälle pro 1 Million Einwohner und Jahr
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Ursachen
Exogenes Cushing-Syndrom
Häufigste Form
Induziert durch Langzeitbehandlung mit Glucocorticoiden
Tipp
Cushing-Schwellendosis
Die Cushing-Schwellendosis bezeichnet die tägliche Glucocorticoid-Dosis, ab der mit einer signifikanten Suppression der körpereigenen Kortisolproduktion und dem Risiko für systemische Nebenwirkungen des Cushing-Syndroms gerechnet werden muss.
Sie wird mit ca. 7,5 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag angegeben
Es besteht eine hohe intraindividuelle Variabilität, d. h., dass einzelne Patient:innen bereits bei geringeren Dosierungen oder erst bei höheren Mengen systemische Effekte entwickeln können
Die Schwellendosis ist relevant für die Einschätzung, ob und wann eine Nebennierenrindeninsuffizienz nach Absetzen der Therapie droht
Endogenes Cushing-Syndrom
ACTH-abhängig:
Zentrales Cushing-Syndrom (Morbus Cushing):
Häufigste Form der endogenen Cushing-Syndrome
Meist durch Mikroadenome des Hypophysenvorderlappens
Ektopes Cushing-Syndrom:
Paraneoplastische Produktion von ACTH oder CRH in ektopem Gewebe (häufig im Rahmen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms)
ACTH-unabhängig:
Adrenales Cushing-Syndrom:
Cortisolproduzierende Tumore der Nebennierenrinde (Adenome oder Karzinome)
Makronoduläre Hyperplasien oder mikronoduläre Dysplasien der Nebennierenrinde (selten)
Merke
Verglichen mit den endogenenFormen des Cushing-Syndroms tritt das exogeneCushing-Syndrom wesentlich häufiger auf!
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Pathophysiologie
Physiologischer Ablauf
Unter physiologischen Bedingungen wird die Cortisolproduktion durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) reguliert. Im Hypothalamus wird CRH freigesetzt, welches die Hypophyse zur Sekretion von ACTH anregt. ACTH wiederum stimuliert die Produktion und Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde.
Ein negativer Rückkopplungsmechanismus sorgt dafür, dass die Freisetzung von CRH und ACTH bei hohen Cortisolspiegeln gehemmt wird, um eine Überproduktion zu vermeiden.
Negativer Feedbackmechanismus
Pathophysiologie
Das Cushing-Syndrom ist durch eine übermäßige Ausschüttung von Cortisolgekennzeichnet, die aus einer Störung des physiologischen Regelkreises resultiert.
Endogenes Cushing-Syndrom:
ACTH-abhängige Formen:
Die ACTH-abhängigen Formen sind durch eine exzessive Sekretion von ACTH gekennzeichnet. Dies führt zu einer übermäßigen Stimulation der Nebennierenrinden und damit zu einer gesteigerten Produktion von Cortisol. Da die ACTH-Produktion in diesem Fall nicht durch hohe Cortisolspiegel gehemmt wird, ist der negative Rückkopplungsmechanismus aufgehoben
ACTH-unabhängige Formen:
Bei primären Nebennierenerkrankungen wie Nebennierenadenomen oder -karzinomen kommt es zu einer autonomen, von der ACTH-Regulation unabhängigen Cortisolproduktion. Die Folge ist eine Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Achse und ein Abfall des ACTH-Spiegels
Exogenes Cushing-Syndrom:
Das exogene Cushing-Syndrom ist eine iatrogene Nebenwirkung, die durch eine Langzeitbehandlung mit Glucocorticoiden hervorgerufen wird.
Cushing-Syndrom - Pathophysiologie
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Klinik
Cortisolinduzierte Symptome
Umverteilung des Körperfetts: Stammfettsucht, „Stiernacken”, „Vollmondgesicht"
Muskuloskelettale Symptome: Muskelatrophie, Myopathie mit Muskelschwäche, Osteoporose
Bei ektoper ACTH-Produktion tritt als weiteres Symptom häufig eine Hyperpigmentierung der Haut auf.
Achtung
Die klinischen Merkmale des metabolischen Syndroms lassen oft fälschlicherweise an ein Cushing-Syndrom denken, auch wenn keine erhöhten Cortisolspiegel vorliegen. Daher sollte das metabolische Syndrom stets als Differentialdiagnose in Betracht gezogen werden.
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Diagnostik
Anamnese
Leitsymptome: Stammfettsucht, „Vollmondgesicht", Hypertonie, Insulinresistenz, Muskelschwäche etc.
Medikamentenanamnese: Therapie mit Glucocorticoiden?
Risikofaktoren: Hinweise auf Tumorerkrankungen oder genetische Prädisposition?
Labor
Blutbild: Polyglobulie, Leukozytose, Lymphopenie
Hyperglykämie, HbA1c↑
Dyslipidämie
Hypokaliämie (insb. bei ektoper ACTH-Produktion)
Tipp
Das klinisch-chemische Basislabor ist für die Diagnose des Cushing-Syndroms wenig aussagekräftig. Dennoch können die entsprechenden Parameter im Einzelfall als Anhaltspunkte herangezogen werden.
