Hautbefund

Michel Voss, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Klaus D. Peter, Wiehl, Germany, CC BY 3.0 DE, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons
Diagnose | Erysipel
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Hautbefund & Symptome | Es zeigt sich ein ca. 30 cm messendes, flächiges Erythem mit scharfer Begrenzung und flammenförmigen Ausläufern sowie glänzender Oberfläche bei Schwellung des gesamten linken Unterschenkels (Bild 1).
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Pathophysiologie | Meistens ausgelöst durch ß-hämolysierende Streptokokken (S. pyogenes), seltener durch S. aureus oder Klebsiellen. Die Infektion erfolgt meist über kleine Hautdefekte (z.B. bei Diabetikern oder bei Interdigitalmykose) mit Ausbreitung über die Lymphgefäße. Betroffen sind vor allem die Epidermis und die Dermis. |
Diagnostik | Die Diagnose ergibt sich neben dem klassischen klinischen Bild zusätzlich aus der körperlichen Untersuchung und Anamnese. Hierbei ist das Erfragen kleiner Verletzungen im betroffenen Bereich sinnvoll.
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Therapie | Die Therapie besteht aus der systemischen Gabe von Penicillin
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Zusammenfassung
Das Erysipel ist eine durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (meist Streptococcus pyogenes) ausgelöste Infektion. Bei komplizierten Formen kommen auch Staphylokokken als Erreger in Betracht. Sie zählt zu den häufigsten Hautinfektionen mit einer Inzidenz von jährlich 200/100.000 Einwohner:innen in Deutschland. Der Altersgipfel liegt bei ungefähr 50 Jahren. Durch prädisponierende Erkrankungen oder kleine Eintrittspforten dringen die Bakterien in die Haut ein und breiten sich lymphogen aus. Die Patient:innen präsentieren sich in der Regel mit stark reduziertem Allgemeinzustand sowie einem akut aufgetretenem Erythem, das scharf begrenzt und überwärmt ist. Es handelt sich um eine Blickdiagnose, die von erhöhten Entzündungsparametern in der laborchemischen Untersuchung gestützt wird. Die Therapie der Wahl besteht in der Behandlung mit Penicillin
AchtungDas Erysipel ist zwar oft leicht zu diagnostizieren und unkompliziert in der Therapie, kann aber unbehandelt aufgrund von Komplikationen eine intensivmedizinische Behandlung notwendig machen.
Epidemiologie
Das Erysipel ist mit einer Inzidenz von 200 pro 100.000 Personen/ Jahr eine der häufigsten Hautinfektionen der Welt. Diese Erkrankung betrifft vor allem Erwachsene in einer Alterspanne von 20 bis 70 Jahren, der Altersgipfel liegt bei etwa 50 Jahren, wobei in Bezug auf die Geschlechtsverteilung unterschiedliche Angaben zu finden sind. Kinder sind in der Regel seltener betroffen. Insbesondere Patient:innen mit relevanten Vorerkrankungen in Form von Lymphödemen
Verteilungshäufigkeit:
- Extremitäten
- Unterschenkel (ca. 70 %)
- Unterarme (ca. 12 %)
- Gesicht (ca. 13 %)
- V. a. Wangenbereich → Oft symmetrisch
- Rumpf (ca. 5%)
InfoAm häufigsten sind die Unterschenkel und das Gesicht betroffen!
