Zusammenfassung
Die Diagnostik in der Augenheilkunde dient der strukturierten Erfassung von Augenerkrankungen und Sehstörungen. Sie beginnt mit einem ausführlichen Anamnesegespräch und wird durch klinische Untersuchungen ergänzt, die je nach Verdachtsdiagnose und Indikation ausgewählt werden.
Die Untersuchungen lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: Basisuntersuchungen und apparative Untersuchungen.
Die Basisuntersuchungen dienen der ersten Einschätzung und beinhalten die Inspektion des Auges, die Palpation sowie Durchführung von verschiedener Funktionstests (z.B. Funktionsüberprüfung des Sehvermögens, der Netzhautfunktion, der Augenbeweglichkeit sowie der Hornhautsensibilität).
Zur weiterführenden und detaillierten Abklärung einer Augenerkrankung oder Verlaufskontrolle kommen verschiedene diagnostische Geräte zum Einsatz, wie beispielsweise die Spaltlampe, der Goldmann-Perimeter sowie ergänzende bildgebende Verfahren, wie die optische Kohärenztomographie (OCT) und die Fluoreszenzangiographie.
Anamnese
InfoZur Strukturierung der Anamnese kann das SAMPLER(S)-Schema verwendet werden.
- (S) Symptome
- Welcher Beschwerden hat die Person?
- Sehverschlechterung (Visus), Schmerzen, gerötetes oder trockenes Auge
, Fremdkörpergefühl, Änderungen in der Wahrnehmung (Farben, Lichtblitze, Rußregen, Doppelbilder), Gesichtsfeldeinschränkungen
- Sehverschlechterung (Visus), Schmerzen, gerötetes oder trockenes Auge
- Welcher Beschwerden hat die Person?
TippZur genaueren Beschwerdeabfrage kann das OPQRST-Schema
verwendet werden:
- (O) Onset: Wann haben die Beschwerden begonnen?
- (P) Provcation/Palliation: Wodurch werden die Beschwerden verstärkt/gelindert?
- (Q) Quality: Wie fühlt sich die Beschwerde an?
- (R) Region/Radiation: Wo befindet sich die Beschwerde? Strahlt sie aus (z.B. Schmerz) aus? Gibt es einen Punkt, von wo dieser her kommt? Ist es einseitig oder beidseitig?
- (S) Severity (Stärke): Wie stark fühlt sich die Beschwerde an? (Schmerzskala
1-10) - (T) Time: Seit wann bestehen die Beschwerden? Treten sie kontinuierlich auf oder gibt es einen bestimmten Auslöser?
- (A) Allergien
- Sind Allergien bekannt, die zu gerötetem und/oder tränenden Augen führen könnten?
- (M) Medikamente
- Werden Medikamente eingenommen, die ophthalmologische Nebenwirkungen verursachen können?
- Beispiel: Kortison (Steroidglaukom), Anticholinergika (akuter Glaukomanfall
bei Engwinkelglaukom), Ethambutol (Optikusneuritis)
- Beispiel: Kortison (Steroidglaukom), Anticholinergika (akuter Glaukomanfall
- Werden Medikamente eingenommen, die ophthalmologische Nebenwirkungen verursachen können?
- (P) Patientenvorgeschichte
- Bestehen internistische Grunderkrankungen mit möglicher Auswirkung auf das Auge
? - Beispiele: Diabetes Mellitus
(diabetische Retinopathie), arterielle Hypertonie (hypertensive Retinopathie), rheumatische Erkrankungen (z.B. Skleritis)
- Beispiele: Diabetes Mellitus
- Sind Brechungsanomalien (Refraktionsanomalien
