Zusammenfassung
Die Geburt
Allgemein
Die Vorbereitung auf diesen speziellen Notfall umfasst drei Aspekte:
- Die Transportentscheidung
- Die Vorbereitung der benötigten Einsatzkräfte, der medizinischen Ausstattung und der Gebärenden
- Die Organisation einer Transportmöglichkeit
MerkeDie Entscheidung für oder gegen eine außerklinische Geburt
muss sorgfältig getroffen werden. In bestimmten Fällen ist von einer Hausgeburt abzuraten und stattdessen der Transport in eine Klinik vorzuziehen.
Transportentscheidung
Abhängig von der Wehenform:
Transport möglich bei: | Transport nicht mehr möglich bei: |
|
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Transportentscheidung bei Eröffnungswehen:
- Wehenabstand: Transport bei Wehenabständen von 10 Minuten möglich, aber nicht bei 2-3 Minuten
- Vorgeschichte der Mutter: Eine Frau, die bereits mehrere Kinder geboren hat, durchläuft die verschiedenen Phasen der Geburt
oft schneller als eine Erstgebärende. Handelt es sich also bereits um die vierte Schwangerschaft, ist ein Transport in der Eröffnungsperiode risikoreicher als bei der ersten Schwangerschaft. Allerdings kann die Patientin oft selbst gut einschätzen, wie weit der Geburtsvorgang fortgeschritten ist und in die strategische Planung einbezogen werden - Vorgeschichte des Fötus: Für eine komplikationslose Geburt
ist unter anderem die Lage des Kindes wichtig. Liegt das Kind in Beckenendlage , ist eine Geburt im Krankenhaus oder ein Notfallkaiserschnitt deutlich sicherer als eine Hausgeburt. Die Kindslage kann von erfahrenen Untersucher:innen auch ohne Ultraschall festgestellt werden, wird aber auch bei den vorgeburtlichen Untersuchungen im Gravidogramm festgehalten, welches sich im Mutterpass befindet
AchtungKein Transport bei:
- Kurzem Wehenabstand (< 2 min, individuell unterschiedlich)
- Starkem Pressdrang der Gebärenden
- Sichtbarem Kopf zwischen den Vulvalippen
- Klaffendem Anus
Informationen aus dem Mutterpass :
- Der Mutterpass
enthält viele wichtige Informationen über das ungeborene Kind und die Vorerkrankungen der Mutter. Im Gravidogramm findet sich zum Beispiel die Lage des Kindes bei den letzten Untersuchungen - Ist hier in der letzten Schwangerschaftswoche
mehrfach die Abkürzung SL (für Schädellage) vermerkt, ist eine Hausgeburt eher in Betracht zu ziehen als bei häufig wechselnden Lagen, einer Beckenendlage (BEL) oder einer Querlage (QL). Eine geübte untersuchende Person kann die Kindslage auch mittels Ultraschall vor Ort bestätigen oder die Leopold-Handgriffe anwenden
AchtungKeine Hausgeburt bei:
- Bekannte Beckenendlage
- Querlage
- Plazenta praevia
- Vor der 36. Schwangerschaftswoche
- Nabelschnurvorfall
- Starken Blutungen
→ Sofortiger Transport
Entfernung zu einer geburtshilflichen Klinik
- Vor allem in ländlichen Regionen werden immer mehr geburtshilfliche Abteilungen in Krankenhäusern geschlossen. Dies kann zu langen Transportwegen zum nächsten Kreißsaal führen. Ist mit einer längeren Transportzeit zu rechnen, kann es sinnvoll sein, die Geburt
in einer sicheren Umgebung, z.B. zu Hause, durchzuführen
TippZur regelmäßigen Kontrolle des aktuellen Gesundheitszustandes sollten die Vitalparameter der Gebärenden abgeleitet werden.
AchtungVaginale Untersuchung in der Präklinik
Die vaginale Untersuchung ist in der Präklinik umstritten: Zum einen ist das präklinische Personal oft nicht ausreichend geschult, um eine adäquate Aussage treffen und entsprechende Maßnahmen ableiten zu können. Zum anderen können Mutter und Kind durch unsichere oder falsche Untersuchungsmethoden geschädigt werden. Schließlich ist zu bedenken, dass diese Situation für die Gebärende extrem belastend sein kann. Die Einwilligung zu jeder Untersuchung sollte eingeholt und mit der Patientin besprochen werden, insbesondere bei invasiveren Maßnahmen wie vaginalen Untersuchungen.
