Zusammenfassung
Eine präzise und vollständige Einsatzdokumentation ist im Rettungsdienst unverzichtbar. Sie sichert die Versorgungskontinuität, schützt Patient:innen, gewährleistet Qualitätssicherung und dient als entscheidendes rechtliches Beweismittel. Gesetzliche Grundlagen wie SGB V, BGB § 630f, Landesrettungsdienstgesetze und das NotSanG verpflichten zu einer vollständigen, wahrheitsgemäßen und zeitnahen Dokumentation aller relevanten Befunde, Maßnahmen, Aufklärungen und Einwilligungen.
Eine rechtssichere Dokumentation muss korrekt, vollständig, lesbar, archivfähig und nachvollziehbar sein. Besonders wichtig sind präzise Beschreibungen der Auffindesituation, vollständige Vitalwerte, eine exakte Anamnese nach xABCDE und SAMPLERS sowie objektive Formulierungen ohne Wertungen.
Häufige Fehler entstehen durch Lücken, Ungenauigkeiten oder subjektive Einschätzungen. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass unzureichende Protokolle zu straf-, zivil- oder arbeitsrechtlichen Nachteilen führen können, während präzise Dokumentationen Einsatzkräfte entlasten.
Besonders bei Transport- oder Behandlungsverweigerungen ist eine strukturierte Vorgehensweise erforderlich: Prüfung der Einwilligungsfähigkeit, umfassende Risikoaufklärung, schriftliche Bestätigung und dokumentierte Hinweise zu Warnsymptomen.
Ziele und Bedeutung der Dokumentation
Beweisen und Nachweisen:
- Juristische Absicherung: die Dokumentation kann im Falle von Ermittlungen oder Gerichtsverfahren als Beweismittel dienen, z. B. bei Vorwürfen wie unterlassener Hilfeleistung oder fehlerhafter Behandlung, außerdem dient es der Gedankenstütze bei Aussagen
- Rechtliche Nachvollziehbarkeit: sie belegt, dass medizinische Maßnahmen fachgerecht, zeitgerecht und im Rahmen der geltenden Gesetze und Leitlinien durchgeführt wurden
- Schutz vor unberechtigten Vorwürfen: vollständige und wahrheitsgemäße Protokolle können helfen, Einsatzkräfte zu entlasten, wenn Handlungen im Nachhinein infrage gestellt werden
Weitergabe von Informationen:
- Sicherstellung der Versorgungskontinuität: Übergabe
wichtiger Befunde, Vitalwerte und Maßnahmen an die aufnehmende Klinik oder den weiterbehandelnden Arzt/die weiterbehandelnde Ärztin - Unterstützung des Qualitätsmanagements: Analyse und Optimierung von Einsatzabläufen, Fehlervermeidung und Verbesserung der medizinischen Versorgung
Bedeutung für die Patient:innensicherheit:
- Lückenlose Nachvollziehbarkeit: ermöglicht es, den Verlauf eines medizinischen Notfalls zu rekonstruieren und Entscheidungen im Kontext zu verstehen
- Schnellere und gezieltere Weiterbehandlung: durch vollständige und präzise Angaben können in der Klinik sofort passende diagnostische und therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden
- Prävention von Behandlungsfehlern: fehlende oder unklare Dokumentationen können zu Informationsverlust und falschen medizinischen Entscheidungen führen
Beitrag zur Qualitätssicherung:
- Interne Auswertung: Einsatzprotokolle dienen als Grundlage für Fallbesprechungen, Fortbildungen und Supervision
- Statistische Erfassung: Daten aus Einsatzdokumentationen fließen ggf. in Statistiken ein, um medizinische Versorgungsstrukturen zu verbessern
- Langfristige Optimierung: Dokumentationsanalysen können helfen, Schwachstellen zu identifizieren und Schulungsbedarf zu ermitteln
AchtungBei der Verwendung von Einsatzdokumentationen für statistische Auswertungen, Qualitätsanalysen oder Schulungszwecke müssen alle personenbezogenen Daten anonymisiert werden, um den Datenschutz zu gewährleisten. Dies umfasst insbesondere Namen, Adressen, Geburtsdaten sowie andere identifizierende Informationen der Patient:innen.
Rechtsgrundlagen
Dokumentationspflicht
Im Rettungsdienst tätiges Personal unterliegt einer gesetzlichen Dokumentationspflicht, Sie sind verpflichtet, sämtliche medizinisch relevanten Feststellungen, durchgeführten Maßnahmen, deren Ergebnisse sowie die Aufklärung und Einwilligung oder Ablehnung durch Patient:innen lückenlos, zeitnah und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Diese Pflicht ergibt sich maßgeblich aus:
- Sozialgesetzbuch V (SGB V): regelt unter anderem die Abrechnung und Nachweispflicht gegenüber den Kostenträgern, wofür eine vollständige Einsatzdokumentation erforderlich ist
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 630f BGB schreibt die lückenlose, wahrheitsgemäße Behandlungsdokumentation vor, einschließlich Aufklärung, Einwilligung und aller relevanten Maßnahmen
- Landesrettungsdienstgesetz des jeweiligen Bundeslandes: enthält spezifische Vorgaben für den Rettungsdienstbetrieb, einschließlich Dokumentations- und Meldepflichten
- Notfallsanitätergesetz (NotSanG): definiert die Berufspflichten von Notfallsanitäter:innen, darunter die Pflicht zur vollständigen und nachvollziehbaren Dokumentation aller durchgeführten Maßnahmen
MerkeBerufsrechtliche und arbeitsrechtliche Pflichten
Neben den gesetzlichen Vorgaben ergeben sich aus dem Berufsrecht und dem Arbeitsrecht weitere Verpflichtungen. Dazu gehört, z.B. dass die Dokumentation den geltenden fachlichen Standards entsprechen muss. Sie dient nicht nur der Patient:innensicherheit und Qualitätssicherung, sondern kann auch Grundlage für die Beurteilung der Pflichterfüllung und der Arbeitsqualität durch Arbeitgeber oder Aufsichtsbehörden sein.
