Definition
Diarrhoe
Es wird unterschieden zwischen: Akuter Diarrhoe
Diarrhoe
MerkeDiagnostische Kriterien
- ≥ drei ungeformte Stühle pro Tag
- Wassergehalt des Stuhls ≥ 75 %
- Stuhlgewicht ≥ 250 (200) g täglich
- Akuter Durchfall
: <2 Wochen - Chronischer Durchfall
: >4 Wochen
Pathophysiologisch unterscheidet man zwischen verschiedenen Mechanismen:
Osmotische Diarrhoe | Vermehrte osmotisch aktive Substanzen im Darmlumen, die Wasser binden (z. B. Laktoseintoleranz |
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Malabsorptive Diarrhoe | Verminderte Resorption |
Sekretorische Diarrhoe | Vermehrte Sekretion von Elektrolyten durch Schleimhautschäden (z. B. Cholera, Enterotoxine bei Nahrungsmittelvergiftungen) |
Hypermotile Diarrhoe | Beschleunigte Darmpassage mit verminderter Resorptionszeit (z. B. Hyperthyreose, Reizdarmsyndrom |
Exsudativ-entzündliche Diarrhoe | Entzündliche Schleimhautschäden mit Exsudation |
MerkeBei vielen Erkrankungen treten mehrere Mechanismen gleichzeitig auf!
InfoAbgrenzung zu anderen Stuhlveränderungen:
- Tenesmus: schmerzhafter Stuhl- oder Harndrang
- Stuhlinkontinenz: Unkontrolliertes Absetzen kleiner Stuhlvolumina (z. B. bei Rektumkarzinom)
- Paradoxe Diarrhoe
: Sonderform des Durchfalls bei distalen Stenosen (z. B. im Kolon oder Rektum ), bei der trotz Verstopfung flüssiger Stuhl abgesetzt wird
- Fester Stuhl staut sich vor dem Hindernis und verweilt lange im Darm
- Durch bakterielle Zersetzung und Schleimproduktion wird der Stuhl aufgeweicht, sodass flüssige Anteile ausgeschieden werden können → Flüssige, übelriechende Stühle
Differentialdiagnosen
AchtungAkut lebensbedrohliche Differentialdiagnosen
- Mesenterialischämie
- Sepsis
- Komplikationen bei schwerer Diarrhoe
- Elektrolytentgleisungen (insbesondere Hypokaliämie
) - Hypovolämischer Schock
- Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) (z.B. nach EHEC-Infektion)
1. Akute Diarrhoe
Infektiöse Ursachen
- Virale Infektionen z.B. Norovirus, Rotavirus
- Bakterielle Infektionen z.B. Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Escherichia coli
- Parasitäre Infektionen, z.B. Giardia lamblia
- Lebensmittelvergiftung z.B. Clostridium perfringens, Staphylococcus aureus, Bacillus cereus
Nichtinfektiöse Ursachen
- Ischämische Kolitis
- Paradoxe Diarrhoe
- Divertikulitis
- Appendizitis
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Morbus Crohn
- Purpura Schönlein-Henoch (IgA-Vaskulitis
) - Medikamenteneinnahme z.B. NSAR
, Antidepressiva , Statine , Laxanzien, Chemotherapeutika - Psychisch (Angst, Stress, akute Belastungssituation)
2. Chronische Diarrhoe
- Reizdarmsyndrom
(RDS ) - Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED
) - Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Morbus Crohn
- Malabsorption
z.B. Laktoseintoleranz , Zöliakie , Pankreasinsuffizienz - Medikamenteninduzierter Durchfall
- Als Nebenwirkung: z.B. Antibiotika
, Chemotherapeutika - Laxantienabusus
- Als Nebenwirkung: z.B. Antibiotika
- Darmischämie
- Endokrine Erkrankungen z. B.Hyperthyreose, Diabetes mellitus
(autonomen Neuropathie) - Tumore
- Kolon
-, Dünndarmtumore - Endokrine Tumore z.B. Vipom
, Gastrinom
- Kolon
- Darm- / Magenbypass, Darm-/Magenresektion
Red Flags
MerkeRed Flags sind Warnsymptome, die auf eine akut lebensbedrohliche Ursache hinweisen und ein sofortiges Handeln erfordern.