Ist jedoch bereits bei der einfachen Inspektion der Vulva der kindliche Kopf sichtbar oder der Anus nach außen geweitet, sollte kein Transport erfolgen und die Geburt
vor Ort durchgeführt werden.
Vorbereitung
Vorbereitung der benötigten Einsatzkräfte
Viele Geburten
TippZur Behandlung eines potenziellen Notfalls sollte notärztliches Personal hinzugezogen werden. Wenn möglich, können auch Hebammen oder Geburtshelfer:innen hinzugezogen werden, die die Gebärende schon vor der Geburt
ambulant betreut haben.
Vorbereitung spezieller medizinischer Ausstattung
Der genaue Ablauf der präklinischen Geburtsbegleitung wird im Folgenden näher erläutert. Es folgt eine einfache Checkliste mit den wichtigsten Materialien, die vorbereitet werden müssen:
- Set zum Abnabeln (mindestens 2 Klemmen und eine Schere)
- Absaugpumpe mit niedriger Saugstärke (z.B. Oro-Sauger)
- Kompressen
- Handtücher und Decken (alternativ eine Silberwindel)
- Kinderkoffer (ausgestattet für verschiedene Notfälle, Diagnostik und Wärmeerhalt)
Vorbereitung der Gebärenden
Die werdende Mutter befindet sich bei der Geburt
Die Patientin kann mitentscheiden, in welcher Position sie die Geburt
Für den Notfall kann der Mutter ein großlumiger, intravenöser Zugang gelegt werden. Außerdem kann auch ein Monitoring durchgeführt werden. Bei fehlender Compliance
Organisation der Transportmöglichkeit
Insbesondere nach einer Geburt
Auch der Einsatz eines Baby-Notarztwagens (Baby-NAW) sollte diskutiert werden. Dieses Transportmittel zeichnet sich durch verschiedene nützliche Komponenten aus:
- Inkubator und weitere medizinische Ausrüstung für Neugeborene
- Rettungsdienstbesatzung (in der Regel zwei Rettungsdienstmitarbeiter:innen)
- Neonatologische:r Intensivpfleger:in
- Ärzt:in mit Erfahrung in der neonatologischen Versorgung
Das Fahrzeug muss über die Leitstellen des Rettungsdienstes alarmiert werden.
Es ist jedoch zu beachten, dass nicht in jeder Stadt ein Baby-Notarztwagen vorgehalten wird.
InfoCheckliste: Geburts-Vorbereitung
Hilfestellung unter der Geburt
Insbesondere die Austrittsperiode
Info„10-für-10”-Prinzip
Beim 10-für-10-Prinzip nimmt man sich als Team 10 Sekunden Zeit, um die
nächsten 10 Minuten zu planen und gemeinsam zu besprechen, wo der Schwerpunkt liegen soll und wer für welche Tätigkeit zuständig ist. So kennt jeder seinen Arbeitsauftrag und alle Informationen sind transparent und für alle zugänglich.
Der Geburtsrhythmus wird von der Gebärenden bestimmt, indem sie ihrem Pressdrang folgt. Das „Anleiten“ zum Pressen hat keine nachgewiesenen Vorteile und wird nur empfohlen, wenn die Gebärende es wünscht oder wenn das Pressen unwirksam ist. Ermutigende Worte können der Gebärenden sowohl während der Wehen als auch in den Wehenpausen helfen.
Gebärposition
Die Gebärposition kann von der Gebärenden mitbestimmt werden. Hier einige Tipps zu den verschiedenen Positionen:
- Rückenlage:
In dieser Position ist das Becken der Mutter nicht sehr weit geöffnet und der Geburtskanal entsprechend eingeengt. Um das Becken möglichst weit zu öffnen, kann die Gebärende angeleitet werden, die Knie gebeugt weit nach oben in Richtung der Ohren zu ziehen. Wird in dieser Position zusätzlich das Kinn in Richtung Brust gedrückt, wird die Bauchpresse besonders gut ausgenutzt - Seitenlage:
Wenn die Gebärende in Seitenlage gebären möchte, sollte sie sich auf die linke Seite legen, um eine Kompression der Vena cava inferiorzu vermeiden. Eine solche Kompression kann während der Geburt verstärkt auftreten und den Kreislauf der Gebärenden beeinträchtigen - Hocken/Stehen:
Es kann hilfreich sein, der Gebärenden eine sichere Möglichkeit zum Festhalten zu bieten. Außerdem sollte immer darauf geachtet werden, dass die Patientin sich nicht durch eine unachtsame Bewegung, z.B. nach hinten oder vorne, verletzen kann
TippIn jedem Fall ist es sinnvoll, bei der Gebärenden einen intravenösen Zugang zu legen. Über diesen kann im Notfall eine medikamentöse Intervention erfolgen. Bis dahin ist es ratsam, den Zugang mit einer kristalloiden Infusionslösung offenzuhalten.