→ Hier sind die Verfahrensanweisungen der ärztlichen Leiter:innen Rettungsdienst (ÄLRD) zu beachten. Diese legen regional verbindlich fest, wie und in welchem Umfang bestimmte Maßnahmen sowie die zugehörige Dokumentation auszuführen sind.
AchtungDie Aufbewahrungspflicht für Einsatzdokumentationen ist gesetzlich festgelegt und beträgt, sofern keine speziellen oder längeren Fristen gelten, 10 Jahre ab dem Abschluss der Behandlung.
Datenschutz
DefinitionDatenschutz umfasst sämtliche Maßnahmen, die sicherstellen, dass jede Person vor einer missbräuchlichen Verarbeitung ihrer Daten geschützt wird, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt und ihre Privatsphäre gesichert ist.
Rechtliche Grundlagen:
Der Datenschutz, auch im Gesundheitswesen, ist in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt. Wichtige Vorgaben finden sich insbesondere in:
- der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
- dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
- den Datenschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer
MerkeDie DSGVO ist die zentrale, übergeordnete Rechtsgrundlage für den Datenschutz. Sie schreibt unter anderem die Benennung eines Datenschutzbeauftragten vor, der z.B. auch Schulungen für Mitarbeitende durchführt.
Im Gesundheitswesen werden häufig sogenannte personenbezogene Daten verarbeitet. Diese umfassen alle Informationen, die eine Identifizierung einer Person ermöglichen, etwa Name, Geburtsdatum oder Krankenversicherungsnummer.
Zu den personenbezogenen Daten zählen auch Gesundheitsdaten, also Informationen über den früheren, aktuellen oder künftigen körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand einer Person.
Zweck des Datenschutzes:
Datenschutz soll das Persönlichkeitsrecht jeder Person wahren und verhindern, dass dieses durch unbefugte Erhebung, Verarbeitung oder Weitergabe von personenbezogenen Daten verletzt wird. Daraus ergeben sich für Betroffene bestimmte Rechte, beispielsweise:
- Verarbeitung der Daten nur mit ausdrücklicher Einwilligung
- Recht auf Löschung der Daten
- Recht auf Widerruf einer erteilten Einwilligung
Organisationen wie Rettungsdienstträger sind verpflichtet, diese Rechte sicherzustellen. Das erfordert bauliche, organisatorische und technische Schutzmaßnahmen, etwa Sichtschutz, Einbruchsicherung oder aktuelle Virenschutzprogramme.
InfoBeispiele aus der Praxis:
- Aufbewahrung der handschriftlichen DIVI-Protokolle in einem abschließbaren Schrank, um unbefugten Zugriff zu verhindern
- Virenschutz und Software auf allen dienstlich genutzten Geräten aktuell halten
- Abrechnungsunterlagen der Einsätze werden in einem abschließbaren Schrank aufbewahrt, um den Zugriff durch unbefugte Personen zu verhindern
AchtungVerpflichtung zum Datenschutz
Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, die Datenschutzrichtlinien im Arbeitsalltag einzuhalten. Das bedeutet unter anderem:
- Einsatzprotokolle nicht offen liegen lassen
- Dokumente ordnungsgemäß entsorgen (z.B. durch Schreddern)
- Telefonate vertraulich führen
- EDV-Systeme mit sicheren Passwörtern schützen
- Keine unbefugten Foto- oder Videoaufnahmen machen
Anforderungen an eine rechtssichere Dokumentation
Für eine rechtlich sichere Einsatzdokumentation gelten folgende Grundanforderungen:
- Korrektheit: alle Angaben müssen der Wahrheit entsprechen und fachlich zutreffend sein
- Vollständigkeit: sämtliche relevanten Daten, Befunde und Maßnahmen müssen erfasst werden
- Lesbarkeit: bei handschriftlicher Dokumentation ist ein gut lesbares Schriftbild sicherzustellen
- Möglichkeit zum Archivieren: die Dokumentation muss den formalen Anforderungen entsprechen, um langfristig sicher archiviert werden zu können
- Nachvollziehbarkeit: die Einträge müssen logisch und strukturiert erfolgen, sodass auch Dritte den Ablauf verstehen können
Für eine spätere Auswertung ist entscheidend, dass Befunde und Maßnahmen in zeitlichem Zusammenhang dokumentiert werden, um den Verlauf der Behandlung darzustellen. So muss beispielsweise erkennbar sein, welche Auswirkungen die Gabe eines Medikaments auf die Kreislaufsituation der erkrankten Person hatte. Die grafische Verlaufsdarstellung in Dokumentationssystemen spielt dabei eine wichtige Rolle.
