Extremitätenverletzungen, Verletzung einer Extremität, Verletzung der Gliedmaßen, Trauma der Arme oder Beine
35 Minuten Lesezeit
Zusammenfassung
Ein Extremitätentrauma umfasst Verletzungen an Armen oder Beinen durch äußere Gewalt, etwa bei Stürzen, Unfällen oder Sportverletzungen. Dabei kann es zu Frakturen, Luxationen, Gefäß-, Nerven- oder Weichteilschäden kommen. Extremitätentraumata entstehen infolge direkter oder indirekter Krafteinwirkung und treten entweder als isolierte Verletzungen oder im Rahmen eines Polytraumas mit Beteiligung weiterer Körperregionen auf.
Häufige Ursachen sind Verkehrsunfälle, Stürze, Sport- oder Arbeitsunfälle. Klinisch zeigen sich Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung sowie bei schweren Verletzungen sichere Frakturzeichen wie Krepitation, Achsenfehlstellung, abnorme Beweglichkeit oder sichtbare Knochenfragmente.
DiepDMS-Kontrolle (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) und der Pulsstatus sind essenzieller Bestandteil der Untersuchung. Zu den wichtigsten präklinischen Maßnahmen zählen eine effektive Blutstillung sowie die Immobilisation der betroffenen Extremität, um Schmerz zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und den Transport zu erleichtern.
Info
Das Spektrum an Verletzungen ist breit und reicht von einfachen Schnittwunden am Finger bis hin zu potenziell lebensbedrohlichen Zuständen. In diesem Artikel liegt der Fokus auf der Versorgung von Frakturen und Luxationen. Maßnahmen zur Blutstillung,Versorgung von Amputationsverletzungensowie zur Versorgung von schwerstverletzten Patient:innen werden in den entsprechenden Fachartikeln behandelt.
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema Extremitätentrauma etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
Stichwort: „Extremitätenverletzung“
Ort: Sporthalle, Schule
Alarmzeit: 10:09 Uhr
Anrufer:in: Lehrkraft
Anzahl der Betroffenen: 1
Zusatzinfo:
Männlich, 17 Jahre alt
Sportverletzung
Verdacht auf Fraktur des linken Sprunggelenks
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes sitzt ein etwa 17-jähriger Schüler auf dem Boden der Sporthalle. Er hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das linke Sprunggelenk. Mehrere Mitschüler:innen und eine Lehrkraft stehen in der Nähe und beobachten die Situation, ohne direkt einzugreifen. Der Unfall ereignete sich während des Sprinttrainings. Der Patient stürztenach einem unglücklichen Umknicken des linken Fußes und konnte ihn danachnichtmehrbelasten.
Die Lage ist wie folgt:
Der Patient ist wach, ansprechbar und orientiert
Er klagt über starke, stechendeSchmerzen im Bereich des linken Sprunggelenks
Eine Fehlstellung oder offene Verletzung liegt nicht vor, jedoch ist eine deutlicheSchwellung erkennbar
Die Haut über dem betroffenen Bereich ist gespannt, aber intakt
Die Sporthalle ist ruhig, die Lehrkraft hat den Sportunterricht abgebrochen und Erste Hilfe verständigt
Ersteinschätzung nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten mit einem Extremitätentrauma aussehen könnte.
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Anlage eines 12-Kanal-EKG in diesem Fall hinten angestellt und taucht zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf.
x
Keine kritischen Blutungen
A
Atemwege frei
Schleimhäute rosig
Patient spricht selbstständig
Kein A-Problem
B
Inspektorisch:
Thoraxexkursion beidseits physiologisch
Inspektorisch unauffällig
Keine Halsvenenstauung sichtbar
Auskultatorisch:
Beidseits vesikuläres Atemgeräusch
Palpatorisch:
Thorax insgesamt stabil
Keine Krepitation spürbar
SpO2: 97 %
Atemfrequenz: 21/min
Kein B-Problem
C
Hautkolorit rosig
Rekap-Zeit: 2 Sekunden
Große Blutungsräume ohne Zeichen auf akute Blutungen
Palpation des Pulses am Handgelenk
Rhythmisch
Gut tastbar
Mäßig tachykard, 106/Minute
Kein C-Problem
D
Wach, orientiert, ansprechbar
GCS 15
Öffnen der Augen: 4
Beste verbale Reaktion: 5
Beste motorische Reaktion: 6
Pupillenkontrolle:
Isokor
Mittelweit
Lichtreagibel
Kein D-Problem
E
Symptome:
Schwellung linkes Sprunggelenk
Allergien / Infektionen: Keine bekannt
Medikamente: Keine Dauer- oder Akutmedikation
Patientengeschichte: Keine Vorerkrankungen
Letzte Mahlzeit: Frühstück, um ca. 08:00 Uhr
Ereignis: Umknicken mit Sturzgeschehen beim Sport
Risikofaktoren: Keine
Akutes E-Problem
Achtung
Das hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten mit einem Extremitätentrauma. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
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Definition
Definition
Extremitätentrauma
Ein Extremitätentrauma bezeichnet eine Verletzung einer oberen oder unteren Extremität infolge einer äußeren Gewalteinwirkung, etwa durch Sturz,Quetschung oder direkte Krafteinwirkung. Dabei kann es zu Frakturen,Gefäßverletzungen mit gestörter Durchblutung sowie zu Weichteilschäden wie Muskel-, Sehnen-, Nerven- oder Hautverletzungen kommen. Je nach Schweregrad der Verletzung können auch mehrere Strukturen gleichzeitig betroffen sein.
Klassifikation
Geschlossene und offene Frakturen:
Geschlossene Fraktur: die Haut über der Bruchstelle ist intakt, es besteht kein Kontakt der Fraktur zur Außenwelt
Offene Fraktur: der Knochen ist durchdieHautnachaußengedrungen oder es besteht eine Verbindung zwischen Frakturspalt und äußerem Milieu
Nach Weichteilschaden:
Einteilung des Weichteilschadens bei geschlossenen Frakturen:
Grad
Beschreibung
0
Keine oder unbedeutende Weichteilverletzung
I
Oberflächliche Abschürfungen oder Fragmentdruck von innen, einfache bis mittelschwere Frakturformen
II
Tiefe oder verschmutzte Abschürfungen, drohendes Kompartmentsyndrom, mittelschwere bis schwere Frakturformen
III
Kompartmentsyndrom, Zerstörung der Muskulatur, subkutanes Décollement, schwere Frakturformen
Einteilung des Weichteilschadens bei offenen Frakturen:
Grad
Beschreibung
I
Durchspießung der Haut, Kontamination, einfache Frakturformen
II
Durchtrennung der Haut, umschriebene Kontusionen, mittlere Kontamination, alle Frakturformen
III
Ausgedehnte Weichteilverletzung, häufig mit Nerven- oder Gefäßverletzungen, starke Kontamination
IV
Subtotale oder totale Amputationsverletzung
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Ursachen
Merke
Extremitätentraumata entstehen infolge direkter oder indirekter Krafteinwirkung auf Arme oder Beine und treten entweder als isolierte Verletzungen oder im Rahmen eines Polytraumas mit Beteiligung weiterer Körperregionen auf.