Risikofaktoren
Krankheiten, die mit einer Schädigung der Hautbarriere einhergehen, die potenziell Ulzerationen
- Lymphödeme
: für diese stellt das Erysipel die häufigste Komplikation dar - Chronische Hauterkrankungen wie Ekzeme oder Dermatosen
- Chronische venöse Insuffizienz (CVI) mit Stauungsödem
- Diabetes mellitus
und diabetisches Fußsyndrom (z.B. durch Ulzerationen ) - Mykosen (Tinea pedis, Interdigitalmykosen)
- Rhagaden
bedingt durch trockene Haut oder andere Faktoren - Erosionen
am Naseneingang bei Rhinitis - Impetigo contagiosa (vor allem die kleinblasige Impetigo wird durch Streptokokken ausgelöst)
- Alkoholismus
- Adipositas
(BMI >30) - Vorangegangene Traumata (inklusive Operationen und Paresen)
AchtungDas Erysipel ist die häufigste Komplikation bei Patient:innen mit Lymphödemen
! Andererseits kann ein Lymphödem auch nach rezidivierenden Erysipelen durch Schädigung der Lymphbahnen entstehen.
Ursachen und Pathophysiologie
Das Erysipel wird hauptsächlich durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (v.a. Streptococcus pyogenes) verursacht, selten durch andere Streptokokkenarten. Wenn ein kompliziertes Erysipel diagnostiziert wird, kommen auch Staphylokokken (v.a. Staphylococcus aureus) als Auslöser in Frage. Es handelt sich also um eine bakterielle, nicht-eitrige Infektion der Dermis, welche vor allem die Lymphgefäße betrifft. Die Bakterien dringen durch Störungen der Hautbarriere, wie zum Beispiel kleine Hautläsionen, Schnittwunden, Insektenstiche oder Ekzeme, in die Haut ein und breiten sich in den oberflächlichen Hautschichten aus. Demnach befinden sich Eintrittspforte und klinischer Befund in der Regel auf engem Raum.
Nach Befall der Eintrittspforte durch die Bakterien, leiten von den Bakterien produzierte Virulenzfaktoren wie Adhäsine, Invasine und Moduline die Gewebsschädigung in der Dermis ein. Hierdurch wird die lokale Abwehr außer Kraft gesetzt und die Infektion breitet sich rasch aus. Sobald die Bakterien tiefere Schichten befallen, findet die Ausbreitung in der Regel lymphogen statt, was sich durch rote Streifen auf der Haut zeigt, die die klassischen flammenförmigen Ausläufer darstellen.
Einteilung
Man unterscheidet:
- Klassisches Erysipel: Zu 70% an den Unterschenkeln der unteren Extremitäten zu finden
- Kompliziertes Erysipel: Dieses betrifft das Gesicht oder kennzeichnet sich durch hämorrhagische, nekrotische oder blasige Aspekte
AchtungDie schwerwiegendste Verlaufsform ist das nekrotisierende Erysipel (ca. 5 % der Fälle), hierbei ist die Abgrenzung zur nekrotisierenden Fasziitis schwierig.
Klinik
Patient:innen mit Erysipel präsentieren sich in der Klinik meist in einem reduzierten Allgemeinzustand bei plötzlich aufgetretenem Fieber, Schüttelfrost und einem allgemeinen Krankheitsgefühl in Form von Müdigkeit, Übelkeit oder Muskelschmerzen.
Auffällig ist die akut auftretende, unilaterale Hautläsion, die charakteristisch scharf begrenzt, schmerzhaft, gerötet
TippHäufige Erkrankungen, die mit Schüttelfrost einhergehen sind: Erysipel, Pyelonephritis und Cholezystitis

Grook Da Oger, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Hauterscheinungen
- Erythem:
- Ein scharf begrenztes, intensives Erythem (Rötung) der Haut, das sich oft über mehrere Tage ausdehnt
- Die Rötung ist meist homogen und geht mit einer Schwellung einher
- Im Gesicht ggf. auch beidseitig symmetrisch (DD Schmetterlingserythem bei SLE)
- Schwellung und Schmerz:
- Die betroffene Haut ist geschwollen und überwärmt im Seitenvergleich sowie schmerzhaft
- Druckempfindlichkeit ist häufig vorhanden
- Auf die Rötung begrenztes Ödem
- Oberflächliche Läsionen:
- Die Haut kann glänzend und gespannt wirken
- Es können Einblutungen, Blasen
oder Vesikel auftreten, insbesondere bei schweren Fällen. Der Blaseninhalt ist serös oder serohämorrhagisch
TippBei Patient:innen, die ein akut aufgetretenes, scharf begrenztes Erythem mit Schwellung und Schmerz sowie eine Läsion als potenzielle Eintrittspforte haben, sollte man an ein Erysipel denken.
