Zusammenfassung
Die enteropathische Arthritis gehört zur Gruppe der seronegativen Spondylarthritiden und ist meist assoziiert mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung wie Colitis ulcerosa
Epidemiologie
- Ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei peripherem Typ, bei axialem Typ Männer häufiger betroffen
- Auftreten unabhängig vom Alter
Häufigste extraintestinale Manifestation der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Merke
10 - 15 % der CED
-Patient:innen sind von einer enteropathischen Arthritis betroffen.
Risikofaktoren für das Auftreten einer enteropathischen Arthritis bei CED
- Positive Familienanamnese für CED
- Entzündungsaktivität der CED
- Nikotinabusus
- Zustand nach Appendektomie
- Erythema nodosum / Pyoderma gangraenosum in der Vorgeschichte
Ursachen
Die enteropathische Arthritis tritt im Rahmen gastrointestinaler Erkrankungen auf, meist assoziiert mit den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der enteropathischen Arthritis ist bis heute nicht vollständig geklärt. Eine Wechselbeziehung der entzündlich veränderten Darmmukosa und arthritischer Veränderungen ist naheliegend, da auch andere seronegative Spondylarthritiden mit oft subklinisch verlaufenden entzündlichen Veränderungen der Darmmukosa assoziiert sind. Aktuell wird ein Zusammenspiel aus genetischer Prädisposition, einem veränderten Mikrobiom und der Migration von intestinalen Entzündungszellen in die Gelenke als ursächlich angesehen. Die wichtigste genetische Prädisposition für das Auftreten einer Spondylarthritis ist die HLA-B27-Positivität.
MerkeEs besteht ein Zusammenhang zwischen entzündlichen Darmveränderungen und Gelenkentzündungen. Vermutet wird ein Zusammenspiel aus genetischen Faktoren, einem veränderten Mikrobiom und der Einwanderung von Entzündungszellen aus dem Darm in die Gelenke.
Klassifikation
Periphere Gelenkbeteiligung | Axiale Gelenkbeteiligung |
---|---|
Typ 1 (häufiger):
Typ 2:
|
|
Klinik
Die Klinik der enteropathischen Arthritis ist individuell sehr variabel. Sowohl periphere als auch axiale Gelenke können betroffen sein. Häufig treten zusätzlich Allgemeinsymptome auf, die den Allgemeinzustand der Betroffenen einschränken. Die häufigsten klinischen Merkmale umfassen:
- Allgemeinsymptome:
- Eingeschränkter Allgemeinzustand, Unwohlsein
- Erhöhte Temperatur, leichtes Fieber
- Müdigkeit bis ausgeprägte Fatigue
- Periphere Arthritis:
- Meist asymmetrisches Verteilungsmuster, vorwiegend der großen Gelenke der unteren Extremitäten, insbesondere Knie-, Hüft- und Sprunggelenke
- Wandernde Gelenkschmerzen variabler Intensität, oft abhängig vom Verlauf der CED
- Schwellungen und Druckschmerz an den betroffenen Gelenken, manchmal begleitet von Hautrötungen
- Meist asymmetrisches Verteilungsmuster, vorwiegend der großen Gelenke der unteren Extremitäten, insbesondere Knie-, Hüft- und Sprunggelenke
- Sakroiliitis:
- Entzündung der Iliosakralgelenke
, häufig beidseits - Dumpfe Schmerzen im unteren Rücken oder Gesäßbereich, nachts und in den frühen Morgenstunden, Besserung bei Bewegung, ähnlich wie bei axialer Spondylarthritis
- Verlängerte Morgensteifigkeit und eingeschränkte Beweglichkeit
- Entzündung der Iliosakralgelenke
- Spondylitis:
- Schmerzhafte Entzündung der Wirbelkörper
- Eingeschränkte Beweglichkeit, langfristig Versteifung (Ankylose) möglich
- Daktylitis (Wurstfinger/-zehen):
- Diffuse Schwellung eines „Strahls“ (ganzer Finger oder Zeh), meist verursacht durch eine Kombination aus Sehnenentzündung und Gelenkbeteiligung
- Charakteristische, wurstförmige Verformung
- Oft schmerzhaft und druckempfindlich
Diagnostik
Anamnese
- Aktuelle Symptome:
- Gelenkschmerzen, -schwellungen, Morgensteifigkeit
