Einleitung
- Bei der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (= HIT) kommt es zu einer Reaktion zwischen Heparin und den Thrombozyten bzw. zu einer Antikörperbildung gegen ein von den Thrombozyten sezerniertes Protein. Es kann somit zu einer Verminderung der Thrombozytenzahl, also zu einer Thrombozytopenie und zu einer übermäßigen Blutgerinnung kommen
- Die Heparin-induzierte-Thrombozytopenie, kurz HIT, kann man in die meistens harmlose HIT 1 und die gefährliche HIT 2 aufteilen
- Bei der Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ 1 (HIT 1) kommt es zu einer direkten Interaktion zwischen den Heparinen und den Thrombozyten
- Es resultiert meistens nur ein geringer Abfall der Thrombozytenzahl mit Thrombozytenwerten über 100.000/µl
- Eine Therapie ist in der Regel nicht notwendig
- Bei der Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ 1 (HIT 1) kommt es zu einer direkten Interaktion zwischen den Heparinen und den Thrombozyten
- Bei der Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ 2 (HIT 2) kommt es zu einer Antikörperbildung gegen einen Komplex aus Heparin und dem Plättchenfaktor-4. Sie wird von unfraktionierten Heparinen 10-mal häufiger als von niedermolekularen Heparinen ausgelöst
- Bei der HIT 2 kommt es zu einem starken Abfall der Thrombozyten auf Werte von unter 100.000/µl oder unter 50% des Ausgangswertes
- Die Diagnose einer HIT 2 kann mittels des Heparin-induzierten Plättchenaggregations-Essays (= HIPA) gestellt werden
- Durch die Bindung von Antikörpern an die Thrombozyten kann es zu einer Thrombozytenaggregation kommen. Die HIT 2 kann somit zu Thromboembolien führen und Bedarf daher ggf. einer Therapie mit Danaparoid oder Argatroban
Übersicht:
HIT 1 | HIT 2 | |
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Pathophysiologie |
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Häufigkeit
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Zeitpunkt |
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Thrombozyten-abfall |
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Komplikationen |
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Diagnostik |
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Therapie |
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Hinweise für eine HIT
- Bei dem Verdacht auf eine HIT sollte zuerst die Thrombozytenzahl kontrolliert werden (weiteres Vorgehen siehe folgender Abschnitt)
- Neue arterielle und/oder venöse Thromboembolie
- Schmerzhafte Hautläsion an der Stelle der Heparininjektion
- Allergische oder anaphylaktoide Reaktion während der Behandlung mit Heparin
Praktisches Vorgehen bei dem Verdacht auf eine HIT
- Kontrolle der Thrombozytenzahl und Ausschluss einer Pseudothrombozytopenie
- Beurteilung der Wahrscheinlichkeit für eine HIT 2 (4T-Score):
- Vier Kriterien: Thrombozytopenie, Timing des Thrombozytenfalls, Thrombose oder andere Komplikationen und das Fehlen anderer Ursachen für einen Thrombozytenabfall (oThers)
Kriterium 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkt Thrombozytenabfall Abfall >50% oder Thrombozytenzahl 20.000-100.000/µl Abfall 30-50% oder Thrombozytenzahl 10.000-19.000/µl Abfall <30% oder Thrombozytenzahl <10.000/µl Timing des Thrombozytenabfalls 5-10 Tage nach Heparinbeginn oder innerhalb von 1 Tag, wenn Heparin in den letzten 30 Tagen verwendet wurde >10 Tage, unklar oder innerhalb von einem Tag, wenn Heparin in den letzten 31-100 Tagen verwendet wurde <4 Tage ohne vorherige Heparin-Exposition Thrombose oder andere Komplikationen Neue Thrombose, Hautnekrose, anaphylaktische Reaktion nach Heparin-Infusion Vermutete Thrombose, Hautrötungen Keine Andere Ursachen für Thrombozytenabfall Keine Möglich Gesichert 0-3 Punkte: HIT 2 unwahrscheinlich ➜ keine weitere HIT-Diagnostik (andere Ursachen evaluieren)
4-5 Punkte: mittlere Wahrscheinlichkeit für eine HIT 2 ➜ weitere HIT-Diagnostik sinnvoll (ggf. Heparin absetzen)
6-8 Punkte: hohe Wahrscheinlichkeit für eine HIT 2 ➜ weitere HIT-Diagnostik sinnvoll (Heparin absetzen)
- 0-3 Punkte (HIT 2 unwahrscheinlich): keine weitere HIT-Diagnostik (andere Ursachen evaluieren)
- 4-5 Punkte (HIT 2 möglich): weitere HIT-Diagnostik sinnvoll (ggf. Heparin absetzen)
- 6-8 Punkte (HIT 2 möglich): weitere HIT-Diagnostik sinnvoll (Heparin sofort absetzen)
- Durchführung einer spezifischen HIT-Labordiagnostik:
- IgG gegen den Komplex aus Heparin und Plättchenfaktor-4
(Schnelltest: Plättchenfaktor-4-Heparin-ELISA)- Liegen auch bei vielen asymptomatischen Personen vor
- Sicherer Hinweis auf HIT 2 daher nur, wenn gleichzeitig ein Thrombozytenabfall um >50% des Ausgangswertes besteht
- Negativer Test macht eine HIT jedoch sehr unwahrscheinlich
- Bei positivem Schnelltest oder hoher Wahrscheinlichkeit für HIT: Bestätigungstest mittels Heparin-Induced Platelet Activation-Test (HIPA-Test) (= Heparin-induzierter Plättchen-Aktivierungs-Test)
- IgG gegen den Komplex aus Heparin und Plättchenfaktor-4
- Heparin sofort absetzen bei:
- Positivem HIPA-Bestätigungstest
- Oder: 4T-Score von >6
- Oder: 4T-Score von 4-5 und positivem Schnelltest
- Es sollte keine Gabe von Thrombozytenkonzentraten erfolgen
- Die HIT sollte gut dokumentiert werden (im Arztbrief und im Allergiepass)
- Therapie von thromboembolischen Komplikationen (falls vorhanden) durch die HIT 2
- Umstellung auf Danaparoid oder Argatroban für 5-7 Tage (Therapieschema und Dosierungen sowie weitere Informationen zur praktischen Durchführung siehe Danaparoid oder Argatroban)
- Nach Stabilisierung, bei ausreichender antithrombotischer Kontrolle und einer normalisierten Thrombozytenzahl: Umstellung auf einen Vitamin-K-Antagonisten
AchtungBei Patient:innen mit bekannter HIT 2 kann es kurz nach der Applikation von Heparinen zu Komplikationen kommen! Bei einer vorbekannten HIT 2 sollte daher kein Heparin gegeben werden. Bei dem hochgradigen Verdacht auf eine HIT 2 sollte das Heparin unmittelbar abgesetzt werden.
Bei thromboembolischen Komplikationen im Rahmen der HIT 2 sollte eine Umstellung auf Danaparoid oder Argatroban erfolgen. Bei einer akuten HIT 2 sollte keine Gabe mehr von Heparin erfolgen. Dies gilt für unfraktioniertes Heparin und für niedermolekulare Heparine.
- S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE), AWMF Arbeitsgem. der Wiss. Medizin. Fachgesellschaften e.V.
- Fachinformationen