Begleiterscheinungen
- Lymphangitis:
- Entzündliche Streifen entlang der Lymphbahnen, die von der Infektionsstelle ausgehen. Sie präsentieren sich klinisch als sichtbare flammenförmige Ausläufer
- Lymphadenopathie:
- Regionale Lymphknoten sind häufig geschwollen und schmerzhaft
Diagnostik
Beim Erysipel handelt es sich um eine Blickdiagnose aufgrund der charakteristischen Hauterscheinungen und des schnellen Krankheitsbeginns. Eine Laborbestätigung durch den Nachweis von Streptokokken im Blut ist selten notwendig, kann aber bei schweren Verläufen oder dem Verdacht auf eine Sepsis sinnvoll sein. Laborchemische Untersuchungen können unterstützend hinzugezogen werden und die Diagnose zusätzlich sichern. Bildgebende Verfahren dienen dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Das klinische Bild ist oft sehr typisch, dennoch kommt es häufig zu Fehldiagnosen mit der Folge einer unnötig applizierten Antibiotikatherapie, die wiederum das Risiko für die Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Antibiotika
Oft kann das Erysipel ambulant behandelt werden, allerdings ist eine stationäre Einweisung bei folgenden Faktoren indiziert:
- Bei schweren Verlaufsformen (hämorrhagisch-bullös, phlegmonös oder nekrotisierend)
- Lokalisation im Gesicht
- Begleitthrombophlebitis
- Patient:innen mit Immundefekt
- Septischer Schock
→ intensivmedizinische Behandlung - Zur chirurgischen Nekrosenabtragung, Sanierung der Eintrittspforte
- Vorangegangenes Trauma, z.B. Operation
Klinische Diagnose
Anamnese:
- Akuter zeitlicher Beginn
- Vorhandensein von Schüttelfrost, Fieber, Müdigkeit und anderen Allgemeinsymptomen (Übelkeit, Kopfschmerzen
etc.) - Initiales, mit oder vor dem Erythem aufgetretenes Fieber, Frösteln und/oder Unwohlsein sind fast immer Zeichen für ein Erysipel. Diese Symptome sollten daher gezielt erfragt werden
- Erfassen von Vorerkrankungen und potenziellen Risikofaktoren
Körperliche Untersuchung:
- Schmerzhaftes, scharf begrenztes Erythem an der betroffenen Stelle (in der Regel unilateral), begleitet von Überwärmung (>0,5 °C im Seitenvergleich) und Schwellung. Klassisch sind die zungen- oder flammenförmigen Ausläufer, die durch die Ausbreitung der Bakterien über die Lymphbahnen entstehen
- Hierbei muss klinisch unterschieden werden: Handelt es sich um eine hellerythematöse ("flammende"), großflächige Macula
mit glänzender Oberfläche, dann ist dies hinweisend für ein klassisches Erysipel. Imponiert die Hautveränderung allerdings eher matt, bullös und livide bis nekrotisch spricht der Befund eher für ein kompliziertes Erysipel
- Hierbei muss klinisch unterschieden werden: Handelt es sich um eine hellerythematöse ("flammende"), großflächige Macula
- Begleitende Lymphadenopathie und Lymphangitis der lokoregionären Lymphknoten
- Die Grenze der Hautläsion sollte mit einem Stift markiert werden. Die Markierung dient der Verlaufskontrolle. Hiernach kann im Verlauf beurteilt werden, ob die Hautläsion sich regredient oder progredient verhält. Bei progredienter Zunahme sollte die Antibiotikatherapie eskaliert werden
