Zusammenfassung
Der Abschnitt behandelt grundlegende Konzepte der Pharmakodynamik, Pharmakokinetik und Pharmakogenetik. Die Pharmakodynamik befasst sich mit der Wirkung von Arzneimitteln im Körper, einschließlich Zielstrukturen, Rezeptortypen, Affinität sowie Agonisten und Antagonisten. Die Pharmakokinetik untersucht die Absorption, Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung von Arzneimitteln im Körper. In der Pharmakogenetik werden die genetischen Einflüsse auf die Arzneimittelwirkung untersucht.
Pharmakodynamik
DefinitionDie Pharmakodynamik beschreibt die Wechselwirkung des Pharmakons/Arzneimittels mit dem Organismus. Sie ist folglich die Lehre über die Wirkung von Arzneimitteln.
Zielstrukturen von Pharmaka
- Arzneimittel sind chemische Verbindungen, welche in die physiologische Funktion des menschlichen Körpers durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung eingreifen und diese dadurch spezifisch beeinflussen, korrigieren oder wiederherstellen
- Die meisten Pharmaka wirken durch Bindung an spezifische Zielproteine, wobei kein Arzneimittel absolut spezifisch wirkt (Bsp. „dirty drugs“ wie. Antipsychotika
- binden an mehrere Rezeptoren) - Zu den Zielproteinen gehören:
- Rezeptoren (Bsp.: β1-Adrenozeptor ⟶ Betablocker
) - Enzyme (Bsp. Guanylatzyklase ⟶ Nitrogylzerin)
- Ionenkanäle (Bsp.: Spannungsabh. Natriumkanäle ⟶ Lokalanästhetika
) - Transporter (Bsp.: Serotonin Reuptake Transporter ⟶ Antidepressiva
) - StrukturgebendeProteine (Bsp.: Mikrotubuli ⟶ Colchicin
) - Ohne Proteininteraktion (Antazida
– basische Substanzen zur Säureneutralisation) - DNA (Alkylantien, Platin-Derivate)
- Rezeptoren (Bsp.: β1-Adrenozeptor ⟶ Betablocker
- Häufig führt eine Erhöhung der Arzneimittelkonzentration zur Bindung an weitere Rezeptoren
Folge: mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) ⟶ bspw. Mundtrockenheit durch anticholinerge Wirkung bei H1-Antihistaminika
Rezeptortypen
DefinitionRezeptoren sind Makromoleküle (i.d.R. Proteine), an welche die Liganden (bspw. Pharmaka, Toxine, Antikörper, Mikroorganismen, Hormone
, Neurotransmitter...) binden können.
- Ionotrope Rezeptoren (bspw. nikotinischer Acetylcholinrezeptor, GABAA-Rez.)
- Metabotrope Rezeptoren (bspw. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren)
- Rezeptortyrosinkinasen (bspw. Epidermal-Growth-Factor-Receptor (EGFR), Insulinrezeptor)
- Nukleäre Rezeptoren (bspw. Steroidrezeptor)
G-Protein-gekoppelter Rezeptor (GPCRs)
- Die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren stellen die größte Familie der Membranrezeptoren dar.
- Wichtige Liganden für die GPCRs sind:
- Glandotrope Hormone
der Adenohypophyse (TSH , LH , FSH , ACTH) - Katecholamine
- Glukagon
- Glandotrope Hormone
- Der Rezeptor ist aus sieben α-Helices zusammengebaut, welche transmembran verlaufen (heptahelikal)
- Die Bindungsstelle für den Liganden befindet sich extrazellulär
- Die Bindungsstelle für das G-Protein befindet sich intrazellulär
- G-Proteine bestehen aus
- α-Untereinheit (alpha)
- β-Untereinheit (beta)
- γ-Untereinheit (gamma)
- Abhängig von der α-Untereinheit werden unterschiedliche Signalkaskaden aktiviert
- Gs (stimulierend)
- Gi (inhibitorisch)
- Gq (Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration)
Rezeptoraffinität
DefinitionAffinität bezeichnet die Neigung, mit welcher ein Ligand an einen Rezeptor bindet.
