Erregungsbildung & -weiterleitung
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Das Herz ist zu den inneren Höhlen vom sogenannten Endokard ausgekleidet, aus dem auch die Herzklappen
Das Erregungsbildungs- und Leitungssystem besteht aus zwei Arten von Zelltypen:
- Die spezialisierten Herzmuskelzellen und Zellen des Arbeitsmyokards
- Die spezialisierten Herzmuskelzellen sorgen für die Erregungsbildung und für die Weiterleitung der Erregung entlang von Erregungsbahnen. Sie können spontan depolarisieren und werden daher auch als Schrittmacherzellen bezeichnet
- Die einzelnen Myokardzellen der Arbeitsmuskulatur können die Erregung ebenfalls untereinander weiterleiten. Im Gegensatz zu den spezialisierten Zellen können sie die Erregung jedoch nicht bilden. Erhalten sie eine Erregung, so kontrahieren sie und führen am Ende gesammelt zu einem Herzschlag
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Ablauf der Erregungsbildung- und leitung
- Die Erregungsbildung und -leitung erfolgt durch elektrische Signale, die von spezialisierten Zellen („Schrittmacherzellen“) im Herzen erzeugt werden und von spezialisierten Zellen sowie den Myozyten geleitet werden
- Die Erregungsbildung beginnt im Sinusknoten, einer Ansammlung spezialisierter Zellen im rechten Vorhof, der als "natürlicher Schrittmacher" des Herzens fungiert. Er gibt die Herzfrequenz
an - Nach der Erregung des Sinusknotens, breitet sich die Erregung über den rechten und linken Vorhof aus
- Dies führt zur Kontraktion der Vorhöfe
- Die Erregung erreicht dann den AV-Knoten, eine Zellansammlung zwischen den Vorhöfen und den Kammern, wo sie um eine kurze Dauer (ca. 60-120 ms) verzögert wird, um den Ventrikeln Zeit zu geben, sich mit Blut
zu füllen (Vorhöfe kontrahieren und verschieben das Blut in die Kammern). Nach der Verzögerung wird die Erregung über den AV-Knoten von den Vorhöfen (Atrien) auf die Kammern (Ventrikel) übergeleitet (atrioventrikuläre Überleitung) - Die Erregung breitet sich dann über das His-Bündel und die Purkinje-Fasern aus, die sich entlang der Ventrikel erstrecken und zur Kontraktion des Kammermyokards und somit der Kammern führen
- Die Geschwindigkeit und Stärke der Erregungsweiterleitung können durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, wie z.B. das autonome Nervensystem und bestimmte Hormone
- Störungen in der Erregungsbildung und -leitung können zu Herzrhythmusstörungen führen. Diese äußern sich z.B. in einem zu schnellen, zu langsamen oder einem unregelmäßigen Herzschlag
- Ein EKG
(= Elektrokardiogramm ) ist ein wichtiges diagnostisches Werkzeug, das genutzt wird, um Herzrhythmusstörungen zu diagnostizieren und zu bewerten - Medikamente wie z.B. Betablocker
oder andere Antiarrhythmika (z.B. Amiodaron ) können zur Regulierung der Herzfrequenz und zur Therapie von Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden
Schrittmacherzentren
- Die Schrittmacherzentren beginnen beim Sinusknoten gibt als übergeordnetes Zentrum den Herzrhythmus und die Frequenz vor
- Der AV-Knoten beeinflusst die Überleitungsgeschwindigkeit der Vorhoferregung auf die Kammern
- Der AV-Knoten verzögert die Erregung um ca. 60 bis 120 ms für eine koordinierte Vorhofkontraktion
- Wenn ein übergeordnetes Schrittmacherzentrum ausfällt, kann das darunterliegende Zentrum die Funktion übernehmen, aber die Frequenz nimmt ab
- Der Sinusknoten gibt einen Takt von ca. 75 Schlägen pro Minute an
- Der AV-Knoten gibt einen Takt von ca. 50 Schlägen pro Minute an
- Das folgende Reizleitungssystem gibt einen Takt von ca. 30 Schlägen pro Minute an

Membranpotenziale des Herzens
- Das Arbeitsmyokard hat ein stabiles Ruhemembranpotenzial
. Es ist ein Reiz zur Erregung notwendig. Im Gegensatz dazu haben die spezialisierten Zellen kein stabiles Ruhemembranpotenzial . Es resultiert eine spontane Erregungsbildung auch ohne einen äußeren Reiz.

