Zusammenfassung
Frakturen der Hand umfassen eine Vielzahl von Verletzungen, die sowohl die Knochen der Finger als auch der Handwurzel betreffen können. Besonders häufig sind hierbei Kahnbeinfrakturen (AO 761) und Mittelhandfrakturen (AO 71-75). Das Kahnbein (Os scaphoideum) ist ein Handwurzelknochen, der sich zwischen dem Radius
Kahnbeinfrakturen
Die Kahnbeinfrakturen (Frakturen des Os scaphoideum) entstehen fast immer durch einen Sturz auf das dorsalextendierte (überstreckte) Handgelenk
Die Durchblutung des proximalen und mittleren Anteils erfolgt über den dorsalen Kahnbeinast der A. radialis
AchtungAufgrund der Blutversorgung nimmt die Heilung von distal nach proximal ab und die Pseudarthrose-Rate zu!
Klassifikation nach Krimmer
Diagnostik
Klinisch imponieren neben einem bewegungsschmerzhaften radialseitigen Handgelenk
AchtungScaphoidfrakturen sind im Handgelenk
-Röntgenbild meist schwer zu erkennen, werden daher häufig initial übersehen und erst beim Auftreten von Komplikationen entdeckt und behandelt.

Therapie
Die Therapie erfolgt abgeleitet von der Krimmer-Klassifikation:
- A1-Fraktur: konservativ mittels Unterarmgipsschiene (Böhler-Gips mit Daumeneinschluss) für 4 Wochen, Vollbelastung nach 8 Wochen, Röntgenkontrollen z.B. nach 1,2 und 4 Wochen.
- A2-Fraktur: konservativ mittels Unterarmgipsschiene (15-20° Dorsal-extension des Handgelenks mit Daumeneinschluss = Böhler-Gips) für 6-8 Wochen und Vollbelastung nach 10-12 Wochen (Röntgenkontrollen z.B. nach 1,2 und 6 Wochen) oder Schraubenosteosynthese
(Herbertschraube schnellere Belastbarkeit) mit Frühfunktioneller Behandlung ohne Belastung in den ersten 6 Wochen - Typ-B-Frakturen
: wenn disloziert offene Reposition und Schraubenosteosynthese (Herbertschraube), sonst perkutane Schraubenosteosynthese (Herbertschraube) möglich, postoperativ: - B1-Fraktur: 4 Wochen Ruhigstellung und 4 Wochen funktionelle Behandlung ohne Belastung
- B2-Fraktur: 4 Wochen Ruhigstellung und 4 Wochen funktionelle Behandlung ohne Belastung
- B3-Fraktur: 6 Wochen Ruhigstellung und 4 Wochen funktionelle Behandlung ohne Belastung
InfoDadurch, dass das hintere Gewinde enger ist als das vordere, wirkt die Schraube zum Ende des Vorschiebens als Zugschraube und zieht die Fragmente zueinander.

Mittelhandfrakturen
Mit einem Anteil von 20-30% aller Frakturen der Hand sind MHK-Frakturen (Mittelhandknochen-Frakturen) häufig. Sie entstehen meist durch ein direktes Trauma, beispielsweise als Sportverletzung durch einen Sturz (Schräg- oder Querfrakturen), durch axiale Kraftübertragung bei einem Faustschlag (subkapitale Fraktur) oder bei Rotationstrauma mit der Folge einer Spiralfraktur. Besonders relevant ist die Komplikation eines „Rotationsfehlers“, da beim Übersehen und der Heilung in falscher Position eine massive Funktionseinschränkung der Hand die Folge sein kann. Im Bereich der Daumenbasis (MHK 1) gibt es besondere Frakturen, die durch den Zug des M. abductor pollicis longus ein erhöhtes Dislokationsrisiko aufweisen.
Dieser Abschnitt befasst sich zunächst generell mit der Verletzung der Mittelhandknochenreihe (MHK-Kopf- / Hals- / Schaft- und Basisfrakturen) sowie mit folgenden speziellen Frakturen der Mittelhand:
- Boxer-Frakturen (Subkapitale MHK-5-Frakturen)
- MHK-1-Basisfrakturen (Winterstein-, Bennet-, Rolandofrakturen)
Klassifikation
Zwar lassen sich MHK-Frakturen nach der AO-Klassifikation
Diagnostik
Besonders wichtig ist eine zielgerichtete klinische Untersuchung der betroffenen Hand. Führend zeigt sich am ehesten eine druckschmerzhafte Handrückenschwellung mit mehr oder weniger stark ausgeprägt schmerzhaftem Funktionsverlust bei Beugung oder Streckung. Wenn möglich, sollte ein Rotationsfehler ausgeschlossen werden, dieser macht sich besonders bei Beugung und Streckung durch eine Abweichung der Nagelbettebene oder eine Verkürzung des Strahls (im Seitenvergleich) bemerkbar. Untersuchungen auf Weichteilschäden, sowie die Beurteilung der Motorik, Durchblutung und Sensibilität dürfen nicht unterlassen werden.
Anschließend sollte eine bildgebende Diagnostik folgen, abhängig von der Lokalisation und dem Verdacht auf eine oder mehrere MHK-Frakturen sollten Röntgenbilder der einzelnen Strahlen der Hand oder der gesamten Mittelhand in 3 Ebenen (p.a., schräg, seitlich) angefertigt werden. Eher selten und besonders bei gelenknahen oder mehrfragmentären Frakturen kann zur genaueren Beurteilbarkeit eine ergänzende CT-Untersuchung sinnvoll sein.
TippTrotz langer Sichtbarkeit der Fraktur im Röntgenbild ist der Kallus meist nach ca. 3 Wochen stabil, sodass der Druckschmerz das bessere Beurteilungskriterium des Frakturverlaufs darstellt


