Die Herzchirurgie ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet der Medizin, das sich mit der operativen Behandlung von Erkrankungen des Herzens und der großen herznahen Gefäße befasst. Sie umfasst Eingriffe zur Korrektur angeborener Herzfehler, die Behandlung von koronarer Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen, Herzinsuffizienz sowie die Implantation von mechanischen Kreislaufunterstützungssystemen und Herztransplantationen. Durch technologische Fortschritte konnten viele Eingriffe in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert und weniger invasiv gestaltet werden.
Indikationen für herzchirurgische Eingriffe
Koronare Bypass-Operation (CABG):
Indikation: Fortgeschrittene koronare Herzkrankheit (KHK) mit hochgradigen Stenosen oder Mehrgefäßerkrankung. Die Operation kann mit arteriellen oder venösen Bypässen erfolgen, wobei arterielle Grafts (z.B. A. mammaria interna) eine höhere Langzeitoffenheit aufweisen.
Originalabbildung von Servier Medical Art by Servier (https://smart.servier.com/), lizenziert unter einer Creative Commons Attribution 4.0. Diese Abbildung ist ein Derivat der genannten Originalabbildung. Es wurden die Markierungen und die Beschriftungen ergänzt.
Herzklappenoperationen:
Indikation: Klappenstenosen oder Klappeninsuffizienzen (z.B. Aortenklappenstenose, Mitralklappeninsuffizienz). Die chirurgische Behandlung umfasst den Klappenersatz oder die Rekonstruktion. Bei älteren Patient:innen oder Hochrisikopatient:innen kommen zunehmend kathetergestützte Verfahren wie TAVI oder MitraClip zum Einsatz.
Indikation: Zyanotische und azyanotische Herzfehler (z.B. Fallot-Tetralogie, Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekte). Besonders bei Kindern sind diese Eingriffe von großer Bedeutung, um die hämodynamische Funktion langfristig zu stabilisieren.
Herztransplantation:
Indikation: Terminale Herzinsuffizienz trotz optimaler medikamentöser und interventioneller Therapie. Die Spenderherzverfügbarkeit bleibt eine Herausforderung, sodass alternative mechanische Unterstützungssysteme wie LVADs (Left Ventricular Assist Devices) zunehmend Bedeutung gewinnen.
D Dinneen, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons: Es wurden die Markierungen und Beschriftungen ersetzt. Die Icons unten links und die Pfeile unten links wurden hinzugefügt.
Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme:
Indikation: Bei schwerer Herzinsuffizienz als Überbrückung bis zur Transplantation oder als Dauertherapie. Dazu gehören implantierbare Kunstherzen oder Linksherzunterstützungssysteme (LVADs).
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Herz-Lungen-Maschine (HLM)
Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) ist ein essenzielles Gerät in der Herzchirurgie, das den Blutkreislauf und die Oxygenierung während eines offenen herzchirurgischen Eingriffs aufrechterhält. Sie übernimmt vorübergehend die Pumpfunktion des Herzens und die Gasaustauschfunktion der Lungen, um dem Operateur präzise Operationen am unbewegten Herz zu ermöglichen.
Blutentnahme: Das venöse Blut wird über große Kanülen aus dem rechten Vorhof oder der Hohlvene entnommen
Rollerpumpe: Eine mechanische Pumpe, die das Blut durch das System bewegt und den notwendigen Perfusionsdruck aufrechterhält. Sie arbeitet nach dem Prinzip einer rotierenden Walze, die das Blut durch flexible Schläuche transportiert
Reservoir: Ein Sammelbecken für das venöse Blut, bevor es wieder in die Zirkulation geleitet wird. Dies dient zur Volumensteuerung und Druckregulierung während der Perfusion
Oxygenierung: Das Blut durchläuft einen Oxygenator, wo es mit Sauerstoff angereichert und Kohlenstoffdioxid entfernt wird
Filter: Verschiedene Filtereinheiten sorgen dafür, dass Luftblasen, Mikrothromben und Zellfragmente entfernt werden, um Embolien zu vermeiden
Temperaturregulation: Die HLM kann das Blut gezielt kühlen oder erwärmen, um den Stoffwechsel während der Operation zu steuern
Rückführung des Blutes: Das oxygenierte und decarboxylierte Blut wird über eine Pumpe in die Aorta zurückgeführt, wodurch der systemische Kreislauf erhalten bleibt
Die Kardioplegie ist eine Methode zur gezielten Stilllegung des Herzens während einer Operation, um den Myokardschaden zu minimieren und eine optimale chirurgische Arbeit zu gewährleisten. Sie wird durch eine spezielle kardioplegische Lösung erreicht, die über die Koronararterien oder retrograd über den Koronarsinus injiziert wird.