Screening-Tests
Initiale Diagnosesicherung:
Freies Cortisol im 24-h-Sammelurin↑
Erhöhte Cortisolspiegel im Speichel um Mitternacht (→ Hinweis auf eine Störung des zirkadianen Rhythmus)
Niedrigdosierter Dexamethason-Hemmtest:
Grundprinzip: bei intaktem Regelkreis wird durch die Verabreichung synthetischer Glucocorticoide(z.B. Dexamethason) die ACTH-Sekretion gehemmt und somit die Ausschüttung von Cortisol in den Nebennierensupprimiert. Sinkt der Cortisolspiegel nicht, deutet dies auf eine Entkopplung des negativen Feedbackmechanismus hin
Durchführung:
Gabe von 1-2 mg Dexamethason um 23:00 Uhr
Bestimmung des Cortisolspiegels am nächsten Morgen
Interpretation:bei allen Formen des Cushing-Syndroms bleibtdie Hemmung der Glucocorticoidsynthese durch die Zugabe von Dexamethason aus (→ Ein negatives Testergebnis (also eine Supprimierung der Glucocorticoidsynthese durch die Gabe von Dexamethason) schließt das Vorliegen eines Cushing-Syndroms mit hoher Wahrscheinlichkeit aus!)
Dexamethason-Hemmtest
Weiterführende Differentialdiagnostik:
ACTH-Bestimmung im Plasma:
Ziel: Differenzierung zwischen ACTH-abhängigen und ACTH-unabhängigen Formen
Bei ACTH-unabhängigemCushing-Syndrom: CT und/oder MRT der Nebennieren
Bei Verdacht auf Hypophysenadenom: MRT der Hypophyse
Bei Verdacht auf ektope ACTH-Produktion:Thorax-CT (Bronchialkarzinom?), ggf. weitere bildgebende Verfahren
Merke
Bildgebende Verfahren sollten immer erst nach biochemischer/laborchemischer Sicherung eines Hypercortisolismus eingesetzt werden.
Cushing-Syndrom - Diagnosealgorithmus
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Differentialdiagnosen
Metabolisches Syndrom
Adipositas
Pseudo-Cushing-Syndrom (z.B. durch Alkoholismus oder Angststörungen)
Depression oder andere psychische Erkrankungen
Abnorme Nierenfunktion
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Therapie
Die Therapie des Cushing-Syndroms richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache:
Hypophysenadenom(Morbus Cushing):
Therapie der Wahl: transsphenoidale operative Entfernung
Alternativ (bei Resttumor oder Kontraindikationen für eine Operation):
Stereotaktische Bestrahlung
Ggf. medikamentöse Therapie mit Pasireotid (Somatostatin-Analogon → Hemmung der ACTH-Produktion)
Bei Therapieversagen: bilaterale Adrenalektomie (→ Lebenslange Hormonsubstitution)
Ektope ACTH-Produktion:
Primäre Therapie: Tumorresektion
Alternativ: symptomatische Therapie mit adrenostatischen Medikamenten (z.B. Ketoconazol oder Mitotan)
Adrenales Cushing-Syndrom:
Therapie der Wahl: Adrenalektomie (operative Entfernung der betroffenen Nebenniere)
Bei Atrophie der kontralateralen Nebennierenrinde → Substitution von Glucocorticoiden für einige Zeit
Bei bilateraler Adrenalektomie → Lebenslange Hormonsubstitution
Exogenes Cushing-Syndrom:
Überprüfung und Anpassung der Glucocorticoiddosierung
Schrittweise Dosisreduktion: längerfristige Gabe unterhalb der „Cushing-Schwellendosis" (7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag)
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Prognose
Die Prognose des Cushing-Syndroms hängt maßgeblich von der zugrunde liegenden Ursache, dem Zeitpunktder Diagnose und der Effektivität der Therapie ab. Unbehandelt ist das Cushing-Syndrom mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität assoziiert.
Morbus Cushing: nach erfolgreicher transsphenoidaler Adenomentfernung liegt die initiale Remissionsrate bei 70-90%, jedoch besteht eine Rezidivrate von etwa 20% innerhalb von 10 Jahren
Ektopes ACTH-Syndrom: diePrognose hängt stark von der Grunderkrankung ab
Adrenales Cushing-Syndrom:
Bei gutartigen Adenomen ist die Prognose nach erfolgreicher Adrenalektomie meist günstig
Nebennierenkarzinome hingegen haben eine schlechtere Prognose (insb. wenn sie bereits metastasiert sind)
Info
Nach bilateraler Adrenalektomie treten in ca. 20% der Fälle invasiv wachsende ACTH-produzierende Hypophysentumore auf (sog. Nelson-Syndrom). Dadurch, dass die negative Rückkopplung von Cortisol auf die ACTH-produzierenden Zellen der Hypophyse wegfällt, kann es zu einem reaktiven starken Wachstum dieser kommen. Es können die Symptome eines Hypokortisolismus, Sehstörungen, Kopfschmerzen und eine Hyperpigmentierung der Haut auftreten. ACTH ist wie MSH (Melanozyten-stimulierendes Hormon) ein Spaltprodukt von POMC. Durch die vermehrte ACTH-Bildung kommt es somit auch zu einer vermehrten Bildung von MSH (Melanozyten-stimulierendes Hormon). Dieses führt zu einer vermehrten Melaninbildung in den Melanzoyten und somit einer Braunfärbung der Haut.
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Quellen
Dietel M et al.: Harrisons Innere Medizin, ABW Wissenschaftsverlagsgesellschaft, 2005, ISBN: 978-3-936-07229-7