/Ametropien) bekannt? - Beispiele: Kurzsichtigkeit (Myopie), Weitsichtigkeit (Hyperopie), Stabsichtigkeit (Astigmatismus), Alterssichtigkeit (Presbyopie)
- Sind Vorerkrankungen des Auges bekannt?
- Beispiele: Grauer Star (Katarakt), grüner Star (Glaukom), altersbedingte Makuladegeneration (AMD), chronische Infektionen
- Bestehen internistische Grunderkrankungen mit möglicher Auswirkung auf das Auge
- (L) Letzte Untersuchung/letzter Eingriff
- Wann war die letzte augenärztliche Kontrolle?
- Wurde bereits eine Operation am Auge
durchgeführt? - Wurde ein intraokulares Medikament appliziert (z. B. VEGF-Hemmer
)? - Besteht ein intraokularer Fremdkörper oder Implantat?
- (E) Ereignis
- Gibt es ein auslösendes Ereignis?
- Beispiele: Fremdkörper ins Auge
geflogen, Kontaktlinsen vergessen herauszunehmen, Verätzung des Auges, extreme UV-Exposition
- Beispiele: Fremdkörper ins Auge
- Gibt es ein auslösendes Ereignis?
- (R) Risikofaktoren
- Besteht eine familiäre Prädisposition?
- Beispiel: Kurzsichtigkeit (Myopie), Schielen (Strabismus), grauer Star (Katarakt), grüner Star (Glaukom)
- Berufliche Exposition (z. B. Schweißen, Arbeiten mit UV-Licht, Staub, Chemikalien)
- Kontaktlinsen-Träger:innen (Risiko für Keratitis, Hypoxie)
- Systemische Immunsuppression (Risiko für infektiöse Retinitis)
- Besteht eine familiäre Prädisposition?
- (S) Schwangerschaft
- Einfluss von hormonellen Veränderungen können Ursache für eine Augenproblematik sein
Basisuntersuchungen
Die Basisuntersuchungen dienen der ersten Einschätzung und beinhalten die Inspektion des Auges, die Palpation sowie Durchführung von verschiedener Funktionstests (z.B. Funktionsüberprüfung des Sehvermögens, der Netzhautfunktion, der Augenbeweglichkeit sowie der Hornhautsensibilität).
TippIPPAF-Schema
Für eine strukturierte und systematische klinische Untersuchung der Augen empfehlen wir die Anwendung des IPPAF-Schemas mit leichter Anpassung für den Augenbereich.
- (I) Inspektion
- (P) Palpation
- (F) Funktionsuntersuchungen
(I) Inspektion
- Lider:
- Ptosis: Hängendes Lid → z. B. bei Horner-Syndrom oder Okulomotoriusparese
- Schwellung, Rötungen, Überwärmung als Hinweis auf Entzündungen oder Infektionen
- Chalazion (Hagelkorn): schmerzlose Entzündung der Meibom-Drüsen, ohne Wimpernausfall oder Nekrosen
- Hordeolum (Gerstenkorn): schmerzhafte Entzündung einer Augenliddrüse, ggf. mit Eiterpunkt
- Hordeolum internum: Entzündung einer Meibom-Drüse
- Hordeolum externum: Entzündung einer Moll- oder Zeisdrüse
- Lid- und Orbitalphlegmone:
- Lidaphlegmone: periorbitale Infektion, die auf Strukturen beschränkt ist, die anterior des Septum orbitale liegen (ca. 5–6× häufiger auf als eine Orbitaphlegmone)
- Orbitaphlegmone: Infektion der Augenhöhle, die (auch) die hinter dem Septum orbitale liegenden Strukturen befällt
- Lidstellung: Lidkrampf (Blepharospasmus), einwärts gerichtetes Lid (Entropium), auswärts gerichtetes Lid (Ektropium)