Prinzip der kardioplegischen Lösung:
Besteht aus einer elektrolythaltigen Lösung mit Zusatzstoffen wie Kalium
Die Kardioplegie bewirkt durch eine gezielte Kaliumgabe eine elektrische Depolarisation der Herzmuskelzellen, wodurch das Herz in der Diastole stillgelegt wird
Dies senkt den Sauerstoffverbrauch des Myokards und schützt es vor ischämischen Schäden während der Operation. Gleichzeitig wird durch eine gezielte Kühlung des Herzens der Stoffwechsel weiter reduziert, um Zellschäden zu minimieren
Ggf. kann Blut zur kardioplegischen Lösung beigemischt werden, um die Oxygenierung zu verbessern und einen weiteren Schutz vor ischämischen Schäden zu bieten
Durch den reduzierten myokardialen Sauerstoffverbrauch können längere kardiale Ischämiezeiten toleriert werden
Durch das stillgelegte, erschlaffte Herz werden präzise operative Eingriffe erleichtert
Risiken und Komplikationen der Herz-Lungen-Maschine:
Inflammatorische Reaktionen: Die Interaktion von Blut mit der künstlichen Oberfläche der Maschine kann eine systemische Entzündungsreaktion auslösen
Gerinnungsstörungen: Die Verwendung von Heparin zur Thromboseprophylaxe kann postoperativ zu Blutungskomplikationen oder einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) führen
Neurologische Komplikationen: Mikroembolien oder Perfusionsstörungen können zu kognitiven Einschränkungen oder Schlaganfällen führen
Niereninsuffizienz: Die veränderte Perfusion während der HLM-Nutzung kann die Nierenfunktion beeinträchtigen
Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts: Es kann zu einer Hypervolämie und zu reduzierten Elektrolytwerten kommen
Die moderne Herzchirurgie setzt zunehmend auf off-pump Verfahren (OPCAB - Off-Pump Coronary Artery Bypass), bei denen Bypass-Operationen am schlagenden Herzen durchgeführt werden, um die Risiken der HLM zu minimieren.
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Operative Techniken
Zugangswege
Je nach Eingriff können unterschiedliche chirurgische Zugangswege gewählt werden:
Komplette mediane Sternotomie: Standardzugang für viele offene herzchirurgische Eingriffe
Anterolaterale Thorakotomie: Wird häufig für minimalinvasive Eingriffe genutzt
Linksseitige posterolaterale Thorakotomie: Eingriffe an der Aorta descendens
Minithorakotomie: Zugang für transkatheterbasierte Verfahren oder minimal-invasive Klappeneingriffe sowie für die Anlage einer Thoraxdrainage
Subxiphoidaler Zugang: Seltener verwendet, meist bei perikardialen Eingriffen
Info
Sternotomie
Ablauf einer Sternotomie:
Hautschnitt entlang der Mittellinie des Brustkorbs
Durchtrennung des Brustbeins mit einer Knochensäge (mediane Sternotomie)
Spreizung des Sternums mittels eines Retraktors für optimale Sicht
Zugang zum Herzen und den großen Gefäßen für die geplante Operation
Verschluss nach dem Eingriff mit Drahtcerclagen zur Stabilisierung des Brustbeins
Sternumdehiszenz möglich bei unzureichender Stabilität
Minimalinvasive Herzchirurgie
Minimal-invasive Klappenchirurgie: Zugang über kleine Thorakotomien oder katheterbasierte Verfahren (z.B. TAVI)
MIDCAB (Minimal Invasive Direct Coronary Artery Bypass): Bypass-Operation ohne HLM über eine kleine linksseitige anteriore Thorakotomie. Geeignet für isolierte LAD-Bypass-Operationen
Transkatheter-Techniken
TAVI (Transkatheter-Aortenklappenimplantation): Ersatz der Aortenklappe über einen Katheterzugang
MitraClip: Interventionelle Korrektur einer Mitralklappeninsuffizienz
TrikuspidalClip: Interventionelle Korrektur einer Trikuspidalklappeninsuffizienz
Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)
Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)
Hybridverfahren
In den letzten Jahren gewinnen Hybrid-OP-Verfahren an Bedeutung, bei denen chirurgische und interventionelle Techniken kombiniert werden, um Patient:innen schonender zu behandeln.