- Je höher die Affinität (~Bindungsneigung), desto wahrscheinlicher ist die Ausbildung eines Ligand-Rezeptor-Komplexes
- Die maximal gebundene Pharmakonmenge lässt Rückschlüsse auf die Rezeptordichte im beobachteten Gewebe zu
- Die Bindungsaffinität wird in der Regel durch die Gleichgewichtsdissoziationskonstante (KD) angegeben, das ist diejenige Pharmakonzentration bei der 50% der Rezeptoren besetzt sind
- Je kleiner der KD-Wert ist, desto größer ist die Bindungsaffinität des Liganden an seinen Rezeptor
Dosis-Wirkungs-Kurven
Die Dosis-Wirkungs-Kurve beschreibt den Zusammenhang zwischen der zugeführten Menge (Dosis) und der Wirkung eines Pharmakons.
- Durch die logarithmische Auftragung auf der Abszisse (~x-Achse) ist der Verlauf der Kurve in der Regel
sigmoidal – „S“-förmig (siehe b) - Von einer Dosis-Wirkungs-Kurve lassen sich merhrere Werte ablesen:
- Die Lage der Kurve: sie zeigt an, welche Mindestdosen (oder -konzentrationen) eines Wirkstoffs erforderlich sind, um eine gewünschte Wirkung (Minimaleffekt) zu erzielen (je kleiner, desto weiter links liegt die Kurve)
- Maximaleffekt eines Wirkstoffs: auch Wirksamkeit oder Effektivität genannt und beschreibt das maximale Ausmaß der Wirkung eines Arzneimittels
- Die Steigung der Kurve: gibt Aufschluss über die Breite des Spektrums zwischen der minimal messbaren und der maximalen Wirkung eines Arzneimittels
- Wendepunkt der Kurve: entspricht dem Halbmaximaleffekt
Effektivdosis
- Menge eines verabreichten Pharmakons (Dosis), welche eine bestimmte Wirkungsausmaß erreicht
- Bsp.: ED75: Dosis, bei welcher 75% der maximalen Wirkstärke erreicht wird
Potenz
- Entspricht der Konzentration (oder der Dosis), die zum Erreichen des Halbmaximaleffekts nötig ist (EC50 oder ED50)
- Je niedriger die Konzentration, die 50% der maximalen Wirkung auslöst, desto höher ist die Potenz des Arzneimittels:
- Bsp.: hochpotent: niedrige Dosis für große Wirkung nötig
- Bsp.: niedrigpotent: hohe Dosis bei geringerer Wirkung
- Maß für die Wirkstärke eines Pharmakons in Abhängigkeit von der Dosis
- Die Potenz von Agonist 1 ist höher als
die von Agonist 2, da die halbmaximale Wirkung bei einer deutlich niedrigeren Dosis eintritt - Der ED50-Wert entspricht in aller Regel nicht dem KD-Wert
- Meist gilt für volle Agonisten ED50 < KD, d.h., ein geringer Teil der Rezeptoren muss für eine hohe Wirkstärke besetzt sein
- Es besteht keine Proportionalität zwischen dem Ausmaß der Rezeptorbesetzung und der Stärke der Wirkung.
Letale Dosis (LD50)
- Beschreibt bei welcher Dosis 50% der Versuchstiere sterben
Therapeutische Breite
- „Die Dosis macht das Gift“
- Jedes Pharmakon kann schädliche Wirkungen haben, sofern die Dosis hoch genug gewählt wird
- Die therapeutische Breite ist ein Maß für die Sicherheit eines Pharmakons
- Je größer die therapeutische Breite, desto sicherer ist das Pharmakon (Bsp.: Glukokortikoide
haben eine große therapeutische Breite) - Medikamente mit geringer therapeutischer Breite sind zum Beispiel Lithium, Ciclosporin, Aminoglykoside
- Je größer die therapeutische Breite, desto sicherer ist das Pharmakon (Bsp.: Glukokortikoide
- Quotient aus LD50/ED50
Ceiling (Sättigungseffekt)
- Nach Erreichen der maximalen Wirkung eines Pharmakons kann trotz weiterer Dosissteigerungen die erwünschte Wirkung nicht weiter gesteigert werden
- Cave: Unerwünschte Nebenwirkungen können weiterhin zunehmen
- Low-Ceiling-Pharmaka: Thiaziddiuretika
- High-Ceiling-Pharmaka: Schleifendiuretika
Toleranz