- Extraintestinale Manifestationen: Uveitis, Hautveränderungen (z. B. Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum)
- Gastrointestinale Beschwerden:
- Chronischer Durchfall, blutiger Stuhl
, Bauchschmerzen, Fieber - Vorgeschichte einer entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn
, Colitis ulcerosa )
- Chronischer Durchfall, blutiger Stuhl
- Familienanamnese:
- Entzündliche Darmerkrankungen oder rheumatische Erkrankungen in der Familie
- Triggerfaktoren:
- Infektionen, Stress oder Medikamente, die Symptome ausgelöst oder verstärkt haben
Körperliche Untersuchungsbefunde
Inspektion
- Allgemeinzustand:
- Untergewicht, Blässe (als Hinweis auf Anämie
)
- Untergewicht, Blässe (als Hinweis auf Anämie
- Gelenke:
- Sichtbare Schwellung, Rötung und Überwärmung, insbesondere an großen Gelenken (z. B. Knie, Sprunggelenk
) - Fehlstellungen oder Deformitäten bei chronischen Verläufen
- Sichtbare Schwellung, Rötung und Überwärmung, insbesondere an großen Gelenken (z. B. Knie, Sprunggelenk
- Haut:
- Zeichen extraintestinaler Manifestationen:
- Erythema nodosum: Rötlich-livide Knoten
, meist an den Unterschenkeln - Pyoderma gangraenosum: Ulzerierende Hautveränderungen
- Erythema nodosum: Rötlich-livide Knoten
- Nagelveränderungen (selten): Grübchen oder Nageldystrophie
- Zeichen extraintestinaler Manifestationen:
- Augen:
- Rötung, vermehrter Tränenfluss, Lichtempfindlichkeit (Hinweise auf Uveitis)
Palpation
- Gelenke:
- Druckschmerzhaftigkeit über betroffenen Gelenken
- Gelenkergüsse tastbar (Fluktuationstest)
- Erwärmung der Haut über entzündeten Gelenken
- Enthesen:
- Druckschmerzhaftigkeit an Sehnenansätzen:
- Achillessehne
- Plantarfaszie (Fersensporn)
- Trochanter major (seitliche Hüfte)
- Druckschmerzhaftigkeit an Sehnenansätzen:
- Abdomen:
- Palpation zur Detektion von Bauchschmerzen, insbesondere im rechten Unterbauch (typisch bei Morbus Crohn
)
- Palpation zur Detektion von Bauchschmerzen, insbesondere im rechten Unterbauch (typisch bei Morbus Crohn
Funktionsprüfung
- Gelenke:
- Eingeschränkte Beweglichkeit der betroffenen Gelenke
- Schmerzen bei aktiver und passiver Bewegung
- Wirbelsäule:
- Lasegue-Test: Hinweise auf radikuläre Schmerzen
- Schober-Test: Einschränkung der Lendenwirbelsäulen
-Beweglichkeit - Mennell-Zeichen: Schmerzen im Bereich der Iliosakralgelenke
bei Druck oder Bewegung
- Enthesen:
- Dehnungsschmerz bei Belastung der betroffenen Sehnen
Laboruntersuchungen
- Entzündungsparameter:
- Erhöhte C-reaktives Protein
(CRP ) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG).
- Erhöhte C-reaktives Protein
- Immunologische Marker:
- Negativität von Rheumafaktor (RF) und Anti-CCP-Antikörpern
(Abgrenzung zur rheumatoiden Arthritis). - HLA-B27 bei axialer Beteiligung (nicht spezifisch, aber unterstützend).
- Negativität von Rheumafaktor (RF) und Anti-CCP-Antikörpern
- Blutbild
: - Zeichen einer chronischen Entzündung (Leukozytose
, Anämie ).
- Zeichen einer chronischen Entzündung (Leukozytose
- Stuhluntersuchung:
- Untersuchung auf pathogene Keime zum Ausschluss infektiöser Ursachen
- Calprotectin als Marker für entzündliche Darmveränderungen
- Spezifische Serologie:
- Ausschluss anderer Erkrankungen wie reaktive Arthritis oder Infektionen
InfoCalprotectin ist ein Protein, welches von neutrophilen Granulozyten freigesetzt wird und hilfreich bei der Diagnostik entzündlicher Darmwandveränderungen ist. Die Höhe des Calprotectins im Stuhl ist abhängig von der Anzahl der neutrophilen Granulozyten und damit vom Ausmaß der entzündlichen Schleimhautveränderungen.
Bildgebende Verfahren
MerkeDie radiologischen Veränderungen der Gelenke sind nicht von denen bei
axialer Spondylarthritis zu unterscheiden.
