Zusammenfassung
Elektrounfälle entstehen durch den Kontakt mit elektrischer Energie, Lichtbögen oder Blitzeinschlag und können von leichten Hautirritationen bis zu schweren Organverletzungen und Verbrennungen
Das Ausmaß der Schädigung hängt von mehreren Faktoren ab – insbesondere von der Stromstärke
Der Eigenschutz hat oberste Priorität: Stromquellen müssen abgeschaltet und die Spannungsfreiheit durch Fachkräfte bestätigt werden, bevor Patient:innen berührt oder versorgt werden dürfen.
In der Diagnostik sind Anamnese, Inspektion auf Strommarken oder Verbrennungen
Bei Hochspannungsunfällen ist eine stationäre Überwachung (12–24 h) erforderlich, bei Niederspannung und unauffälligem Befund kann die Behandlung ggf. ambulant erfolgen.
Therapeutisch stehen die Sicherung der Vitalfunktionen, Wärmeerhalt, Schmerztherapie und die Behandlung von Verbrennungen
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema Elektrounfälle etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
- Stichwort: "Elektrounfall"
- Ort: Wohnung, 3. OG
- Alarmzeit: 16:32
- Anrufer:in: Ehefrau
- Anzahl der betroffenen Personen: 1
- Zusatzinfo:
- Männlicher Patient, 45 Jahre
- Beim Wechseln einer Glühbirne Kontakt zu Strom gehabt
- Seitdem Schmerzen in der Hand und Schwindel
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes steht die Ehefrau an der Wohnungstür und weist euch den Weg in die Wohnung.
Die Lage ist wie folgt:
- Der Patient sitzt auf einem Stuhl im Wohnzimmer
- Er ist blass
, aber ansprechbar - Die rechte Hand zeigt eine kleine Eintrittsstelle an Daumen und Zeigefinger
- Er berichtet, bei Arbeiten an der Stromleitung der Deckenlampe einen heftigen Schlag gespürt zu haben
- Seitdem klagt er über ein Kribbeln in der rechten Hand und Schwindel
- Die Ehefrau gibt an, der Strom sei nicht abgeschaltet gewesen. Er sei nicht gestürzt
- Der Patient war zu keinem Zeitpunkt bewusstlos, fühlt sich aber „benommen“

Dieses Bild wurde mit der KI-Software ChatGPT (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Ersteindruck nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten nach einem Elektrounfall aussehen könnte.
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Messung des Blutzuckers
x |
|
|
A |
| Kein |
B |
| Kein |
C |
| Mittelbares |
D |
| Kein |
E |
| Kein |
AchtungDas hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
Definition
DefinitionEin Stromunfall ist ein medizinischer Notfall, welcher entsteht, wenn elektrischer Strom durch den menschlichen Körper fließt oder in unmittelbarer Nähe eine elektrische Entladung (z.B. Lichtbogen, Blitzschlag) erfolgt und dadurch Schädigungen des Gewebes oder lebenswichtiger Organe verursacht werden.
Die Wirkung des Stroms hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von:
- Stromstärke
- Spannung
- Stromart (Wechsel- oder Gleichstrom)
- Einwirkdauer
- Stromweg durch den Körper
- Individuellem Körperwiderstand
Typische Folgen sind thermische Verletzungen, Herzrhythmusstörungen, neurologische Ausfälle, Muskelverletzungen und Organschäden durch Stromfluss oder Lichtbogenwirkung.
Klassifikation
Niederspannung:
- Spannungen bis 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
- Im Haushalt wird üblicherweise 230 V Wechselstrom verwendet
- Geräte mit „Starkstrom“, etwa Herde, Saunen oder Werkstattmaschinen → meist 400 V
Hochspannung:
- Spannungen über 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
- Hochspannungsleitungen führen oft über 100 kV (100000 V) Bahnoberleitungen etwa 15 kV (15000 V)
- Blitz kann mehrere Millionen Volt erreichen
- Gefährlich sind hierbei auch Lichtbögen, die Temperaturen von mehreren Tausend °C erzeugen und ohne direkten Kontakt auf Personen überspringen können
Ursachen
Direkter Kontakt mit spannungsführenden Gegenständen
Im häuslichen Bereich:
- Kind steckt Finger oder metallische Gegenstände (z.B. Gabel, Schlüssel) in die Steckdose
- Defekte Haushaltsgeräte mit beschädigten Kabeln oder Steckern
- Lampe oder Leuchtmittel wechseln, ohne die Stromzufuhr auszuschalten
- Arbeiten an Steckdosen oder Leitungen ohne die Sicherung abzuschalten
Im beruflichen / industriellen Bereich:
- Arbeiten an elektrischen Anlagen ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen
- Kontakt mit defekten Leitungen oder unisolierten Kabeln
- Beschädigte Werkzeuge oder Maschinen (z.B. Bohrmaschine, Schweißgerät)
- Fehlende Erdung bei metallischen Arbeitsgeräten
Lichtbogeneinwirkung
InfoLichtbögen entstehen, wenn hohe Spannung, ionisierbare Luft und geringer Abstand zusammentreffen.
