Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) gekennzeichnet ist. Man unterscheidet 2 Hauptformen: Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes.
Typ-1-Diabetes ist immer mit einem absoluten Insulinmangel verbunden. Die Ursache ist meist eine Zerstörung der β-Zellen des Pankreas im Rahmen einer Autoimmunreaktion. Die Ätiologie des Typ-2-Diabetes ist multifaktoriell. Neben einer genetischen Komponente ist Typ-2-Diabetes häufig mit Adipositas assoziiert. Die Insulinwirkung an den Zielzellen ist abgeschwächt (Insulinresistenz), was zunächst zu einem relativen Insulinmangel mit kompensatorisch gesteigerter Insulinsekretion führt. Im Laufe der Zeit nimmt die endokrine Funktion des Pankreas jedoch zunehmend ab.
Bei beiden Formen kommt es als Folge der Hyperglykämie zu einer konsekutiven Schädigung der Gefäße. Man spricht hierbei von einer Mikro- und Makroangiopathie, die letztlich zu schwerwiegenden Organschäden führen kann. Besonders betroffen sind das Herz, die Nieren, die Augen und das Nervensystem.
Das therapeutische Ziel besteht daher in erster Linie darin, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren. Bei Patient:innen mit Typ-1-Diabetes ist eine konsequente und lebenslange Insulingabe erforderlich. Darüber hinaus sollte eine Anpassung des Lebensstils erfolgen. Bei Personen mit Typ-2-Diabetes ist die nicht-medikamentöse Basistherapie die wichtigste therapeutische Maßnahme, wobei der Ernährung eine zentrale Bedeutung zukommt. Bei unzureichendem Erfolg ist der Einsatz von Antidiabetika erforderlich.
Ernährung bei Typ-2-Diabetes
Bei Patient:innen mit Typ-2-Diabetes ist von Beginn an eine nicht-medikamentöse Basistherapie indiziert, die auch im Falle einer zusätzlichen medikamentösen Intervention fortgeführt werden soll. Die Ernährungstherapie gilt dabei als wesentlicher Bestandteil.
Achtung
Die Rolle von Lebensstiländerungen bei Typ-2-Diabetes
Durch Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung undkörperliche Aktivitätkönnen viele Menschen mit Typ-2-Diabetes ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren, die Manifestation der Krankheit verhindern oder verzögern und in einigen Fällen sogar eine Remission erreichen.
Ernährungsempfehlungen
Körpergewicht:
Patient:innen mit einem BMI ≥25 kg/m² sollten eine Gewichtsabnahme anstreben
Das Zielgewicht ist in Abhängigkeit von individuellen Therapiezielen festzulegen
Bei adipösen Patient:innen sollte zur Diabetesremission eine Gewichtsabnahme von 15 kg angestrebt werden
Gewichtsschwankungen (Weight-cycling) sollten vermieden werden
Info
Vorteile durch Gewichtsreduktion
Studienergebnisse zeigen, dass bereits eine moderate Gewichtsreduktion (5-10% des aktuellen Körpergewichts)zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität, der Glukosetoleranz und der Blutfettwerte beiträgt.
Eine Gewichtszunahme oder starke Gewichtsschwankungen sind bei Personen mit Typ-2-Diabetes mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden.
Allgemeine Empfehlungen zur Gewichtsreduktion:
Bevor eine Gewichtsreduktion empfohlen wird, muss diese klar indiziert sein
Um eine langfristig gute Compliance zu gewährleisten, sollte eine engmaschige Betreuung durch geschulte Ernährungsberater:innen erfolgen
Im Hinblick auf die Gewichtsreduktion existiert bisher keine Diät, die anderen Ernährungsformen grundsätzlich überlegen ist → Die Wahl der Strategie sollte insb. in Abhängigkeit von individuellen Präferenzen sowie der Motivation zur dauerhaften Umsetzung im Alltag getroffen werden!