TippPraxisnahe Selbstprüfungsfragen
- „Würde mein mitfahrender NotSan-Azubi mein Einsatzprotokoll als Vorbild nutzen?“
- „Könnte ich selbst noch fünf Jahre anhand des Protokolls mein damaliges Handeln lückenlos nachvollziehen?“
Bedeutung im Strafrecht, Zivilrecht und Arbeitsrecht
Kommt es zu einem Rechtsstreit, ist eine vollständige und präzise Einsatzdokumentation entscheidend, da sie maßgeblich über die juristische Bewertung des Handelns des Rettungsfachpersonals bestimmt. Von besonderer juristischer Relevanz im Zusammenhang mit der Einsatzdokumentation ist die Beweislastumkehr gemäß § 630h BGB.
AchtungBeweislastumkehr nach § 630h BGB
Kommt es zu einem Rechtsstreit zwischen Patient:innen und Behandelnden, muss normalerweise die Patientenseite den Fehler nachweisen.
Liegt jedoch eine fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Dokumentation vor, greift die Beweislastumkehr nach § 630h BGB.
- Der Gesetzestext (§ 630h Abs. 3 BGB) formuliert klar: wurde eine medizinisch gebotene Maßnahme nicht oder nicht ordnungsgemäß dokumentiert oder nicht ordnungsgemäß aufbewahrt, wird vermutet, dass diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde
- Das bedeutet: der oder die Behandelnde muss beweisen, dass korrekt gehandelt wurde
- Ohne schriftliche oder mit einer lückenhaften Dokumentation ist dies kaum möglich
Im Umkehrschluss gilt: alles, was korrekt dokumentiert ist, wird als durchgeführt betrachtet → die Gegenseite muss das Gegenteil beweisen.
Bedeutung im Strafrecht:
Im Strafrecht lassen sich zwei grundsätzliche Konstellationen unterscheiden:
- Notfallsanitäter:in als beschuldigte Person: hier steht das eigene Handeln der Einsatzkraft im Fokus, etwa bei Vorwürfen wie fahrlässiger Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung oder fahrlässiger Tötung. Die Einsatzdokumentation kann in solchen Fällen sowohl belastend als auch entlastend wirken, je nachdem, ob Maßnahmen, Aufklärung und Entscheidungen nachvollziehbar festgehalten wurden
- Andere Person als beschuldigte Person: in dieser Konstellation dient die Einsatzdokumentation vor allem als objektives Beweismittel für den Ablauf des Geschehens, den Gesundheitszustand und die Verletzungen einer Patientin oder eines Patienten. Sie kann entscheidend sein, um Schuld oder Unschuld einer dritten Person zu belegen, etwa in Verfahren wegen Körperverletzung oder Tötungsdelikten
InfoBeispiel aus der Praxis 1:
Ein RTW wird in der Nacht zu einem 58-jährigen Patienten mit Brustschmerzen alarmiert. Vor Ort berichtet der Patient, dass die Beschwerden vor etwa 30 Minuten begonnen haben. Er wirkt blass sowie kaltschweißig. Der Notfallsanitäter leitet ein EKG ab, übersieht jedoch die ST-Strecken-Hebungen und interpretiert den Befund als unauffällig.
Nach kurzer Beratung empfiehlt die RTW-Besatzung dem Patienten, zunächst zuhause zu bleiben und morgen sich morgen hausärztlich vorzustellen. Im Protokoll wird lediglich vermerkt: „EKG unauffällig, keine Akuttherapie erforderlich, Transport nicht indiziert, Patient verbleibt zu Hause.“
In der Nacht verschlechtert sich der Zustand des Patienten massiv. Am nächsten Morgen wird er bewusstlos aufgefunden und verstirbt im Krankenhaus an einem akuten STEMI.
Die Staatsanwaltschaft leitet ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung ein. Die Einsatzdokumentation wird als zentrales Beweismittel herangezogen, um zu prüfen, ob Diagnostik, Einschätzung und Empfehlung dem aktuellen medizinischen Standard entsprachen. Die knappe Dokumentation wirkt in diesem Fall belastend, da weder die vollständigen EKG-Befunde noch die medizinische Begründung für das Belassen zu Hause festgehalten wurden.
InfoBeispiel aus der Praxis 2:
Ein RTW wird nach einer körperlichen Auseinandersetzung in eine Bar alarmiert. Der Patient hat Kopfverletzungen, ist zunächst wach, verschlechtert sich aber während des Transports. Später verstirbt er an einer schweren Hirnblutung. Vor Gericht wird die Besatzung als Zeug:innen geladen, um anhand der Dokumentation den Einsatz nachzuvollziehen.