Siehe Bildbeschreibung.
- Lage des Auges in der Augenhöhle (Orbita):
- Befundinterpretation:
- Physiologisch (normal): zentral in der Augenhöhle, keine Vorwölbung (Exophthalmus), keine Einsenkung (Enophthalmus)
- Pathologisch: nach vorne verdrängt (Exophthalmus), Zurückgesunken durch eine Orbitafraktur (Enophthalmus)
- Befundinterpretation:

Proptosis and lid retraction from Graves' Disease.jpg von Jonathan Trobe, M.D. - University of Michigan Kellogg Eye Center, CC BY 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons

“Pblowoutfracture.png” von James Heilman, MD, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
- Bindehaut (Konjunktiva):
- Die Inspektion der Bindehaut erfolgt mittels Umklappen der Augenlider (Ektropionieren)
- Durchführung
- Ektropionieren des Oberlids
- Die zu untersuchende Person wird gebeten nach unten zu blicken
- Untersucher:in fasst mit Daumen und Zeigefinger die Oberlidwimpern und zieht diese nach unten und vorne
- Mit der anderen Hand wird vorsichtig ein Wattestäbchen oder Stiltupfer auf das äußere Liddrittel gedrückt, sodass die das Lid nach oben, um das Wattestäbchen herzumgezogen werden kann
- Nach dem Umdrehen soll das Lid während der Inspektion mit den Finger festgehalten werden
- Ektropionieren des Unterlids
- Die zu untersuchende Person wird gebeten nach oben zu blicken
- Untersucher:in fixiert mit einem Tupfer das Unterlid an der Lidkante und zieht es vorsichtig nach unten
- Ektropionieren des Oberlids
- Befundinterpretation
- Physiologisch (normal): die Bindehaut (Konjunktiva) sollte glatt, feucht, glänzend sein
- Pathologisch: Rötung (Hyperämie), Sekretansammlung (z.B. bei Konjunktivitis), bläschenartige Gebilde (Follikel z.B. bei viraler Konjunktivits), gröbere Erhebungen (Papillen z.B. bakteriellere Konjunktivits), Fremdkörper, Trockenheit, Narben

Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet.
- Hornhaut (Cornea):
- Für die Inspektion der Hornhaut benötigt man eine Lichtquelle (Visitenlampe) sowie Lupe
- Befundinterpretation
- Physiologisch (normal): die Hornhaut ist glatt, klar, spiegelnd ohne Gefäßzeichnungen
- Pathologisch: eine verzerrte Spiegelung ist hinweisend für eine Erkrankung sowie Trübung, Defekte, Ödeme (Chemose)
InfoFür den Nachweis von Epitheldefekten, ulzerativen Läsionen, Fremdkörperlinien sowie Verdacht auf Keratitis, Erosio, Herpes simplex kommt die Fluoreszein-Anfärbung zum Einsatz.

“Dendritic corneal ulcer.jpg” von Imrankabirhossain, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.
- Pupille:
- Die Inspektion der Pupillen erfolgt sowohl ohne als auch mit einer Lichtquelle (Pupillenmotorik)
- Durchführung:
- Untersuchungsmaterial: Visitenlampe bzw. eine Lichtquelle
- Zur besseren Beurteilung der Pupillenreaktion sollte der Untersuchungsraum leicht abgedunkelt sein
- Patient:in wird gebeten, in die Ferne zu schauen
- Untersucher:in leuchtet mit der Lampe von unten seitlich zur Pupille
- Beobachtete wird die direkte Reaktion der beleuchteten Pupille sowie bei einem wiederholten Vorgang, das andere Auge
- Befundinterpretation:
- Physiologisch (normal): rund, gleich groß (isokor), beidseits prompt und gleichmäßig lichtreagibel (direkt sowie indirekt)
- Pathologisch: Pupillen ungleich groß (Anisokorie), lichtstarre Pupillen (z.B. Hirndrucksteigerung), weite Pupillen (Mydriasis z.B. Drogen), enge Pupillen (Miosis z.B. Opioide)
- Untersuchungsmaterial: Visitenlampe bzw. eine Lichtquelle

“Anizokoria.JPG” von Radomil talk, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.
InfoBei der Pupillenreaktion unterscheidet man zwei Formen:
- Direkte Pupillenreaktion
- Definition: Reaktion der Pupille, in das das Licht direkt eingestrahlt wird
- Physiologische Reaktion: die Pupille verengt sich bei Beleuchtung (Miosis)
- Indirekte Pupillenreaktion
- Definition: Reaktion der nicht direkt beleuchteten Pupille
- Physiologische Reaktion: die Pupille verengt sich ebenfalls (konsensuelle Lichtreaktion)
- Vorderkammer:
- Die Inspektion erfolgt mit einer Lichtquelle
- Befundinterpretation
- Physiologisch: klar, reizfrei, keine Zellen, Eiteransammlungen, Blutbeimengungen
- Pathologisch: Ansammlung von Eiter (Hypopyon), Blut (Hyphema)