Die Mechanismen, die zu Verletzungen der Extremitäten führen, sind vielgestaltig und hängen oft vom Unfallhergang sowie dem Krafteintrag ab. Zu den häufigsten Ursachen zählen:
Verkehrsunfälle (z.B. Auto-, Motorrad-, Fahrrad- oder Fußgängerunfälle): durch hohe kinetische Energie kann es zu Mehrfachverletzungen kommen
Stürze aus großer oder geringer Höhe (z.B. von der Leiter, Treppe oder auf glattem Untergrund): häufig mit distalen Radiusfrakturen, Sprunggelenkfrakturen oder Hüftfrakturen verbunden
Sportverletzungen (z.B. beim Fußball, Skifahren, Reiten oder Klettern): besonders betroffen sind Knie, Sprunggelenke, Schultern und Hände
Arbeitsunfälle (z.B. durch Maschinen, Stürze oder schwere Lasten): häufig mit Quetschungen, Schnittverletzungen oder komplexen Frakturen der oberen Extremität assoziiert
Körperliche Gewalt (z.B. Schläge, Tritte oder stumpfe Gewalt bei Auseinandersetzungen): kann zu Frakturen, Luxationen oder Weichteilschäden führen
Naturereignisse (z.B. Lawinen, Erdrutsche, Gebäudeeinstürze): oft kombiniert mit Mehrfachverletzungen und hohem Risiko für die Entstehung eins Kompartmentsyndroms
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Pathophysiologie
Merke
Reminder: Anatomische und physiologische Grundlagen
Zusammenspiel von Muskel, Sehne, Knochen und Gelenk
Gelenkachsen und Bewegungsausmaße (z.B. Flexion/Extension, Pronation/Supination)
Durchblutung und Versorgung:
Abhängigkeit der Gewebe von konstanter Blut- und Sauerstoffversorgung
Endarterien sind besonders verletzungsgefährdet
Nervenleitung und Koordination:
Efferenzen: Reize vom ZNS zur Muskulatur
Afferenzen: Propriozeption, Schmerz, Berührung → wichtig für Schutzreflexe
Reflexbögen (z.B. Patellarsehnenreflex)
Mechanische Krafteinwirkung:
Ein Extremitätentrauma entsteht durch direkte oder indirekte Gewaltauf Arme oder Beine, z.B. bei Verkehrsunfällen, Stürzen oder Sportunfällen. Dadurch kommt es zur Schädigung verschiedener Gewebestrukturen:
Knochen → Fraktur
Gelenke → Luxationen, Bandverletzungen
Weichteile → Schädigung von Muskeln, Sehnen, Faszien, Haut
Nerven → Kontusion, Dehnung, Kompression oder Durchtrennung
Gefäße → Blutung, Ischämie
Blutung und Volumenverlust:
"OpenStax AnatPhys fig.6.7 - Anatomy of a Long Bone - English labels" at AnatomyTOOL.org by OpenStax, license: Creative Commons Attribution. Source: book 'Anatomy and Physiology', https://openstax.org/details/books/anatomy-and-physiology.
Frakturblutungen können bereits bei geschlossenen Verletzungen zu erheblichem Blutverlust führen. Das Risiko steigt bei offenen Frakturen, da hier zusätzliche äußere Blutverluste und eine größere Schädigung der Weichteile vorliegen.
Frakturblutungen entstehen durch:
Verletzung der Markhöhlengefäße
Einriss des Periosts (sehr gut durchblutet)
Bei geschlossenen Frakturen kann es auch ohne äußere Blutung zu relevantem internem Blutverlust kommen. Die Menge des zu erwartenden Blutverlusts hängt dabei stark von der Lokalisation und dem Ausmaß der Fraktur ab:
Lokalisation
Ungefährer, möglicher Blutverlust
Humerus
100–800 ml
Unterarm
50–400 ml
Femur
300–2000 ml
Tibia
100–1000 ml
Achtung
Frakturen großer Knochen, insbesondere bei offenen Frakturen bergen eine erhebliche Gefahr für einen hämorrhagischen Schock
Durchblutungs-, Motorik- und Sensibilitätsstörungen
Eine pDMS-Störung (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) weist auf eine mögliche Verletzung neurovaskulärer Strukturen im Bereich einer Extremität hin. Ursache sind meist Frakturen, Luxationen oder schwere Weichteilverletzungen. Unbehandelt können sie zu irreversiblenSchäden führen.
Durchblutungsstörung (D):
Ursache: traumatische Schädigung arterieller Gefäße, z.B. durch Kompression, Intimaeinriss
Folge: verminderte arterielle Perfusion distal der Läsion → Mangeldurchblutung (Ischämie)
Gefahr: hypoxische Zellschädigung → bereits nach 4–6 Stunden drohen irreversible Nekrosen von Muskulatur und Nerven
Motorische Ausfälle (M):
Ursache: Verletzung peripherer motorischer Nerven durch Frakturfragmente, Quetschung oder Dehnung
Folge: Ausfall der Innervation betroffener Muskelgruppen → motorische Schwäche bis vollständige Lähmung distal der Läsion
Gefahr: bei anhaltender Denervierung → Muskelatrophie, Kontrakturen, dauerhafter Funktionsverlust
Sensibilitätsstörung (S):
Ursache: direkte Nervenschädigung (z. B. durch Schnitt, Quetschung, Zerreißung) oder sekundäre Ischämie der Nerven
Folge: Störung der afferenten Leitungsbahnen → gestörte Oberflächensensibilität
Gefahr: chronische sensorische Ausfälle, Neuropathien, trophische Hautveränderungen bei lang andauernder Störung
Systemische Reaktionen
Durch die Gewebeverletzung werden Entzündungsstoffe (z.B. Histamin, Prostaglandine, Zytokine) freigesetzt → Vasodilatation, Schmerz, Ödemen
Der starke Schmerz löst eine Stressantwort aus → Aktivierung Sympathikus → Tachykardie, Tachypnoe
Info
Die Pathophysiologie des Kompartmentsyndroms wird ausführlich im Abschnitt „Besondere Situationen“ erläutert.
Merke
Zusammenfassung: Die kritischen Probleme eines Extremitätentraumas
Gefahr der Volumenverlust und hämorrhagischen Schock
Störung von Durchblutung, Motorik, Sensibilität
Systemische Reaktion
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Klinischer Eindruck
Typische Zeichen
Lokale Schmerzen an der betroffenen Extremität
Funktionseinschränkungen
Schwellung
Hämatom
Blutung
Prellmarken
Verkürzung oder Rotation von Gliedmaßen (z.B. bei Femur- oder Oberschenkelhalsfraktur)
Hinweise auf Luxationen, z.B. abgesenkte Schulter
Sichere Frakturzeichen:
Abnorme Beweglichkeit der Extremität
Achsenfehlstellung oder Deformität
Krepitation (Knochenreiben)
Sichtbare Knochenfragmente bei offener Fraktur
Generalisierte Zeichen
Übelkeit
Tachypnoe
Schwitzen
Angst / Panik
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Diagnostik
Anamnese
Aktuelle Anamnese:
S(Symptome): Lokale Schmerzen an der betroffenen Extremität, Schwellung, Hämatom, Prellmarken, Blutung, Funktionseinschränkungen
Sichere Frakturzeichen? → Abnorme Beweglichkeit der Extremität, Achsenfehlstellung oder Deformität, Krepitation, sichtbare Knochenfragmente
Verdacht auf Luxation eines Gelenks? → Spezielle Hinweise der jeweiligen Luxation beachten, z.B. hängender Arm bei Schulterluxation oder Beinverkürzung bei Hüftluxation
Hinweise auf schweres Trauma? → Sturz aus großer Höhe, Hochrasanztrauma, Fraktur großer Röhrenknochen, Mehrfachverletzungen
A (Allergien, Infektionen)
M (Medikation):
Regelmäßige Einnahme von Antikoagulanzien? (z.B. ASS, DOAKs) → erhöhtes Blutungsrisiko
Medikamente gegen Osteoporose?
P (Patientenvorgeschichte): Frühere Verletzungen oder Operationen an der betroffenen Extremität? Osteoporose? Tumorerkrankungen?
L (Letzte …): Letzte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme? → Relevant für evtl. Narkoseeinleitung
E (Ereignis): Stumpfe oder spitze Gewalteinwirkung?
R (Risiko): Alter > 65 Jahre, Multimorbidität, Osteoporose, Alkohol- / Drogenkonsum, Hochrasanztrauma, Sturz aus großer Höhe
S (Schwangerschaft): Bei Schwangerschaft an spezielle Komplikationen nach Trauma denken, beispielsweise: vorzeitige Wehen, Plazentaablösung, Uterusruptur
Tipp
Nutze Schemata
Um die Anamnese strukturiert durchzuführen, bietet es sich an, Schemata, wie das SAMPLERS oder OPQRST-Schema zu nutzen. Am obigen Beispiel haben wir Fragen und Befunde dargestellt, die bei dem Verdacht auf ein Extremitätentrauma abgefragt werden sollten und vorliegen könnten.