- Beschreibt eine Wirkungsabschwächung bei wiederholter Gabe eines Pharmakons mit der gleichen Dosis
- Man unterscheidet:
- Pharmakodynamische Toleranz (bspw. durch Rezeptordesensibilisierung, Downregulation der Rezeptordichte)
- Pharmakokinetische Toleranz (bspw. durch Enzyminduktion)
Tachyphylaxie
- Bezeichnet eine Form rascher Wirkungsabnahme bei wiederholter Gabe eines Pharmakons
- Bsp.: Amphetamine
- Ausschüttung von Adrenalin
, Noradrenalin und Dopamin - Präsynaptischen Speicher dieser Neurotransmitter entleert, da Wiederaufnahme (Reuptake) durch Amphetamine gehemmt wird
- Erst nach Abklingen der Amphetaminwirkung können sich die Speicher erneut füllen
Non-Response
- Kein Ansprechen eines Patienten auf eine medikamentöse Therapie trotz empfohlener Dosierung und Dauer
Agonisten und Antagonisten
- Pharmaka führen im Körper nicht zur Entstehung neuer Stoffwechselvorgänge, sie greifen vielmehr in bereits bestehende Prozesse ein und modifizieren diese
DefinitionAgonisten führen durch die Bindung am Rezeptor/Enzym zu einer ähnlichen Wirkung wie der physiologische Ligand. Antagonisten führen zu einer Hemmung der Wirkung eines Agonisten.
- Die Antagonisten werden unterschieden in
- Kompetitive Antagonisten
- Nicht-kompetitive Antagonisten:
- Funktionelle Antagonisten
Kompetitive Antagonisten
- Binden meist selektiv an einen bestimmten Rezeptortyp
- Konkurrieren konzentrationsabhängig mit physiologischen Liganden um die Bindungsstelle
- Sorgen für Verschiebung der Dosis-Wirkungskurve nach rechts (siehe A)
- Der Maximaleffekt kann allerdings trotzdem erreicht werden
- Beispiele für kompetitive Antagonisten sind Muskarinrezeptor-Antagonisten: Atropin
oder Aldosteronrezeptor-Antagonisten: Spironolacton
Nicht-kompetitive Antagonisten
- Bewirken eine allosterische Konformationsänderung des Rezeptors durch Bindung außerhalb der Rezeptorbindungsstelle
- Ein Agonist kann dadurch nicht mehr so gut an den Rezeptor binden, dadurch nimmt der Maximaleffekt bzw. die Wirksamkeit ab
, weiterhin verringert sich die Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve (siehe B) - Ein Beispiel für einen nicht-kompetitiven Antagonisten ist Ketamin
, welches nicht an der Bindungsstelle des Glutamats bindet sondern in der Kanalpore des NMDA-Rezeptors
Funktionelle Antagonisten
- Zwei Wirkstoffe mit unterschiedlichen Zielstrukturen und gegensätzlicher Wirkung
- Beispiel: Der Bronchokonstriktor Histamin ist ein funktioneller Antagonist des Bronchodilatators Adrenalin
Partialagonist
- Bindet an die Rezeptorbindungsstelle, hat allerdings einen geringeren Maximaleffekt bzw. Wirksamkeit im Vergleich zu einem vollen Agonisten
- Durch die Verdrängung eines vollen Agonisten aus der Bindungsstelle kann der Partialagonist eine antagonistische Wirkung haben (siehe C)
- Ein klassisches Beispiel für einen Partialagonisten ist das Buprenorphin aus der Gruppe der hochpotenten Opioide

Pharmakokinetik
DefinitionDie Pharmakokinetik beschreibt alle Prozesse, denen ein Pharmakon im Körper unterliegt. Dazu gehören u.a. die Resorption, die Distribution, die Metabolisierung sowie die Elimination des Pharmakons.
MerkeMerkspruch: LADME
- Liberation (Freisetzung)
- Absorption (Resorption)
- Distribution (Verteilung)
- Metabolismus (Biotransformation)
- Exkretion (Ausscheidung)
1. Liberation
- Beschäftigt sich mit der Freisetzung eines Arzneistoffs aus der Arzneiform (bspw. Tablette, Injektionslösung, Creme, Spray)
- Abhängig von der Applikationsform
- Applikationsformen:
- Intravenös (i.v.)
- Intramuskulär (i.m.)
- Subkutan (s.c.)
- Sublingual (s.l.)
