Bedeutung der Ernährung
Mit zunehmendem Alter unterliegt der Körper vielfältigen Veränderungen, die nicht nur die Körperzusammensetzung und den Stoffwechsel, sondern auch das Essverhalten und den individuellen Nährstoffbedarf beeinflussen.
Eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung kann die körperliche und geistige Gesundheit unterstützen, das Risiko für chronische Erkrankungen reduzieren und die Selbstständigkeit im Alltag fördern. Insgesamt spielen Ernährungsfaktoren eine zentrale Rolle für die Lebensqualität älterer Menschen.
Ernährungsrelevante Veränderungen im Alter
Körperzusammensetzung:
- Fettfreie Körper- & Körperzellmasse↓
- Atrophie der Skelettmuskulatur (Sarkopenie) → Grundumsatz sinkt, während der Bedarf an Mikronährstoffen und Proteinen gleich bleibt oder sogar zunimmt → Risiko für Mangelernährung↑
- Abnehmende Muskelkraft
& Knochendichte → Körperliche Leistungsfähigkeit↓, Sturz- & Frakturrisiko↑
- Körperfettanteil↑
- Zunahme des Gesamtkörperfetts mit Umverteilung von peripher nach viszeral: Fett wird vermehrt im Bauchbereich gespeichert (viszerales Fettgewebe), welches metabolisch aktiver ist → Erhöhtes Risiko für Entzündungen, Insulinresistenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.
AchtungDer altersbedingte Abbau von Muskelmasse und Knochendichte wird durch körperliche Inaktivität verstärkt!
Regelmäßiges körperliches Training trägt wesentlich zum Erhalt von Muskelmasse und Knochendichte bei.
Gastrointestinaltrakt:
- Mundhöhle: abnehmende Kauleistung (z.B. durch Zahnverlust) & Xerostomie (meist als Nebenwirkung von Medikamenten) → Kau- & Schluckbeschwerden → Vermeidung bestimmter Lebensmittel (Obst, Vollkornbrot etc.)
- Magen
: Zellverluste↑ → Atrophie, Ulzerationen, Funktionseinschränkungen → Bakterielle Überwucherung; reduzierte Bioverfügbarkeit verschiedener Nährstoffe (z.B. Eisen , Calcium & Vitamin B12 ) - Dünndarm: verminderte Durchblutung & Motilität → Calciumresorption↓
- Dickdarm: reduzierter Defäkationsreflex → Risiko für Obstipation
↑ (verstärkt durch mangelnde Bewegung, ballaststoffarme Ernährung und geringe Flüssigkeitszufuhr)
Stoffwechsel:
- Gesamtenergieumsatz↓
- Abnahme durch reduzierte Körperzellmasse (Grundumsatz↓) & verminderte körperliche Aktivität
- Starke individuelle Schwankungen (Krankheiten, Medikamenteneinnahme…)
- Abnahme durch reduzierte Körperzellmasse (Grundumsatz↓) & verminderte körperliche Aktivität
- Kohlenhydratstoffwechsel: häufig eingeschränkte Glukosetoleranz (Insulinproduktion↓, Glukoseverwertung↓)
- Fettstoffwechsel: verminderte Fähigkeit zur Lipolyse → Akkumulation von Gesamtkörperfett
- Proteinstoffwechsel:
- Verminderte Leistung der Proteinsynthese & Bereitstellung von Aminosäuren für die Glukoneogenese
- Reduzierte Fähigkeit des Organismus, mit Stressfaktoren umzugehen (z.B. Infektionen, Wundheilung…)
Appetit- & Durstempfinden:
- Appetit:
- Aktivität gastrointestinaler Sättigungsfaktoren↑ (insb. Cholecystokinin) → Schnellere Sättigung
- Veränderungen des zentralen Sättigungssystems (Neurotransmitter, Zytokine…) → Essantrieb↓ („Altersanorexie“)
- Reduziertes Geschmacks- & Geruchsempfinden
- Durst:
- Störungen des Durstempfindens → Verminderte Fähigkeit zur Gegenregulation bei Schwankungen der Plasmaosmolarität → Häufig unzureichende Flüssigkeitsaufnahme
- Anfälligkeit für Störungen des Wasserhaushaltes zusätzlich erhöht durch verminderte Konzentrationsfähigkeit der Nieren & reduzierten Körperwassergehalt
Energiebedarf
Der Gesamtenergiebedarf setzt sich aus dem Aktivitätslevel und dem Grundumsatz zusammen. Sowohl körperliche Aktivität
- 1700 kcal für Seniorinnen
- 2100 kcal für Senioren
Männer verlieren vergleichsweise etwas mehr Muskelmasse als Frauen. Daher sinkt der Kalorienbedarf bei Männern mit zunehmendem Alter i.d.R. etwas stärker.