Proteine:
Empfohlene Zufuhr für Patient:innen mit Typ-2-Diabetes, intakter Nierenfunktion (GFR >60) und Gewichtskonstanz: 10-25% der Gesamtenergie
Eine Reduktion der Eiweißzufuhr auf unter 0,6-0,8 g/kg KG ist bei eingeschränkter Nierenfunktion jeglicher Stadien nach derzeitiger Studienlage nicht von Vorteil und wird u.a. wegen der Gefahr einer Mangelernährung nicht empfohlen (siehe auch Ernährung bei Nierenerkrankungen)
Während der Gewichtsreduktion (bis zu 12 Monate) kann der Eiweißanteil auf 23-32% der Gesamtenergie gesteigert werden
Kohlenhydrate:
Bevorzugung komplexer Kohlenhydrate mit niedrigem glykämischen Index (z.B. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte oder Gemüse)
Konsum von raffiniertem Zucker und hochverarbeiteten Getreideprodukten einschränken
Empfehlung einer erhöhten Ballaststoffzufuhr (40 g/Tag gelten als wünschenswert)
Der Verzehr von Süßstoffen gilt bei Einhaltung entsprechender Höchstmengen als gesundheitlich unbedenklich; gelegentlicher Einsatz kann im Rahmen der Therapie sinnvoll sein
Tipp
Die Versorgung mit Ballaststoffen, Mikronährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen wird durch die Auswahl geeigneter Kohlenhydratquellen automatisch verbessert. Beispiele für optimale Quellen sind Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Gemüse (insbesondere stärkearmes Gemüse wie Tomaten, Brokkoli oder Blattgemüse)und zuckerarmes Obst (z.B. Beeren).
Fette:
Zufuhrempfehlung entspricht der für die Allgemeinbevölkerung: 30-35% der Gesamtenergie → Individuelle Anpassung empfohlen (für Personen mit Typ-2-Diabetes kann eine fettreduzierte Ernährung nicht generell angeraten werden)
Transfette (insbesondere in Form industriell verarbeiteter Produkte) möglichst vermeiden
Gesättigte Fettsäuren: Zufuhrreduzieren (<10% der Gesamtenergie) → Der maßvolle Verzehr von gesättigten Fettsäuren aus natürlichen Quellen (z.B. Milchprodukte) gilt als unbedenklich
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren:
Ausreichender Verzehr von Omega-3-Fettsäuren → Günstiges Verhältnis von Omega-6- zuOmega-3-Fettsäuren(idealerweise 4:1 oder niedriger) hat gesundheitliche Vorteile (z.B. Reduktion chronischer Entzündungen)
Eine erhöhte Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren zu Lasten gesättigter Fettsäuren ist insgesamt empfehlenswert und wirkt sich bspw. positiv auf das Blutfettprofil aus. Trotzdem sollte die Zufuhr 10% der Gesamtenergie nicht überschreiten, um u.a. das Risiko einer vermehrten Lipidperoxidation einzugrenzen.
Einfach ungesättigte Fettsäuren:
Empfohlen wird eine Zufuhr von ca. 10-20% der Gesamtenergie, falls die Fettzufuhr insgesamt weniger als 35% der Gesamtenergie beträgt
Im Rahmen einer kohlenhydratreduzierten Diät können einfach ungesättigte Fettsäuren als kompensatorische Kalorienträger genutzt werden → Eine exzessive Zufuhr (>30% der Gesamtenergie) ist dennoch zu vermeiden
Omega-3-Quellen: fettreiche Kaltwasserfische (z.B. Lachs oder Makrele), Nüsse und Samen, einige pflanzliche Öle wie Raps- oder Leinöl
Vorsicht: Leinöl hat einen sehr hohen Omega-3-Gehalt, sollte jedoch aufgrund der Hitzeempfindlichkeit nicht zum Kochen verwendet werden
Beispiele für Öle mit ungünstigem Omega-6 zu Omega-3 Verhältnis: Sonnenblumenöl, Sesamöl, Distelöl, Sojaöl
Getränke:
Die Zufuhr zuckergesüßter Getränke sollte minimiert werden
Zuckerhaltige Getränke sollten überwiegend durch Wasser ersetzt werden → Mögliche Alternativen: ungesüßter Tee, Kaffee oder gesüßte kalorienfreie Getränke
Alkohol:
Begrenzung des Alkoholkonsums auf die für die Allgemeinbevölkerung empfohlenen Höchstmengen (♂ ≤24 g/d, ♀ ≤12 g/d)
Bei Verdacht auf riskanten Alkoholkonsum oder Alkoholabhängigkeit, sollten Patient:innen über mögliche Gefahren aufgeklärt werden(z.B. Verschlechterung der Stoffwechseleinstellung und erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen)
Allgemeiner Hinweis auf die Gefahr schwerer (insb. nächtlicher) Hypoglykämien nach dem Konsum größerer Alkoholmengen → Zur Risikominimierung wird eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme empfohlen!
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Ernährung bei Typ-1-Diabetes
Patient:innen mit Typ-1-Diabetes benötigen keine speziellen Diäten oder Lebensmittel. Generell ist die Evidenzbasis für allgemeine Ernährungsempfehlungen gering.
Von großer Bedeutung ist das individuelle Testen glykämischer Effekte bei der Nahrungsaufnahme. Die dabei gewonnenen Erfahrungswerte bilden gemeinsam mit den persönlichen Präferenzen eine geeignete Grundlage für die Gestaltung der individuellen Ernährungsweise und die darauf abgestimmte Strategie der Insulingabe. In diesem Zusammenhang sollte eine individuelle Ernährungsberatungin Anspruch genommen werden.
