Einleitung
Glatte Muskulatur kommt an vielen Stellen vor, z. B. in Blutgefäßen, im Gastrointestinaltrakt, in der Gebärmutter oder in den Bronchien. Im Gastrointestinaltrakt hat die glatte Muskulatur die Aufgabe, den Speisebrei zu transportieren. Im Gegensatz zur Skelettmuskulatur ist die glatte Muskulatur nicht bewusst steuerbar und unterliegt somit nicht der willkürlichen Kontrolle. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen 2 Erregungstypen glatter Muskulatur, dem Single-Unit-Typ und dem Multi-Unit-Typ:
Single-Unit-Typ | Multi-Unit-Typ | |
---|---|---|
Vorkommen |
|
|
Eigenschaften |
|
|
Kontrak-tionsreize |
|
|
OpenStax, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons. Es wurden die Beschriftungen ersetzt und teilweise entfernt.
Aufbau
- Glatte Muskelzellen sind mehrere 100 μm lang und haben einen Durchmesser von ca. 5-10 μm. Glatte Muskelzellen sind spindelförmig angeordnet und besitzen einen Zellkern. An der Zellmembran befinden sich Einstülpungen, die Caveolae, die der Aufnahme von Ca2+ aus dem extrazellulären Raum dienen. Der intrazelluläre Ca2+- Speicher ist das sarkoplasmatische Retikulum (ohne L-Tubuli). Die kontraktilen Myofilamente sind unregelmäßig im Sarkoplasma angeordnet und bilden keine Sarkomere. Grundsätzlich ist der kontraktile Apparat der glatten Muskulatur anders organisiert als der der quergestreiften Muskulatur.
Originalabbildungen von Servier Medical Art by Servier (www.smart.servier.com), lizensiert unter einer Creative Commons Attribution 3.0 Unported License. Diese Abbildung ist ein Derivat, der oben angegebenen Quelle. Es wurden die Beschriftungen ergänzt.
Kontraktiler Apparat:
1. Aktinfilamente:
- Längere Filamente: Im Vergleich zum Skelettmuskel sind die Aktinfilamente in der glatten Muskulatur länger.
- Regulatorische Proteine: Anstelle von Troponin
finden sich Caldesmon und Calmodulin. - Caldesmon: Bindet an Tropomyosin und Aktin und blockiert die Myosin- Bindungsstelle an Aktin.
- Calmodulin: Dient als Ca2+-Sensor und aktiviert nach Ca2+-Bindung die Myosin- Light-Chain-Kinase (MLCK).
2. Myosinfilamente:
- Längere Filamente: Ähnlich wie Aktinfilamente, sind auch Myosinfilamente in der glatten Muskulatur länger als im Skelettmuskel.
- Aufbau: Bestehen aus schweren und zwei leichten Myosinketten.
- Leichte Ketten: Diese befinden sich am Hebelbereich der Myosinköpfchen und sind wichtig für die Kraftübertragung und Kontraktionsregulation.
3. Intermediärfilamente und Verdichtungszonen:
- Verankerung: Aktin- und Myosinfilamente sind in Dense Bodies verankert, die den Z-Streifen in der Skelettmuskulatur entsprechen.
- Strukturelle Verbindung: Dense Bodies sind durch Intermediärfilamente miteinander verbunden, was zur strukturellen Integrität des Muskels beiträgt.
4. Kontraktionsregulation:
- Ca2+-abhängige Regulation: Kontraktion wird durch den intrazellulären Ca2+-Spiegel gesteuert.
- MLCK-Aktivierung: Durch Calmodulin aktivierte MLCK fördert die Phosphorylierung der leichten Kette von Myosin, was die Kontraktion initiiert.
5. Anordnung der Filamente:
- Ungeordnete Anordnung: Im Gegensatz zur strengen Anordnung in der Skelettmuskulatur sind die Filamente in der glatten Muskulatur weniger geordnet, was zu einer unterschiedlichen Art der Kontraktion führt.
Erregung und elektromechanische Kopplung
Erregung der Muskelzellen:
Die Kontraktion der glatten Muskulatur kann durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden:
1. Neurogene Stimulation:
- Abgabe von Neurotransmittern: Acetylcholin oder Noradrenalin
werden von vegetativen Nervenendigungen freigesetzt. - Synapsen en passant: Im Gegensatz zu Skelettmuskeln, wo neuromuskuläre Endplatten die Erregungsübertragung vermitteln, erfolgt in der glatten Muskulatur die Kommunikation über Synapsen en passant, eine Form der synaptischen Übertragung, bei der Neurotransmitter entlang der Nervenfaser freigesetzt werden.
2. Reaktion auf Umgebungsfaktoren:
- Dehnung: Mechanische Dehnung der Muskelzellen kann direkt eine Kontraktion auslösen. Dies ist besonders relevant für Hohlorgane wie Blutgefäße und den Gastrointestinaltrakt, wo eine Dehnung durch den Blutdruck oder die Nahrung erfolgt.
3. Hormonelle Stimulation:
- Diverse Hormone: Substanzen wie Histamin, Oxytocin, Serotonin, Stickstoffmonoxid (NO) und Adrenalin
können die glatte Muskulatur beeinflussen und eine Kontraktion bewirken.
4. Metabolische Reize:
- Änderungen im pH-Wert
und der O2-Versorgung: Metabolische Veränderungen in der Umgebung der Muskelzellen, wie Schwankungen des pH-Wertes oder der Sauerstoffversorgung, können ebenfalls die Kontraktion der glatten Muskulatur beeinflussen.
Elektromechanische Kopplung:
Die Kraftentwicklung von Aktin und Myosin erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie bei der quergestreiften Skelettmuskulatur (siehe quergestreifte Muskulatur).