- Schmerzhaftes, scharf begrenztes Erythem an der betroffenen Stelle (in der Regel unilateral), begleitet von Überwärmung (>0,5 °C im Seitenvergleich) und Schwellung. Klassisch sind die zungen- oder flammenförmigen Ausläufer, die durch die Ausbreitung der Bakterien über die Lymphbahnen entstehen
AchtungDer Hautbefund ist wegweisend für die Unterscheidung zwischen einem klassischen und einem komplizierten Erysipel:
- Klassisches Erysipel: hellerythematös mit glänzender Oberfläche
- Kompliziertes Erysipel: matt-livide bis nekrotisch und bullöse Anteile
Laboruntersuchungen
Bakteriologische Oberflächenabstriche sind oft nicht aussagekräftig und Gewebeproben haben in der Klinik keine Relevanz. Die serologische Diagnostik ist ohne Bedeutung, da sich hier keine spezifischen Parameter finden lassen. Obwohl die klinische Diagnose oft ausreichend ist, können Laboruntersuchungen zur Bestätigung und Überwachung der Erkrankung beitragen:
- 1. Blutbild
: - Neutrophile Leukozytose
(erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen ) als Hinweis auf eine Infektion - Erhöhtes C-reaktives Protein
(CRP ) und ggf. Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) als Marker für eine Entzündung → CRP -Verlaufsbeurteilung
- Neutrophile Leukozytose
- 2. Blutkulturen
: - Bei Verdacht auf eine systemische Infektion oder Sepsis sollten Blutkulturen
entnommen werden, um den Erreger zu identifizieren. Auch bei Patient:innen mit Immunsuppression oder anderen schweren Grunderkrankungen sollte man die Entnahme von Blutkulturen erwägen - Die Abnahme muss vor der Antibiotikatherapie erfolgten
- Es erfolgt die Abnahme von 2x anaeroben und 2x aeroben Blutkultursets
- Bei Verdacht auf eine systemische Infektion oder Sepsis sollten Blutkulturen
AchtungDie Sensitivität
einer Blutkultur beim Erysipel ist realtiv gering. Auch Studien zeigen, dass Blutkulturen nur bei 5-10 % der Patient:innen einen Erregernachweis erbringen.
- 3. Mikrobiologische Abstriche:
- Abstriche von Läsionen oder Wunden können hilfreich sein, insbesondere bei Verdacht auf eine Mischinfektion oder bei Therapieversagen
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren sind nicht routinemäßig erforderlich, können aber in bestimmten Situationen zur Differenzialdiagnostik und zur Beurteilung von Komplikationen eingesetzt werden:
- Ultraschall:
- Kann zur Beurteilung von Weichteilveränderungen, Abszessen und tieferliegenden Infektionen genutzt werden
- Magnetresonanztomographie (MRT):
- Hilfreich bei der Abgrenzung von tieferliegenden Infektionen, wie z.B. Osteomyelitis oder Fasziitis
- Röntgen:
- In der Regel nicht spezifisch für ein Erysipel, kann aber bei Verdacht auf eine Knochenerkrankung oder Luft in den Weichteilen (Hinweis auf nekrotisierende Fasziitis) eingesetzt werden
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig, das Erysipel von anderen Erkrankungen mit ähnlicher klinischer Präsentation abzugrenzen:
- Zellulitis: Ähnlich wie ein Erysipel, es betrifft jedoch tiefere Haut- und Unterhautgewebsschichten. Oft weniger scharf begrenzt.
- Kontaktdermatitis: Entzündliche Hautreaktion auf Allergene oder Reizstoffe, ohne systemische Infektionszeichen. Allerdings kann ein Erysipel auf dem Boden einer Kontaktdermatitis aufgrund der gestörten Hautbarriere entstehen.