- Konventionelles Röntgen:
- Gelenke: Gelenkspaltverschmälerung, Erosionen
(bei chronischer Arthritis) - Sakroiliitis: Sklerosierung, Erosionen
im Bereich des Iliosakralgelenks
- Gelenke: Gelenkspaltverschmälerung, Erosionen
- Sonografie:
- Nachweis von Synovitis, Gelenkerguss oder Enthesitis
- Magnetresonanztomografie (MRT):
- Frühstadien der Sakroiliitis (Ödem
der Iliosakralgelenke )
- Frühstadien der Sakroiliitis (Ödem
- Endoskopie:
- Koloskopie
mit Biopsie zur Diagnosesicherung
- Koloskopie
- Ggf. weiterführende Untersuchungen wie MRT Sellink zur Darstellung der entzündlichen Darmveränderungen
Differentialdiagnosen
- Autoimmunerkrankungen mit Gelenkbeteiligung:
- Rheumatoide Arthritis
(RA): symmetrischer Befall kleiner Gelenke, RF und Anti-CCP positiv - Psoriasis-Arthritis: asymmetrische Arthritis, Daktylitis, Haut- oder Nagelpsoriasis
- Axiale Spondylarthritis
(Morbus Bechterew ): axialer Befall mit Sakroiliitis, HLA-B27-assoziiert - Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Polyarthritis mit weiteren systemischen Manifestationen
- Vaskulitiden
: Granulomatose mit Polyangiitis, Polymyalgia rheumatica
- Rheumatoide Arthritis
- Reaktive oder infektiöse Arthritis
- Lyme-Arthritis
: Spätmanifestation der Borreliose , meist mono- oder oligoartikulär - Stoffwechselbedingte Arthritis: Gichtarthritis, Chondrokalzinose (Pseudogicht)
- Degenerative Arthrose: belastungsabhängige Schmerzen, typischerweise an gewichttragenden Gelenken
- Fibromyalgie-Syndrom
Therapie
Bei der Therapie der enteropathischen Arthritis steht die Behandlung der Grunderkrankung (siehe Artikel
Medikamentöse Therapie:
- Nicht-steroidale Antirheumatika
(NSAR ): zur Schmerzbehandlung, bevorzugt COX-2 -Hemmer (bei aktiver CED nur eingeschränkter Einsatz möglich) - Glukokortikoide
: kurzfristig bei Schüben oder lokal bei Gelenkbeteiligung - Disease-modifying anti-rheumatic drugs (Methotrexat, Sulfasalazin): bei peripherer Arthritis (Typ 2)
- Biologika (z. B. TNF-α-Inhibitoren
): Erste Wahl bei axialer Arthritis und schweren Verläufen
Physikalische Therapie:
- Physiotherapie zur Erhaltung der Gelenkfunktion
- Förderung der Beweglichkeit v.a. bei axialem Befallsmuster
MerkeDas Ziel ist die Kontrolle der Gelenksymptomatik und der CED
-Aktivität bei zeitgleich minimalen Nebenwirkungen.
Therapie im Überblick:
Therapie | Oligoartikuläre, periphere Beteiligung (Typ 1) | Polyartikuläre, periphere Beteiligung (Typ 2) | Axiale Beteiligung |
---|---|---|---|
NSAR | symptomatisch (bei Bedarf) | symptomatisch (bei Bedarf) | zentrale Bedeutung, v.a. COX2 |
Glukokortikoide | kurzfristig systemisch | kurzfristig systemisch | selten eingesetzt |
DMARDs | selten benötigt | häufig indiziert | unwirksam |
Biologika | bei schweren Verläufen | bei schweren Verläufen | erste Wahl |
Physiotherapie | unterstützend | unterstützend | zentrale Therapiesäule |
Prognose
Die Prognose hängt maßgeblich von der frühzeitigen Kontrolle der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und der Arthritis ab.
Peripherer Typ 1 (oligoartikulär):
- Meist selbstlimitierend, klingt nach Wochen bis Monaten ab
- Keine bleibenden Gelenkschäden
- Starke Korrelation mit der Aktivität der CED
Peripherer Typ 2 (polyartikulär):
- Chronisch-rezidivierend, unabhängig von der CED
-Aktivität - Risiko für bleibende Gelenkschäden bei unzureichender Therapie
Axialer Typ:
- Chronischer Verlauf mit potenziellen Bewegungseinschränkungen
- Bei früher Therapie (z. B. mit Biologika) gute Symptomkontrolle möglich
Quellen
- S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn, Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) (Version 4.1)
- Skriptum Rheumatologie, 3. Auflage 2023, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.