Zusammenfassung
In den folgenden Kapiteln werden einige relevante Kommunikationsmodelle vorgestellt. Diese helfen dabei, zwischenmenschliche Kommunikation zu veranschaulichen. Außerdem bieten die Modelle einen Überblick über häufige Ursachen für Kommunikationsstörungen. Anhand der Modelle können somit die Grundlagen für eine zielgerichtete Kommunikation erlernt werden.
Kommunikationstheorie
Paul Watzlawick stellte in seinem Modell 5 Grundregeln auf, um die menschliche Kommunikation zu beschreiben. Mit Hilfe dieser Regeln können Kommunikationssituationen interpretiert und Missverständnisse erklärt werden.
1.Man kann nicht nicht kommunizieren
Jede Form des Verhaltens zwischen Personen weist einen Mitteilungscharakter auf. So hat bspw. nicht nur das Gesagte, sondern auch das Nicht-Gesagte Relevanz. Demnach ist jedes Verhalten eine Form der Kommunikation. Genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man auch nicht nicht kommunizieren. Selbst wenn man auf eine Frage keine Antwort gibt, so stellt dies eine Form der Kommunikation dar.
Beispiel
Person A: „Ist alles in Ordnung?“
Person B verdreht die Augen und wendet sich von Person A ab
→ Person B hat in diesem Fall ohne Worte kommuniziert
TippDie nonverbale Kommunikation spiegelt häufig unterbewusste Empfindungen wider. Indem man auf diese achtet, kann man viele Informationen gewinnen, die für das Verständnis des Gegenübers hilfreich sein können.
2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
- Inhaltsaspekt → WAS wird vermittelt
- Umfasst Sachinformationen
- Wird verbal vermittelt
- Beziehungsaspekt → WIE wird vermittelt
- Gibt vor
, wie Sender:innen die Beziehung definieren und wie Sachinformationen von Empfänger:innen aufgefasst werden - Wird verbal und nonverbal vermittelt (Mimik, Gestik, Tonlage)
- Gibt vor
MerkeJe nach Mimik, Gestik oder Tonlage wird der Inhalt vom Gegenüber unterschiedlich aufgefasst. Eine funktionierende Beziehungsebene ist die Voraussetzung für den Inhaltsaspekt. Werden Konflikte der Beziehungsebene auf den Inhaltsaspekt übertragen, entstehen Kommunikationsstörungen.
Beispiel:
Arzt fragt die Patientin: „Machen Sie denn wirklich so viel Sport
- Inhaltsaspekt: Inhaltlich möchte der Arzt mit dieser Frage lediglich erfahren, ob die Patientin wirklich so viel Sport
macht, wie angegeben. - Beziehungsaspekt: Je nachdem, wie der Arzt die Frage stellt, in welchem Kontext sie gestellt wird und wie die Wahrnehmung der Patientin ist, kann die Frage unterschiedlich aufgefasst und interpretiert werden
→ Somit kann diese Frage je nach Beziehungsaspekt sowohl Bewunderung alsauch Zweifel ausdrücken
TippBei der Kommunikation mit Patient:innen sollte man auf passende Formulierungen achten. Es ist zu bedenken, dass insbesondere mehrdeutige oder unklar formulierte Fragen oder Informationen vom Gegenüber falsch interpretiert werden können. Durch offene Kommunikation und Rückfragen können derartige Missverständnisse vermieden oder geklärt werden. Patient:innen sollten daher dazu aufgefordert werden, Fragen zu stellen.
3.Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung
Jede Form der Kommunikation (Reiz) löst im Gegenüber ein Verhalten (Reaktion) aus. Somit entstehen zirkuläre Kommunikationsverläufe. Interaktionspartner:innen strukturieren Kommunikationsabläufe jedoch unterschiedlich und betrachten ihr eigenes Verhalten z.B. als
Beispiel:
Person A schreit Person B an (Ursache), woraufhin Person B mit den Augen rollt (Wirkung). Daraufhin schreit Person A noch lauter (Wirkung) und Person B rollt erneut mit den Augen. Person A behauptet zu schreien, weil Person B zuerst mit den Augen
MerkeBeim Auftreten derartiger Kommunikationsstörungen ist die Suche nach einem Schuldigen nicht sinnvoll, da jeder sein eigenes Verhalten als
Wirkung und nicht als Ursache wahrnimmt.