- Stauungsdermatitis: Im Vergleich zum Erysipel befindet sich eine Stauungsdermatitis oft beidseits. Die Entwicklung verläuft langsam und die Patient:innen haben zusätzlich oftmals Juckreiz.
- Herpes Zoster: Schmerzhafter Hautausschlag, der auf ein Dermatom begrenzt ist und mit Bläschenbildung einhergeht.
- Thrombophlebitis: Entzündung einer oberflächlichen Vene, oft begleitet von Schwellung und Schmerz entlang der Vene.
- Nekrotisierende Fasziitis: Lebensbedrohliche Weichteilinfektion mit rascher Ausbreitung, extremer Schmerz und systemischer Toxizität.
- Gicht: Die Rötung und Schwellung ist eher gelenkbetont, beides tritt allerdings sehr akut auf. Bei einem Gichtanfall ist es wichtig, nach dem übermäßigen Verzehr von Purin-haltigen Lebensmitteln zu fragen (z.B. Alkohol und Fleisch)
- Erysipeloid (Schweinerotlauf): Ausgelöst durch Erysipelothrix rhusiopathiae, das bei Schweinen, Salzwasserfischen und Schalentieren vorkommt. Die Patient:innen leiden in der Regel nicht an Fieber oder an reduziertem Allgemeinzustand.
- Tiefe Beinvenenthrombose (TVT
): Das Erythem zeigt sich livide und einseitig. Im Vergleich zum Erysipel haben die Patient:innen in der Regel kein Fieber. Zur Differenzierung können folgende Zeichen geprüft werden: Homanns-, Payrs-, Lowenburg- und Meyers-Zeichen. Bei Unsicherheiten sollte eine Duplex-Sonografie der betroffenen Stelle erfolgen. - Phlegmone: Hohes Fieber, schlechter Allgemeinzustand und Lymphknotenschwellung sind Indizien für eine Phlegmone, können jedoch bei initial begrenzter Phlegmone fehlen.
- Erythema chronicum migrans (Borreliose
): Makroskopisch unterscheidet sich das Erythema chronicum migrans durch seinen rötlichen Kreis, welcher mittig eine weissliche Aussparung aufweist. Es ist ausserdem schmerzlos. - Erythema nodosum: Einzelne, flach-knotig wirkende rötlich/bläuliche Erytheme, welche im Verlauf wie Hämatome
aussehen können.
AchtungObwohl es sich beim Erysipel um eine Blickdiagnose handelt, gibt es viele unterschiedliche Differenzialdiagnosen. Häufig wird deshalb eine falsche Diagnose gestellt, was zu einem Übergebrauch von Antibiotika
und damit zu einem erhöhten Risiko der Resistenzentwicklung führt. Im Sinne des Antibiotic Stewardship sollte daher auf die angemessene Indikation der Antibiotikatherapie geachtet werden.
Therapie
Die Behandlung des Erysipels zielt darauf ab, die Infektion zu beseitigen, Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Hierzu wird in erster Linie eine antibiotische Therapie eingesetzt, die durch unterstützende Maßnahmen ergänzt wird. Mittel der Wahl ist Penicillin
Vor allem bei Erysipelen der unteren Extremität kann es sein, dass es zu Immobilität der Patient:innen kommen kann, was eine Thromboseprophylaxe indiziert.
Die Grenzmarkierung der Hautläsion mit einem Stift dient der Verlaufskontrolle im Sinne einer zu beobachtenden Ausbreitung oder Regression. Hiernach kann entweder der Therapieerfolg gesehen werden oder bei weiterer Ausbreitung eine Eskalation der Therapie nötig werden.