Hierbei ist besonders relevant:
- Neurologischer Status der erkrankten Person
- Einsatzzeiten
- Auffindesituation
- Exakte Dokumentation von Art, Lokalisation und Ausdehnung von Verletzungen
- Neurologischer Status der erkrankten Person
- Verlauf des Patient:innenzustands
Zivilrechtliche Bedeutung:
Im Zivilrecht dient die Einsatzdokumentation häufig als Grundlage, um Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu prüfen. Sie ermöglicht eine objektive Bewertung, ob Pflichten verletzt oder Sicherungsmaßnahmen unterlassen wurden.
Hierbei sind zwei Konstellationen denkbar:
- Entweder sind Patient:innen selbst betroffen, beispielsweise als geschädigte oder verletzte Person
- Sie sind ursächlich an dem Vorfall beteiligt, etwa als verursachende oder mitverantwortliche Person
Für Notfallsanitäter:innen bedeutet dies, dass selbst kleine Details zur Umgebung oder zum Unfallhergang später entscheidend werden können.
InfoBeispiel aus der Praxis
Ein RTW wird zu einem Sturz auf einem Firmengelände gerufen. Die 42-jährige Patientin berichtet, bei Glatteis vor dem Haupteingang ausgerutscht zu sein. Sie klagt über starke Schmerzen in der rechten Schulter und Bewegungseinschränkung. Beim Eintreffen liegt sie auf dem Rücken, ist ansprechbar, schmerzgeplagt und zittert. Dokumentiert werden Auffindesituation (vereiste Treppenstufe), Sichtverhältnisse (dunkel, unzureichend beleuchtet), Umgebung (nicht gestreut, keine Warnhinweise), Kleidung (nass, unterkühlt), Verdachtsdiagnose (proximale Humerusfraktur), Erstmaßnahmen und Übergabe an die Notaufnahme.
Monate später verklagt sie ihren Arbeitgeber auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen mangelnder Verkehrssicherungspflicht. Die detaillierte Einsatzdokumentation liefert objektive Angaben zu Umgebung, Verletzung und Reaktion der Patientin und ist im Zivilverfahren entscheidend für die Einschätzung des Gerichts.
Arbeitsrechtliche Bedeutung:
Im Arbeitsrecht kann die Einsatzdokumentation ausschlaggebend sein, wenn das Handeln von Einsatzkräften im Rahmen ihrer dienstlichen Pflichten überprüft wird, z.B. durch den Arbeitgeber, durch Aufsichtsbehörden oder im Rahmen arbeitsgerichtlicher Verfahren. Sie dient als Beweis, ob Maßnahmen korrekt, zeitgerecht und im Einklang mit medizinischen Standards durchgeführt wurden. Gleichzeitig kann sie vor unbegründeten Vorwürfen schützen.
InfoBeispiel aus der Praxis
Nach einem Einsatz wird einem Notfallsanitäter vorgeworfen, eine indizierte Medikamentengabe unterlassen zu haben. In der Dokumentation ist jedoch klar vermerkt, dass der Patient die Maßnahme nach Aufklärung ausdrücklich verweigert hat und keine akute Gefährdung vorlag. Diese Angabe entlastet den Mitarbeitenden und belegt, dass er pflichtgemäß gehandelt hat.
Dokumentationssysteme im Rettungsdienst
Im Rettungsdienst erfolgt die Einsatzdokumentation entweder papierbasiert oder digital. Beide Formen haben das Ziel, alle relevanten Einsatz- und Patient:innendaten vollständig, nachvollziehbar und rechtssicher festzuhalten. Während papierbasierte Dokumentationen oft einfach in der Handhabung und unabhängig von technischer Infrastruktur sind, bieten digitale Systeme Vorteile in Bezug auf schnelle Datenverfügbarkeit, Auswertungsmöglichkeiten und Vernetzung mit anderen medizinischen Einrichtungen.
Die folgende Tabelle gibt einen kompakten Überblick über die wichtigsten Unterschiede und Eigenschaften beider Dokumentationsformen.
Kriterium | Papierbasierte Dokumentation | Digitale Dokumentation |
---|---|---|
Form der Erfassung | Handschriftliche Formulare (z.B. DIVI-Protokoll) | Elektronische Eingabe (Tablet mit entsprechender Software) |
Erfassung | Manuell, mit Stift | Direkteingabe per Touchscreen / externe Tastatur |
Lesbarkeit | Abhängig von der Handschrift | Einheitlich und gut lesbar |
Pflichtfelder | Nicht vorgegeben | Automatische Pflichtfelder verhindern Lücken |
Plausibilitätsprüfung | Nicht vorhanden | Automatische Prüfung auf logische Werte |
Datenübertragung | Manuell durch Übergabe | Verschlüsselte digitale Übertragung an Klinik / Verwaltung |
Datensicherheit | Aufbewahrung in abschließbaren Schränken | Verschlüsselung, Passwortschutz, Zugriffskontrolle |
Zugriffsberechtigung | Physischer Zugang zum Lagerort | Benutzerrechte und Protokollierung |
Archivierung | Physische Lagerung, Vernichtung nach Frist | Digitale Langzeitspeicherung und automatisches Backup |
Integration | Keine direkte Schnittstelle | Anbindung an Leitstellen- und Abrechnungssysteme, sowie an MPG-Geräte |
Kosten | Geringe Anschaffungskosten | Höhere Anfangsinvestition |
Technikabhängigkeit | Unabhängig von Strom und Netz | Abhängig von Akku, Software und Verbindung |
Schulungserfordernis | Gering | Erhöht, je nach System |
Vorteile | Einfach, robust, immer nutzbar | Schnell, vollständig, leicht auswertbar |
Nachteile | Ggf. Unleserlich, schwer auswertbar, Verlustgefahr | Technikabhängig, Schulungsaufwand |
Auswertung | Erschwert, dauert lange | Schnell und einfach, durch entsprechende digital Systeme auswertbar |
AchtungIn einigen Bundesländern besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur digitalen Einsatzdokumentation, wodurch Einsätze ausschließlich elektronisch erfasst werden müssen.