Siehe Bildbeschreibung.
- Augenhintergrund
- Die Inspektion erfolgt mit einem Opthalmoskop (direkte Ophthalmoskopie)
- Durchführung
- Voreinstellung: Dioptrienkorrektur über die Rekoss-Scheibe
- Normalsichtigkeit beider (d.h. Patient:in sowie Untersucher:in): Rekoss-Scheibe auf 0 stellen
- Raum sollte abgedunkelt sein
- Pupille der zu untersuchenden Person sollte, wenn möglich, erweitert sein
- Patient:in blickt geradeaus in die Ferne
- Untersuchung der rechten Seite
- Untersucher:in hält das Ophthalmoskop in der rechten Hand und schaut mit dem rechten Auge in das rechte Patient:innen-Auge
- Untersuchung der linken Seite
- Untersucher:in hält das Ophthalmoskop in der linken Hand und schaut mit dem linken Auge in das linke Patient:innen-Auge
- Die Untersuchungsdistanz ist hierbei sehr kurz
- Voreinstellung: Dioptrienkorrektur über die Rekoss-Scheibe
- Befundinterpretation
- Physiologisch (normal): Papille erscheint rosig mit scharfer Begrenzung, das Gefäßmuster ist regelmäßig, keine Blutungen, Ödeme sichtbar
- Pathologisch: Papille unscharf begrenzt, sichtbare Gefäßveränderungen bzw. -engstellen, Ödeme, Makulaveränderungen Platzhalter

“Haine Miroflex 2 Oftamoskop.JPG”. von Janee, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.
(P) Palpation des Bulbus
- Funktion: dient der groben Einschätzung des Augeninnendrucks
- Durchführung:
- Die zu untersuchende Person wird gebeten, beide Augen zu schließen bzw. nach unten zu blicken
- Untersuchuer:in tastet mit den Fingerkuppen der Zeigefinger im Seitenvergleich den Widerstand
- Befundinterpretation:
- Physiologisch (normal): der Bulbus ist weich-elastisch eindrückbar
- Pathologisch: steinharter Augapfel (z.B. akuten Winkelblockglaukom)
InfoEin geringer Augendruck (wie z.B. beim chronischen Glaukom) ist nicht tastbar.
(F) Funktionsüberprüfung des Sehvermögens
Sehschärfe (Visus)
- Funktion: Prüfung der Sehschärfe zur Beurteilung der Fähigkeit des Auges, Details sowohl in der Ferne (Fernvisus) als auch in der Nähe (Nahvisus) zu erkennen
- Durchführung:
- Fernvisus
- Tafelpositionierung: Abstand zwischen Patient:in und der Sehtafel beträgt 5 Meter
- Patent:in wird gebeten, jeweils ein Auge zuzudecken und die Zeilen auf der Tafel laut vorzulesen, beginnend mit der größten Schrift
- Der Test wird so lange fortgeführt, bis eine Zeile nicht mehr korrekt gelesen werden kann
- Befundinterpretation
- Physiologisch (Normalvisus) beträgt 1,0 = 100 % d.h. 5/5
- Berechnung: Visus = Ist-Entfernung/Soll-Entfernung
- Die Soll-Entfernung steht üblicherweise neben den Buchstabenzeilen auf der Sehtafel
- Berechnung: Visus = Ist-Entfernung/Soll-Entfernung
- Pathologisch: >1,0 ist ein Hinweis auf eine eingeschränkte Sehschärfe (z.B. Myopie, Hyperopie, Astigmatismus)
- Physiologisch (Normalvisus) beträgt 1,0 = 100 % d.h. 5/5
- Nahvisus
- Verläuft im Prinzip identisch zum Fernvisus, jedoch mit einem verkürzten Abstand von etwa 30 bis 40 cm zur Nahtafel
- Fernvisus