- Das Arbeitsmyokard und die spezialisierten Herzmuskelzellen haben unterschiedliche Kanäle in ihrer Zellmembran
- Es entstehen unterschiedliche Aktionspotenziale je nach Zelltyp und Lage der Zellen
- Die Aktionspotenziale des Arbeitsmyokards und der spezialisierten Herzmuskelzellen unterscheiden sich
- Spezialisierte Herzmuskelzellen haben eine unterschiedliche Steilheit der Depolarisation
Ablauf des Aktionspotenzials des Arbeitsmyokards
Das Aktionspotenzial
- Phase 1: schnelle Depolarisation
, ausgelöst durch Einstrom von Na+-Ionen durch spannungsabhängige Na+-Kanäle - Phase 2: initiale Repolarisation
, ausgelöst durch Ausstrom von Na+-Ionen durch spannungsabhängige Na+-Kanäle - Phase 3: Plateauphase, die durch den Einstrom von Ca2+-Ionen durch spannungsabhängige L-Typ-Ca2+-Kanäle aufrechterhalten wird und dafür sorgt, dass das Aktionspotenzial
länger anhält - Phase 4: schnelle Repolarisation
, ausgelöst durch den Ausstrom von K+-Ionen durch spannungsabhängige K+-Kanäle - Phase 5: Ruhepotenzial, das durch die Na+/K+-ATPase aufrechterhalten wird (konstanter Ausstrom von K+-Ionen und langsamer Einstrom von Na+-Ionen ➜ Na+/K+-ATPase pumpt 3 Na+-Ionen nach extrazellulär und 2 K+-Ionen nach intrazellulär, um das Ruhemembranpotenzial
aufrecht zu erhalten) - Das Aktionspotenzial
des Arbeitsmyokards ist länger als das der Schrittmacherzellen und der spezialisierten Herzmuskelzellen und ermöglicht so eine ausreichend lange Kontraktionsphase, um das Blut effektiv aus den Kammern zu pumpen
Ruhemembranpotenzial
Bevor die Herzmuskelzelle erregt wird liegt das Ruhepotenzial vor. Intrazellulär befinden sich insbesondere K+-Ionen und extrazellulär Na+, Cl- und Ca2+-Ionen. Es liegt ein negatives Membranpotenzial

Depolarisation
- Trifft ein Reiz auf die Herzmuskelzelle und wird das Schwellenpotenzial von -65 mV erreicht, kommt es zur Depolarisation
- Die Depolarisation
entsteht durch eine rasche Öffnung der Na+-Kanäle - Durch den Einstrom von Na+ kommt es zur Depolarisation
und zum Overshoot auf +40 mV - Der Natriumeinwärtsstrom dauert nur wenige Millisekunden an
- Na+-Kanäle werden inaktiviert, bis die Membran wieder bei -50 mV repolarisiert ist
- Dieser Prozess führt zur Entstehung des Aktionspotenzials
im Arbeitsmyokard

Plateauphase
- Der Kaliumauswärtsstrom am Anfang der Plateauphase bewirkt eine geringgradige Repolarisation
- L-Typ-Calciumkanäle öffnen sich und Calciumionen strömen in die Zelle ein
- Das Aktionspotenzial
bleibt für einige hundert ms auf einem konstant- positivem Potenzial - Kaliumauswärts- und Calciumeinwärtsstrom sind in dieser Phase im Gleichgewicht
- Adrenalin
erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit der Calciumkanäle und führt zu einem höheren Calciumeinstrom

Repolarisation
- Während der Plateauphase bestand eine niedrige Kaliumpermeabilität
- Mit Beginn der Repolarisation
nimmt die Kaliumpermeabilität wieder zu - Die Ca2+-Kanäle sind nun geschlossen
- Es kommt zu einem schnellen Kaliumausstrom
- Die Membran wird auf das Ruhemembranpotenzial
von -85 mV repolarisiert - Bei höherer Herzfrequenz
erhöht sich die Kaliumleitfähigkeit - Dadurch kommt es schneller zur Repolarisation
- Aktionspotenziale werden kürzer