Körperliche Untersuchung
Merke
Untersuchung der Extremitäten bei Trauma:
Parts of the figure were drawn by using pictures from Servier Medical Art. Servier Medical Art by Servier is licensed under a Creative Commons Attribution 3.0 Unported License (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).. Diese Abbildung ist ein Derivat, der oben angegebenen Quelle. Es wurden die Markierungen und Beschriftungen ergänzt.
Bei der Untersuchung der Extremitäten müssen periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) systematisch geprüft und dokumentiert werden
Hierzu gehört auch die Erhebung des peripheren Pulsstatus, an möglichen Punkten:
Obere Extremität: Puls an der A. brachialis und A. radialis tasten
Untere Extremität: Puls an der A. femoralis, A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior
Die Gelenke sind im Seitenvergleich auf Beweglichkeit, Schwellung, offene Wunden, Prellmarken und Abschürfungen zu untersuchen
Besonders geachtet werden sollte auf sichere Frakturzeichen wie:
Abnorme Beweglichkeit der Extremität
Achsenfehlstellung oder Deformität
Krepitation
sichtbare Knochenfragmente
Zusätzlich ist nach Hinweisen auf Gefäßverletzungen oder ein mögliches Kompartmentsyndrom zu suchen
Inspektion:
Tipp
Vergleiche die verletztemit der unverletztenExtremität auf Schwellung, Fehlstellung, Form, Farbe und Bewegung. Auffälligkeiten geben erste Hinweise auf mögliche Frakturen oder Luxationen.
Schwellung,Hämatome oder Verfärbungen
Fehlstellungen oder Achsenabweichungen
Sichtbare Wunden, ggf. mit Knochenfragmenten (Hinweis auf offene Fraktur)
Verkürzung oder Rotation von Gliedmaßen (z.B. bei Femur- oder Hüftfrakturen)
Die Inspektion im Rahmen des Secondary Survey sollte unter bestmöglichen Bedingungen erfolgen, insbesondere bei ausreichender Beleuchtung. In der Regel ist dafür eine Entkleidung der Patient:innen erforderlich, wobei unbedingt auf den Wärmeerhalt zu achten ist. Die Kleidung sollte schonend und schmerzarm entfernt werden, um die Verletzungsregionen vollständig zugänglich zu machen.
Bei isolierter Extremitätenverletzung nach Bagatelltrauma reicht es aus, nur die betroffene Körperstelle zu entkleiden
Bei schwerem Trauma muss stets eine vollständige Ganzkörperuntersuchung erfolgen
Für eine präzise Übergabe an das Klinikteam kann es sinnvoll sein, vor einer Reposition oder Verbandanlage ein Foto des Befundes zu dokumentieren. Dabei sind jedoch stets der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Patient:innen zu wahren.
Palpation:
Durch das Abtasten der gesamten Extremität können geschlosseneVerletzungenerkanntwerden. Hierbei ist besonders auf die sicheren und unsicherenFrakturzeichen zu achten
Tipp
Schmerzen vermeiden:
Wird ein sicheres Frakturzeichen festgestellt, sollte auf eine weitere Untersuchung desselben Knochens verzichtet werden, um zusätzliche Schmerzen zu vermeiden.
Perkussion:
Da dieser Artikel sich auf die Versorgung Frakturen und Luxationen beschränkt, ist eine Perkussion in den meisten Fällen nicht wegweisend. Das Erheben eines physiologischen Perkussionsbefundes wird hier nicht weiter ausgeführt.
Auskultation:
Der Auskultationsbefund sollte physiologisch ausfallen. Ist das nicht so, muss differenzialdiagnostisch gedacht werden
Vitalparameter:
Auch bei einem zunächst isoliert erscheinenden Extremitätentrauma müssen die Vitalparameter immer vollständig erhoben werden, da auch hier lebensbedrohliche Komplikationen möglich sind (z.B. starker Blutverlust durch Fraktur).
Herzfrequenz: häufig erhöht durch Schmerz oder Stress
Blutdruck: oft reaktiv erhöht, bei Volumenverlust jedoch auch möglicherweise erniedrigt
Atemfrequenz: meist beschleunigt als Ausdruck von Schmerz oder Unruhe
Sauerstoffsättigung: in der Regel normal, sollte aber überwacht werden, besonders bei Schockzeichen
Körpertemperatur: normal, oder Hypothermie, v.a. bei längerer Bewegungseinschränkung oder kalter Umgebungstemperatur möglich
Achtung
Schmerzbedingte Veränderungen sind meist transient, dürfen aber nicht übersehen werden, wenn sich erste Anzeichen eines begleitendenSchocks oder anderer Komplikationen entwickeln.
Frakturen
Sichere und unsichere Frakturzeichen:
Bei der Inspektion und Palpation lassen sich sichere und unsichere Frakturzeichen oft rasch voneinander unterscheiden.
Sichere Frakturzeichen
Unsichere Frakturzeichen
Abnorme Beweglichkeit der Extremität
Schmerz
Achsenfehlstellung oder Deformität
Schwellung
Krepitation
Hämatom
sichtbare Knochenfragmente
Prellmarken
Frakturen der oberen Extremität:
Frakturen der oberen Extremität entstehen häufig durch Stürze auf den ausgestreckten Arm oder durch direkte Gewalteinwirkung, etwa beim Sport oder im Rahmen von Verkehrsunfällen. Besonders bei älteren Menschen mit Osteoporose treten typische Brüche wie die distale Radiusfraktur häufig auf.
Die folgende Tabelle gibt eine praxisorientierte Übersicht über häufigeFrakturen:
Fraktur
Typischer Unfallmechanismus
Erkennungsmerkmale
Besonderheiten
Distale Radiusfraktur
Meist Sturz mit Abstützen auf die Handfläche oder den Handrücken
Schwellung im Handgelenkbereich
Bewegungsschmerz
Ggf. sichtbare Bajonett-Fehlstellung
Isolierte Fraktur von Radius oder Ulna oder kombinierte Unterarmfraktur möglich, häufig bei Osteoporose
Knochen der Hand
Direkte Gewalteinwirkung oder Sturz auf die Hand
Schwellung
Druckschmerz über Handwurzelknochen
Eingeschränkte Beweglichkeit
Isolierte Frakturen einzelner Knochen (z.B. Mittelhand-, Finger- oder Handwurzelknochen) möglich
Humerusfraktur
Sturz auf den gestreckten Arm
Schmerz und Bewegungseinschränkung im Oberarm
Evtl. Krepitation
Schwellung
Distale Frakturen häufiger bei Kindern, proximale eher bei älteren Personen
Klavikulafraktur
Sturz auf die Schulter
Schwellung
Sichtbare Stufenbildung
Hämatom
Schmerzen bei Armbewegung
Besonders bei Kindern / Jugendlichen
Tipp
Bajonettstellung bei einer Radiusfraktur
Die Bajonettstellung ist ein typisches Fehlstellungsmerkmal bei einer dislozierten distalen Radiusfraktur. Sie entsteht, wenn die Bruchfragmente des Radius verkürzt und gegeneinander verschoben sind, sodass sie sich teilweise überlappen.
Das distale Fragment des Radius (handgelenksnah) ist nach dorsal (rückwärts) und proximal (körpernah) verschoben
Es kommt zu einer Verkürzung des Unterarms, das Fragment steht wie der Lauf eines Bajonetts über dem Schaft
Die Hand wirkt im Profil abgeknickt, häufig kombiniert mit einer Stufenbildung im Bereich des Handgelenks
Frakturen der unteren Extremität:
Frakturen der unteren Extremität entstehen häufig durch Sturzverletzungen, Verkehrs- oder Sportunfälle. Besonders bei älteren Patient:innen mit Osteoporose treten typische Frakturmuster wie die Oberschenkelhalsfraktur gehäuft auf.