Antibiotikatherapie
Die antibiotische Behandlung ist der Eckpfeiler der Erysipeltherapie. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem vermuteten Erreger und dem Schweregrad der Infektion:
- Erstlinientherapie:
- Penicillin
ist das Mittel der Wahl bei einem Erysipel, verursacht durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A. Die intravenöse Therapie mit Penicillin G erfolgt vor allem bei schweren Verläufen und hospitalisierten Patient:innen - Bei gesunden Patient:innen und milden Verläufen, in denen das Gesicht nicht betroffen ist, kann eine Therapie mit oralem Penicillin
V oder auch Amoxicillin-Clarithromycin begonnen werden. Hierbei erstreckt sich die Therapiedauer 1 bis 2 Tage über den Rückgang der klinischen Symptome, um das Risiko für die Persistenz von Streptokokken im Gewebe zu reduzieren - Die Therapiedauer beträgt mindestens 7 Tage, um das Rezidivrisiko zu minimieren, bei Ödemen
und PAVK mindestens 10 Tage
- Die Therapiedauer beträgt mindestens 7 Tage, um das Rezidivrisiko zu minimieren, bei Ödemen
- Penicillin
- Alternativen bei Penicillinallergie:
- Clindamycin
kann ebenfalls eingesetzt werden, insbesondere bei schweren Fällen oder Verdacht auf Mischinfektionen mit Staphylococcus aureus - Makrolide
(z.B. Erythromycin oder Clarithromycin) sind eine gute Alternative - Cefuroxim intravenös bei Erysipel im Gesicht
- Clindamycin
- Schwere Infektionen und Krankenhausbehandlung:
- Bei schweren Verläufen: sprich Sepsis oder Versagen der oralen Therapie, sollte eine intravenöse Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Hierzu können Ceftriaxon, Cefazolin oder Vancomycin verwendet werden
Wirkstoff | Gabe | Dosierung | Intervall | Dauer | Bemerkung |
Penicillin | oral | 1,2 bis 1,5 Mio IE | 8 stündlich | 7-14 Tage |
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Penicillin | intravenös | 10 Mio IE | 4-6 stündlich | 7-10 Tage |
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Amoxicillin-Clarithromycin | oral | 1 g | 8 stündlich | 5-7 Tage |
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Amoxicillin-Clarithromycin | intravenös | 2,2 g | 8 stündlich | 5-7 Tage |
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Clindamycin | oral oder intravenös | 300 bis 600 mg | 8 stündlich | 5-7 Tage | 2. Wahl z.B. bei Penicillinallergie |
Cefazol | intravenös | 1g | 8 stündlich | 5-7 Tage | Bei schweren Verläufen |
TippDas Antibiotikum
der Wahl ist Penicillin G oder V, da es sehr wirksam gegen Streptokokken ist.
Unterstützende Maßnahmen
Zusätzlich zur antibiotischen Therapie sind verschiedene unterstützende Maßnahmen sinnvoll, um die Symptome zu lindern und die Heilung zu fördern:
- 1. Ruhigstellung und Hochlagerung
Das betroffene Gliedmaß sollte hochgelagert und ruhiggestellt werden, um die Schwellung zu reduzieren und die Heilung zu fördern
Achtung
Hierbei sollte immer an eine adäquate Thromboseprophylaxe gedacht werden.