Red Flags
- Blutiger oder eitriger Stuhl
- Anzeichen von Dehydratation (stehende Hautfalten, trockene Schleimhaut, Oligurie
oder Anurie ) - Schockzeichen (z.B. Hypotonie, Tachykardie
, Kaltschweißigkeit, Bewusstseinsstörung, verzögerte Rekapillarisierungszeit , marmorierte Haut) - Immunsuppression
- Hohes Fieber
- Starke abdominelle Schmerzen
- Anhaltendes oder unstillbares Erbrechen
Erste Schritte
Basismaßnahmen
- Vitalparameter erheben, ggf. kontinuierlich überwachen: Blutdruck, Herzfrequenz
, EKG , Sauerstoffsättigung (SpO₂), Körpertemperatur - i.v. Zugang legen (bei Schock
mindestens zwei großlumige Zugänge) - 12-Kanal-EKG
, insbesondere bei Verdacht auf kardiale Ursachen - Blutabnahme mit folgenden Parametern:
- Labor:
- Entzündungsparameter: CRP
, BSG, Procalcitonin (bei V.a. Sepsis, Hinweis auf bakterielle Infektion) - Blutkulturen
: bei Verdacht auf Sepsis (mindestens zwei Sets, möglichst vor Antibiotikagabe) - Blutbild
: Leukozyten , Thrombozyten , Hämoglobin zur Einschätzung einer Anämie - Elektrolyte: Natrium
, Kalium , Chlorid , Calcium - Nierenparameter: Kreatinin
, GFR , Harnstoff - D-Dimere
: bei Verdacht auf Mesenterialischämie
- Entzündungsparameter: CRP
- BGA
: - Laktat: Hinweis auf Schock
oder Hypovolämie - Elektrolyte: Natrium
, Kalium - pH
- Hb
- Blutgase
: Hypoxämie , Hyperkapnie
- Laktat: Hinweis auf Schock
- Labor:
- Ggf. Stuhlkultur: Bei Verdacht auf infektiöse Genese (insb. bakterielle Infektion, Parasiten)
Ersteindruck
- Kreislaufstabilität beurteilen (z. B. Hautkolorit, RR, HF, Vigilanz)
- Red Flags prüfen
- Akute Maßnahmen bei Auffälligkeiten:
- Schockzeichen: Schockindex
(HF/RR) berechnen, ggf. Katecholamine (Ziel-MAD 60–70 mmHg), - Intravenöse Volumentherapie einleiten, wenn oral keine ausreichende Flüssigkeitszufuhr möglich ist
- Schockzeichen: Schockindex
TippDie strukturierte Versorgung erfolgt nach dem xABCDE-Schema, das in Notfallsituationen standardisiert angewendet wird.
Anamnese und Fremdanamnese | Körperliche Untersuchung | Gezielte Bildgebung |
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Differentialdiagnosen erkennen
Symptome | Anamnese / Untersuchung / Diagnostik | Sonstiges | |
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Gastroenteritis |
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Mesenterial-ischämie |
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Morbus Crohn |
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Colitis ulcerosa (Schub) |
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Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) |
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Reizdarm-syndrom |
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Lactose-intoleranz |
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Zöliakie |
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Kolorektales Karzinom |
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Divertikulitis |
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Quellen
- ESC Pocket Guidelines, Diagnose und Therapie der peripheren arteriellen Erkrankungen, Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- S2k-Leitlinie, Gastrointestinale Infektionen, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- S3-Leitlinie, Kolorektales Karzinom, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- S2k-Leitlinie, Zöliakie, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- S3-Leitlinie, Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn - Living Guideline, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- S3-Leitlinie, Colitis ulcerosa, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- S3-Leitlinie, Divertikelkrankheit / Divertikulitis, Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) / Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e.V. (DGAV)
- Baenkler et al: Kurzlehrbuch Innere Medizin, Georg Thieme Verlag KG, 2021, ISBN: 978-3-13-220000-5
- Steffen et al.: Internistische Differenzialdiagnosen, Schattauer GmbH, 2008, ISBN: 978-3-7945-23-42.9
- Japp et al: Macleods klinische Diagnosen, Elsevier GmbH, 2018, ISBN: 978-3-437-42203-4