Die nachfolgende Tabelle gibt eine praxisorientierte Übersicht über häufigeFrakturen der unteren Extremität:
Fraktur
Typischer Unfallmechanismus
Erkennungsmerkmale
Besonderheiten
Oberschenkelhalsfraktur
Sturz, v.a. bei älteren Menschen
Verkürztes, außenrotiertes Bein
Bewegungsschmerz
Unfähigkeit zu gehen
Außenrotierte und verkürzte Beinposition, Osteoporose als Risikofaktor
Femurfraktur
Massive Gewalteinwirkung (z.B. Verkehrsunfall, Tritt vom Pferd)
Schwellung
Ggf. Deformation
Starke Schmerzen
Ggf. abnorme Beweglichkeit oder Krepitation
Selten isoliert, Gefahr hoher Blutverluste
Unterschenkelfraktur
Sportverletzungen mit hoher Krafteinwirkung
Schmerz
Schwellung
Achsenabweichung
Ggf. Instabilität beim Tasten oder Bewegen
Tibia/Fibula einzeln oder kombiniert, Risiko Kompartmentsyndrom
Meist bei plötzlicher Drehbewegung des Kniegelenks bei gleichzeitig gebeugtem Bein
Häufige Sportverletzung
Seitlich verschobene Kniescheibe
Schwellung
Bewegungseinschränkung
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Therapie
Merke
Zu den wichtigsten präklinischen Maßnahmen bei Verletzungen der Extremitäten zählen die Blutstillung und die sichere Immobilisation der betroffenen Gliedmaße. Die Blutstillung dient der Vermeidung eines relevanten Blutverlusts und kann in bestimmten Fällen lebensrettend sein. Die Immobilisation stabilisiert die verletzte Struktur, lindert Schmerzen, verhindert Folgeschäden und erleichtert einen schonenden Transport.
Immobilisation
Das Ziel der Immobilisation von Extremitätenverletzungen ist es, durch die Ruhigstellung der betroffenen Körperregion folgende Effekte zu erzielen:
Schmerzreduktion durch Vermeidung von Bewegungen im Frakturbereich
Verhinderung weiterer Gewebeschäden, insbesondere an Gefäßen, Nerven und Muskeln
Vermeidung von Frakturverschiebungen (Dislokationen) oder sekundären Frakturkomplikationen
Reduktion von Blutverlust, vor allem bei offenen oder stark dislozierten Frakturen
Verbesserung des Transports durch sichere und stabile Lagerung
Schutz vor sekundären Verletzungen, etwa durch Bewegung oder unsachgemäße Handhabung
Merke
Grundregeln der Immobilisation von Extremitäten:
Achsengerechte Lagerung: Die Extremität sollte möglichst in physiologischer Längsachse stabilisiert werden, um Fehlstellungen und Folgeschäden zu vermeiden
Schienung unter Zug: Wenn möglich, sollte unter leichtem, konstantem Zug geschient werden. Dies reduziert Schmerzen, Muskelverspannungen und Repositionsverluste
Fixation der angrenzenden Gelenke: Die Ruhigstellung muss immer die gelenknahen Abschnitte oberhalb und unterhalb der Fraktur mit einschließen, um Rotationskräfte zu verhindern
Druckstellen vermeiden: Auf ausreichende Polsterung achten. Harte Schienenmaterialien dürfen nicht direkt auf Knochenvorsprüngen aufliegen (offene Frakturen)
pDMS-Kontrolle vor und nach Schienung: Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität muss stets vor und nach dem Anlegen überprüft und dokumentiert werden
Regelmäßige Reevaluation: Auch nach dem Anlegen der Schiene sind Verlaufskontrollen notwendig, um Schwellung, Schmerzen oder pDMS-Verschlechterungen frühzeitig zu erkennen
Die Auswahl der in der Präklinik mitgeführten Stabilisierungsmaterialien variiert regional erheblich. Im Einsatz befinden sich zahlreiche unterschiedliche kommerzielle Schienungssysteme. Daher ist es wichtig, dass sich alle im Rettungsdienst tätigen Personen mit den in ihrer Region verwendeten Produkten vertraut machen.
Im Folgenden werden einige häufig genutzte Materialien übersichtlich zusammengefasst:
Material
Vorteile
Nachteile
Vakuummatratze
Stabilisierung mehrerer Körperregionen gleichzeitig
Hohe Gesamtstabilität
Zeitintensives Anlegen
Luftkammerschiene
Schneller Einsatz möglich
Zuverlässige Stabilität
Risiko von Weichteilschäden bei Überdruck
Vakuumschiene
Sehr hohe Stabilität
Möglicher Druck auf Fraktur und umliegende Gewebe
Gefahr von Stellungsverlust nach Reposition
Kunststoffsplint
Sehr schnell anzulegen
Geringe Stabilität
Alupolsterschiene
Leichtes Gewicht
Gut anpassbar und formbar
Begrenzte Stabilität
Kann sich leicht verbiegen
Dreiecktuch
Einfach und schnell anzuwenden
Kaum stabilisierend
Nur für Schulter und Arm geeignet
Reposition
Definition
Reposition bezeichnet in der Medizin das Zurückbringen eines fehlgestellten Körperteils in seine anatomisch korrekte Lage. Der Begriff wird vor allem bei Knochenbrüchen (Frakturen), Verrenkungen (Luxationen) und anderen Gelenkfehlstellungen verwendet.
Beispiele:
Bei einer Fraktur: das dislozierte (vershobene) Knochenfragment wird wieder in seine ursprüngliche Ausrichtung gebracht
Bei einer Luxation (z.B. Schulterverrenkung): der ausgekugelte Gelenkkopf wird wieder in die Gelenkpfanne zurückgeführt
Info
Ziele einer Reposition im Rettungsdienst
Schmerzlinderung: durch die anatomische Korrektur kann mechanischer Druck auf Nerven und Gewebe reduziert werden, was zu einer deutlichen Schmerzreduktion führt
Blutungsreduktion: insbesondere venöse Blutungen lassen sich durch die Volumenverringerung im verletzten Areal eindämmen → das reduziert den Blutverlust
Weichteile vor Folgeschäden schützen: eine Reposition verhindert, dass scharfe Frakturenden Muskeln, Gefäße oder Haut weiter verletzen und senkt das Risiko für Infektionen
Durchblutung sicherstellen: Fehlstellungen können Gefäße abdrücken. Durch die Reposition kann die arterielle Versorgung distal der Verletzung wiederhergestellt werden
Neurologische Funktion erhalten oder verbessern: Nerven, die durch Fehlstellungen komprimiert oder überdehnt sind, können durch eine achsengerechte Stellung entlastet werden → Sensibilität und Motorik können sich dadurch normalisieren
Schritt 1 - Untersuchung und Erstbehandlung der betroffenen Extremität:
Kleidung der betroffenen Extremität entfernen: ermöglicht eine vollständige Sicht auf mögliche Verletzungen wie Schwellung, Fehlstellung, Hämatome oder ggf. offene Frakturen
pDMS-Kontrolle durchführen: Beurteilung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität zur frühzeitigen Erkennung von Gefäß- oder Nervenschäden
Ggf. grobe Verunreinigungen vorsichtig entfernen: entfernen von Kleidung, Erde, Ästen oder grobem Schmutz zur Vorbereitung auf eine sterile Versorgung
Ggf. Blutstillung durchführen: Blutungskontrolle nach Stufenschema
Schritt 2 - Aufklärung der erkrankten Person:
Patientenaufklärung vor Durchführung: bei geschäfts- oder einwilligungsfähigen Patient:innen soll eine kurze, verständliche Aufklärung über mögliche Risiken erfolgen
Allgemeine Risiken ansprechen: Information über die geplante Analgosedierung oder Notfallnarkose, mögliche Atemwegssicherung, Kreislaufreaktionen oder allergische Zwischenfälle
Spezifische Risiken der Reposition erklären: Hinweis auf mögliche Komplikationen wie:
Anhaltende oder neue Schmerzen nach dem Eingriff
Verletzungen von Gefäßen oder Nerven durch Manipulation
Weichteilschäden wie Muskel- oder Sehnenverletzungen
Schritt 2 - Teamabsprache und Vorbereitung:
Vor der Durchführung der Maßnahme ist eine klare Kommunikation im Team essenziell, um diese sicher und koordiniert durchzuführen. Folgende Punkte sollen besprochen und vorbereitet werden:
Ort der Maßnahme abstimmen: Entscheidung, ob die Reposition direkt am Einsatzort oder im RTW erfolgt
Aufgabenverteilung festlegen: wer übernimmt welche Funktion (z.B. Atemwegssicherung, Medikamentengabe, Reposition, Monitoring)
Medikamentenauswahl und Dosierung besprechen: Auswahl der Medikamente inkl. geplanter Dosierung im Vorfeld definieren
Monitoring und Material vorbereiten: Überwachung (SpO₂, EKG, RR, ggf. CO2) und benötigte Materialien (z.B. Sauerstoff, Absaugung, Immobilisationsmaterial) vorhalten
Ablauf und Reihenfolge abstimmen: Maßnahmen koordinieren, um einen reibungslosen Ablauf ohne Verzögerungen oder Verwechslungen zu gewährleisten
Schritt 3: Analgesie
Die Reposition stellt ein schmerzhaftes Verfahren dar und erfordert daher zwingend eine suffiziente Analgesie bzw. Analgosedierung, um Patient:innen vor unnötigen Schmerzen und Stress zu schützen
Tipp
Analgosedierung
Eine ausreichende Analgosedierung ist essenziell und muss immer individuell an die Situation und an die erkrankte Person angepasst durchgeführt werden. Die hier aufgeführten Dosierungen stellen eine beispielhafte Auswahl dar.