- 2. Analgesie und Entzündungshemmung
- Analgetika wie Paracetamol
oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR ) zum Beispiel Ibuprofen können zur Analgesie und Entzündungshemmung eingesetzt werden - Dosisbeispiel: Ibuprofen
. Ibuprofenwäre hierbei zu bevorzugen, da es eine analgetische sowie entzündungshemmende Wirkung hat. Es kann jedoch, je nach Schmerzen, nach WHO-Stufenschema kombiniert werden - Dosisbeispiel: Paracetamol
- Analgetika wie Paracetamol
InfoSpätestens ab dem fünften Tag von kontinuierlicher NSAR
Einnahme, oder prädisposinierenden Faktoren (z.B. einer Gastritis, vorherigen Magen-Darm-Blutungen usw.) sollte an eine Prophylaxe mit Protonenpumpeninhibitoren gedacht werden. Dosisbeispiel:
- 3. Hautpflege
- Regelmäßige Hautpflege und -hygiene sind wichtig, um sekundäre Infektionen zu verhindern. Bei offenen Wunden sollten antiseptische Maßnahmen ergriffen werden
- 4. Kompressionstherapie
- Bei Patient:innen mit Lymphödemen
oder chronisch venöser Insuffizienz (CVI) kann die Verwendung von Kompressionsverbänden oder -strümpfen helfen, die Schwellung zu reduzieren und die Heilung zu unterstützen
- Bei Patient:innen mit Lymphödemen
- 5. Mitbehandlung möglicher Eintrittspforten (z.B. Interdigitalmykosen)
InfoDie Therapie des Erysipels beinhaltet eine adäquate Antibiotikagabe sowie symptomatische Therapie in Form von Analgesie und unterstützenden Maßnahmen.
Prävention und Rezidivprophylaxe
Zur Prävention des Erysipels gehört die Behandlung prädisponierender Hauterkrankungen und die konsequente Pflege und Überwachung gefährdeter Hautbereiche. Bei Patient:innen mit wiederkehrenden Erysipel-Infektionen kann eine langfristige Antibiotikaprophylaxe in Erwägung gezogen werden, diese reduziert das Risiko um 50-70%. Unterschiedliche Faktoren begünstigen Rezidive, hierzu gehören:
- Nicht ausreichend lange behandelte Erysipele oder Therapie mit zu geringer Dosis
- Ausbleibende Behandlung der Eintrittspforte
- Zunehmende irreversible Schädigung der Lymphgefäße durch Rezidive mit serumreichem Ödem
als Basis für erneute Rezidive - Das Ödem
dient hier als Nährboden für die Bakterien
- Das Ödem
Rezidive sind meist etwas milder mit weniger charakteristischer lokaler Rötung und geringerem Fieber. Die Diagnosestellung erfolgt vor allem im Zusammenhang mit der Anamnese, also Erysipelen in der Vorgeschichte, weniger aus der aktuellen Klinik und den Laborparametern. Man empfiehlt eine Rezidivprophylaxe nach 3 bis 4 Rezidiven pro Jahr, je nach Risikofaktoren bereits nach dem ersten Rezidiv.
- Dosisbeispiele:
- Nach parenteraler Therapie des akuten Rezidivs Prophylaxe mit Penicillin
V - Bei Penicillin
-Allergie: Clarithromycin - Bei fehlender Adhärenz
kann die parenterale Prophylaxe mit einem Depotpenicillin erfolgen: Benzathin-Benzylpenicillin
- Nach parenteraler Therapie des akuten Rezidivs Prophylaxe mit Penicillin
Zur Vermeidung von Rezidiven ist es wichtig, prädisponierende Faktoren zu behandeln und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, wie z.B.:
- Hautpflege: Regelmäßige Pflege und Überwachung gefährdeter Hautbereiche
- Ausreichend lange Antibiotika
-Therapie - Kompressionstherapie: Verwendung von Kompressionsstrümpfen
bei chronischen Lymphödemen - Antibiotikaprophylaxe: Bei Patient:innen mit häufigen Rezidiven kann eine langfristige Antibiotikaprophylaxe in Betracht gezogen werden
- Patient:innenschulung: Viele Patient:innen sind sich der Bedeutung der Hautpflege nicht bewusst, insbesondere bei Patient:innen mit einem oder mehreren Erysipelen in der Vorgeschichte sollte die Wichtigkeit betont und die Patient:innen ausreichend geschult werden. Die Patient:innen sollten ebenfalls in der Lage sein, frühzeitig Symptome eines Erysipels zu erkennen
InfoNicht nur Patient:innen mit Erysipel unterschätzen die Bedeutung der Hautpflege. Viele Patient:innen vernachlässigen ihre Haut und damit auch die Hautbarriere, was zu unterschiedlichen Erkrankungen in Form von zum Beispiel Infektionen und zu Symptomen wie Juckreiz oder anderen Beschwerden führen kann.