- Per inhalationem (p
.i.) - Peroral (p
.o.) - Rektal
- Dermal
- Intraartikulär
2. Absorption (Resorption)
- Beschäftigt sich mit der Aufnahme eines Pharmakons ins Blutplasma
- Bei der Resorption kommt es zur Überschreitung von zellulären Barrieren (Epithelzelle/vaskuläre Endothelzelle) und damit der Zellmembran
(Lipiddoppelschicht) - Die Resorption ist u.a. abhängig von der Applikationsform:
- Bsp.: inhalativ: schnelle Resorption lipophiler Substanzen
- Bsp.: subkutan: abhängig von lokaler Durchblutung, zumeist langsamere Resorption mit Depotwirkung
- Cave: intravenös: keine Resorption notwendig, Pharmakon landet direkt im Blut
, schnelle Wirkung, gute Steuerungsfähigkeit und kein First-Pass-Effekt
- Für die Beschreibung der Resorption eines Arzneimittels kann dessen Bioverfügbarkeit genutzt werden
DefinitionDie Bioverfügbarkeit gibt an, wie viel Prozent der Ausgangskonzentration eines extravasal verabreichten Pharmakons im systemischen Kreislauf
erscheint und damit am Wirkort verfügbar ist.
- Bioverfügbarkeit abhängig von:
- First-Pass-Effekt
- Substanzeigenschaften
First-Pass-Effekt
- Verstoffwechselung einer Substanz in der Leber
, bevor sie am Wirkort ankommt - Besonders relevant bei oral verabreichten Pharmaka
→ Resorption und Transport über Pfortadersystem zur Leber
- Kein First-Pass-Effekt bei Umgehung des Pfortaderkreislaufs z.B. sublingualer, intramuskulärer, transdermaler, rektaler sowie intravenöser Gabe
- First-Pass-Effekt reduziert bei Leberfunktionsstörung (bspw. Leberzirrhose
)
Substanzeigenschaften
- Fettliebende (lipophile) Pharmaka können Membranen leichter passieren
- Ermöglicht Aufnahme über die Haut sowie Passage der Blut
-Hirn-Schranke - Ausscheidung v.a. über Leber
und Galle
- Ermöglicht Aufnahme über die Haut sowie Passage der Blut
- Wasserliebende (hydrophile) Pharmaka benötigen Transporter (Carrier) oder Poren oder ein Konzentrationsgefälle, um Membranen zu passieren
- Ausscheidung v.a. über die Nieren
Einflussgrößen auf die Resorption
- Applikationsform
- Bioverfügbarkeit:
- First-Pass-Effekt
- Substanzeigenschaften
- Anatomie und Physiologie des Gastrointestinaltrakts (GIT) der PatientInnen
- Beeinflussung durch andere Stoffe im GIT (Nahrung, andere Pharmaka)
- Aktivierung von sogenannten Prodrugs wie Enalapril durch die Leber
3. Verteilung
- Man unterscheidet anatomisch drei definierte Verteilungsräume
- Pharmaka können sich in der angegebenen Reihenfolge ausbreiten und so zu ihrem Wirkort gelangen:
- Intravasaler Raum: beinhaltet 3-3,5L Wasser (ca. 4% des KG)
- Interstitieller Raum: beinhaltet 11-13L Wasser (ca. 15% des KG)
- Intrazellulärer Raum: beinhaltet 30-35L Wasser (ca. 40% des KG)
- Nach intravasaler Injektion bzw. Resorption verteilen sich Pharmaka zuerst im intravasalen Raum. Dabei werden zunächst die besser durchbluteten Organe bevorzugt (Gehirn, Nieren, Herz, Leber
)
Verteilungskoeffizient (K):
- Maß für Hydrophilie/Polarität
- K= c (Pharmakon in hydrophoben organischen Lösungsmittel
) / c (Pharmakon in Wasser) - Bsp. (siehe Abbildung): Pharmakon löst sich schlecht in
organischem Lösungsmittel, aber gut in Wasser. Daraus resultiert ein kleiner Verteilungskoeffizient. Es handelt sich folglich um einen hydrophilen Stoff
Verteilungsvolumen (V)
- V= Pharmakonmenge / Plasmakonzentration des Pharmakons