Esketamin 0-125- + Midazolam 1-
Esketamin+ Propofol
Generell muss dabei auf die örtlichen Gegebenheiten geachtet werden!
Schritt 4 - Durchführung der Reposition:
Nach entsprechender Vorbereitung wird die betroffene Extremität, indem Fall eine Unterschenkelfraktur, reponiert
Eine Person fixiert das proximal gelegene Beinsegment (Oberschenkel)
Die andere Person übt kontrollierten axialen Längszug am distalen Segment (Fuß) aus
Dabei wird die Fraktur durch Zug entlang der Längsachse über die Spannung der umgebenden Bänder wieder ausgerichtet. Unterstützend kann ein gezielter Druck mit der anderen Hand zur manuellen Reposition eingesetzt werden
In einigen Fällen sind zusätzlich Traktion und Flexion erforderlich, um die korrekte Stellung wiederherzustellen
Die folgende Abbildung veranschaulicht den schematischen Ablauf dieses Vorgehens:
Achtung
Was bei der Reposition zählt
Die anatomisch exakteReposition gilt präklinisch nicht als vorrangiges Ziel. Vorrang haben die achsgerichteteundmöglichststabileLagerungderExtremität sowie die Wiederherstellung einer adäquaten lokalen und peripheren Durchblutung
Ein übermäßigerZug auf die Extremität ist zwingend zuvermeiden, da hierdurch Perfusionsstörungen entstehen oder ein erhöhter Gewebedruck in den Muskeln mit der Gefahr eines Kompartmentsyndroms resultieren kann
Misslingt der Repositionsversuch, sollte auf weitere Versuche verzichtet werden. Mögliche Repositionshindernisse wie Weichteileinklemmung oder Knochensplitter können präklinisch nicht sicher erkannt werden
Nach jeder Reposition, auch bei fehlgeschlagenem Versuch, muss umgehend eine erneute Kontrolle der peripheren Durchblutung,Motorik und Sensibilität (pDMS) erfolgen
Achtung
Reposition offene Fraktur
Offene Frakturen werden nicht standardmäßig präklinisch reponiert! Hier werden die herausstehenden Knochenfragmente stattdessen steril abgedeckt, gepolstert und verbunden.
Tipp
Wundversorgung nach der Reposition
Nach der Reposition kann sich insbesondere bei offenen Frakturen das Wundbildverändern. Daher sollte die Wunde imAnschluss erneutbegutachtet und bei Bedarf eine frischeWundversorgungdurchgeführtwerden, um Infektionsrisiken zu minimieren und ggf. freiliegende Strukturen optimal zu schützen.
Schritt 6 - Immobilisation der Extremität
Nach erfolgreicher Reposition erfolgt die achsengerechteImmobilisation der betroffenen Extremität
Anschließend ist die erneuteÜberprüfungderperipherenDurchblutung,Motorik und Sensibilität (pDMS) essenziell → mit besonderem Augenmerk auf eine verbesserte Reperfusion und eine Reduktion der Weichteilspannung
Alle Befunde und Maßnahmen werden sorgfältig im Rettungsdienstprotokoll dokumentiert
Achtung
Um ein Wiederverlagern oder Verdrehen der Fraktur zu verhindern, stabilisiert eine zweite Person die betroffeneExtremitätmitleichtemZug, bis die endgültige Immobilisation sicher angelegt ist.
Tipp
Praxis-Trick
Um während dem Transport in die Klinik eine grobe Orientierung über die arterielle Durchblutung zu haben, kann die PulsoxymetrieamZeh eingesetzt werden.
Sie liefert einen orientierenden Hinweis auf die Perfusion im arteriellen Versorgungsgebiet und erlaubt Rückschlüsse auf die aktuelle pDMS-Situation
Nicht blind darauf verlassen
Messfehler möglich bei:
Kalter oder schlecht durchbluteter Extremität
Bewegung des Patienten
Schlecht sitzendem Sensor
Nagellack oder Schmutz
Starker Vasokonstriktion
Versorgung von Frakturen
Merke
Ziel der präklinischen Versorgung ist die Sicherung der lokalen und peripherenDurchblutung sowie die VermeidungsekundärerGewebeschäden. Jede Extremität mit dem Verdachtauf eine Fraktur sollte noch vor dem Transport adäquatruhiggestellt werden, unabhängig vom Vorliegen einer gesicherten Frakturdiagnose.
Allgemeine Vorgehensweise bei Frakturen:
Blutstillung: bei stark blutenden Extremitätenverletzungen ist eine schnelle Blutstillung entscheidend
Ruhigstellung der betroffenen Extremität: eine frühzeitige Schienung oder Immobilisation verhindert weitere Gewebeschädigungen, lindert Schmerzen und schützt Gefäße und Nerven vor zusätzlicher Belastung
Sterile Wundversorgung: offene Verletzungen sollten möglichst keimarm abgedeckt werden, um das Risiko einer Infektion und weiterer Komplikationen zu reduzieren
Analgesie: eine frühzeitige und adäquate Schmerztherapie reduziert Stress, verbessert die Mitarbeit der Patient:innen und schafft die Voraussetzung für eine schonende Lagerung, Schienung oder Reposition
Anwendung einer Alupolsterschiene bei einer Unterarmfraktur
Offene Frakturen:
Grobe Verunreinigungen entfernen: Fremdkörper (z.B.Kleidungsreste) oberflächlich entfernen, um Infektionsrisiko zu senken
Keine ausgedehnte Wundreinigung: kein Ausspülen oder Manipulieren der Wunde, da so Keime tiefer ins Gewebe eindringen können
Sterile Abdeckung der Wunde: die Wunde keimarm mit steriler Kompresse bedecken, um Infektionen zu verhindern
Blutstillung nach Stufenschema: bei aktiver Blutung Tourniquet oder Druckverband gemäß dem Stufenschema zur Blutstillung anwenden
Weitere Versorgung wie bei geschlossener Fraktur: nach der Wundversorgung erfolgt die Immobilisation und ggf. Reposition nach den gleichen Grundsätzen wie bei einer geschlossenen Fraktur
Tipp
Präklinische Antibiotikagabe
Bei verlängerter Rettungszeit (z.B. Bergrettung) kann eine präklinische Antibiotikatherapie erwogen werden (z.B. Cephalosporin der 2. Generation).