- Person auf Dach eines Zuges oder Waggons
- Häufige Gründe dafür: Leichtsinn, Vandalismus, Flucht
- Arbeiten an Hochspannungsanlagen, z.B. an Schaltanlagen oder Transformatoren
- Typische Ursachen: Falsche oder vergessene Erdung, defektes Werkzeug
Schrittspannung
“Potenzialtrichter Freileitung.svg” von wdwd, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons. Es wurden Beschriftungen verändert und Objekte hinzugefügt.
- Gerissene oder herabgefallene Hochspannungsleitungen nach:
- Sturm, Schneelast oder Eisbruch
- Verkehrsunfall mit Strommast
- Bauarbeiten oder Erdarbeiten
- Blitzeinschlag in Boden oder Baum
AchtungEigenschutz beachten:
- Sicherheitsabstand einhalten: Mindestens 20 Meter, bei Hochspannungsleitungen deutlich mehr Abstand halten!
- Keine Annäherung an Unfallstelle, solange nicht sichergestellt ist, dass die Leitung spannungsfrei ist
- Andere Personen warnen: Sofort Absperren und weitere Annäherung verhindern, bis die Energieversorgung durch Fachkräfte abgeschaltet wurde
- Rettungskräfte dürfen erst tätig werden, wenn die Freischaltung durch den Energieversorger bestätigt wurde
TippSchrittspannung
Als Schrittspannung wird die elektrische Spannung zwischen zwei Punkten auf dem Erdboden bezeichnet, die ein Mensch mit einem Schritt überbrückt. Sie entsteht, wenn ein hoher elektrischer Strom in den Boden fließt (z.B. durch einen Blitzschlag). Diese Spannung kann lebensgefährlich sein, da sie einen Stromfluss durch den menschlichen Körper verursacht.
Dabei ist vor allem der Unterschied zwischen der Spannung an den Füßen eines Individuums im Gefahrenbereich wichtig. Ein praktischer Tipp ist, die Distanz zwischen den Füßen beim Gehen möglichst gering zu halten, beispielsweise durch Hüpfen mit geschlossenen Beinen oder durch kleine Schritte.
Physikalische Grundlagen
Elektrische Grundgrößen
| Größe | Symbol / Einheit | Beschreibung | Wichtige Hinweise |
|---|---|---|---|
| Spannung | U / Volt (V) | Triebkraft des elektrischen Stroms („Druck“, der Elektronen bewegt) |
|
| Stromstärke | I / Ampere (A) | Gibt an, wie viele Elektronen pro Sekunde durch einen Leiter fließen |
|
| Widerstand | R / Ohm (Ω) | Widerstand des Körpers gegen den Stromfluss |
|
InfoOhmsches Gesetz
Das Ohmsche Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Spannung (U), Stromstärke
(I) und Widerstand (R) in einem elektrischen Stromkreis.
- Die Formel lautet: U = R x I
- Man kann die Formel auch umstellen, je nachdem, was man berechnen möchte:
- I = U / R oder R = U / I
- Je höher die Spannung und je geringer der Widerstand, desto stärker der Strom und desto gefährlicher der Stromunfall
Beispiel für den menschlichen Körper:
| Hautzustand | Widerstand (Ω) | Berechnung | Stromstärke | Beurteilung |
|---|---|---|---|---|
| Trockene Haut | ca. 100.000 Ω | 230 V ÷ 100.000 Ω | 0,0023 A = 2,3 mA | Unangenehm, aber meist ungefährlich |
| Nasse Haut | ca. 1.000 Ω | 230 V ÷ 1.000 Ω | 0,23 A = 230 mA | Lebensgefährlich! Bereits ab 50 mA kann Kammerflimmern |
Stromkreise
Wechselstromkreis (AC) - Elektronen im ständigen Richtungswechsel:
- In einem Wechselstromkreis (AC) ändern die Elektronen periodisch ihre Fließrichtung. Dies ist vergleichbar mit einem Pendel, das Hin und Her schwingt
- Dabei verändern sich Stromstärke
und Spannung fortlaufend, meist in Form einer sinusförmigen Kurve: Die Spannung wechselt regelmäßig zwischen positiven und negativen Werten - Vorteil: Transport über weite Strecken, ohne große Energieverluste
TippWechselstrom ist die Standard-Stromart in Haushalten und versorgt die meisten elektrischen Geräte.
Gleichstromkreis (DC) – Die Einbahnstraße des Stroms
- In einem Gleichstromkreis (DC) bewegen sich die Elektronen ständig in dieselbe Richtung, ähnlich wie Autos auf einer Einbahnstraße
- Dabei bleiben sowohl die Stromstärke
(die Anzahl der fließenden Elektronen pro Zeiteinheit) als auch die Spannung (die antreibende Kraft) konstant
TippGleichstrom wird vor allem in batterie- oder akkubetriebenen Geräten verwendet, wie z.B. in Taschenlampen, Smartphones oder Laptops. Auch viele Elektromotoren arbeiten mit Gleichstrom.