Inhalte der Einsatzdokumentation
Die Einsatzdokumentation gliedert sich in zwei Hauptbereiche:
- Patienten- und Einsatzdaten
- Medizinische Inhalte
Patienten- und Einsatzdaten
Hier werden alle relevanten Informationen zur Identifizierung der Patient:innen und zum Einsatz selbst erfasst.
Dazu gehören:
- Vollständige Patientendaten wie Name, Geburtsdatum, Anschrift und Kostenträger
- Einsatzbezogene Angaben wie Einsatznummer, eingesetztes Rettungsmittel, Besatzung und weitere relevante organisatorische Details
Medizinische Inhalte
MerkeDie medizinische Einsatzdokumentation bildet eine zentrale Informationsbasis für weiterbehandelnde Einrichtungen und ist maßgeblich für deren diagnostische und therapeutische Entscheidungen. Ihre Bedeutung hat durch die zunehmende Multimorbidität, Polypharmakotherapie, komplexe klinische Behandlungsstrategien und die Zentralisierung spezialisierter medizinischer Verfahren in Zentren weiter zugenommen.
Fehlende oder unzureichende Dokumentation kann bei Notfallpatient:innen oftmals nicht oder nicht rechtzeitig auf anderem Wege ausgeglichen werden – insbesondere bei Bewusstlosigkeit, eingeschränkter Anamnesefähigkeit oder einem kritischen Gesundheitszustand.
Zentrale Inhalte:
Eine lückenlose und strukturierte, medizinische Einsatzdokumentation sollte folgende Punkte umfassen:
- Vitalfunktionen zu Beginn, im weiteren Verlauf sowie bei der Übergabe
- Beschreibung der Auffindesituation
- Anamnese (gemäß SAMPLER-Schema
und / oder xABCDE) - Körperlicher Untersuchungsbefund initial sowie gegebenenfalls im Verlauf und bei Übergabe
- Dokumentation des apparativen Monitorings
- Arbeitsdiagnose
- Aufzeichnungen zu erfolgten Aufklärungen, erteilten Einwilligungen oder geäußerten Ablehnungen
- Therapeutische Maßnahmen mit Begründung für die Durchführung oder das Unterlassen einzelner Schritte
- Verlaufsbeschreibung
- Festhalten aufgetretener Komplikationen
- Sonstige relevante Besonderheiten
- Verbleib der erkrankten Person sowie detaillierte Übergabeinformationen
Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
InfoHäufige Fehler bei der Dokumentation entstehen oft durch ungenaue, lückenhafte oder wertende Formulierungen. Sie lassen sich vermeiden, indem klare, objektive und vollständige Beschreibungen verwendet werden, die alle relevanten Details enthalten.
Im Folgenden werden beispielhafte Situationen übersichtlich dargestellt, um den Unterschied zwischen präziser und unzureichender Dokumentation deutlich zu machen.
Beschreibung der Auffindesituation:
Eine möglichst präzise Beschreibung der Auffindesituation ist essenziell. Sie liefert wichtige Anhaltspunkte für die Gesamtbeurteilung des Geschehens, etwa zur Unfallkinematik, den Alltagskompetenzen, der Hilflosigkeit oder der Fähigkeit zur Selbsthilfe sowie zu bestehenden sozialen Kontakten. Darüber hinaus kann sie Hinweise auf die Notwendigkeit außergewöhnlicher Maßnahmen geben, beispielsweise die Anwendung von Zwang gegen Sachen oder Personen.
Die folgenden Beispiele dienen als Musterformulierungen und verdeutlichen den Unterschied zwischen einer präzisen, detaillierten Beschreibung der Auffindesituation und einer ungenauen, unzureichenden Darstellung:
Musterformulierung (detailliert) | Unzureichende Beschreibung |
---|---|
Radfahrer, ca. 35 Jahre, ohne Helm bei Dunkelheit auf nasser Fahrbahn frontal mit entgegenkommendem Pkw kollidiert. Fahrradrahmen mehrfach gebrochen, Vordergabel deformiert, Patient ca. 5 m vom Fahrrad entfernt liegend, starker Blutverlust aus Kopfplatzwunde, Atemfrequenz | Radfahrer nach Verkehrsunfall, Kopfverletzung |
Bewohnerin eines Pflegeheims, 84 Jahre, in Seitenlage | Sturz im Pflegeheim, Patientin lag am Boden |
Alleinstehender Patient, ca. 60 Jahre, in Garage sitzend aufgefunden, Motor des Pkw läuft, Raum stark verraucht, CO | Patient in Garage mit laufendem Auto aufgefunden |
TippDabei zeigen die ausführlichen Formulierungen, wie relevante Umstände, Gefahrenquellen und besondere Maßnahmen klar benannt werden, während die unzureichenden Beschreibungen wichtige Informationen auslassen und dadurch ein unvollständiges Bild vermitteln.