Hüftgelenksnahe Frakturen und distale Femurfraktur:
Schonende Umlagerung: die Umlagerung der erkrankten Person soll schonend, unter ausreichender Analgesie und unter leichtem Längszug am betroffenen Bein erfolgen. Hierzu bietet sich die Verwendung einer Schaufeltrage an
Lagerung in der Vakuummatratze mit leicht gebeugter Hüfte während des Transports: diese Position entspannt die Muskulatur, verbessert den venösen Rückfluss, reduziert Schmerzen und ermöglicht eine effektive Immobilisation der verletzten Extremität durch formstabile Anpassung der Matratze
Bei distalen Femurfrakturen sollte keine Reposition erfolgen, da hierbei die Gefahr einer Gefäßverletzung besteht. Stattdessen ist eine Lagerung in 30–50° Kniebeugung anzustreben, um Schmerzen zu lindern und Folgeschäden zu vermeiden
Grob dislozierte Frakturen:
Wenn möglich Reposition unter Analgesie oder Analgosedierung in Neutralstellung oder in eine Stellung, die der Neutralstellung am nächsten kommt
Anschließend Immobilisation
Luxation von Gelenken
Gelenkluxationen verursachen in der Regel starke Schmerzen. In der präklinischen Versorgung stellt sich deshalb häufig die Frage, ob eine Reposition noch vor Ort erfolgen sollte oder ob der Transport unter ausreichender Analgesie im luxierten Zustand erfolgen kann. Da es hierzu keine klare Leitlinienempfehlung gibt, muss die Entscheidungindividuell getroffen werden. Die Entscheidung ist oft abhängig vom klinischen Zustand der erkrankten Person, den Begleitumständen und der Erfahrung des behandelnden Teams.
Folgende Punkte können die Einschätzung und die Entscheidungsfindung beeinflussen:
pDMS ok: Reposition im Rahmen der präklinischen Versorgung in der Regel nicht erforderlich → Dies gilt besonders deshalb, weil eine begleitende Fraktur oder ein mechanisches Repositionshindernis im Rettungsdienst meist nicht sicher ausgeschlossen werden kann
pDMS nicht ok: Repositionsinnvoll, aber nicht prinzipiell bei allen Luxation erzwingen
Schulter: ob eine luxierte Schulter ohne vorherige radiologische Diagnostik reponiert werden sollte, ist umstritten und wird unterschiedlich gehandhabt. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass nach einem erfolglosen Repositionsversuch zwingend eine Bildgebung erfolgen muss
Hüfte: keine präklinische Reposition
Im Zweifel:Extremität immobilisieren und die erkrankte Person zügig einer Klinik zur weiteren Versorgung zuführen
Merke
Präklinische Reposition notwendig
Luxationen des Sprunggelenks: hier liegt fast immer eine relevanteWeichteilkompression vor, häufig in Kombination mit einer Fraktur. Um eine drohende Schädigung von Haut, Nerven und Gefäßen zu verhindern, muss eine Reposition bereits präklinisch unbedingt erfolgen, idealerweise durch einfachen, vorsichtigen Längszug
Patellaluxation: eine Patellaluxation lässt sich oft bereits durch vollständige Streckung des Beins beheben. Gegebenenfalls kann das Manöver durch sanften seitlichen Druck auf die Patella unterstützt werden
Weitere Maßnahmen
Versorgung von leichten Verletzungen der Gelenke oder Muskeln anhand der PECH-Regel
Überwachung von Vitalparametern
Je nach Unfallmechanismus: Entkleidung von Patient:innen → Ausschluss von Begleitverletzungen
Bedarfsgerechte Analgesie, z.B. mit Esketamin + Midazolam oder Opioiden
Entfernung von Schmuck an der betroffenen Extremität
Tipp
Lagerung von Patient:innen mit Extremitätenverletzungen
Die betroffene Extremität kann je nach Situation hochgelagert werden, um Blutungen zu minimieren, Schwellungen zu reduzieren und die Gewebeschonung zu unterstützen. Bei isolierten Verletzungen kann die Lagerung grundsätzlich nach dem Wunsch der betroffenen Person erfolgen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Schienung und die gewählte Lagerung aufeinander abgestimmt sind, um einen sicheren und schonenden Transport zu gewährleisten.
Isolierte Verletzung der oberen Extremität, z.B. Handgelenksfraktur → Oberkörperhochlagerung
Kreislaufinstabile Patient:innen → Flach- bzw. Schocklagergung
Hüftgelenksnahe Fraktur + distale Femurfraktur → Immobilisation in Vakuummatratze mit leicht gebeugter Hüfte
Verdacht auf Kompartmentsyndrom → Extremität nicht über Herzhöhe lagern
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Besondere Situationen
Kompartmentsyndrom
Defintion
Kompartmentsyndrom
Ein Kompartmentsyndrom entsteht durch eine pathologische Drucksteigerung innerhalb eines geschlossenen osteofaszialen Kompartiments. Dieses Kompartiment ist durch straffe Faszien begrenzt, die nur eine sehr begrenzte Dehnung zulassen.
TypischeAuslöser, im Rahmen eines Extremitätentraumas sind:
Frakturen (insbesondere Tibia- und Unterarmfrakturen)
Traumatische Weichteilverletzungen mit Einblutung
Durch die Einblutung oder das Ödem innerhalb des Kompartiments steigt der intrafasziale Druck über ein kritisches Maß an, wodurch die kapilläre Perfusion des Gewebes eingeschränkt oder vollständig unterbrochen wird.
Querschnitt des rechten Unterschenkels (Ansicht von kaudal)
Info
Was passiert beim Kompartmentsyndrom
Druckanstieg im osteofaszialen Kompartiment: Blut oder interstitielle Flüssigkeit sammelt sich in einem Muskelkompartiment → Faszien lassen kaum Dehnung zu → intrakompartimenteller Druck ↑
Kollaps der Venen: Venen besitzen eine dünne Wandstruktur und kollabieren früh bei Druckerhöhung → venöser Abstrom ist behindert → venöser Rückstau im Kapillarbett
Kapillare Leckage & Ödembildung: durch den venösen Rückstau steigt der Kapillardruck → es kommt zur transsudativen Flüssigkeitsverschiebung ins Interstitium → interstitielles Ödem → Teufelskreis der Druckzunahme.
Reduktion des arteriellen Einstroms: wird der Gewebedruck (Kompartmentdruck) höher als der kapilläre Perfusionsdruck, wird der arterielle Zustrom eingeschränkt → hypoxische Gewebeanspannung.
Ischämische Zellschädigung: durch die anhaltende Ischämie kommt es zur zellulären Hypoxie
Nervenzellen degenerieren nach ca. 2–4 Stunden
Myozyten (Muskelzellen) nekrotisieren nach ca. 6 Stunden
Gefahr der irreversiblen Schädigung mit Kontrakturen, Funktionseinbußen bis hin zur Amputation
Klinische Hinweise:
Klinisch zeigen sich mehrere mögliche Hinweise, die jedoch nicht beweisend für das Vorliegen eines Kompartmentsyndroms sind. Dazu zählen:
Starke Schmerzen, insbesondere bei passiver Dehnung des betroffenen Muskels
Ausgeprägte Schwellung der Muskulatur
Sensibilitätsstörungen im Bereich der betroffenen Dermatomsegmente
Merke
Ein Kompartmentsyndrom bleibt damit eine klinische Verdachtsdiagnose, die bei entsprechenden Symptomen dringlich weiter abgeklärt werden muss.
Therapie
Extremität nicht über Herzniveau lagern
Auf eine Kühlung sollte verzichtet werden, da sie durch Vasokonstriktion die Muskeldurchblutung weiter reduzieren kann
Zügiger Transport → endgültige Diagnosestellung und Therapienur in der Klinik möglich
Die operative Behandlung erfolgt notfallmäßig durch eine Dermatofasziotomie, bei der alle Kompartimente der betroffenen Extremität entlastet werden
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Weitere Therapie im klinischen Setting
Versorgung in der Notaufnahme
In dieser Notlage kann es helfen, sich mental auf die nächsten Schritte vorzubereiten. Dafür ist es ratsam, schon auf der Fahrt zum Krankenhaus zu erklären, wie das weitere Procedere im Krankenhaus aussieht und worauf die Person sich potenziell einstellen muss.