Dammschutz
Durch den hohen Druck, mit dem das Kind durch den Geburtskanal gepresst wird, kann es zu einem Dammriss
Klinisch gibt es u.a. drei gängige Möglichkeiten, mit diesem Problem umzugehen:
- Hands-On-Technik
- Hands-Off-Technik
- Dammschnitt (Episiotomie)
Hands-On-Technik

Sciencia58, CC0, via Wikimedia Commons
- Bei der Hands-On-Technik wird die dominante Hand der untersuchenden Person mit einer (warmen) Kompresse gegen den Damm der Gebärenden gedrückt
- Zusätzlich zum Druck gegen den Damm kann dieser auch leicht nach medial komprimiert werden
- Die andere Hand führt den kindlichen Kopf, damit dieser nicht mit zu hoher Geschwindigkeit aus dem Geburtskanal austritt
- Das Auflegen einer wärmenden Kompresse kann die Dammregion elastischer machen und scheint vor höhergradigen Dammrissen zu schützen
- Sowohl der Gegendruck als auch die verlangsamte Geschwindigkeit des Kopfes können den Damm vor einem Riss schützen
- Diese Technik ist jedoch nicht ungefährlich, da dem Rettungspersonal oft die Erfahrung fehlt und der Kopf des Kindes möglichst nicht zu stark manipuliert werden soll, um Geburtsverletzungen zu vermeiden
Hands-Off-Technik
- Bei der Hands-Off-Technik werden weder der Damm noch der Kopf des Kindes berührt
- Der Geburtsverlauf wird jedoch genau beobachtet, um im Notfall sofort eingreifen zu können
Dammschnitt (Episiotomie)

Boggie, Hermannthomas, Flominator, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons
- Der Dammschnitt wird in der Geburtshilfe nicht mehr routinemäßig angewandt
- Indikationen für einen Dammschnitt sind:
- Notwendigkeit einer zeitnahen Kopfgeburt aufgrund eines pathologischen CTGs
- Ein zu großer Kopf bei straffem Damm
- Schulterdystokie
- Lageanomalien des Kindes
- Dabei wird die Verbindung zwischen Vagina und Anus meist mediolateral vom unteren Rand der Vagina in Richtung einer Gesäßhälfte am straffen Damm eingeschnitten
- Analgesie: Vor dem Schnitt sollte idealerweise eine adäquate Analgesie mittels Lokalanästhetikum
erfolgen, außer es besteht eine akute fetale Gefährdung, die keine Verzögerung erlaubt - Hinweis: Im Allgemeinen wird präklinisch von einer Episiotomie abgeraten
Die Austrittsperiode begleiten
Positionierung und Vorbereitung
- Die behandelnde Person positioniert sich möglichst zwischen den geöffneten Beinen der Gebärenden
- Hilfsperson: Eine zweite Person sollte Material bereitstellen, mithelfen und die Versorgung des Neugeborenen vorbereiten
Geburtsvorgang
- Pressen und Pausen:
- Die Gebärende presst in ihrem eigenen Rhythmus und wählt eine Position, die ihr angenehm ist
- In den Wehenpausen sollte sie sich entspannen und Kräfte sammeln
- Sichtbarkeit des kindlichen Kopfes:
- Wenn der Kopf zwischen den Vulvalippen sichtbar wird, ist das Kind weit in den Geburtskanal eingedrungen
- Es ist normal, dass der Kopf während der Wehe deutlicher sichtbar ist als in der Pause
InfoWenn der Kopf unter der Wehe deutlich sichtbar ist und in der Wehenpause wieder nach unten sinkt, spricht man vom „Einschneiden“ des Kopfes. Bleibt das Köpfchen auch in der Wehenpause sichtbar, spricht man von „Durchschneiden“ des Köpfchens.