Hoch- und Niederspannung
Niederspannung:
- Spannungen bis 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
- Im Haushalt wird üblicherweise 230 V Wechselstrom verwendet
- Geräte mit „Starkstrom“, etwa Herde, Saunen oder Werkstattmaschinen → meist 400 V
Hochspannung:
- Spannungen über 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
- Hochspannungsleitungen führen oft über 100 kV (100000 V) Bahnoberleitungen etwa 15 kV (15000 V)
- Blitz kann mehrere Millionen Volt erreichen
- Gefährlich sind hierbei auch Lichtbögen, die Temperaturen von mehreren Tausend °C erzeugen und ohne direkten Kontakt auf Personen überspringen können
Pathophysiologie
MerkeReminder: Einflussfaktoren
Die Wirkung elektrischen Stroms auf den Körper hängt maßgeblich von folgenden Variablen ab:
- Stromweg durch den menschlichen Körper:
- Welche Organe er dabei kreuzt, ist entscheidend für das Verletzungsmuster und die Lebensgefahr
- Besonders gefährlich sind Stromverläufe, die durch den Brustbereich führen, weil dort das Herz liegt
- Wenn Strom das Herz durchfließt, kann er dessen physiologische elektrische Reizerregung und -leitung stören
- Hand → Hand: Strom fließt quer durch den Brustkorb
- Hand → Fuß: Strom fließt vom Arm durch den Oberkörper zum Bein
- Eintritts- und Austrittspunkte:
- Der Strom tritt an einer Stelle in den Körper ein und an einer anderen wieder aus
- Diese Punkte sind häufig an Kontaktflächen (z.B. Hand, Fuß) erkennbar
- Typisch sind Eintritts- und Austrittsverbrennungen (kleine, aber tiefe thermische Schäden)
- Lokalisation wichtig für Beurteilung möglicher Organschäden (durch das Verständnis des Weges des Stroms durch den Körper)
- Stromstärke
, Spannung, Widerstand beeinflussen die Schwere der Schädigung auf den Körper
- Ein hoher Widerstand, wie z.B. bei hoher Hautdicke oder geringe Kontaktfläche mit der Stromquelle bzw. dem Leiter, reduzieren die Schädigung
- Stromart (Wechselstrom, Gleichstrom)
- Gleichstrom fließt in eine Richtung. Eine Schädigung erfolgt einmal auf dem Weg durch den Körper
- Wechselstrom fließt abwechselnd in beide Richtungen zwischen zwei Polen. Eine Schädigung erfolgt auf dem „Hin- und Rückweg” des Stroms
- Einwirkdauer des Stroms
- Wird die Stromquelle oder der Leiter über einen längeren Zeitraum umfasst, wirkt der Strom länger auf den Körper ein
- Schädigende Effekte können so stärker ausfallen
- Gesundheitszustand, Alter von Patient:innen
- Bei einer bereits vorhandenen kardialen Schädigung, z.B. bei älteren Patient:innen, wird weniger Strom benötigt, um einen großen Schaden zu verursachen
Gewebewiderstände
Der spezifische Gewebewiderstand bestimmt, in welchen Strukturen Strom bevorzugt fließt und wo Hitzeentwicklung auftritt.
| Gewebe / Struktur | Relativer Widerstand / Leitfähigkeit | Bedeutung |
|---|---|---|
| Blut, Nerven, Muskeln | Geringster Widerstand / gute Leitfähigkeit | Strom fließt bevorzugt durch diese Gewebe |
| Haut, Sehnen, Fettgewebe | Hoher Widerstand | Zunächst Barriere gegen Stromfluss |
| Knochen | Sehr hoher Widerstand | Schwierig zu durchdringen |
AchtungWenn der Hautwiderstand überbrückt wird (z.B. durch Hautverletzungen, Wunden oder Feuchtigkeit), nimmt die Stromleitung durch tiefere Gewebe zu.
Wirkungsmechanismen / Schädigungsarten
Thermische Effekte:
- Stromfluss verursacht Wärme → Erhitzen von Gewebe → Verbrennungen
mit redultierender Nekrose - Direkte Schädigung von Myokard möglich
- Lichtbögen (bei Hochspannung) erzeugen sehr hohe Temperaturen → können Kleidung entzünden und tiefere Verbrennungen
verursachen - Bei Blitzschlag: sehr hohe Energie, aber extrem kurze Einwirkdauer → oft nur oberflächliche Verbrennungen
trotz massiver Stromwirkung
Elektrophysiologische Effekte:
- Störung der Erregungsleitung
in Nerven und Muskeln - Muskelkontraktionen, tetanische Krämpfe → u.a. Festhalten an Stromquelle möglich
- Hemmung zentralnervöser Funktionen → Atemlähmung, Bewusstlosigkeit
- Bei Stromfluss durch den Thorax
: Störungen am Herzen → Arrhythmien, Kammerflimmern
InfoTetanische Krämpfe bedeuten eine unwillkürliche Muskelkontraktion, in dem oben beschriebenen Fall durch die direkte Einwirkung von Strom auf die Skelettmuskulatur.
Tetanien können auch bei der namensverwandten Erkrankung Tetanus (= Wundstarrkrampf) oder einer Elektrolytstörung durch Hyperventilation auftreten.