TippIn vergleichbaren Situationen ist es hilfreich, sich über die jeweiligen Wahrnehmungen auszutauschen. Zudem sollten sich die Gesprächspartner:innen darauf fokussieren, das aktuelle Kommunikationsverhalten zu verändern. Auf diese Weise wird der Konflikt entschärft.
4.Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten
- Digital
- „Miteinander sprechen“
- Aussage ist direkt, deutlich und klar formuliert
- Lässt keinen Interpretationsspielraum
- Analog
- Aussage ist nicht eindeutig und muss interpretiert werden
- Körpersprache, Sprechweise, Kontext
→ Der Inhaltsaspekt wird meist digital vermittelt, der Beziehungsaspekt oft analog
Unter Berücksichtigung digitaler und analoger Kommunikationsweisen ist es möglich, Gesamtaussagen besser zu deuten. Andersherum ist es schwierig die Modalitäten getrennt voneinander zu interpretieren.
Beispiel:
Person A sitzt da und weint. Anhand der Mimik und Gestik kann Person B daraus schließen, dass Person A traurig ist (analog). Warum Person A traurig ist, kann Person B aber höchstens vermuten. Nun sagt Person A, dass sie sich mit den Eltern gestritten hat (digital). Person B weiß nun, weshalb Person A traurig ist.
Wenn Gesprächspartner:innen analog etwas anderes vermitteln als
MerkeAnalog zu Axiom 2 lässt sich folgende Grundaussage festhalten → Eine Diskrepanz zwischen analoger und digitaler Modalität kann zu Kommunikationsstörungen führen
TippDie Fehlinterpretation analoger Kommunikation kann zu Missverständnissen und Konflikten führen. Wenn die analoge Modalität mehrdeutig ist und/oder nicht mit der digitalen Kommunikation übereinstimmt, kann es hilfreich sein, direkt nachzufragen.
5.Kommunikationsabläufe sind symmetrisch (gleichwertig) oder komplementär (ergänzend)
Beziehungen
DefinitionKomplementäre Beziehung: Unterschiedliche Verhaltensmuster bestimmen den Interaktionsprozess. Die Unterschiedlichkeit der Partner:innen bildet die Grundlage der Beziehung und ist darauf ausgerichtet, einander zu ergänzen. Es gibt eine starke und eine schwache Person in der Beziehung.
DefinitionSymmetrische Beziehung: Partner:innen begegnen sich auf Augenhöhe und es gibt keine Machtunterschiede. Sie streben danach, Ungleichheiten zu minimieren und verhalten sich spiegelbildlich.
Komplementäre Beziehungen deuten nicht zwingend darauf hin, dass eine Person der anderen unterlegen ist. Häufig sind entsprechende Verhaltensanforderungen konstitutionell bedingt oder durch soziale Kontexte vorgegeben (z.B. Mutter/Tochter). Eine sehr starre
Symmetrische Eskalation: Eine symmetrische Eskalation liegt vor
Beispiel:
Frau Gruber fühlt sich von ihrem Arzt nicht ausreichend informiert und hat das Gefühl, dass ihre Symptome nicht ernst genommen werden. Sie spricht ihre Sorgen während der Konsultation an. Herr Dr. Bauer reagiert abwehrend und betont die Schwierigkeit der Diagnose. Die Kommunikation wird zunehmend konfrontativ: Frau Gruber fühlt sich unverstanden, Dr. Bauer angegriffen. Nun stellt Frau Gruber auch noch die Kompetenz des Arztes in Frage, was die Eskalation weiter verschärft. Dr. Bauer weist Frau Gruber darauf hin, dass sie seine ärztliche Urteilskraft zu respektieren habe. Die Gesprächspartner:innen versuchen sich in ihren Standpunkten stets zu überbieten, wodurch die Situation immer angespannter wird.
TippUm eine symmetrische Eskalation zu durchbrechen, kann es hilfreich sein, die Situation aus der Gegenperspektive zu betrachten. Oft ist es auch sinnvoll, das Gespräch zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Dies gibt den Partner:innen die Möglichkeit zur Reflexion.
→ Bezogen auf das Beispiel könnte Herr Dr. Bauer mehr auf die Sorgen der Patientin eingehen. Frau Gruber hingegen könnte versuchen, ihre Bedenken respektvoll zu kommunizieren, ohne den Arzt anzugreifen. Eine offene und empathische Kommunikation, bei der man sich die Wünsche des Gegenübers bewusst macht, hilft, derartige Kommunikationsstörungen zu vermeiden.