Die Xerosis cutis (Hauttrockenheit) ist ein Risikofaktor für viele Erkrankungen und subjektives Leiden. Männliche Patienten leiden häufiger darunter als Frauen.
Lymphdrainage
- Im akuten Stadium ist die Lymphdrainage wegen der Gefahr der Keimverschleppung kontraindiziert
- Beim chronisch-rezidivierenden Erysipel ist die Lymphdrainage Teil der Behandlung, um eine Stase der Lymphe zu verhindern
Komplikationen
Ein Erysipel bedarf immer einer Behandlung, da es unbehandelt oder bei schweren Verläufen zu Komplikationen führen kann, darunter Abszesse, Nekrose
- Abszesse: Eitrige Ansammlungen, die chirurgisch drainiert werden müssen
- Nekrose
: Absterben von Hautgewebe, das möglicherweise eine chirurgische Entfernung erforderlich macht - Thrombophlebitis: Entzündung der Venen mit Blutgerinnselbildung
- Hirnvenenthrombose: Kann bei einem Gesichtserysipel vorkommen. Diese werden daher immer stationär behandelt
- Sepsis: Lebensbedrohliche systemische Infektion, die eine intensive medizinische Behandlung erfordert. → Schock
- Lymphödeme
AchtungBei Erysipelen im Gesicht besteht das Risiko einer Hirnvenenthrombose!
InfoDie Prognose des Erysipels ist gut, dennoch kann es bei ungenügender oder nicht stattfindender Behandlung zu schwerwiegenden Komplikationen kommen.
Prognose
Im Allgemeinen ist die Prognose des Erysipels gut, insbesondere wenn die Infektion frühzeitig erkannt und adäquat mit Antibiotika
Einflussfaktoren auf die Prognose
- Frühe Diagnose und Behandlung: Eine rasche Einleitung der Antibiotikatherapie ist entscheidend für eine gute Prognose. Verzögerungen in der Behandlung können zu einer Ausbreitung der Infektion und schwerwiegenden Komplikationen führen.
- Gesundheitszustand des Patienten: Patienten mit zugrunde liegenden Gesundheitsproblemen wie Diabetes mellitus
, chronischen Hauterkrankungen oder Immunsuppression haben ein höheres Risiko für Komplikationen und einen schwereren Krankheitsverlauf. - Risikofaktoren und Rezidive: Chronische Lymphödeme
, venöse Insuffizienz und andere prädisponierende Faktoren können die Wahrscheinlichkeit von Rezidiven erhöhen. Wiederkehrende Infektionen können das Risiko für dauerhafte Hautschäden und Lymphödeme erhöhen.
InfoFür eine gute Prognose ist eine frühe Diagnose sowie Behandlungseinleitung essenziell, außerdem spielen der Gesundheitszustand und die Vorerkrankungen der Patient:innen eine große Rolle.
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Quellen
- S1-Leitlinie: https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-100l_S1_Differentialdiagnose-akuter-chronischer-Roetungen_Unterschenkel_2021-12.pdf
- ABS Netzwerk München – Leitlinie Haut-/Weichgewebeinfektionen (Stand 07/2019): https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:79e44fea-9f28-44bc-9e62-5a2543cd7303/haut_weich_infektionen.pdf
- Deximed- Hausarztwissen online: https://deximed.de/zielseiten/krankheiten/erysipel
- Register AWMF (Parenterale Antibiotika): https://register.awmf.org/assets/guidelines/082-006l_S2k_Parenterale_Antibiotika_2019-08-abgelaufen.pdf
- SOP-Notaufnahme (Infektiologie): https://sop-notaufnahme.de/wp-content/sop/infektiologie/sop-erysipel.pdf