Unvollständig erfasste Vitalfunktionen:
Der xABCDE-Befund stellt einen Pflichteintrag dar, da das Weglassen dieser Dokumentation sowohl eine Patient:innengefährdung als auch ein erhebliches rechtliches Risiko für das Einsatzteam bedeuten kann.
Ein häufiger Fallstrick ist die Kennzeichnung als „nicht untersucht“. Hierbei muss präzise angegeben werden, warum die Untersuchung nicht erfolgt ist:
- Bewusst nicht durchgeführt → medizinisch und rechtlich äußerst problematisch
- Nicht möglich → z.B. Auskultation aufgrund von starkem Umgebungslärm nicht durchführbar
- Nicht gelungen → z.B. Messung durch technischen Defekt oder motorische Unruhe der erkrankten Person nicht erfolgreich
- Verweigert → z.B. bei aggressiv alkoholisierten Patient:innen oder fehlender Kooperationsbereitschaft bei Demenz
Ungenau erfasstes SAMPLERS-Schema :
Auch hier ist eine möglichst präzise Dokumentation wichtig, zum Beispiel im Abschnitt „P“ (Past medical history / Vorerkrankungen). Der Verlauf von Vorerkrankungen kann stark variieren, hat jedoch oft entscheidenden Einfluss auf das aktuelle Geschehen und die prognostische Einschätzung. So kann eine genaue Anamnese helfen zu klären, ob eine neurologische Symptomatik tatsächlich neu aufgetreten ist oder ob zum Beispiel eine palliative Behandlung sinnvoll wäre.
Bei der Dokumentation ist es entscheidend, präzise und vollständig zu formulieren. Dazu gehören:
- Art und genauer Zeitpunkt der Operation oder des invasiven Verfahrens
- Zeitpunkt der Erstdiagnose der zugrunde liegenden Erkrankung
- Aktueller Folgezustand (z.B. verbleibende Symptome oder Einschränkungen)
Beispiel für Musterformulierung (falls bekannt) | Ungenaue Beschreibung |
---|---|
ACVB | Bypass-OP |
Zustand nach rechtsseitigem ischämischem Schlaganfall | Zustand nach Apoplex |
Chronisch lymphatische Leukämie, Erstdiagnose 2022, Zustand nach Chemotherapie und Bestrahlung, aktuell komplette Remission | Geheilte Leukämie |
TippJe genauer du dokumentierst, desto leichter können nachfolgende Ärzt:innen oder Einsatzkräfte die medizinische Situation einschätzen.
- Unklare Formulierungen wie „Bypass-OP
“ oder „Apoplex “ lassen viele Fragen offen und können zu Fehleinschätzungen führen → Patient:innen wissen oft nur oberflächliche Informationen - Präzise Angaben helfen z.B., eine Symptomatik als neu oder chronisch einzuordnen und beeinflussen damit Diagnostik, Therapie und Prognose
- Unvollständige oder ungenaue Angaben können zu Missverständnissen führen und die medizinische Weiterbehandlung erschweren
Verwendung wertender Sprache:
Ein häufiger Dokumentationsfehler im Rettungsdienst ist die Verwendung wertender Sprache. Subjektive Begriffe wie „wirr“, „schlecht gelaunt“ oder „schwierig“ geben keinen objektiven Eindruck der Situation wieder und lassen sich im Nachhinein schwer nachvollziehen. Stattdessen sollten konkrete, beobachtete Fakten beschrieben werden, die für alle Beteiligten eindeutig sind.
Wertende Sprache | Konkrete, beobachtete Fakten |
---|---|
Patient ist aggressiv | Patient schreit die Einsatzkräfte an, ballt die Fäuste und tritt mehrfach gegen den Stuhl |
Patientin ist unkooperativ | Patientin lehnt es ab, den Blutzucker zu messen, dreht sich vom Rettungsdienst weg und verschränkt die Arme |
Patient wirkt verwirrt | Patient beantwortet einfache Fragen (Name, Datum) nicht korrekt, wiederholt denselben Satz mehrfach und wechselt abrupt das Thema |
Patientin ist schlecht gelaunt | Patientin spricht mit gereiztem Tonfall, antwortet einsilbig und vermeidet Blickkontakt |
TippErklärung
- Die erste Formulierung sagt nur, wie die Einsatzkraft die Situation einschätzt → sie ist also subjektiv
- Die zweite Formulierung beschreibt objektiv beobachtbare Fakten, die jede:r Kolleg:in oder Ärzt:in nachvollziehen kann, auch wenn sie die Person selbst nicht gesehen hat. Das ist wichtig für eine korrekte Dokumentation, Übergabe
und rechtliche Absicherung
Behandlungs- oder Transportverweigerung
Die Transport- oder Behandlungsverweigerung durch eine erkrankte Person erfordert vom Rettungsdienstpersonal ein besonders umsichtiges und strukturiertes Vorgehen. Dabei müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, darunter:
- der aktuelle medizinische Zustand
- die Einwilligungsfähigkeit
- mögliche psychosoziale Einflussfaktoren
- der Entscheidungsprozess
- sowie eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation
InfoGrundsätzlich gilt der freie Patientenwille als bindend, da er Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts ist.