Makronährstoffe
Die Empfehlungen für die Zufuhr von Fett, Kohlenhydraten und Ballaststoffen entsprechen im Allgemeinen den Ernährungsempfehlungen für Erwachsene.
TippBallaststoffe
im Alter: Tipps für eine ausreichende Zufuhr Ballaststoffreiche Lebensmittel werden von älteren Personen häufig abgelehnt (z.B. aufgrund verminderter Kauleistung). Eine reduzierte Ballaststoffzufuhr begünstigt u.a. Verdauungsprobleme (v.a. Obstipation
). Einige Tipps können dabei helfen, wünschenswerte Mengen (mind. 30 g/Tag) zu erreichen:
- Verwendung von Vollkorntoast anstelle von normalem Toast
- Desserts mit Vollkorngries
- Verzehr von Kartoffelpüree als leicht kaubare Ballaststoffquelle
- Regelmäßiger Verzehr von Hülsenfrüchten
Proteine:
Ergebnisse zahlreicher Studien weisen immer deutlicher auf die Vorteile einer erhöhten Proteinzufuhr im Alter hin. Aus diesem Grund empfehlen Expert:innen mehrerer europäischer Fachgesellschaften eine Proteinzufuhr von 1,0-1,2 g/kg KG.
Auch die DGE hat ihre Empfehlung für die Proteinzufuhr älterer Menschen in den letzten Jahren entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnisse von 0,8 auf 1 g/kg KG erhöht. Bei Sarkopenie empfiehlt die DGE eine Proteinzufuhr von 1,2-1,5 g/kg KG. Darüber hinaus sollten hochwertige Proteinquellen (z.B. Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Hülsenfrüchte) bevorzugt werden.
- Empfehlungen für die tägliche Proteinzufuhr (g pro kg Körpergewicht):
- Senior:innen mit stabiler Stoffwechsellage: 1 g
- Patient:innen mit chronischer Nierenfunktionsstörung: ca. 0,8 g
- Bei Sarkopenie, Wundheilung und während der Dialyse
: ca. 1,5 g
Proteine - Schlüsselfunktion im Alter:
Eine ausreichende Proteinzufuhr ist insbesondere im fortgeschrittenen Alter von zentraler Bedeutung, um die Muskelmasse zu erhalten und das Risiko für Sarkopenie (altersbedingter Muskelschwund) und Gebrechlichkeit (Frailty) zu reduzieren. Ein erhöhter Muskelverlust führt nicht nur zu Einschränkungen der Mobilität
Eine ausreichende Proteinversorgung ist auch für die Regeneration und Wundheilung bedeutend, da Proteine und Aminosäuren u.a. als Bausteine für Gewebe, Immunzellen und Enzyme fungieren. Eine adäquate Zufuhr fördert somit auch die Regeneration von Gewebe und unterstützt die Funktion des Immunsystems, was wiederum zu einem gesunden Alterungsprozess beiträgt.
Eine längerfristige Unterversorgung mit Eiweiß kann jedoch schnell in einen Teufelskreis münden: eine verminderte Protein- und allgemeine Nährstoffzufuhr führt zu einem Abbau der Muskelmasse (Sarkopenie). Mit dem Verlust an Muskelmasse und -kraft sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit. Bewegung fällt zunehmend schwerer, wodurch Betroffene ihre körperliche Aktivität
Mikronährstoffe
Während der Energiebedarf
Vitamin D:
- Reduzierte Fähigkeit für kutane Eigensynthese & renale Bildung der aktiven Hormonform
- Im Alter v.a. wichtig für Knochenerhalt, Muskelfunktion & Immunsystem
- Empfehlung: die DGE empfiehlt eine zusätzliche Supplementation von mind. 800 IE/Tag
AchtungVitamin-D
-Mangel im Alter Eine Mangelversorgung mit Vitamin D ist insbesondere bei älteren Personen weit verbreitet und führt u.a. zu Mineralisationsstörungen, Myopathien (mit Muskelschmerzen, Gangunsicherheit etc.) und Immunschwäche. Repräsentative Untersuchungen in Deutschland haben ergeben, dass ca. 70% der 65- bis 75-Jährigen einen Serumspiegel unter 20 ng/ml aufweisen. Bei mehr als 20% wurde ein schwerer Mangel mit Serumspiegeln unter 10 ng/ml nachgewiesen.