- Fiktive Größe, welche auch über das Gesamtvolumen des Körpers hinausgehen kann, bspw. durch hohe Bindung an Gewebeproteinen ⟶ langsame Abgabe aus dem Gewebe ⟶ Depotwirkung (Bsp.: SSRIs
, Diazepam , Azithromycin) - Wenn das Verteilungsvolumen groß ist, dann ist die Plasmakonzentration gering. Entsprechend ist die Gewebebindung hoch. Dies ist meist bei lipophilen Stoffen der Fall
Proteinbindung
- Pharmaka binden häufig reversibel mit unterschiedlicher Affinität an verschiedene gelöste und membranständige Proteine
- Saure Arzneimittel binden vor
allem an Albumin , das aber auch andere lipophile Substanzen mit hoher Affinität bindet - Basische Stoffe hingegen binden hauptsächlich an das saure α1-Glykoprotein
- Nur die freien, nicht gebundenen Pharmakon-Anteile können ihre Wirkung entfalten
- Bsp.: Phenprocoumon (Vitamin-K
-Antagonist) liegt zu etwa 99% an Plasmaproteine (v.a. Albumin ) gebunden vor
4. Metabolisierung (Biotransformation)
- Die Metabolisierung findet hauptsächlich in der Leber
statt - Dort werden aufgenommene Substanzen wie zum Beispiel Pharmaka durch einen biochemischen Umbau (Biotransformation) zumeist entgiftet
- Die Substanzen werden im Rahmen der Biotransformation besser wasserlöslich und können daher einfacher biliär oder renal ausgeschieden werden
- Die Biotransformation kann in zwei Phasen unterteilt werden:
- Phase I: Umwandlungsreaktionen v.a. über die sogenannten CYP-Enzyme (Cytochrom-P450-Enzyme)
- Phase II: Konjugationsreaktionen
AchtungEinige Arzneimittel werden auch organunabhängig im Blut
metabolisiert. Bsp.: Mivacurium (nicht-depolarisierendes Muskelrelaxans ) durch die Pseudocholinesterase.
- Die Metabolisierung kann unterteilt werden in:
- Entgiftung (Hauptfunktion): Steigerung der Wasserlöslichkeit und Ausscheidung durch Galle
oder Niere - Giftung: Entstehung von giftigen Metaboliten durch Biotransformation (Bsp.: bei Überdosierung von Paracetamol
) - Aktivierung: Prodrugs werden erst durch Biotransformation in ihre aktive Form überführt (Bsp.: Clopidogrel
)
- Entgiftung (Hauptfunktion): Steigerung der Wasserlöslichkeit und Ausscheidung durch Galle
5. Elimination
- Die Elimination kann nach der Kinetik unterteilt werden in:
- Kinetik 0. Ordnung
- Kinetik 1. Ordnung (häufiger)
- Kinetik 0.Ordnung
- Die Elimination verläuft mit konstanter Geschwindigkeit (Sättigungskinetik)
- Bsp.: Ethanol
- Kinetik 1.Ordnung
- Eliminationgeschwindigkeit ist proportional zur Substratkonzentration, d.h., je höher die Substratkonzentration, desto höher ist die Eliminationsgeschwindigkeit (gilt für den Großteil der Pharmaka)
- Plasmahalbwertszeit: gibt die Zeit an, in welcher die Ausgangskonzentration eines Pharmakons auf die Hälfte abgefallen ist
- Sie ist i.d.R. charakteristisch für ein Arzneimittel (aber abhängig von renaler und hepatischer Clearance)
- Nach 4 Halbwertszeiten (HWZ) ist nur noch 6,25% der Ausgangskonzentration vorhanden (mehr als
90% des Pharmakons wurde eliminiert)
AchtungKontextsensitive Halbwertszeit
: beschreibt die Zeit, die notwendig ist, um nach einer kontinuierlichen Infusion einen 50%-igen Konzentrationsabfall einer Substanz am Wirkort zu erreichen. Sie ist damit ein Maß für die Steuerbarkeit. Relevant ist dies zum Beispiel beim Fentanyl , bei welchem sich die Halbwertszeit abhängig von der Infusionsdauer durch Akkumulation im Gewebe stark verlängert.