Anleitung: Vorgehen bei Transport- oder Behandlungsverweigerung
Prüfung der Einwilligungsfähigkeit:
- Einschätzung, ob die erkrankte Person die medizinische Situation versteht und die Konsequenzen einer Verweigerung erfassen kann
TippCheckliste zur Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit
Die folgenden Fragen dienen als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob eine Person in der Lage ist, wirksam in medizinische Maßnahmen einzuwilligen. Wird mindestens eine Frage mit „Ja“ beantwortet, sollte zur weiteren Abklärung notärztliches Personal hinzugezogen werden.
- Minderjährigkeit (unter 18 Jahre) ohne gesetzliche Betreuung in Gesundheits- oder Aufenthaltsfragen
- Anzeichen einer bestehenden oder unmittelbar drohenden Hilflosigkeit
- Auffälligkeiten wie Schlaftrunkenheit oder Schlafwandeln
- Verdacht auf Alkohol- / Drogenmissbrauch oder deutliche Medikamentenbeeinflussung
- Symptome eines Fieberdeliriums
- Plötzlich neu auftretende Desorientierung
- Vorliegende retrograde Amnesie
- Krampfanfall mit möglichem Zusammenhang zum aktuellen Einsatzgeschehen
- Bewusstseinsveränderung im Rahmen einer Hypo- oder Hyperglykämie
- Ausgeprägte Schmerzen
- Deutliche psychische oder körperliche Erschöpfung
- Vor Kurzem bestehende Bewusstlosigkeit
- Anzeichen für Suizidgedanken
- Gefahr für Dritte durch das Verhalten der Person
- Lebensbedrohlicher Zustand oder Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Schäden
- Persönliche Zweifel oder Unsicherheit des Rettungsdienstpersonals bezüglich des weiteren Vorgehens
- Demenz
Umfassende Aufklärung durch Rettungsdienstpersonal:
- Erklärung von Diagnoseverdacht, dringlich empfohlenen Maßnahmen und medizinischen Risiken bei Nichtbehandlung bzw. Nichttransport
- Verdeutlichung möglicher Folgeschäden oder Lebensgefahr
- Aufklärung in verständlicher Sprache und ggf. unter Hinzuziehung von Dolmetscherdiensten bei Sprachbarrieren
Verweigerung dokumentieren:
- Schriftliche Festhaltung der Aufklärung inklusive aller besprochenen Risiken
- Eintragung in das Einsatzprotokoll oder spezielles Transport- / Behandlungsverweigerungsformular
- Unterschrift der erkrankten Person zur Bestätigung
- Wenn möglich, Angehörige / Dritte als Zeugen unterschreiben lassen, dass Aufklärung erfolgt ist und die erkrankte Person trotz Kenntnis der Risiken einen Transport ablehnt
- Falls Patient:in nicht unterschreibt → Hinweis „Verweigerung der Unterschrift“ vermerken und Zeug:innen benennen
Abschließende Maßnahmen:
- Patient:innen, wenn möglich, schriftliche Hinweise zu Warnsymptomen und Empfehlung zur ärztlichen Vorstellung aushändigen (kann im Einsatzprotokoll erfasst werden)
- Eigenständige Entscheidung dokumentieren, keine Nötigung oder Druck ausüben
- Bei späterer Verschlechterung: erneute Kontaktaufnahme mit Rettungsdienst oder ärztliche Vorstellung anraten
- Unterschriebenes Einsatzprotokoll + Transportverweigerungsformular aushändigen
Prüfungswissen
Ziele und Bedeutung der Dokumentation:
- Beweisen und Nachweisen
- Weitergabe von Informationen
- Bedeutung für Patient:innensicherheit
- Beitrag zur Qualitätssicherung
Rechtsgrundlagen:
- Dokumentationspflicht, ergibt sich aus:
- Sozialgesetzbuch V (SGB V): regelt unter anderem die Abrechnung und Nachweispflicht gegenüber den Kostenträgern, wofür eine vollständige Einsatzdokumentation erforderlich ist
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 630f BGB schreibt die lückenlose, wahrheitsgemäße Behandlungsdokumentation vor, einschließlich Aufklärung, Einwilligung und aller relevanten Maßnahmen
- Landesrettungsdienstgesetz des jeweiligen Bundeslandes: enthält spezifische Vorgaben für den Rettungsdienstbetrieb, einschließlich Dokumentations- und Meldepflichten
- Notfallsanitätergesetz (NotSanG): definiert die Berufspflichten von Notfallsanitäter:innen, darunter die Pflicht zur vollständigen und nachvollziehbaren Dokumentation aller durchgeführten Maßnahmen
- Berufsrechtliche und arbeitsrechtliche Bedingungen, z.B. Vorgaben der ÄLRD beachten
- Datenschutz beachten
- Für eine rechtlich sichere Einsatzdokumentation gelten folgende Grundanforderungen:
- Korrektheit: alle Angaben müssen der Wahrheit entsprechen und fachlich zutreffend sein