Handling des kindlichen Kopfes und der Schultern
- Kein Druck auf den Fundus: Auch bei längeren Geburten
sollte kein Druck auf den Fundus ausgeübt werden, um Verletzungen zu vermeiden - Dammschutz: Bei Bedarf kann der kindliche Kopf durch einen Dammschutz, wie oben beschrieben, unterstützt werden
- Geburt
der Schultern: - Nach der Geburt
des Kopfes sollten sich mit der nächsten Wehe die Schultern entwickeln - Der Kopf dreht sich dabei von selbst zur Seite; diese Drehung kann bei Bedarf unterstützt werden
- Wichtig: Niemals Zug auf den Kopf ausüben, um Nervenverletzungen zu vermeiden
- Die ventral liegende (symphysennahe) Schulter wird zuerst geboren, gefolgt von der dorsal liegenden (dammnahe) Schulter
- Nach der Geburt
- Körper des Kindes:
- Nach der Geburt
der Schultern folgt der Rest des Körpers oft schnell mit der nächsten Wehe - Vorsicht: Der kindliche Körper muss gut gestützt werden, damit das Kind nicht herunterfällt.
- Nach der Geburt
Mutter-Kind-Bindung nach der Geburt
- Position des Neugeborenen: Das Kind sollte direkt auf den nackten Bauch oder die Brust der Mutter gelegt werden
- Nabelschnur: Die Nabelschnur muss nicht sofort abgenabelt werden
- Medizinische Betreuung: Diese sollte in dieser Phase der Annäherung auf ein Minimum beschränkt werden

Tom Adriaenssen, CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons
Das Kind bleibt über die Nabelschnur mit der Mutter verbunden, bis die Plazenta in der Nachgeburtsperiode
AchtungVerbleiben die Plazenta oder Plazentareste im Mutterleib, muss weiterhin auf Anzeichen eines Blutverlustes geachtet werden. Wenn die Plazenta vor Ort geboren wird, muss sie in die Klinik gebracht werden, um auf Vollständigkeit und Unversehrtheit überprüft zu werden. Ein Zug an der Nabelschnur ist unbedingt zu vermeiden, um eine peripartale Hämorrhagie (PPH) nicht zu provozieren.

Grendelkhan, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Durchtrennung der Nabelschnur (Omphalotomie)

Tbsdy lives, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Idealerweise erfolgt die Durchtrennung der Nabelschnur (Omphalotomie) 1 bis 3 Minuten nach der Geburt
- Die erste Nabelklemme wird 10-15 cm von der Haut des Neugeborenen entfernt angebracht
- Zwischen diesen beiden Klemmen kann die Nabelschnur mit einer Schere oder einem Skalpell durchtrennt werden
- Im späteren Verlauf wird die Nabelschnur ca. 1-2 cm distal des Hautniveaus des Kindes abgeklemmt und steril gekürzt
TippDarauf achten, dass die Nabelklemmen vollständig einrasten und die Schnittstelle mit der Hand abgeschirmt wird. Es kann Flüssigkeit aus der Nabelschnur herausspritzen.
Dos and Don'ts
Dos unter der Geburt :
- Ruhe bewahren
- Der Gebärenden die Kontrolle über Wehentätigkeit und Lage überlassen
- Intravenösen Zugang legen, um im Notfall medikamentös eingreifen zu können
- Kopf des Kindes bei der Geburt
stützen - Kopf des Kindes zur Geburt
der ersten Schulter zur Seite neigen - Dammschutz erwägen
- Kind direkt auf die Brust der Mutter legen
- Nabelschnur 1-5 Minuten nach der Geburt
durchtrennen - Nabelklemmen 20 cm vom Kind entfernt im Abstand von 5 cm anbringen und Nabelschnur dazwischen durchtrennen
Don'ts unter der Geburt :
- NICHT am Kopf ziehen
- KEINEN Druck auf den Fundus ausüben
- NICHT an der Nabelschnur ziehen
- KEINE vaginale Untersuchung ohne Einwilligung und ohne Indikation
Quellen
- Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2023, ISBN: 978-3-132-44180-4
- Christine Geist, Ulrike Harder, Andrea Stiefel: Hebammenkunde. Hippokrates Verlag 2007, ISBN: 978-3-830-45388-8
- S1-Leitlinie Die geburtshilfliche Analgesie und Anästhesie, Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)