Mechanische / sekundäre Effekte:
- Durch den starken Stromfluss kann es zu plötzlichen, heftigen Muskelkontraktionen kommen → Verletzung von Knochen, Sehnen oder Muskeln möglich
- Wegschleudern, Stürze → sekundäre Traumata (z.B. Kopf, Wirbelsäule)
- Druckwellen bei Lichtbogen oder Explosionen → zusätzliche Verletzungen durch Sturz oder herumfliegende Teile
Biochemische / systemische Effekte:
- Zellzerstörung → Freisetzung von Myoglobin
, Kalium , Phosphat und Kreatinkinase (CK ) → Risiko für Rhabdomyolyse und akutes Nierenversagen - Lokale Gefäßschäden, Thrombosen, Gefäßspasmen
- Sekundäre systemische Reaktionen: Schock
, Elektrolytstörungen, Organversagen
MerkeZusammenfassung: Die kritischen Probleme bei Elektrounfällen
- Thermische Schäden
- Elektrophysiologische Effekte, vor allem Herzrhythmusstörungen
- Mechanische Schäden, z.B. Frakturen oder Sekundärverletzungen durch Sturz
- Systemische Effekte
AchtungAuch wenn Betroffene zunächst stabil wirken, können sich Folgeschäden erst Stunden oder Tage nach dem Ereignis entwickeln. Das liegt an den verzögerten pathophysiologischen Prozessen im Körper.
Klinischer Eindruck
MerkeWie stark das Gewebe geschädigt wird, hängt von der Menge der elektrischen Energie, dem Widerstand des Gewebes und der Dauer des Stromflusses ab.
Typische Zeichen
- Strommarken
- Herzrhythmusstörungen
- Verbrennungen
Organspezifische Symptome:
| Organ | Symptomatik / mögliche Folgen |
|---|---|
| Herz |
|
| Zentrales Nervensystem (ZNS) |
|
| Lunge |
|
| Bewegungsapparat |
|
| Haut und Schleimhäute |
|
| Nieren / Harnsystem |
|
| Gefäßsystem |
|
| Psyche |
|
Generalisierte Zeichen
- Tachypnoe
- Blässe
- Kaltschweißigkeit
- Übelkeit / Erbrechen
- Angst
Diagnostik
MerkeDie Anamnese sollte den genauen Unfallhergang erfassen und dabei insbesondere Angaben zur Höhe der anliegenden Spannung, zur Stromart (Gleich- oder Wechselstrom) sowie zum Bewusstseinszustand beim Auffinden beinhalten.
Anamnese
Aktuelle Anamnese:
- S (Symptome): Strommarke, Verletzungen (v.a. Verbrennungen
), Herzrhythmusstörungen, Schwindel - A (Allergien, Infektionen)
- M (Medikation)
- P (Patientengeschichte): bekannte Herzrhythmusstörung, sonstige relevante kardiovaskuläre Vorerkrankungen?
- L (Letzte…): letzte Miktion und Stuhlgang sowie Mahlzeit
- E (Ereignis):
- Hoch- vs. Niederspannungsunfall
- Blitzschlag
- R (Risiko): bekannte Herzrhythmusstörung, Stromfluss durch Hand-Hand oder Hand-Fuß
- S (Schwangerschaft): Schwangere gelten nach Stromunfall als Risikogruppe → immer Vorstellung in Klinik
TippNutze Schemata
Um die Anamnese strukturiert durchzuführen, bietet es sich an, Schemata wie das SAMPLERS oder OPQRST-Schema
zu nutzen. Am obigen Beispiel haben wir Fragen und Befunde dargestellt, die bei dem Verdacht auf ein Elektrounfall abgefragt werden sollten und vorliegen könnten.
Körperliche Untersuchung

Dieses Bild wurde mit der KI-Software ChatGPT (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Inspektion:

"Verbrennung Grad 2b.jpg" von Stefan Reitzner Xy01, CC BY-SA 2.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons.
- Strommarken:
- Lokalisierte Verbrennungsareale an den Ein- und Austrittspunkten des Stroms
- Diese können auffällig verkohlt oder unscheinbar und leicht zu übersehen sein
- Ggf. Verbrennungen
: - Vor allem bei Hochspannungsunfällen
- Die Kombination aus hoher Spannung, starker Stromstärke
und kurzer Einwirkzeit führt zu einer massiven thermischen Schädigung von Haut, Muskulatur und tieferem Gewebe
- Lichtenberg-Muster:
- Charakteristische dendritische bzw. farnblattartige Hautzeichnungen, verursacht durch die abrupt entladene elektrische Energie
- Typisch bei Blitzunfällen
- Die Hautveränderungen verblassen meist innerhalb von Stunden bis Tagen
- Blässe
- Zittern
- Schwitzen
Dieses Bild wurde mit der KI-Software ChatGPT (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Palpation:
- Ggf. kalte, blasse Haut
- Bei Herzrhythmusstörung → unregelmäßiger Puls
Perkussion und Auskultation:
- Sowohl der Perkussions- als auch der Auskultationsbefund sollte physiologisch ausfallen. Ist das nicht so, ist eine differenzialdiagnostische Abklärung erforderlich
Vitalparameter:
TippJe nach Stromstärke
, Einwirkdauer und Stromweg sind keine bis schwerwiegende Veränderungen der Vitalparameter möglich.