Unterschiede bestehen jedoch in der elektromechanischen Kopplung und in den Vorgängen an den Myosinfilamenten. In der quergestreiften Muskulatur wird die Kontraktion direkt durch elektrische Stimulation über Aktionspotenziale ausgelöst. Es erfolgt eine schnelle Freisetzung von Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum. Die glatte Muskulatur reagiert auf eine Vielzahl von Stimuli. Diese Vielfalt an Stimulationsmechanismen ermöglicht eine feinere und vielseitigere Regulation der glatten Muskulatur in verschiedenen Organen und Geweben.
Entscheidend für die Auslösung des Kontraktionsvorganges in der glatten Muskulatur ist der Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration. Ein intrazellulärer Anstieg von Ca2+ kann über unterschiedliche Mechanismen erfolgen:
- Ca2+-Einstrom über spannungsabhängige, spannungsunabhängige und/oder mechanosensitive Ca2+-Kanäle aus dem extrazellulären Raum
- Zusätzlich können G-Protein-gekoppelte Rezeptoren und Rezeptor- Tyrosinkinasen die Freisetzung von Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum über sekundäre Botenstoffe wie Inositoltriphosphat (IP3) induzieren.
Kontraktion
Ablauf der Kontraktion
1. Stimulus und Ca2+-Einstrom: Ein Stimulus führt zur Öffnung von Calciumkanälen im Sarkolemm (Zellmembran der Muskelzellen), was einen Einstrom von Ca2+ aus dem Extrazellulärraum zur Folge hat. Gleichzeitig wird Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum freigesetzt, was die intrazelluläre Ca2+-Konzentration erhöht (von <10-7 mol/l auf >10-6 mol/l).
2. Bildung des Ca2+-Calmodulin-Komplexes: Das erhöhte intrazelluläre Ca2+ bindet an Calmodulin, was zur Bildung des Ca2+-Calmodulin-Komplexes führt.
3. Phosphorylierung von Caldesmon: Der Ca2+-Calmodulin-Komplex aktiviert weiterhin eine Kinase durch die Caldesmon phosphoryliert wird. Phosphoryliertes Caldesmon verringert seine Bindungsaffinität zu Aktin, wodurch die Hemmung der Interaktion zwischen Aktin und Myosin aufgehoben wird. Dies ermöglicht die Muskelkontraktion.
4. Aktivierung der Myosin-leichte-Ketten-Kinase (MLCK): Der Ca2+-Calmodulin-Komplex aktiviert die MLCK.
5. Phosphorylierung der Myosin-leichten-Ketten: Die MLCK phosphoryliert die leichten Ketten des Myosinfilaments unter ATP-Verbrauch.
6. Interaktion von Myosin und Aktin: Das zuvor phosphorylierte Myosin weist eine erhöhte ATPase-Aktivität auf und interagiert mit den Aktinfilamenten. Das Myosin nutzt seine ATPase-Aktivität, um ATP in ADP und Phosphat zu spalten, wodurch Energie für die Kontraktionsbewegung freigesetzt wird. Diese Bewegung, oft als "Powerstroke" bezeichnet, führt dazu, dass das Myosin entlang des Aktins gleitet. Dies ermöglicht die Verkürzung des Muskels und somit die Kontraktion.
Beendigung der Kontraktion:
7. Reduktion der Ca2+-Konzentration: Die intrazelluläre Ca2+-Konzentration sinkt, da Ca2+ nach extrazellulär oder zurück in das sarkoplasmatische Retikulum gepumpt wird. Ein weiterer Ca2+-Einstrom wird durch eine Hyperpolarisation verhindert.
8. Aktivierung der Myosin-leichten-Ketten-Phosphatase (MLCP): Das Absinken der Ca2+-Konzentration führt zu einer erhöhten Aktivität der MLCP.
9. Dephosphorylierung von Myosin: MLCP dephosphoryliert die regulatorische leichte Kette von Myosin, wodurch die Interaktion zwischen Myosin und Aktin aufgehoben und somit die Kontraktion beendet wird.
10. Regulation durch NO und andere Faktoren: Stickstoffmonoxid (NO) aktiviert über cGMP und die PKG die MLCP, was die Kontraktilität verringert. Andererseits kann die MLCP durch die Rho-Kinase oder die Proteinkinase C (PKC) gehemmt werden, was zu einer erhöhten Kontraktilität führt.
MerkeDer Tonus der glatten Muskulatur wird durch die Myosin-leichte-Ketten-Kinase (MLCK) gesteigert und durch die Myosin-leichte-Ketten-Phosphatase (MLCP) reduziert!
Kontraktionsformen:
Je nach Dauer der Kontraktion der glatten Muskulatur unterscheidet man die tonische und die phasische Kontraktion.
Tonische Kontraktion | Phasische Kontraktion | |
Kontraktions-dauer |
|
|
Beispiel |
|
|
Besonderheit |
|
|
![]() | ![]() |
Vergleich quergestreifte- und glatte Muskulatur
Merkmale | Quergestreifte Muskulatur | Glatte Muskulatur |
---|---|---|
Aufbau | Streifenmuster aus Aktin- und Myosinfilamenten | Kein Streifenmuster |
Steuerung | Willkürlich (über Nerven) | Unwillkürlich (autonomes Nervensystem) |
Kontraktionsgeschwindigkeit | Schnell | Langsam |
Ermüdungsresistenz | Gering (schnelle Ermüdung) | Hoch (langsame Ermüdung) |
Energiebedarf | Hoch | Niedrig |
Regenerationsfähigkeit | Gering | Hoch |
Vorkommen | Skelettmuskulatur, Herzmuskulatur | Eingeweide, Blutgefäße, Atemwege, Harnwege |
CNX OpenStax, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurden die Beschriftungen und die Organe sowie der Oberarm ergänzt