Zusammenfassung
Geburtstraumata beim Neugeborenen umfassen eine Bandbreite physischer und neurologischer Verletzungen, die während der Geburt
Risikofaktoren
Geburtstraumata sind Verletzungen von Neugeborenen durch mechanische Einwirkungen während der Geburt
- Makrosomie
- Anatomische Fehlbildungen
- Abnorme Kindslage
- Missverhältnis des kindlichen. Kopfes zum maternalen Becken
- Schulterdystokie
- Forceps- oder Vakuumentbindung
- Prolongierte- oder Sturzgeburt
Geburtstraumata des Kopfes
Caput succedaneum (Geburtsgeschwulst)
DefinitionDas Caput succedaneum ist eine weiche, schmerzlose Schwellung am Kopf eines Neugeborenen, die während der Geburt
entsteht. Es handelt sich dabei um ein perinatales, subkutanes Ödem zwischen der Haut und der Galea aponeurotica.
Ursachen:
- Mechanische Kompression des Kopfes während der Passage durch den Geburtskanal
- Stauung der Blut
- und Lymphgefäße führt zum Flüssigkeitsaustritt ins subkutane Gewebe - Häufige Assoziationen:
- Typischerweise bei vaginalen Entbindungen beobachtet, besonders nach längeren Geburten
- Erhöhtes Auftreten bei Verwendung von Geburtshilfsmitteln wie Saugglocke oder Geburtszange
Klinik:
- Schwellung überschreitet die Schädelnahtgrenzen (Abgrenzung zum Kephalhämatom, das begrenzt bleibt)
- Schmerzlose Schwellung ohne Krankheitswert
Therapie:
- Keine medizinische Behandlung erforderlich, da es sich um eine physiologische Anpassungsreaktion handelt
Verlauf und Prognose:
- Rückbildung des Ödems in der Regel innerhalb weniger Tage
- Keine langfristigen Komplikationen oder neurologische Schäden

“Caput succedaneum.jpg” von Muago, CC0, via Wikimedia Commons
Subgaleatisches Hämatom
DefinitionEin subgaleatisches Hämatom ist eine seltene, jedoch potenziell lebensbedrohliche Blutansammlung zwischen der Galea aponeurotica (Bindegewebsschicht der Schädelmuskulatur) und dem Periost (Knochenhaut des Schädels). Es tritt vor allem bei Neugeborenen nach einer perinatalen Verletzung auf.
Ursachen und Risikofaktoren:
- Gefäßverletzungen durch Scherkräfte während der Geburt
, insbesondere bei operativen Entbindungen (z. B. Vakuumextraktion, Forceps) - Vitamin-K-Mangel und Gerinnungsstörungen (z. B. Hämophilie)
Klinik:
- Weiche, schwappende und fluktuierende Schwellung, die den gesamten Schädel betreffen kann und über die Schädelnahtgrenzen hinausgeht
- Oberflächliche subkutane Einblutungen im Nackenbereich (nuchal)
Diagnostik:
- Sonographie der Kopfweichteile zur Beurteilung des Blutansammlungsumfangs und des Zustands der Kalotte
- Erweiterte Bildgebung (CT, MRT) bei ausgeprägtem Befund oder neurologischen Auffälligkeiten (z. B. Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen, Lethargie)
Therapie und Management:
- Aggressive Volumensubstitution zur Kompensation des Blutverlusts und zur Schockprävention
- Prophylaktische Gabe von Vitamin K
zur Reduktion des Blutungsrisikos und Prävention von Gerinnungsstörungen - Überwachung: Intensive Überwachung auf der Intensivstation mit kontinuierlicher Kontrolle von Blutdruck, Herzfrequenz
und Sauerstoffsättigung
Komplikationen:
- Hypovolämischer Schock
: Bei großem Blutverlust kann das Hämatom einen volumenbedingten Schockzustand verursachen, der sofortige ärztliche Intervention erfordert
Kephalhämatom (Kopfblutgeschwulst)
DefinitionEin Kephalhämatom ist ein prall-elastisches Hämatom zwischen dem Schädelknochen und dem Periost (subperiostal), das durch Scherkräfte bedingte Gefäßverletzungen entsteht. Es ist durch die Schädelnähte begrenzt und häufig mit einer Forceps-Entbindung assoziiert.
Diagnostik:
- Sonographie der Kopfweichteile, der Kalotte und des Gehirns zur Bestimmung des Hämatomausmaßes
- Erweiterte Bildgebung (z. B. CT oder MRT) bei Verdacht auf Schädelbrüche
Prophylaxe und Therapie:
- Prophylaktische Gabe von Vitamin K
zur Vermeidung weiterer Blutungen - Bei Impressionsfrakturen des Schädels kann eine neurologische Therapie notwendig sein
Verlauf und Prognose:
- Spontane Rückbildung des Hämatoms in der Regel innerhalb von Wochen bis Monaten
- Gute Prognose, meist ohne langfristige Komplikationen