Rolle der Natriumkanäle und Refraktärzeit
- Na+-Kanäle sind wichtig für die Refraktärzeit des Herzmuskels
- Nach der Depolarisation
und dem Overshoot sind die Na+-Kanäle inaktiviert, es folgt die absolute Refraktärphase - Erst bei -50 mV werden Na+-Kanäle wieder reaktiviert und es kann ein neues Aktionspotenzial
ausgelöst werden, nun befindet sich die Zelle in der relativen Refraktärphase - In der absoluten Refraktärphase kann es nicht zu einer erneuten Kontraktion des Herzmuskels und somit zu einer Tetanie (= neuromuskuläre Übererregung/Krampf) kommen
- Koordinierte Kontraktionen sind wichtig für eine geordnete Herzfunktion
- Außerhalb des normalen Herzrhythmus, der vom Sinusknoten ausgeht können Extraschläge auftreten, die nicht im Sinusknoten, sondern an einem anderen Ort gebildet werden (man unterscheidet atriale (entstehen im Vorhof) und ventrikuläre (entstehen in der Kammer) Extrasystolen
- Entsteht eine Extrasystole
in der relativen Refraktärphase kann ein Kammerflimmern entstehen

Aktionspotenzial Schrittmacherzellen
Ablauf des Aktionspotenzials des Sinusknotens
- Das Ruhepotenzial der Schrittmacherzellen ist nicht konstant
- Das maximale diastolische Potenzial beträgt -60 mV im Sinusknoten und
-65 mV im AV-Knoten - Die Depolarisation
verläuft weniger steil als im Arbeitsmyokard - Der erste langsame Anstieg wird als Präpotenzial bezeichnet
- Das Präpotenzial im AV-Knoten ist weniger steil und das Spitzenpotenzial ist geringer als im Sinusknoten
- Der AV-Knoten gibt als untergeordnetes Schrittmacherzentrum einen langsameren Takt als der Sinusknoten an
- Das Spitzenpotenzial liegt bei ca. +10 mV
- Das Schrittmacherpotenzial des Sinusknotens dauert ca. 0,8 Sekunden
- Die normale Herzfrequenz
, die ohne eine Beeinflussung des Sinusknotens (z.B. durch das sympathische Nervensystem oder Hormone ) vorliegt, beträgt daher 75 Schläge pro Minute (60/0,8 = 75)
Hyperpolarisation
- Das Schrittmacherpotenzial hat kein konstantes Ruhemembranpotenzial
. - Wenn es zur Hyperpolarisation
kommt, erreicht es am Tiefpunkt das maximale diastolische Potenzial - Durch die Hyperpolarisation
werden Funny Kanäle geöffnet, die zu einem Natriumeinstrom führen - Die Funny Kanäle öffnen bei ungefähr -55 mV und führen zur anfänglichen Depolarisation
(Präpotenzial) - Die Funny Kanäle werden auch als HCN-Kanäle bezeichnet

Depolarisation
- Öffnung der schnellen T-Typ Ca2+-Kanäle führt zur Depolarisation
ab -30 mV - Öffnung der langsamen L-Typ Ca2+-Kanäle führt durch Natrium
- und Calciumeinstrom zu einer weiteren Depolarisation - Schrittmacherzellen besitzen keine schnellen Natriumkanäle
- Depolarisation
erfolgt nur durch Calciumkanäle - Anstieg der Depolarisation
ist weniger steil im Vergleich zum Arbeitsmyokard

Depolarisation
- Öffnung der schnellen T-Typ Ca2+-Kanäle führt zur Depolarisation
ab -30 mV - Öffnung der langsamen L-Typ Ca2+-Kanäle führt durch Natrium
- und Calciumeinstrom zu einer weiteren Depolarisation - Schrittmacherzellen besitzen keine schnellen Natriumkanäle
- Depolarisation
erfolgt nur durch Calciumkanäle - Anstieg der Depolarisation
ist weniger steil im Vergleich zum Arbeitsmyokard

Repolarisation
- Die Repolarisation
der Schrittmacherzellen erfolgt durch den Ausstrom von K+-Ionen - Bei einer ausreichend negativen Hyperpolarisation
werden die Funny Kanäle erneut aktiviert - Durch die Aktivierung der Funny Kanäle entsteht ein neues Schrittmacherpotenzial

Klinischer Bezug: EKG
EKG
Mithilfe eines EKGs