- Herzfrequenz
: Tachykardie durch Sympathikusaktivierung, Herzrhythmusstörungen möglich - Blutdruck: initial normal oder leicht erhöht, später Hypotonie möglich bei kreislaufwirksamer Herzrhythmusstörung
- Begleitfaktoren (z.B. Erbrechen oder Dehydratation) können die Kreislaufstabilität zusätzlich gefährden
- Atmung: Tachypnoe, Bradypnoe - Apnoe bei Lähmung der Atemregulation / Atemmuskulatur
- Sauerstoffsättigung
: normal bis erniedrigt - Körpertemperatur
: normal oder leicht erniedrigt bei längerer Bewusstlosigkeit oder Zentralisation
EKG -Diagnostik:
Die EKG
Bereits kurze Stromeinwirkungen, insbesondere bei Durchströmung des Thorax
MerkeBeachten:
- Bei arbeitsbedingten Stromunfällen ist eine Vorstellung beim Durchgangsarzt (D-Arzt) erforderlich
- Nach Hochspannungsverletzungen besteht zudem die Gefahr verzögert auftretender Gewebeschäden durch thermische Effekte → stationäre Überwachung und Verlaufskontrolle zwingend indiziert
- Herzrhythmusstörungen treten oft erst bis zu 24 Stunden später als der Unfall auf
AchtungRed Flags:
- Hochspannungsunfall (> 1.000 V) oder Blitzschlag
- Bewusstseinsstörung (initial oder verzögert)
- „Klebenbleiben“ an der Stromquelle
- Schwangere Patientin (Gefahr für Mutter und Fetus)
- Bekannte kardiale Vorerkrankung (z.B. Herzschrittmacher
oder implantierter Defibrillator) - Kardiopulmonale Symptome wie Brustschmerz oder Atemnot
- Begleitverletzungen wie Verbrennungen
, starke Muskel- oder Weichteilschmerzen oder Traumafolgen (z.B. Sturzverletzung)
Therapie
Einsatztaktisches Vorgehen
Überprüfung der Sicherheit am Einsatzort:
AchtungVor jeder Rettungsmaßnahme steht die Überprüfung der Sicherheit am Einsatzort bevor.
Die eigene Unversehrtheit geht immer vor. Erst nach gesicherter Spannungsfreiheit darf eine Annäherung oder Patientenversorgung erfolgen.
- Nähern Sie sich der Einsatzstelle vorsichtig und aufmerksam, um mögliche Gefahrenquellen zu erkennen (z.B. stromführende Kabel, Pfützen, metallene Bodenflächen, defekte Geräte)
- Spezialkräfte (z.B. Feuerwehr, Notfallmanager der Bahn, Energieversorger) sind bei Bedarf sofort nachzufordern
- Eine Freischaltung muss erfolgen, das heißt:
- Abschalten der Stromzufuhr
- Sicherung gegen Wiedereinschalten
- Überprüfung der Spannungsfreiheit und Erdung
- Der Einsatzort darf erst nach Freigabe durch Fachpersonal betreten werden
- Patient:innen nicht berühren, solange sie noch mit der Stromquelle in Kontakt stehen
Niederspannungsunfälle:
- Stromquelle, sofern gefahrlos möglich, abschalten (Sicherung ausschalten, Stecker ziehen)
- Gegen Wiedereinschalten sichern
- Brennende Elektrogeräte nicht mit Wasser löschen, solange sie unter Spannung stehen. Stattdessen Flammen ersticken (z.B. mit Löschdecke oder Feuerlöscher)
Hochspannungsunfälle:
- Sicherheitsabstand einhalten: mindestens 20 Meter, bei nasser Umgebung mehr
- Auf die Freigabe durch Spezialkräfte warten, bevor der Gefahrenbereich betreten wird
- Stromüberschlag (Lichtbogen) ist auch ohne direkten Kontakt möglich. Annäherung nur nach Bestätigung der Spannungsfreiheit
Blitzunfälle:
- Während anhaltender Gewitterlage sollte der Patient schnellstmöglich in einen sicheren Bereich (z.B. RTW, Gebäude) gebracht werden
- Nach Blitzschlag ist eine sofortige Reanimationsbereitschaft erforderlich → Herz- und Atemstillstand sind häufig
MerkeFaraday
Ein Auto ist ein Faraday'scher Käfig. Die Metallkarosserie leitet bei einem Blitzeinschlag die elektrische Ladung um das Innere herum in den Boden und schützt somit die Insassen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, sollten alle Fenster und Türen geschlossen sein und man sollte keine Metallteile im Auto berühren.
Im Zweifel ist ein Rückzug mit der Patientin oder dem Patienten in das Innere des Rettungswagens also eine gute initiale Maßnahme.