“Snellen chart.svg” von Jeff Dahl, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons.
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
Farbsehen
- Funktion: Aufdeckung von Farbfehlsichtigkeiten
- Untersuchungsmaterial: Ishihara-Farbtafel
- Durchführung:
- Patient:in bekommt eine Farbtafeln (z. B. Ishihara) und wird gebeten die Farben zu benennen
- Befundinterpretation:
- Physiologisch (Normales Farbsehen): Keine Verwechslung der Farben
- Pathologisch: Rot-Sehschwäche: Protanomalie, Grün-Sehschwäche: Deuteranomalie, Blau-Sehschwäche: Tritanomalie

Ishihara 11.PNG, Ishihara 23.PNG, Ishihara 1.PNG, Ishihara 19.PNG von Ishihara Shinobu, Public domain, via Wikimedia Commons
Gesichtsfeld (Perimetrie)
- Funktion: Prüfung des Gesichtsfelds zur Beurteilung der Fähigkeit des Auges, visuelle Reize sowohl im zentralen als auch peripheren Gesichtsfeld wahrzunehmen
DefinitionAls Gesichtsfeld wird der Raum bezeichnet, der bei fixiertem Kopf und Blick visuell wahrgenommen werden kann. Es umfasst das, was direkt betrachtet wird (zentrales Gesichtsfeld) als auch das, was seitlich und unbewusst, im Augenwinkel (peripheres Gesichtsfeld) wahrgenommen wird.
- Zentrales Gesichtsfeld
- Bereich, der direkt fixiert wird
- Verantwortlich für das scharfe Sehen und die detailreiche Wahrnehmung
- Wichtig für visuelle Aktivitäten wie Lesen, Gesichtserkennung oder gezieltes Greifen
- Beispiel: Ich lese gerade diesen Satz - dabei nutze ich mein zentrales Gesichtsfeld
- Peripheres Gesichtsfeld
- Bereich, der außerhalb des zentralen Gesichtsfeldes liegt
- Ermöglicht die Wahrnehmung im Umfeld, ohne den Blick abzuwenden
- Wichtig für frühzeitiges Erkennen von Gefahren, räumliche Orientierung
- Beispiel: Ich lese gerade diesen Satz - dabei nutze ich mein zentrales Gesichtsfeld. Gleichzeitig nehme ich unbewusst Bewegungen oder Objekte in meiner Umgebung über das periphere Gesichtsfeld wahr
- Arten der Untersuchung
- Fingerperimetrie (Konfrontationsperimetrie)
- Funktion: Dient dem groben Überblick über zentrale und periphere Gesichtsfelddefekte. Die Durchführung ist ohne technische Geräte möglich und eignet sich für eine orientierende Erstuntersuchung
- Durchführung:
- Patient:in fixiert mit beiden Augen einen festen Punkt z.B. die Nase des/der Untersucher:in und deckt ein Auge ab
- Untersucher:in deckt spiegelbildlich ebenfalls ein Auge ab
- Untersucher:in bewegt die Finger von der Peripherie zum Zentrum des Gesichtsfeldes
- Patient:in soll sofort angeben, sobald die Finger im Gesichtsfeld wahrgenommen werden, ohne den Blick vom Fixpunkt abzuwenden
- Der Test wird in mehreren Richtungen (oben, unten, seitlich, diagonal) durchgeführt und beidseits
- Goldmann-Perimeter (Konturperimetrie, halbautomatisch, quantitative Untersuchung)
- Funktion: dient der Bestimmung und quantitativen Erfassung des Gesichtsfeldes (siehe unten bei apparativer Diagnostik)
- Fingerperimetrie (Konfrontationsperimetrie)
(F) Funktionsüberprüfung der Netzhaut
- Funktion: Erkennung von Metamorphopsien (Verzerrtsehen, z. B. bei altersbedingter Makuladegeneration)
- Untersuchungsmaterial: Amsler-Netz
- Durchführung:
- Patient:in verwendet eigene Fern- oder Gleitsichtbrille
- Ein Auge abdecken, Test beginnt mit dem rechten Auge
- Amslernetz in ca. 30 cm Abstand bei guter Raumbeleuchtung vor das Auge halten
- Patient fixiert den zentralen Punkt im Gitter
- Wahrnehmung der umliegenden Linien beurteilen, ohne sie direkt zu fixieren
- Befundinterpretation:
- Normalbefund: Linien gerade
- Hinweis auf Metamorphopsie (z. B. bei altersbedingter Makuladegeneration): Linien wellig oder verzerrt