“Illustration depicting hemorrhages by location within the different layers of the meninges (left of image) and scalp (right of image).webp” von Nadezdha D. Kiriyak, CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via Wikimedia Commons. Die Beschriftung wurde ergänzt.
Geburtstraumatische Klavikulafraktur
Das häufigstes Geburtstrauma ist die Klavikulafraktur. Meistens präsentiert sich diese symptomarm oder gänzlich asymptomatisch und imponiert als Grünholzfraktur. Die Diagnosestellung erfolgt häufig erst bei regulären Folgeuntersuchungen des Neugeborenen, da Kallus ertastet werden kann. Seltener kann es auch zu Frakturen mit Dislokationen kommen, für welche Schmerzen, Schonhaltung, eine asymmetrische Spontanmotorik und ein asymmetrischer Moro-Reflex
InfoWas ist eine Grünholzfraktur?
Grünholzfrakturen sind subperiostale Biegungsfrakturen und eine typische Frakturform im Kindes- und Jugendalter. Ihr Auftreten wird durch den noch nicht vollständig mineralisierten Knochen begünstigt. Durch die einwirkende Kraft von außen verbiegt der Knochen, bis die einwirkende Energie zu hoch wird und die Kortikalis
des Knochens dann einseitig an der konvexen Seite bricht. Die gegenseitige Kortikalis dagegen wird lediglich deformiert und das Periost bleibt intakt - die Fraktur ist hier also subperiostal.
Torticollis beim Säugling
Torticollis osseus
DefinitionDer Torticollis osseus ist eine erworbene Schiefhaltung des Kopfes, die durch eine atlanto-axiale Subluxation entsteht. Typisch ist eine Kopfneigung zur betroffenen Seite mit gleichzeitiger Rotation zur gesunden Seite.
Diagnostik:
- Röntgen der Halswirbelsäule zur Bestätigung der atlanto-axialen Subluxation
Therapie:
- Physiotherapie nach Vojta zur Verbesserung der Beweglichkeit
- Korrigierende Lagerung und Ansprache des Kindes von der Gegenseite, um die Schiefhaltung zu kompensieren
- Bei ausgeprägten Fällen: Tenotomie oder operative Korrektur zur Ermöglichung des geraden Kopfhaltens

"Siebert 22 - Torticolis.jpg" See page for author, Public domain, via Wikimedia Commons
Torticollis muscularis congenitus
DefinitionDer Torticollis muscularis congenitus ist eine angeborene Fehlhaltung des Kopfes, bedingt durch eine einseitige Verkürzung des M. sternocleidomastoideus. Diese Verkürzung führt zu einer charakteristischen Kopffehlhaltung.
Ursachen:
- Angeborene Verkürzung des M. sternocleidomastoideus
- Ähnliche Symptomatik kann durch Einblutungen in den Muskel während der Geburt
entstehen, ist jedoch kein Geburtstrauma im engeren Sinne
Klinik:
- Neigung des Kopfes zur betroffenen Seite und Drehung zur Gegenseite
Therapie:
- Frühzeitige Physiotherapie zur Verlängerung und Stärkung des betroffenen Muskels
- In seltenen, schweren Fällen: operative Verlängerung des M. sternocleidomastoideus
Geburtstraumatische Fazialisparese
Die häufigste Schädigung eines peripheren Nervens unter der Geburt
Geburtstraumatische Schäden des Plexus brachialis
Aufbau des Plexus brachialis
Der Plexus brachialis

Obere Plexus Lähmung (Erb-Duchenne)
DefinitionDie obere Plexus Lähmung (Erb-Duchenne) ist eine geburtstraumatische Verletzung des Plexus brachialis
, die durch Zerrung oder Verletzung der Nervenwurzeln C5 und C6 entsteht. Diese Verletzung macht etwa 80 % der geburtstraumatischen Plexusschäden aus.
Klinik:
- Schlaff herabhängender Arm in Adduktion und Innenrotation mit Pronationsstellung der Hand
- Verminderte Beweglichkeit des betroffenen Arms
- Fehlender Bizepssehnen- und Radiusperiost-Reflex
- Asymmetrie des Moro-Reflexes und der Spontanmotorik des Arms
- Unauffällige Spontanmotorik der Hand sowie erhaltener Greifreflex
Begleitverletzungen:
- Beteiligung von C4-Fasern kann zur Zwerchfellparese führen (Beteiligung des N. phrenicus
) - Falls cervikale Sympathikus
-Fasern betroffen sind, kann ipsilateral ein Horner-Syndrom (Ptosis, Miosis, Enophthalmus) auftreten
Untere Plexus Lähmung (Klumpke)
DefinitionDie untere Plexus-Lähmung, auch Klumpke-Lähmung genannt, ist eine geburtstraumatische Verletzung der Nervenwurzeln C7, C8 und Th1. Sie tritt isoliert selten auf und wird häufiger in Kombination mit der oberen Plexus-Lähmung beobachtet.
Klinik:
- Parese der kleinen Handmuskeln und der Handgelenksbeuger
- Fehlender Greifreflex
(bei isoliertem Auftreten) - Unauffälliger Bizepssehnenreflex
bei isolierter Klumpke-Lähmung
Verlauf und Prognose:
- Prognose hängt von der Schwere der Verletzung ab
- Häufig erfolgt eine Rückbildung der Symptome innerhalb mehrerer Monate
Quellen
- S2k-Leitlinie Schulterdystokie, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
- S2k-Leitlinie Therapie der Idiopathischen Fazialisparese (Bell's Palsy), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)