Standardmaßnahmen
- Sauerstoffgabe
/ Atemwegssicherung: bei Patient:innen mit einer verminderten Sauerstoffsättigung (Hypoxie) wird Sauerstoff verabreicht, um die Sauerstoffversorgung des Gewebes zu verbessern und die Funktion lebenswichtiger Organe sicherzustellen
→ Nach Stromunfällen ist eine Normoxie anzustreben - 12-Kanal-EKG
: Ein 12-Kanal-EKG ist nach einem Stromunfall obligat, um Herzrhythmusstörungen und myokardiale Schädigungen frühzeitig zu erkennen
→ Es sollte frühzeitig erfolgen und durch eine kontinuierliche Monitorüberwachung ergänzt werden, insbesondere bei Thoraxdurchströmung, Bewusstseinsstörung oder auffälligem Erst-EKG - Intravenöser Zugang: Bei instabilen Patient:innen ist die Anlage von einem i.v.-Zugängen essenziell
→ Voraussetzung für Volumensubstitution, ggf. Gabe von Medikamenten - Wärmeerhalt: Bei Verbrennungen
besteht die Gefahr einer Hypothermie. Rettungsdecken, wärmende Decken sowie die Heizung des Transportmittels tragen zur Stabilisierung der Körpertemperatur bei
→ Daher wird prähospital eine Normothermie angestrebt
Spezielle Therapie
- Ggf. Versorgung von Verbrennungen
- Ggf. Immobilisation, z.B. nach Sturz
- Bei Herz-Kreislaufstillstand → Reanimation
- Transport unter mechanischer Reanimation
erwägen
- Transport unter mechanischer Reanimation
- Bei Schmerzen → Analgesie
- Bei Herzrhythmusstörungen → Antiarrhythmische Therapie
Lagerung:
Es ist auch immer wichtig, die Lagerung adäquat anzupassen. In diesem Fall empfiehlt sich bei stabilen Kreislaufparametern eine Oberkörperhochlagerung.
TippLagerung von Patient:innen nach Stromunfall
- Verdacht auf Trauma oder Sturzverletzung → Immobilisation der Wirbelsäule (z.B. in Vakuummatratze
) - Bei Schockzeichen oder hämodynamischer Instabilität → Flachlagerung
bzw. Schocklagerung
Besondere Situationen
Elektroschockwaffen
Distanz-Elektroschockwaffen (CEW) wie der Taser werden von der Polizei verwendet, um Personen durch einen gezielten elektrischen Impuls vorübergehend handlungsunfähig zu machen. Im Distanzmodus werden Elektroden auf das Ziel geschossen; bei Kontakt lösen diese muskelverkrampfende Kontraktionen aus. Die dabei angegebene Stromstärke
Elektroschocker (Kontaktgeräte) wirken durch direkten Hautkontakt und erzeugen intensive, unmittelbar spürbare Schmerzen. Sie erreichen in der Regel keine tiefen Gewebsschichten, verursachen aber lokale Hautreizungen, oberflächliche Verbrennungen
TippVorgehen nach Einsatz von Elektroschockwaffen
- Ersteinschätzung / Situation:
- Grund für den Einsatz klären → Begleitende Intoxikation, psychische Ausnahmesituation?
- Besteht ein akuter medizinischer Handlungsbedarf (z.B. Trauma, Bewusstseinsstörung)?
- Vitalparameter erfassen, Bewusstsein prüfen
- Verletzungen:
- Sturz oder Begleitverletzungen? → Untersuchung auf Frakturen, Prellungen, Luxationen, Schädel-Hirn-Trauma
- Pfeil-Einstichstellen inspizieren (meist 2 Elektroden, Abstand ca. 10 cm)
- Tetanusschutz prüfen
- Entfernung der Pfeile:
- Kritische Trefferstellen:
- Auge
, Gesicht, Hals, Finger, Genitalbereich, Kopf → Keine Eigenentfernung! → Chirurgische Entfernung / Facharzt hinzuziehen - Unproblematische Lokalisation → Pfeile können mit kräftigem Zug entgegen der Einschussrichtung entfernt werden (weiterhin gilt jedoch meist Fremdkörper in penetrierenden Wunden zu belassen)
- Pfeile können dann an die Polizei übergeben werden (Beweissicherung)
- EKG
-Diagnostik:
- 12-Kanal-EKG
zur Kontrolle auf Rhythmusstörungen
- Bei unauffälligem EKG
: keine weitere Überwachung notwendig - Dokumentation
- Auf saubere Dokumentation achten
- Ggf. von juristischer Bedeutung
Weitere Therapie im klinischen Setting
Versorgung in der Notaufnahme
In dieser Notlage kann es helfen, sich mental auf die nächsten Schritte vorzubereiten. Dafür ist es ratsam schon auf der Fahrt zum Krankenhaus zu erklären, wie das weitere Procedere im Krankenhaus aussieht und worauf die Person sich potenziell einstellen muss.
AchtungDa die Therapie je nach aufnehmendem Krankenhaus und Behandler:in variieren kann, empfiehlt es sich nicht, einen bestimmten Behandlungsweg detailliert zu beschreiben. Eine grobe Skizzierung des weiteren Behandlungspfades reicht völlig aus um Unsicherheiten zu minimieren. Die weiteren Informationen dienen ausschließlich eurer Information als Fachpersonal!
EKG -Diagnostik:
Die EKG
InfoZiele der EKG
-Diagnostik
- Erkennen von akuten Rhythmusstörungen
- Nachweis möglicher Reizleitungsstörungen oder Ischämiezeichen
- Einschätzung der elektrischen und myokardialen Schädigung
Labordiagnostik:
Zur Beurteilung von Organ- und Muskelschäden sowie des Kreislaufstatus werden folgende Laborparameter empfohlen:
- Kleines Blutbild
- Elektrolyte: Na
⁺, K ⁺, Ca²⁺ - Gerinnung: Quick, PTT
- Muskelenzyme: Kreatinkinase
(CK , CK -MB) - Herzenzyme: Troponin
- Nierenparameter: Kreatinin
- Je nach klinischem Bild: Lipase, Transaminasen
InfoDiese Werte dienen dem Nachweis von Myo- und Rhabdomyolyse, kardialer Schädigung sowie Nierenbeteiligung.