Siehe Bildbeschreibung.
(F) Funktionsüberprüfung der Hornhautsensibilität
- Funktion
- Dient der Überprüfung der Hornhautsensibilität, Funktionsfähigkeit des Nervus ophthalmicus V1 (Ast des Nervus Trigeminus, HN V) sowie Kornealreflexes
- Durchführung
- Untersuchungsmaterial: Wattestäbchen
- Die zu untersuchende Person wird gebeten geradeaus zu blicken
- Untersucher:in nähert sich seitlich mit dem Wattestäbchen (um eine reflektorischen Lidschluss durch die Bewegung selbst zu vermeiden)
- Die feine Spitze des Wattestäbchen wird vorsichtig in die Nähe der zentralen Hornhaut geführt
- Kontakt soll leicht, aber spürbar sein
- Befundinterpretation
- Physiologisch (normal): es kommt zu einem sofortigen, beidseitigen Lidschluss (Kornealreflex)
- Pathologisch: abgeschwächter oder fehlender Lidschluss (z.B. Herpes-simplex-Keratitis, periphere Fazialisparese)
(F) Funktionsüberprüfung der Augenmotilität
- Funktion: Prüfung der Funktionsfähigkeit der Augenmuskeln in allen Blickrichtungen
- Durchführung
- Patient:in wird gebeten, aufrecht und entspannt zu sitzen
- Untersucher:in steht frontal gegenüber
- Untersucher:in hält einen Finger oder ein kleines Objekt (z.B. Stift) vor den Augen des/der Patient:in
- Patient:in wird aufgefordert, dem Finger bzw. Objekt nur mit den Augen zu folgen, ohne den Kopf zu bewegen
- Blickrichtungen
- Vertikal: oben nach unten, unten nach oben
- Horizontal: rechts nach links, links nach rechts
- Diagonal: oben-rechts, unten-links, oben-links, unten-rechts
- Nasal: von der Nasenspitze nach vorne und wieder zurück (Konvergenzprüfung)
- Befundinterpretation:
- Physiologisch (normal): keine Auffälligkeiten, d.h. die Augen folgen dem Objekt ruhig, gleichmäßig ohne unwillkürliche Bewegungen
- Pathologisch: eingeschränkte Beweglichkeit, sichtbare unwillkürliche Rückstellsakkaden, Augenbewegungsstörungen
Apparative Diagnostik
Zur weiterführenden und detaillierten Abklärung einer Augenerkrankung oder Verlaufskontrolle kommen verschiedene diagnostische Geräte zum Einsatz, wie beispielsweise die Spaltlampe, der Goldmann-Perimeter sowie ergänzende bildgebende Verfahren, wie die optische Kohärenztomographie (OCT) und die Fluoreszenzangiographie.
Spaltlampenmikroskop (kurz Spaltlampe)
- Definition: ist ein binokulares Lichtmikroskop und das wichtigste Untersuchungsgerät des Augenarztes
- Funktion
- Je nach Einsatz, mit oder ohne speziellen Zusatzgläsern, können unterschiedliche Strukturen des Auges beurteilt werden
- Zusätzlich ermöglicht der Applanationstonometer (Zusatzeinrichtung an der Spaltlampe) eine Augendruckmessung
InfoSpaltlampe ohne Zusatzgläser
- Beurteilung des vorderen Augenabschnittes
- Hornhaut, Linse, Lider
Spaltlampe mit Zusatzgläsern
- Beurteilung Teil des hinteren Augenabschnittes
- Kammerwinkel, gelber Fleck
(Macula ), Netzhaut (Retina ) - Beispiel: Goldmann-Dreispiegelkontaktglas

“Retina Group slit lamp (side view).jpg” von Ben Schumin, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.