6. Ausscheidung
- Clearance: ist definiert als
ein fiktives Plasmavolumen, das in einer bestimmten Zeiteinheit vollständig von einem Pharmakon befreit wird - Bsp.: Kreatinin
-Clearance
- Bsp.: Kreatinin
- Ausscheidung:
- Hydrophile Wirkstoffe über die Nieren
- Prozesse: Glomeruläre Filtration, tubuläre Sekretion, tubuläre Rückresorption
- Wirkstoffe mit einem Molekulargewicht > 400 Da werden biliär ausgeschieden
- Das nötige Molekulargewicht wird i.d.R. in der Phase-II-Reaktion erreicht.
- Lipophile Substanzen treten zum Teil in den enterohepatischen Kreislauf
ein und werden rückresorbiert
- Die pulmonale Ausscheidung ist v.a. bei den Inhalationsanästhetika
sowie bei Kohlenstoffmonoxid (CO ) von Bedeutung - P
-Glykoprotein: primär aktiver Effluxtransporter, der seine Substrate von intra- nach extrazellulär transportiert - Er
ist unter anderem im Darm, in der Leber , an der Blut -Hirn-Schranke, an der Plazenta und den Nieren lokalisiert - Bsp.: Digoxin wird durch das P
-Glykoprotein aus den Enterozyten ins Darmlumen transportiert
- Er
- Hydrophile Wirkstoffe über die Nieren
Kumulation
- Wenn das Dosierungsintervall (also der Abstand zwischen den Pharmakongaben) verkürzt wird, kann die zugeführte Menge die eliminierte Menge überschreiten, dadurch steigt die Pharmakonkonzentration an
- Dieser Effekt kann für die Aufdosierung von Medikamenten genutzt werden, kann allerdings auch zu einer Überdosierung mit verstärkter Wirkung und stärkeren Nebenwirkungen führen
Pharmakogenetik
DefinitionDie Pharmakogenetik befasst sich mit genetischen Faktoren, die Einfluss auf die Arzneimittel nehmen.
Wichtige Beispiele:
- CYP2D6-Polymorphismus
- Die meisten Europäer sind schnelle Metabolisierer
- Bei ca. 2% arbeitet das Enzym schneller („ultrarapid metabolizer“), bei dieser Patientengruppe sind höhere Medikamentendosen notwendig, um dieselbe Wirkung zu erreichen
- Bei ca. 10% arbeitet das Enzym langsamer oder gar nicht („poor metabolizer“)
- Thiopurin-Methyltransferase-Polymorphismus (TPMT)
- Wichtiges Enzym beim Abbau von Azathioprin
- Bei Defekt muss Azathioprindosis reduziert werden
- Wichtiges Enzym beim Abbau von Azathioprin
- N-Acetyltransferase-Polymorphismus
- Es gibt schnelle und langsame Acetylierer
- Diagnostik: Genotyp Bestimmung
- Cave bei den langsamen Acetylierern: da Medikamente langsamer metabolisiert werden, gibt es eine vermehrte Nebenwirkungsrate
CYP-Wechselwirkungen
Das Cytochrom-P450-System (CYP) ist eine Gruppe von Enzymen, die eine zentrale Rolle im Metabolismus von Arzneistoffen und endogenen Substanzen spielen. Es handelt sich um Hämproteine, die vor
Die Aktivität des CYP-Systems wird durch genetische Variationen sowie durch Induktoren (Steigerung der Enzymaktivität) und Inhibitoren (Hemmung der Enzymaktivität) beeinflusst. Dies hat klinische Bedeutung, da Wechselwirkungen zwischen Medikamenten auftreten können, die über das gleiche CYP-Enzym metabolisiert werden.
CYP-Enzym | Substrate (Auswahl) | Induktoren (Auswahl) | Inhibitoren (Auswahl) |
---|---|---|---|
CYP1A2 |
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CYP2C9 |
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CYP2C19 |
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CYP2D6 |
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CYP3A4/5 |
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Klinisch relevante Interaktionen des Cytochrom-P450-Systems
Wechselwirkungen entstehen häufig durch Hemmung oder Induktion dieser Enzyme, was die Medikamentenspiegel entweder erhöht (z. B. verstärkte Nebenwirkungen) oder senkt (z. B. Wirkverlust). In der folgenden Liste haben wir typische Kombinationen mit hohem Interaktionspotential zusammengefasst.
- CYP2C9:
- Phenprocoumon + Amiodaron
: Hemmung von CYP2C9 durch Amiodaron erhöht Phenprocoumon-Spiegel, was das Risiko schwerer Blutungen erhöht. - Phenprocoumon + Rifampicin
: Induktion von CYP2C9 durch Rifampicin reduziert die Wirksamkeit von Phenprocoumon und erhöht das Thromboserisiko.