Radiologische Kontrollen:
Die Wahl der bildgebenden Verfahren richtet sich nach dem Verletzungsmuster:
- Sonografie: Fokussierte Erfassung möglicher abdomineller Verletzungen oder freier Flüssigkeit. Bei unklaren Befunden ist eine Kontrollsonografie im Intervall sinnvoll
- Echokardiografie
: Bei auffälligem EKG , Herzrhythmusstörungen oder erhöhtem Troponin erfolgt eine transthorakale Echokardiografie zur Beurteilung der Herzfunktion und Wandbewegungen - Röntgen: Bei Verdacht auf Frakturen oder Luxationen wird eine konventionelle Röntgenaufnahme durchgeführt
- Computertomografie (CT): Im Rahmen von Schwerstverletzten dient die Untersuchung der umfassenden Beurteilung von Weichteilen, Organen und knöchernen Strukturen
Weitere Versorgung in der Klinik
Maßnahme auf der Station:
- Kontinuierliche Überwachung (Monitoring) für 12–24 Stunden
- ICD
-/Schrittmacher -Patient:innen: - Bei Patient:innen mit implantiertem ICD
(Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator ) oder Herzschrittmacher sollte vor der Entlassung eine Aggregatkontrolle erfolgen, um Funktionsstörungen infolge des Stromflusses auszuschließen
- Bei Patient:innen mit implantiertem ICD
Operative Versorgung:
Bei vorhandenen Begleitverletzungen oder Verbrennungen
Hierbei ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit plastischer Chirurgie, Traumatologie und ggf. Gefäßchirurgie erforderlich.
Transport
Die Wahl des Zielkrankenhauses ist abhängig vom individuellen Fall und richtet sich nach der Art des Stromunfalls, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.
Es sollte auf freie Atemwege geachtet werden und eine ständige Überwachung der Vitalparameter erfolgen. Bei instabiler Kreislaufsituation sollte der Transport unter kontinuierlicher Kreislaufüberwachung und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung erfolgen.
Während dem Transport ist insbesondere auf EKG-Veränderungen zu achten.
Erfolgt der Transport unter Beatmung, müssen die Beatmungseinstellungen gründlich überwacht und auf den jeweiligen Patient:innenzustand angepasst werden.
- Niederspannungsunfall + klinische Auffälligkeiten, EKG-Veränderungen, Thoraxdurchströmung oder Vorerkrankungen → Transport in eine Klinik mit intensivmedizinischer Überwachungsmöglichkeit
- Hochspannungsunfall → Transport in eine Klinik mit intensivmedizinischer Überwachungsmöglichkeit
- Patient:innen müssen mindestens 12–24 Stunden monitorüberwacht werden (zur Erkennung verzögert auftretender Arrhythmien oder Organfolgen)
- Schwangere Patientinnen → Transport in eine Klinik mit geburtshilflicher Abteilung
- Um eine fetale Überwachung (CTG, Ultraschall) sicherzustellen
- Verbrennungen
oder tiefe Weichteilschäden: → Verbrennungszentrum
InfoDie Zuweisung eines Verbrennungsbettes erfolgt meist über die zuständige Leitstelle
. Ein spontaner, selbst koordinierter Transport sollte zumindest mit der aufnehmenden Klinik besprochen werden.
MerkeZusammenfassung Transport
- Zielkrankenhaus: Abhängig vom Stromunfall
- Niederspannung + auffällige Klinik: Intensivstation
- Hochspannung: Intensivstation
- Verbrennungen
: Verbrennungszentrum (an RTH denken, oft weite Transportwege) - Schwangere: Geburtshilfliche Abteilung + Intensiv
Prüfungswissen
Definition:
DefinitionEin Stromunfall ist ein medizinischer Notfall, welcher entsteht, wenn elektrischer Strom durch den menschlichen Körper fließt oder in unmittelbarer Nähe eine elektrische Entladung (z.B. Lichtbogen, Blitzschlag) erfolgt und dadurch Schädigungen des Gewebes oder lebenswichtiger Organe verursacht werden.
Die Wirkung des Stroms hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von:
- Stromstärke
- Spannung
- Stromart (Wechsel- oder Gleichstrom)
- Einwirkdauer
- Stromweg durch den Körper
- individuellem Körperwiderstand
Typische Folgen sind thermische Verletzungen, Herzrhythmusstörungen, neurologische Ausfälle, Muskelverletzungen und Organschäden durch Stromfluss oder Lichtbogenwirkung.
- Niederspannung: Spannungen bis 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
- Hochspannung: Spannungen über 1000 V Wechselstrom bzw. 1500 V Gleichstrom
Ursachen:
- Direkter Kontakt mit spannungsführenden Gegenständen
- Lichtbogeneinwirkung
- Schrittspannung
Physikalische Grundlagen:
| Größe | Symbol / Einheit | Beschreibung | Wichtige Hinweise |
|---|---|---|---|
| Spannung | U / Volt (V) | Triebkraft des elektrischen Stroms („Druck“, der Elektronen bewegt) |
|
| Stromstärke | I / Ampere (A) | Gibt an, wie viele Elektronen pro Sekunde durch einen Leiter fließen |
|
| Widerstand | R / Ohm (Ω) | Widerstand des Körpers gegen den Stromfluss |
|
InfoOhmsches Gesetz:
Das Ohmsche Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Spannung (U), Stromstärke
(I) und Widerstand (R) in einem elektrischen Stromkreis.