Sender-Empfänger-Modell
Das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver war ursprünglich darauf ausgerichtet, technische Störanfälligkeiten zwischen Übertragung und Empfang zu reduzieren. Das Ziel war die Optimierung der Kommunikation. Dabei geht es nicht um die Bedeutung der Nachricht, sondern lediglich um den Austausch von Informationen (Übertragung und Empfang).

Ausgangspunkt des Kommunikationsverlaufs ist ein Sender* (Person A). Dieser codiert eine Botschaft und übermittelt sie in Form von Signalen an einen Empfänger (Person B) (Codierung: z.B. Auswahl der Worte, Tonlage etc.). Der Empfänger muss nun die empfangenen Signale decodieren (Decodierung: Interpretation der Signale). Sobald der Empfänger die Botschaft decodiert hat, folgt eine Reaktion. Somit werden Empfänger selbst zu Sendern.
Erfolgreich ist Kommunikation dann, wenn die gesendete Botschaft
mit der empfangenen übereinstimmt. Verschiedene Ursachen
können jedoch dazu führen, dass bei dem Empfänger eine
andere Botschaft ankommt als
wollte. Auf diese Weise wird der Kommunikationsprozesses
gestört und es kann zu Missverständnissen und Konflikten kommen.
*Wenn in den Erklärungen die männliche Form verwendet wird, sind alle Geschlechter gemeint.
Ursachen für Störungen:
- Lärm und Hintergrundgeräusche → Nebengeräusche können dafür sorgen, dass der Empfänger die Botschaft akustisch nicht versteht
- Fehlende Aufmerksamkeit → z.B. aufgrund von mangelndem Interesse des/der Gesprächspartner:in
- Unterschiedliche Voraussetzungen → bspw. fehlende Kenntnis über die Bedeutung von Fachbegriffen durch unterschiedliches Vorwissen
- Sprache → unterschiedliche Herkunftsländer, Jugendsprache, Dialekt
- Kultur → gilt v.a. für nonverbale Signale
- Stille-Post-Effekt → wiederholte Übertragungen können zu einer Verfälschung des ursprünglich Gesagten führen
TippUm sicher zu gehen, dass die Botschaft beim Gegenüber richtig angekommen ist, sollte die Reaktion beobachtet werden. Außerdem helfen regelmäßige Rückfragen (Kontrollfragen) und entsprechendes Feedback dabei, Kommunikationsstörungen zu vermeiden.
Die vier Ebenen einer Nachricht
Schulz von Thun verfolgte mit seinem sogenannten „4-Ohren-Modell“ das Ziel, mehr Anwendungsbezug zu schaffen. Er
Nach dem Modell besteht jede Nachricht aus 4 Ebenen und Botschaften. Sender:innen vermitteln über jede der Ebenen eine Botschaft. Empfänger:innen erhalten die Botschaften ebenso auf 4 unterschiedlichen Kommunikationsebenen:
- Sachebene
- Sender:in: Worüber informiere ich?
- Empfänger:in: Wie ist der Sachinhalt zu verstehen?
- Selbstoffenbarung
- Sender:in: Was gebe ich von mir preis?
- Empfänger:in: Was offenbarst du von dir?
- Beziehungsebene
- Sender:in: Wie ist unser Verhältnis zueinander?
- Empfänger:in: Wie stehst du zu mir?
- Appell
- Sender:in: Was sollst du tun?
- Empfänger:in: Was erwartest du von mir?
Entspricht die Intention des Senders nicht der Wahrnehmung der Empfängers, entstehen Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnisse. Dies passiert dann, wenn Sender und Empfänger die Botschaften unterschiedlich deuten oder die Ebenen anders gewichten.
Beispiel:
Person A hat den Wunsch nach konkreter Unterstützung (Fokus liegt auf Appell), Person B drückt stattdessen Mitgefühl aus (achtet v.a. auf Beziehungsebene).
Um Missverständnisse zu vermeiden, hilft es, Nachrichten so deutlich wie möglich zu formulieren:
→ „Kannst du bitte die Heizung herunterdrehen?“ statt „Hier ist es aber heiß...“
Zudem ist es hilfreich, unklare Botschaften in kritischen Situationen anzusprechen, um so Klarheit zu schaffen.