→ Allgemein gilt für die Ernährungstherapie: keine pauschalen Empfehlungen für eine bevorzugte Ernährung, sondern flexible Herangehensweise mit Anpassung an individuelle Bedürfnisse und Blutzuckerreaktionen!
Ernährungsempfehlungen
Körpergewicht:
Normalgewichtige Patient:innen sollten ihr Körpergewicht beibehalten
Bei übergewichtigen Personen mit Typ-1-Diabetes kann eine Gewichtsreduktion v.a. dann sinnvoll sein, wenn Begleiterkrankungen vorliegen (z.B. Hypertonie)
Low-Carb-Diäten können das Risiko für Hypoglykämienerhöhen und erfordern eine engmaschige Insulinkontrolle
Kohlenhydrate:
Patient:innen sollen die Kohlenhydratmenge pro Mahlzeit auf eine Kohlenhydrateinheit (10 g) genau abschätzen können → Hierfür soll eine strukturierte Schulung stattfinden
Glykämischer Index
Keine allgemeine Empfehlung für die Bevorzugung von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index
Wichtiger ist, dass Patient:innen ihre postprandialen Glukoseverläufe kennen (durch individuelles Testen der Glykämieantwort), um die Insulindosierung an den glykämischen Index bevorzugter Mahlzeiten und Lebensmittel anpassen zu können
Zufuhr zugesetzter Zucker reduzieren; natürliche Zuckerquellen müssen jedoch nicht eingeschränkt werden
Süßstoffe können in moderaten Mengen verzehrt werden und gelten bei Einhaltung der Höchstmengen als gesundheitlich unbedenklich
Info
Berechnung der Kohlenhydratmenge – Beispiel
Die Kohlenhydratmenge wird in Deutschland meist in Kohlenhydrateinheiten (KE) oder Broteinheiten (BE) angegeben
1 KE ≙ 10 g Kohlenhydraten, 1 BE ≙ 12 g Kohlenhydraten
Um die Insulindosis zu berechnen, ist es wichtig zu wissen, wie viele KE oder BE eine Mahlzeit enthält
Die Angabe der Kohlenhydratmenge ist bei allen verpackten Lebensmitteln verpflichtend
Beispiel für die KE-Berechnung: Auf der Verpackung von Vollkornbrot steht, dass 100 g Brot 40 g Kohlenhydrate enthalten. Wenn eine Scheibe 50 g wiegt, enthält sie also 20 g Kohlenhydrate. Dies entspricht 2 KE.
Für Proteine und Fette gibt es keine spezifischen Zufuhrempfehlungen (Empfehlungen entsprechen denen für die Allgemeinbevölkerung).
Achtung
Wenn eine Mahlzeit reich an Fett und Eiweiß ist, kann es zu einem verzögerten Anstieg des Blutzuckerspiegels kommen. Die Insulindosierung sollte entsprechend angepasst werden.
Alkohol:
Begrenzung des Alkoholkonsums auf die für die Allgemeinbevölkerung empfohlenen Höchstmengen (♂ ≤24 g/d, ♀ ≤12 g/d)
Bei Verdacht auf riskanten Alkoholkonsum oder Alkoholabhängigkeit, sollten Patient:innen über mögliche Gefahren aufgeklärt werden(z.B. Verschlechterung der Stoffwechseleinstellung und erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen)
Allgemeiner Hinweis auf die Gefahr schwerer (insb. nächtlicher) Hypoglykämien nach dem Konsum größerer Alkoholmengen → Zur Risikominimierung wird eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme empfohlen!
Mahlzeitenfrequenz:
Unregelmäßige Mahlzeiten und lange Zeitfenster (>12 Stunden) der täglichen Nahrungsaufnahme sollten bei übergewichtigen Personen vermieden werden → Stattdessen wird empfohlen, den Großteil der Kalorienmenge innerhalb der ersten Tageshälfte aufzunehmen.
Für intermittierendes Fasten besteht keine allgemeine Empfehlung
Hypoglykämie-Management:
Personen mit milder Hypoglykämie sollten 15-20 g schnell resorbierbare Kohlenhydrate (z.B. in Form von zuckerhaltigen Softdrinks) zu sich nehmen → Ist die Blutglukosekonzentration nach 15 Minuten immer noch niedrig, kann diese Maßnahme wiederholt werden.
Bei schweren Hypoglykämienwird die Zufuhr von 30 g schnell resorbierbaren Kohlenhydraten empfohlen (ggf. nachfolgend zusätzlich langsam resorbierbare Kohlenhydrate)
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