Achtung
Da die Therapie je nach aufnehmendem Krankenhaus und Behandler:in variieren kann, empfiehlt es sich nicht, einen bestimmten Behandlungsweg detailliert zu beschreiben. Eine grobe Skizzierung des weiteren Behandlungspfades reicht völlig aus, um Unsicherheiten zu minimieren. Die weiteren Informationen dienen ausschließlich eurer Information als Fachpersonal!
Versorgung im Schockraum:
Info
Anmeldekriterien für eine Schockraum-Alarmierung
Die Alarmierung eines Schockraums hängt von vielen Faktoren ab. Bei folgendenBefunden im Rahmen eines Extremitätentraumas und / oderUnfallmechanismen soll eine Schockraum-Alarmierungzwingenderfolgen:
Amputationsverletzung proximal der Hände / Füße
Sensomotorisches Defizit nach Extremitätenverletzung
Frakturen von 2 oder mehr proximalen großen Röhrenknochen
Kompartmentsyndrom
Anlage Tourniquet
Sturz aus großer Höhe
Hochrasanztrauma, z.B. Verkehrsunfall >100 km/h
Wird ein:e Patient:in vom Rettungsteam als kritisch eingestuft, kann eine Schockraumalarmierung auch dann erfolgen, wenn die formalen Kriterien nicht erfüllt sind. Auch logistische Faktoren, die die Versorgung erleichtern, tragen zu der Entscheidung bei.
Nach der Übergabe durch den Rettungsdienst im Schockraum erfolgt eine strukturierte Weiterversorgung und Reevaluation der betroffenen Extremität unter optimalen Bedingungen, inklusive vollständiger Inspektion, palpatorischer Untersuchung, ggf. Bildgebung und Entscheidung über das weitere therapeutische Vorgehen.
Im Rahmen der Erstuntersuchung muss eine mögliche Störung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) erkannt oder ausgeschlossen werden
Ebenso ist auf Hinweise für ein drohendes Kompartmentsyndrom zu achten und dies zu behandeln
Tipp
Die neurologische Beurteilung aller Extremitäten ist nur bei wachen Patient:innen zuverlässig möglich. Ist dies nicht der Fall, sollte mindestens der Reflexstatus überprüft werden, um grobe neurologische Ausfälle erfassen zu können.
Bei Vorliegen sicherer oder unsicherer Frakturzeichen wird, abhängig vom Allgemeinzustand der Patient:innen, eine radiologische Abklärung mittels geeignetem Bildgebungsverfahren erfolgen.
Hierzu zählen in der Regel ein konventionelles Röntgen in zwei Ebenen oder, bei Bedarf, eine Computertomografie (CT).
Weitere Versorgung in der Klinik
Nach Abschluss der Diagnostik erfolgt, abhängig von Art und Schwere der Verletzung sowie patientenbezogenen Faktoren (z.B. Alter, Alltagsanforderungen, sportlicher Anspruch) die Entscheidung für ein konservatives Vorgehen mit Analgesie, temporärer Ruhigstellung und ggf. anschließender Physiotherapie, oder für eine operative Versorgung.
Operative Therapie von Frakturen:
Die operative Therapie von Frakturen richtet sich nach Art, Lokalisation und Schwere der Verletzung sowie dem Zustand der Patient:innen. Ziel ist die anatomische Reposition, stabile Fixierung und frühzeitige Wiederherstellung der Funktion.
Zu den gängigsten Osteosyntheseverfahren (Zusammenfügen der Knochen) gehören die:
Schraubenosteosynthese
Plattenosteosynthese
Nagelosteosynthese
Drahtosteosynthese
Fixateur externe
Schraubenosteosynthese:
Die Schraubenosteosynthese wird häufig in Kombination mit anderen Osteosyntheseverfahren wie beispielsweise der Plattenosteosynthese angewandt. Alleine kommen Schrauben vor allem bei Frakturen am Innenknöchel, den Handwurzelknochen, dem Handgelenk und bei Abrissfrakturen zum Einsatz.
Plattenosteosynthese:
Die Plattenosteosynthese ist eine weit verbreitete Art der Osteosynthese und wird zum Beispiel bei distalen Radiusfrakturen, Frakturen des proximalen Humerus bzw. Femurund bei Humerusschaftfrakturen eingesetzt. Außerdem ist sie bei periprothetischen Frakturenzur sekundären Stabilisierung häufig Mittel der Wahl. Durch Überbrückung des Frakturspalts mit einer Platte und Verschraubung mit den jeweiligen Frakturanteilen wird der Bruch stabilisiert.
Nagelosteosynthese:
Die (Mark-) Nagelosteosynthese wird vor allem bei den großen Röhrenknochen Femur,Tibia und Humerus eingesetzt. Durch das Eintreiben eines Metallstifts in den Markraum (Knochenmark) führt der Nagel zu einer internen Stabilisierung von Frakturen im Schaft- oder Metaphysen-Bereich. Damit auch eine Rotationsstabilität gewährleistet wird, werden zusätzlich quer verlaufende Verriegelungsbolzen durch den Knochen und Nagel verschraubt.
Drahtosteosynthese:
Die häufigste Form der Drahtosteosynthese ist die Bohr-Draht- oder K-Draht bzw. Kirschner-Draht-Osteosynthese. Die von Dr. Kirschner entwickelten Edelstahlstifte sind auf einer Seite geschärft und ermöglichen durch perkutane Bohrung eine minimalinvasive Methode, Knochenabschnitte miteinander zu verbinden oder als Anker für die Traktion von Knochen zu dienen.
Bei kleinen Fragmenten und besonders im Bereich des Handgelenks, der Hand und des Ellenbogens werden sie als definitive Osteosynthese verwendet. Teilweise dient die Methode auch als vorübergehende Fixierung beispielsweise zur Stabilisierung von Fragmenten bis zur fertigen Verschraubung mittels Plattenosteosynthese.
Auch dienen K-Drähte als Anker für Zuggurtungsosteosynthesen wie beispielsweise bei Olekranonfrakturen am Ellenbogen.
Fixateur externe:
Ein Fixateur externe ist eine weichteilschonende Osteosynthesemethode und dient als minimalinvasives Haltesystem vor allem zur vorübergehenden Frakturstabilisierung bei deutlich beeinträchtigter Weichteilsituation (z.B. Polytraumata oder offene Frakturen) vor der im Verlauf sekundären definitiven Versorgung nach Weichteilkonsolidierung. Dabei werden sogenannte Schanzschrauben perkutan in die Fragmente geschraubt, diese über die Schrauben reponiert und die Schrauben extern über Backen und Kraftträger stabilisiert. Man unterscheidet klassische externe Fixateure mit Gleitstangen als Kraftträger von Ringfixateuren mit kreisförmigen Kraftträgern, sowie Hybridsystemen. Dabei kann ein Ringfixateur im Spezialfall auch zur Knochen-längengewinnung durch Kallusdistraktion (Ilizarov-Fixateur) verwendet werden.
Weitere Therapie auf der Station
Klinische Überwachung:
Regelmäßige Kontrolle von peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) der betroffenen Extremität
Überwachung auf Nachblutung, Schwellungszunahme oder Anzeichen eines Kompartmentsyndroms
Kontrolle von Vitalparametern, v. a. bei größeren Verletzungen oder Operationen
Schmerztherapie:
Gabe von analgetischer Medikation nach festem Schema oder bei Bedarf
Ggf. Regionalanästhesieverfahren oder patientenkontrollierte Analgesie
Lagerung und Mobilisation:
Hochlagerung der betroffenen Extremität zur Ödemprophylaxe
Entlastungslagerung bei operativ versorgten Frakturen
Frühzeitige mobilisierende Physiotherapie, angepasst an den Heilungsverlauf
Wund- und Verbandkontrolle:
Regelmäßige Verbandwechsel nach ärztlicher Anordnung
Kontrolle auf Zeichen von Infektion (Rötung, Überwärmung, Sekret, Geruch)
Bei offenen Frakturen ggf. weitere Wundspülungen oder Revisionen
Überprüfung des postoperativen Repositionsergebnisses
Verlaufskontrollen je nach Frakturtyp und Stabilisierungsmethode
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Transport
Die Wahl des Zielkrankenhauses ist abhängig vom individuellen Fall und richtet sich nach der Schwere des Extremitätentraumas, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Idealerweise sollte der Transport in ein geeignetes Traumazentrum erfolgen.