“Slit lamp.jpg” von Jason7825 at English Wikipedia, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.

Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
Goldmann-Perimetrie
- Funktion: Prüfung des Gesichtsfelds zur Beurteilung der Fähigkeit des Auges, visuelle Reize sowohl im zentralen als auch peripheren Gesichtsfeld wahrzunehmen
InfoIm Vergleich zur Fingerperimetrie
, die lediglich eine grobe Ersteinschätzung des Gesichtfeldes erlaubt, ermöglicht die Goldmann-Perimetrie eine genaue Quantifizierung des Gesichtfeldausfalls.
- Durchführung:
- Patient:in sitzt vor einer halbkugelförmigen, weißen beleuchteten Kuppel (dem Goldmann-Perimeter)
- Das Kinn wird auf einer Vorrichtung abgestützt, um eine Kopffixierung zu gewährleisten
- Ein Auge
wird abgedeckt - Patient:in fixiert in der Kuppel einen Fixationspunkt, welcher während der gesamten Untersuchung stets fixiert bleiben muss
- Untersucher:in projiziert einen Lichtpunkt von der Peripherie zur Mitte hin
- Patient:in gibt durch Knopfdruck ein Signal, sobald der Lichtpunkt wahrgenommen wird
- Die Position der Wahrnehmung wird markiert
- Vorgang wird in mehreren Richtungen wiederholt
- Ergebnis: grafische Darstellung des Gesichtsfeldes

“PatientviewGoldmannperimeter.jpg” von RobertB3009, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
Optische Kohärenztomographie (OCT)
- Definition:
- Ist ein nicht-invasives, bildgebendes Verfahren
- Ist einem histologischen Schnittbild
ähnlich - Man erhält ein hochauflösendes Querschnittsbild folgender Strukturen:
- Netzhautsichten
- Sehnervenfaserschichten
- Vorderen Augenabschnitt
- Funktion: Visualisierung von qualitativen sowie quantitativen Veränderung der Netzhautschichten
- Indikationen:
- Z.B. Makuladegeneration, diabetische Retinopathie, Glaukom

“SD-OCT Macula Cross-Section.png” von Wies6014, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.

“MacularEdema OCT 2-3D LeftE with-out arrows.png” von Jmarchn, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0,via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
Fluoreszenzangiografie des Fundus
- Definition:
- Bildgebendes Verfahren, bei dem ein Farbstoff (Fluoreszein) intravenös injiziert wird, welcher durch die Gefäße zirkuliert
- Funktion:
- Visualisierung von Blutgefäßen
- Gefäßneubildungen oder Gefäßschäden sind durch den Austritt des Farbstoffes (Leckage) gut erkennbar
- Visualisierung von Blutgefäßen
- Indikation:
- Gefäßbedingte Erkrankungen (z.B. diabetische Retinopathie), Retinopathie bei Hypertonie
, altersbedingte Makuladegeneration
- Gefäßbedingte Erkrankungen (z.B. diabetische Retinopathie), Retinopathie bei Hypertonie

“Fluorescein angiography.jpg” von L. Bacud, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.