- Vollständigkeit: sämtliche relevanten Daten, Befunde und Maßnahmen müssen erfasst werden
- Lesbarkeit: bei handschriftlicher Dokumentation ist ein gut lesbares Schriftbild sicherzustellen
- Möglichkeit zum Archivieren: die Dokumentation muss den formalen Anforderungen entsprechen, um langfristig sicher archiviert werden zu können
- Nachvollziehbarkeit: die Einträge müssen logisch und strukturiert erfolgen, sodass auch Dritte den Ablauf verstehen können
- Dokumentation von großer Bedeutung im Straf-, Zivi- und Arbeitsrecht, hier vor allem Beweislastumkehr relevant:
- Kommt es zu einem Rechtsstreit, ist eine vollständige und präzise Einsatzdokumentation entscheidend, da sie maßgeblich über die juristische Bewertung des Handelns des Rettungsfachpersonals bestimmt. Von besonderer juristischer Relevanz im Zusammenhang mit der Einsatzdokumentation ist die Beweislastumkehr gemäß § 630h BGB
Dokumentationssysteme im Rettungsdienst:
- Papierbasiert vs. digitale Dokumentation
AchtungIn einigen Bundesländern besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur digitalen Einsatzdokumentation, wodurch Einsätze ausschließlich elektronisch erfasst werden müssen.
Inhalte der Einsatzdokumentation:
Die Einsatzdokumentation gliedert sich in zwei Hauptbereiche:
- Patienten- und Einsatzdaten:
- Hier werden alle relevanten Informationen zur Identifizierung der Patient:innen und zum Einsatz selbst erfasst.
- Dazu gehören:
- Vollständige Patientendaten wie Name, Geburtsdatum, Anschrift und Kostenträger
- Einsatzbezogene Angaben wie Einsatznummer, eingesetztes Rettungsmittel, Besatzung und weitere relevante organisatorische Details
- Medizinische Inhalte:
- Eine lückenlose und strukturierte, medizinische Einsatzdokumentation sollte folgende Punkte umfassen:
- Vitalfunktionen zu Beginn, im weiteren Verlauf sowie bei der Übergabe
- Beschreibung der Auffindesituation
- Anamnese (gemäß SAMPLER-Schema
und / oder xABCDE) - Körperlicher Untersuchungsbefund initial sowie gegebenenfalls im Verlauf und bei Übergabe
- Dokumentation des apparativen Monitorings
- Arbeitsdiagnose
- Aufzeichnungen zu erfolgten Aufklärungen, erteilten Einwilligungen oder geäußerten Ablehnungen
- Therapeutische Maßnahmen mit Begründung für die Durchführung oder das Unterlassen einzelner Schritte
- Verlaufsbeschreibung
- Festhalten aufgetretener Komplikationen
- Sonstige relevante Besonderheiten
- Verbleib der erkrankten Person sowie detaillierte Übergabeinformationen
- Vitalfunktionen zu Beginn, im weiteren Verlauf sowie bei der Übergabe
- Eine lückenlose und strukturierte, medizinische Einsatzdokumentation sollte folgende Punkte umfassen:
InfoHäufige Fehler bei der Dokumentation entstehen oft durch ungenaue, lückenhafte oder wertende Formulierungen. Sie lassen sich vermeiden, indem klare, objektive und vollständige Beschreibungen verwendet werden, die alle relevanten Details enthalten.
Im Folgenden werden beispielhafte Situationen übersichtlich dargestellt, um den Unterschied zwischen präziser und unzureichender Dokumentation deutlich zu machen.
Behandlungs- oder Transportverweigerung:
Die Transport- oder Behandlungsverweigerung durch eine erkrankte Person erfordert vom Rettungsdienstpersonal ein besonders umsichtiges und strukturiertes Vorgehen. Dabei müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, darunter:
- der aktuelle medizinische Zustand
- die Einwilligungsfähigkeit
- mögliche psychosoziale Einflussfaktoren
- der Entscheidungsprozess
- sowie eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation
- Dokumentation mit Unterschrift des Patienten, der Patientin und ggf. Zeugen (Angehörige oder Kollegen)
InfoGrundsätzlich gilt der freie Patientenwille als bindend, da er Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts ist.
- Anleitung + Fragen zur Entscheidungshilfe beachten
Quellen
- Koch S et al: retten – Notfallsanitäter. 1. Auflage. Georg Thieme Verlag 2023. ISBN: 978-3-13-242121-9
- Hell W, Konopka T: Alles Wissenswerte über Staat, Bürger, Recht: Staatsrecht und Gesetzeskunde. 9. Auflage. Georg Thieme Verlag 2024. ISBN: 978-3132444485
- Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V.: DBRD-Musteralgorithmen 2025, Version 10.1. Stand: 2025, zuletzt aufgerufen am 10.08.2025