Therapie
Ziel der Therapie ist die Wiederherstellung der Funktionalität und vor allem der Faustschluss- und Greiffunktion.
Therapie der MHK-Kopffrakturen
- Durch die Gelenknähe meist Dislokations- / Luxations-Gefahr, diagnostisch daher meist durch CT-Untersuchung besser dargestellt
- Meist operativ (bei Rotationsfehler, Dislokation
von Fragmenten mit Ansatz der Kapsel / Bänder) durch Draht- / Schrauben- / Plattenosteosynthese - Wenn nicht disloziert, ggf. konservativ zum Beispiel mittels Intrinsic-Plus-Schiene (bei MHK II-V ohne Daumeneinschluss) für ca. 3 Wochen bzw. bis kein Druckschmerz im Frakturgebiet mehr vorhanden ist, anschließend funktionelle Nachbehandlung ohne Belastung und Belastungsaufbau ab der 5. Woche

Therapie der subkapitalen HMK-Frakturen (MHK-Halsfrakturen)
- Operative Therapie (Rotationsfehler, Verkippung nach palmar von 30° bei MHK IV und V, sowie 15° bei MHK II und III) mittels antegrader Markraumschienung (Gebogene stumpfe K-Drähte, ähnlich einer ESIN-Schienung am kindlichen Unterarm) oder seltener Schrauben- / Plattenosteosynthese
→ ggf. plus Mittelhandbrace bis zur 3. Woche - Nicht dislozierte Frakturen ohne Rotationsfehler und nur geringer Verkippung können analog zu den MHK-Kopffrakturen konservativ versorgt werden

Therapie der MHK-Schaft- / Basisfrakturen (Basis der MHK 2-5 Frakturen):
- Nicht dislozierte nicht verkürzte Schaftfrakturen ohne Rotationsfehler oder Gelenkbeteiligung (insbesondere MHK 3 und 4 durch stabilisierenden Palisadeneffekt der MHK 2 und 5) und nicht dislozierte Basisfrakturen ohne (Sub-) Luxation können konservativ zunächst in der Intrinsic-Plus-Gipsschiene und nach Weichteilkonsolidierung im Mittelhandbrace mit Freigabe der Grundgelenke und des Handgelenks erfolgen.
- Bei Dislokation
, Rotationsfehler und Verkürzung, sowie eher bei Schaftfrakturen des MHK 2 und 5, sowie (Sub-) Luxation von Basisfrakturen kommen operative Verfahren wie die Platten- oder seltener die Draht- / Zugschraubenosteosynthese infrage (Ruhigstellung in der Gipsschiene bis zur Weichteilkonsolidierung, frühfunktionelle Nachbehandlung)


Therapie der MHK-1-Basisfrakturen: Im Vordergrund steht der Erhalt beziehungsweise die Rekonstruktion der Gelenkfläche zum Funktionserhalt des Daumens. Fast immer sollte vor der Therapie eine CT-Untersuchung ergänzt werden, um die Gelenkbeteiligung zu konkretisieren und das operative Verfahren festzulegen. Fast immer disloziert, daher wird vorwiegend operativ therapiert.
- Bennet-Fraktur: am ehesten offene Reposition + Schraubenosteosynthese
über einen radiopalmaren Zugang, alternativ geschlossene Reposition und K-Drahtosteosynthese (Drahtentfernung nach 5-6 Wochen) - Rolando-Fraktur: offene Reposition mittels Draht-, Schrauben- oder Plattenosteosynthese
, ggf. geschlossene Reposition unter axialem Zug mit K-Drahtosteosynthese , ggf. Defektauffüllung mit Spongiosa - Winterstein-Fraktur: meistens geschlossene Reposition durch axialen Zug möglich, anschließend Stabilisierung durch K-Drahtosteosynthese
(bei Instabilität evtl. Transfixation an MHK-2), seltener bei deutlicher Instabilität offene Reposition mit Plattenosteosynthese