Es sollte auf freie Atemwege geachtet werden und eine ständige Überwachung der Vitalparameter erfolgen. Bei instabiler Kreislaufsituation sollte der Transport unter kontinuierlicher Kreislaufüberwachung und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung erfolgen.
Während des Transports ist auf Veränderungen der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) der betroffenen Extremität zu achten. Jede Verschlechterung kann auf eine Komplikation wie eine Gefäßverletzung oder ein drohendes Kompartmentsyndrom hinweisen.
Erfolgt der TransportunterBeatmung, müssen die Beatmungseinstellungen gründlich überwacht und auf den jeweiligen Patient:innenzustand angepasst werden.
Merke
Zusammenfassung Transport
Zielkrankenhaus abhängig von der Schwere des Extremitätentraumas
Idealerweise in ein geeignetes Traumazentrum
Isolierte Extremitätenverletzung → geeignetes Krankenhaus mit unfallchirurgischer Abteilung
Bei speziellen Verletzungen, z.B. handchirurgische Expertise erforderlich → bei weiten Transportwegen: RTH-Transport erwägen
Immobilisation
Bei Bedarf → Schockraum
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Prüfungswissen
Definition:
Definition
Extremitätentrauma
Ein Extremitätentrauma bezeichnet eine Verletzung einer oberen oder unteren Extremität infolge einer äußeren Gewalteinwirkung, etwa durch Sturz, Quetschung oder direkte Krafteinwirkung. Dabei kann es zu Frakturen, Gefäßverletzungen mit gestörter Durchblutung sowie zu Weichteilschäden wie Muskel-, Sehnen-, Nerven- oder Hautverletzungen kommen. Je nach Schweregrad der Verletzung können auch mehrere Strukturen gleichzeitig betroffen sein.
Ursachen:
Merke
Extremitätentraumata entstehen infolge direkter oder indirekter Krafteinwirkung auf Arme oder Beine und treten entweder als isolierte Verletzungen oder im Rahmen eines Polytraumas mit Beteiligung weiterer Körperregionen auf.
Die Mechanismen, die zu Verletzungen der Extremitäten führen, sind vielgestaltig und hängen oft vom Unfallhergang sowie dem Krafteintrag ab. Zu den häufigstenUrsachen zählen:
Verkehrsunfälle
Stürze
Arbeitsunfälle
Körperliche Gewalt
Pathophysiologie:
Ein Extremitätentrauma entsteht durch direkte oder indirekte Gewalt auf Arme oder Beine, z.B. bei Verkehrsunfällen, Stürzen oder Sportunfällen. Dadurch kommt es zur Schädigung verschiedener Gewebestrukturen:
Knochen → Fraktur
Gelenke → Luxationen, Bandverletzungen
Weichteile → Schädigung von Muskeln, Sehnen, Faszien, Haut
Nerven → Kontusion, Dehnung, Kompression oder Durchtrennung
Gefäße → Blutung, Ischämie
Frakturblutungen können bereits bei geschlossenen Verletzungen zu erheblichem Blutverlust führen. Das Risiko steigt bei offenen Frakturen, da hier zusätzliche äußere Blutverluste und eine größere Schädigung der Weichteile vorliegen → Frakturen großer Knochen, insbesondere bei offenen Frakturen bergen eine erhebliche Gefahr für einen hämorrhagischen Schock
Peripheren Durchblutungs-, Motorik- und Sensibilitätsstörungen
Klinischer Eindruck:
Lokale Schmerzen an der betroffenen Extremität
Funktionseinschränkungen
Schwellung
Hämatom
Blutung
Prellmarken
Verkürzung oder Rotation von Gliedmaßen (z.B. bei Femur- oder Hüftfrakturen)
Hinweise auf Luxationen, z.B. abgesenkte Schulter
Sichere Frakturzeichen:
Abnorme Beweglichkeit der Extremität
Achsenfehlstellung oder Deformität
Krepitation (Knochenreiben)
Sichtbare Knochenfragmente bei offener Fraktur
Diagnostik:
Merke
Untersuchung der Extremitäten bei Trauma:
Bei der Untersuchung der Extremitäten müssen periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) systematisch geprüft und dokumentiert werden
Hierzu gehört auch die Erhebung des peripheren Pulsstatus, an möglichen Punkten:
Obere Extremität:Puls an der A. brachialis und A. radialis tasten
Untere Extremität:Puls an der A. femoralis, A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior
Die Gelenke sind im Seitenvergleich auf Beweglichkeit, Schwellung, offene Wunden, Prellmarken und Abschürfungen zu untersuchen
Besonders geachtet werden sollte auf sichere Frakturzeichen wie:
Abnorme Beweglichkeit der Extremität
Achsenfehlstellung oder Deformität
Krepitation
sichtbare Knochenfragmente
Zusätzlich ist nach Hinweisen auf Gefäßverletzungen oder ein mögliches Kompartmentsyndrom zu suchen
Therapie:
Blutstillung nach Stufenschema
Angepasste Immobilisation nach Verletzungsmuster
Bei Bedarf Reposition durchführen → Ziele + Indikation beachten
Bedarfsgerechte Analgesie, z.B. mit Esketamin + Midazolam oder Opioiden
Entfernung von Schmuck an der betroffenen Extremität
Versorgung von leichten Verletzungen der Gelenke oder Muskeln anhand der PECH-Regel
Besondere Situation:
Definition
Kompartmentsyndrom
Ein Kompartmentsyndrom entsteht durch eine pathologische Drucksteigerung innerhalb eines geschlossenen osteofaszialen Kompartiments. Dieses Kompartiment ist durch straffe Faszien begrenzt, die nur eine sehr begrenzte Dehnung zulassen.
Typische Auslöser, im Rahmen eines Extremitätentraumas sind:
Frakturen (insbesondere Tibia- und Unterarmfrakturen)
Traumatische Weichteilverletzungen mit Einblutung
Durch die Einblutung oder das Ödem innerhalb des Kompartiments steigt der intrafasziale Druck über ein kritisches Maß an, wodurch die kapilläre Perfusion des Gewebes eingeschränkt oder vollständig unterbrochen wird.
Weitere Therapie im klinischen Setting:
Schockraumversorgung, hier vor allem:
Im Rahmen der Erstuntersuchung muss eine mögliche Störung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) erkannt oder ausgeschlossen werden
Ebenso ist auf Hinweise für ein drohendes Kompartmentsyndrom zu achten und dies zu behandeln
Nach Abschluss der Diagnostik erfolgt, abhängig von Art und Schwere der Verletzung sowie patientenbezogenen Faktoren (z.B. Alter, Alltagsanforderungen, sportlicher Anspruch) die Entscheidung für ein konservatives Vorgehen mit Analgesie, temporärer Ruhigstellung und ggf. anschließender Physiotherapie, oder für eine operative Versorgung
Operative Versorgung von Frakturen mittels ausgewähltem Osteosyntheseverfahren
Nachsorge auf Station
Transport:
Zielkrankenhaus abhängig von der Schwere des Extremitätentraumas
Idealerweise in ein geeignetes Traumazentrum
Isolierte Extremitätenverletzung → geeignetes Krankenhaus mit unfallchirurgischer Abteilung
Bei speziellen Verletzungen, z.B. handchirurgische Expertise erforderlich → bei weiten Transportwegen: RTH-Transport erwägen
Immobilisation
Bei Bedarf → Schockraum
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