- Die Formel lautet: U = R x I
- Man kann die Formel auch umstellen, je nachdem, was man berechnen möchte:
- I = U / R oder R = U / I
- Je höher die Spannung und je geringer der Widerstand, desto stärker der Strom und desto gefährlicher der Stromunfall
Pathophysiologie:
- Thermische Effekte:
- Stromfluss verursacht Wärme → Erhitzen von Gewebe → Nekrose
/ Verbrennungen - Direkte Schädigung auch von Myokard möglich
- Stromfluss verursacht Wärme → Erhitzen von Gewebe → Nekrose
- Elektrophysiologische Effekte:
- Störung der Erregungsleitung
in Nerven und Muskeln - Muskelkontraktionen, tetanische Krämpfe → u.a. Festhalten an Stromquelle möglich
- Hemmung zentralnervöser Funktionen → Atemlähmung, Bewusstlosigkeit
- Bei Stromfluss durch den Thorax
: Störungen am Herzen → Arrhythmien, Kammerflimmern
- Störung der Erregungsleitung
- Mechanische / sekundäre Effekte:
- Durch den starken Stromfluss kann es zu plötzlichen, heftigen Muskelkontraktionen kommen → Verletzung von Knochen, Sehnen oder Muskeln möglich
- Wegschleudern, Stürze → sekundäre Traumata (z.B. Kopf, Wirbelsäule)
- Druckwellen bei Lichtbogen oder Explosionen → zusätzliche Verletzungen durch Sturz oder herumfliegende Teile
- Biochemische / systemische Effekte:
- Zellzerstörung → Freisetzung von Myoglobin
, Kalium , Phosphat und Kreatinkinase (CK ) → Risiko für Rhabdomyolyse und akutes Nierenversagen - Lokale Gefäßschäden, Thrombosen, Gefäßspasmen
- Sekundäre systemische Reaktionen: Schock
, Elektrolytstörungen, Organversagen
- Zellzerstörung → Freisetzung von Myoglobin
Symptome:
- Strommarken
- Herzrhythmusstörungen
- Verbrennungen
- Organspezifische Symptome beachten
Diagnostik:
MerkeDie Anamnese sollte den genauen Unfallhergang erfassen und dabei insbesondere Angaben zur Höhe der anliegenden Spannung, zur Stromart (Gleich- oder Wechselstrom) sowie zum Bewusstseinszustand beim Auffinden beinhalten.
- Inspektion:
- Strommarken
- Ggf. Verbrennungen
- Ggf. Lichtenberg-Muster
- EKG
-Diagnostik: - Dient nach einem Stromunfall der Früherkennung von Herzrhythmusstörungen und myokardialen Schädigungen
AchtungRed Flags:
- Hochspannungsunfall (> 1.000 V) oder Blitzschlag
- Bewusstseinsstörung (initial oder verzögert)
- „Klebenbleiben“ an der Stromquelle
- Schwangere Patientin (Gefahr für Mutter und Fetus)
- Bekannte kardiale Vorerkrankung (z.B. Herzschrittmacher
oder implantierter Defibrillator) - Kardiopulmonale Symptome wie Brustschmerz oder Atemnot
- Begleitverletzungen wie Verbrennungen
, starke Muskel- oder Weichteilschmerzen oder Traumafolgen (z.B. Sturzverletzung)
Therapie:
- Eigenschutz beachten
Besondere Situationen:
- Elektroschockwaffen:
- Sehr geringe Stromstärke
→ Rhythmusstörungen selten - EKG
-Kontrolle - Versorgung von Begleitverletzungen
- Dokumentation wichtig → ggf. von juristischer Bedeutung
- Sehr geringe Stromstärke
Transport:
MerkeZusammenfassung Transport
- Zielkrankenhaus: Abhängig vom Stromunfall
- Niederspannung + auffällige Klinik: Intensivstation
- Hochspannung: Intensivstation
- Verbrennungen
: Verbrennungszentrum (an RTH denken, oft weite Transportwege) - Schwangere: Geburtshilfliche Abteilung + Intensiv
Quellen
- S2k-Leitlinie: Behandlung thermischer Verletzungen des Erwachsenen, Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin e.V. (DGV)
- Scholz J, Gräsner J, Bohn A: Referenz Notfallmedizin. 1. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2019. ISBN: 9783132412903
- Fraatz T, Plappert T. Stromunfälle – wenn der Stromkreis geschlossen ist. retten! 2025; 14(03): 182 - 192. doi:10.1055/a-1875-0679
- Liebold F, Adams N, Hinkelbein J. Strom- und Blitzunfälle im Rettungsdienst. Notfallmedizin up2date 2022; 17(04): 423 - 440. doi:10.1055/a-1801-9951
- Eschbach T, Pongratz M. Der Stromunfall. Notfallmedizin up2date 2022; 17(02): 142 - 145. doi:10.1055/a-1548-7542