- Phenprocoumon + Amiodaron
- CYP2C19:
- Clopidogrel
+ Omeprazol: Hemmung von CYP2C19 durch Omeprazol verringert die Aktivierung von Clopidogrel , was die antithrombotische Wirkung schwächt
- Clopidogrel
- CYP2D6:
- Betablocker
+ SSRIs (insbesondere Fluoxetin/Paroxetin): Hemmung von CYP2D6 durch SSRIs kann die Konzentration von Betablockern erhöhen, was zu Bradykardie und Hypotonie führen kann. - Tamoxifen + SSRIs
(insbesondere Fluoxetin/Paroxetin): gleichzeitige Gabe führt zur Wirkabschwächung von Tamoxifen, welches als Aromatase-Hemmer bei hormonsensiblen Mammakarzinomen zum Einsatz kommt - Prodrugs wie Codein oder Tramadol + CYP2D6-Inhibitoren: die Prodrugs können nicht in ihre aktiven Metabolite umgewandelt werden
- Betablocker
- CYP3A4:
- Simvastatin + Grapefruitsaft oder Makrolide
: Hemmung von CYP3A4 durch Grapefruitsaft oder Markolide führt zu erhöhten Simvastatin-Spiegeln und einem höheren Risiko für Rhabdomyolyse - Ciclosporin + Rifampicin
oder Johanniskraut : Induktion von CYP3A4 durch Rifampicin oder Johanniskraut reduziert Ciclosporin-Spiegel, was die Transplantatabstoßung begünstigen kann - Diazepam
+ Ketoconazol: Hemmung von CYP3A4 durch Ketoconazol erhöht Diazepam -Spiegel, was zu starker Sedierung führen kann - Rivaroxaban
/Apixaban + Ketoconazol: Hemmung des Abbaus der DOAKs durch Ketoconazol kann das Blutungsrisiko signifikant erhöhen - Orale Kontrazeptiva + Johanniskraut
: Induktion von CYP3A4 durch Johanniskraut beschleunigt den Abbau von oralen Kontrazeptiva (z.B. Ethinylestradiol), senkt deren Wirkspiegel und erhöht das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft - Fentanyl
+ Clarithromycin: Hemmung von CYP3A4 durch Clarithromycin erhöht die Fentanyl -Spiegel, was zu Sedierung und Atemdepression führen kann
- Simvastatin + Grapefruitsaft oder Makrolide
P-Glykoprotein (P-gp)
P
Substrate | Induktoren | Inhibitoren |
---|---|---|
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Klinische Bedeutung:
- Inhibitoren (z. B. Verapamil): Steigern die Plasmakonzentrationen der Substrate (z. B. Digoxin) und erhöhen das Risiko von Toxizitäten
- Induktoren (z. B. Rifampicin
): Senken die Wirkstoffspiegel, was z. B. bei Dabigatran oder Ciclosporin zu Therapieversagen führen kann
InfoÜberexpression des P
-Glykoproteins in Tumoren Einige Tumore exprimieren verstärkt P
-Glykoprotein (P -gp), um Zytostatika aktiv aus der Zelle zu transportieren. Dies führt zur Entwicklung einer Zytostatika -Resistenz, die die Wirksamkeit der Therapie erheblich beeinträchtigen kann. Aufgrund dieser Rolle bei der Resistenzentwicklung wird P -Glykoprotein auch als Multidrug-Resistance -Protein 1 (MDR-1) bezeichnet.
AchtungLoperamid
und P -Glykoprotein-Inhibitoren Loperamid
wird üblicherweise zur Behandlung von Durchfallerkrankungen eingesetzt und wirkt lokal im Darm, da P -Glykoprotein (P -gp) an der Blut -Hirn-Schranke den Übertritt ins zentrale Nervensystem verhindert. Im Drogenmilieu wird jedoch Loperamid in Kombination mit starken P -gp-Inhibitoren (z. B. Chinidin in Tonic-Water, Verapamil, Ritonavir) missbraucht, um eine zentrale opioide Wirkung zu erzielen. Diese Kombination kann zu gefährlichen Nebenwirkungen wie Sedierung und Atemdepression führen.
Quellen
- Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
- Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012
- Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5
- Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4