InfoVitamin D – Supplementation
Viele Expert:innen und Fachgesellschaften empfehlen eine Vitamin-D
-Supplementation von mind. 800-1000 IE/Tag (auch für Erwachsene). Durch eine Supplementation von 800-1000 IE/Tag werden bei >90% der Behandelten Serumspiegel von 20 ng/ml (50 nmol/l) oder mehr erreicht. Als optimal werden Serumkonzentrationen von 40-60 ng/ml angesehen. Es empfiehlt sich, die Vitamin-D -Spiegel regelmäßig kontrollieren zu lassen, um die geeignete Dosis festzulegen.
Vitamin B12 :
- Häufig eingeschränkte Absorption
durch Medikamente (z.B. Protonenpumpenhemmer, Metformin) oder gastrointestinale Veränderungen ( z.B. chronische Gastritis ) - Bei einem B12-Mangel steigt die Plasmakonzentration von Homocystein → Homocystein wirkt proatherogen & neurotoxisch und gilt als unabhängiger Risikofaktor für Schlaganfälle & ischämische Herzerkrankungen. Weiterhin werden hohe Homocysteinspiegel mit kognitiven Defiziten und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Depressionen und Demenz in Verbindung gebracht.
- Empfehlung: regelmäßige Überprüfung des Vitamin-B12-Status und ggf. Supplementation
Calcium :
- Zusammen mit Vitamin D v.a. wichtig für die Knochengesundheit
- Häufig eingeschränkte Calciumresorption (Medikamente, gastrointestinale Durchblutung↓ etc.)
- Empfehlungen:
- Referenzwerte der DGE entsprechen denen für Erwachsene (1000 mg/Tag), wobei die Notwendigkeit einer ausreichenden Zufuhr hervorgehoben wird
- Andere Fachgesellschaften (International Osteoporosis Foundation, Endocrine Society…) empfehlen eine Zufuhr von mind. 1200 mg/Tag für Frauen ab 51 und Männer ab 71 Jahren
- Tipp: um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, eignen sich z.B. calciumreiche Mineralwässer, oder mit Calcium
angereicherte Fruchtsäfte
Folsäure :
- Folsäure
gilt nicht nur bei älteren Menschen, sondern in allen Bevölkerungsgruppen als kritischer Nährstoff - Folsäuremangel im Alter - Hauptursachen:
- Reduzierter Obst- & Gemüseverzehr (z.B. aufgrund von Kau- & Schluckbeschwerden)
- Zubereitungsverluste (insb. durch Aufwärmen und langes Warmhalten von Speisen, was v.a. in der Gemeinschaftsverpflegung eine große Rolle spielt)
- Neben Vitamin B12
steht auch ein länger bestehender Folsäuremangel mit der Akkumulation von Homocystein in Verbindung (Folgen: siehe Vitamin B12 )
Auch Zink
Flüssigkeitszufuhr im Alter
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist im Alter besonders wichtig, da physiologische Veränderungen (z.B. vermindertes Durstempfinden, verringerter Körperwassergehalt etc.) das Risiko einer Dehydratation erhöhen. Auch Faktoren wie Mobilitätseinschränkungen und kognitive Beeinträchtigungen können dazu führen, dass ältere Menschen weniger trinken als empfohlen.
→ Als Richtwert gilt: Senior:innen sollten täglich mind. 1,3-1,5 l Flüssigkeit in Form von Getränken zu sich nehmen (→ Individuelle Schwankungen möglich!)
Dehydration kann gravierende Folgen haben und führt gerade bei älteren Personen nicht selten zum Tod. Für Ärzt:innen und Pflegepersonal ist es daher wichtig, Zeichen eines Flüssigkeitsmangels schnell zu erkennen:
- Trockene Haut und Schleimhäute
- Müdigkeit und Konzentrationsschwäche
- Schwindel
- Verwirrtheit
- Neigung zu Harnwegsinfektionen
- Obstipation
- Erhöhte Körpertemperatur
TippZur Unterstützung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr kann z.B. das Führen eines Trinktagebuchs hilfreich sein.
Quellen
- S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Geriatrie, Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
- Pleyer B, Raidl A: Ernährung im Alter, Springer Verlag, 2024, ISBN: 978-3-662-67290-7
- Biesalski H, Grimm P, Nowitzki-Grimm S: Taschenatlas Ernährung, Georg Thieme Verlag, 2020, ISBN: 978-3-13-242607-8
- Biesalski H et al.: Ernährungsmedizin, Georg Thieme Verlag, 2017, ISBN: 978-3-13-100295-2
- Suter P.: Checkliste Ernährung, Georg Thieme Verlag, 2008, ISBN: 9783131526731