“Intermediate age related macular degeneration.jpg” von See page for author, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.
Exkurs Schieldiagnostik
Hirschberger-Test
- Funktion
- Dient der Diagnostik von Schielen (Strabismus) sowie groben Abschätzung des Schielwinkels in Grad
- Anwendung
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle
- Die getestete Person wird gebeten, einen Punkt auf oder nahe der Lichtquelle zu fixieren
- Aus einer Entfernung von etwa einer Armlänge wird eine Lichtquelle auf beide Augen der/des Patient:in gerichtet
- Beobachtet wir der Lichtreflexion auf der Hornhaut beider Augen
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle
- Befundinterpretation
- Der Hirschberger-Test gilt als negativ, wenn die Lichtreflexe auf beiden Hornhäuten symmetrisch und zentral (d.h. in der Mitte der Pupille
) liegt - Physiologischer (normaler) Befund: regelrechten Augenstellung
- Der Hirschberger-Test gilt als positiv, wenn die Lichtreflexe asymmetrisch oder außerhalb des Pupillenzentrums erscheinen.
- Pathologischer Befund: es liegt eine Art des Schielens (Strabismus) vor
- Der Hirschberger-Test gilt als negativ, wenn die Lichtreflexe auf beiden Hornhäuten symmetrisch und zentral (d.h. in der Mitte der Pupille

“Strabismus.jpg” CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=248509, via Wikipedia Commons. Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten, beschriftet und Pfeile ergänzt.
Cover-Test (Abdecktest )
- Funktion
- Dient der Diagnostik von manifesten Schielstellungen (Heterotropie)
- Durchführung:
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle, Abdeckscheibe
- Die getestete Person wird gebeten, einen Punkt auf oder nahe der Lichtquelle zu fixieren
- Untersucher deckt nun ein Auge
mit der Abdeckscheibe ab - Beobachtete wird eine mögliche Einstellbewegung des nicht abgedeckten Auges
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle, Abdeckscheibe
- Befundinterpretation
- Der Cover-Test
gilt als negativ, wenn das nicht abgedeckte Auge keine Bewegung zeigt - Physiologischer (normaler) Befund: kein Hinweis auf Schielen (orthotrope Augenstellung)
- Der Cover-Test
gilt als positiv, wenn das nicht abgedeckte Auge eine Bewegung ausführt - Pathologischer Befund: Hinweis auf manifeste Schielstellung (Heterotropie)
- Bewegung nach außen (temproal): Esotropie
- Bewegung nach innen (nasal): Exotropie
- Pathologischer Befund: Hinweis auf manifeste Schielstellung (Heterotropie)
- Der Cover-Test

“Cover 01.JPG” von Claudio Verfuerth, CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons.
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurde zugeschnitten.
Uncover Test (Aufdecktest)
- Funktion
- Dient der Diagnostik von latenten Schielstellungen (Heterophorie)
- Durchführung:
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle, Abdeckscheibe
- Die getestete Person wird gebeten, einen Punkt auf oder nahe der Lichtquelle zu fixieren
- Untersucher deckt nun ein Auge
mit der Abdeckscheibe ab, wartet ca. 2s und deckt das Auge auf - Beobachtetet wir nun eine mögliche Einstellbewegung des zuvor abgedeckten Auges
- Untersuchungsmaterial: Lichtquelle, Abdeckscheibe
- Befundinterpretation
- Der Uncover Test gilt als negativ, wenn das zuvor abgedeckte Auge
nach Freigabe keine Bewegung ausführt - Physiologischer (normaler) Befund: kein Hinweis auf Schielen (Orthophorie)
- Der Uncover-Test gilt als positiv, wenn das zuvor abgedeckte Auge
nach Freigabe eine Bewegung ausführt - Pathologischer Befund: Hinweis auf Latentes Schiel (Heterophorie)
- Bewegung nach außen (temporal): Exophorie
- Bewegung nach innen (nasal): Esophorie
- Pathologischer Befund: Hinweis auf Latentes Schiel (Heterophorie)
- Der Uncover Test gilt als negativ, wenn das zuvor abgedeckte Auge
Quellen
- Lang et al: Augenheilkunde. Georg Thieme Verlag KG 2024. ISBN: 978-3-13-245444-6
- Grüne et al: Anamnese - Untersuchung - Diagnostik. Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007. ISBN: 10 3-540-32865-3
- Dahlmann et al: BASICS Augenheilkunde Elsevier GmbH 2024. ISBN: 978-3-437-41254-7