z.B. Hybrid-Revaskularisation:
Kombination aus minimalinvasiver Bypass-OP und perkutaner Koronarintervention (PCI)
Vorteil: Reduzierung der operativen Belastung, kürzere Erholungszeit
Besonders sinnvoll für Patient:innen mit limitierten Bypass-Möglichkeiten oder einer komplexen koronaren Anatomie
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Postoperative Versorgung und Komplikationen
Intensivmedizinische Betreuung
Nach herzchirurgischen Eingriffen ist eine engmaschige Überwachung essenziell. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:
Überwachung der Herz-Kreislauffunktion
Kontrolle des Flüssigkeitshaushalts und der Elektrolyte
Management von Herzrhythmusstörungen
Frühzeitige Mobilisation zur Thromboseprophylaxe
Analgesie und Sedierung zur Reduktion von postoperativem Stress
Akutes Nierenversagen durch Hypoperfusion oder Kontrastmittelbelastung
Elektrolytstörungen: z.B. Hyperkaliämie, Hyponatriämie
Neurologische Komplikationen:
Schlaganfall (ischämisch oder hämorrhagisch)
Postoperatives Delir oder kognitive Dysfunktion
Zerebrale Hypoxie durch Kreislaufinsuffizienz
Gerinnungs- und Blutungskomplikationen:
Nachblutungen (häufig durch Gerinnungsstörungen oder unzureichende Hämostase)
Koagulopathien: z.B. Heparin-induzierte Thrombozytopenie, Verbrauchskoagulopathie
Gastrointestinale Komplikationen:
Ileus
Stressulkus mit gastrointestinalen Blutungen
Autoimmunreaktionen:
Postkardiotomiesyndrom: Das Postkardiotomiesyndrom ist eine Form der autoimmunen Herzbeutelentzündung, die nach einer operativen Eröffnung des Perikards auftreten kann, oft auch erst Wochen bis Monate nach dem Eingriff. Es wird durch eine immunologische Reaktion auf die Freisetzung von Herz- und Perikardantigenen ausgelöst und äußert sich durch Symptome wie stechende, belastungsunabhängige Brustschmerzen, Fieber und häufig einen Perikarderguss. Weiterhin kann es zu einer inflammatorischen Reaktion der Pleura kommen. Die Behandlung erfolgt mit NSAR oder in schweren Fällen Kortikosteroiden. Es kann zu rezidivierenden Perikardergüssen kommen
Störungen der Wundheilung:
Sternumdehiszenz (Öffnung des Brustbeins durch Insuffizienz der Naht)
Narbenhypertrophie oder Keloidbildung
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Rehabilitation nach herzchirurgischen Eingriffen
Die postoperative Rehabilitation ist ein essenzieller Bestandteil der Behandlung und zielt auf die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie die Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren ab. Wichtige Maßnahmen umfassen:
Physiotherapie und Atemtraining zur Verbesserung der Lungenfunktion
Reduktion von kardiovaskulären Risikofaktoren
Lebensstilveränderung: Nikotinkarenz, Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung (Ernährungsberatung), regelmäßige körperliche Aktivität (z.B. im Rahmen von Herzsportgruppen und Bewegungstherapie)
Ggf. Thrombozytenaggregationshemmung
Senkung des LDL-Cholesterins: z.B. mit einem Statin
Optimale Einstellung von einem Diabetes mellitus und einer arteriellen Hypertonie
Medikamentöse Therapie und Sekundärprophylaxe: z.B. mit Betablockern, ACE-Hemmern, Acetylsalicylsäure und Statinen
Psychologische Betreuung, um postoperative Ängste und Stress zu minimieren
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Zuletzt aktualisiert am 13.02.2025
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