Einleitung
Die Herzkatheteruntersuchung gehört zu einem der wichtigsten minimal-invasiven Untersuchungsverfahren in der Kardiologie.
Es gibt eine Linksherzkatheteruntersuchung, mit der der linke Ventrikel

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Bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung kann der rechte Ventrikel

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Weiterhin können aus dem rechten und linken Ventrikel
Begriffe
- Lävokardiographie: radiologische Darstellung des linken Ventrikels
mit Kontrastmittel – Beurteilung der Morphologie und Funktion der linken Kammer und der Herzklappen
- Koronarangiographie: Darstellung der Koronararterien
mittels Kontrastmittel
- PCI (= perkutane Koronarintervention)/PTCA (= perkutane transluminale coronare Angioplastie): therapeutische Rekanalisation einer Koronarstenose mittels eines Ballonkatheters mit meist folgender Stentimplantation
Indikationen für einen Linksherzkatheter
- Diagnostik und Therapie der koronaren Herzkrankheit
- Akutes Koronarsyndrom
/Myokardinfarkt - Durch eine Ischämie verursachte Herzrhythmusstörungen
- Vorhofohrverschluss
bei Vorhofflimmern - Verschluss eines Vorhofseptumdefektes
- Unklare Herzinsuffizienz
- Präinterventionelle oder präoperative diagnostische Koronarangiographie (z.B. vor einer TAVI
, da nachfolgend die interventionelle Versorgung von Koronarstenosen erschwert sein kann, vor einer Bypass-Operation zur Therapieplanung oder vor einer Herzklappenoperation zur Evaluation einer zusätzlichen Notwendigkeit für eine Bypass-Versorgung) - Interventionelle Versorgung von Herzklappenvitien (z.B. Transkatheter-Aortenklappen-Implantation
= TAVI oder Mitralklappen-Clipping bei einer Mitralklappeninsuffizienz ) - Biopsie-Kontrolle nach Herz-Transplantation oder bei dem Verdacht auf eine Herz-Transplantat-Abstoßung
- Bei dem Verdacht auf eine Myokarditis
zur Biopsie-Entnahme - Bei dem Verdacht auf eine Kardiomyopathie
zur Biopsie-Entnahme - Bei dem Verdacht auf eine kardiale Sarkoidose, Amyloidose oder Kollagenosen
zur Biopsie-Entnahme
AchtungDie Koronarangiographie ist ein minimal-invasives Verfahren, das mit Risiken für die Patient:innen einhergeht. Sie sollte daher nicht zum Screening bei asymptomatischen Patient:innen genutzt werden.
Indikationen für einen Rechtsherzkatheter
- Pulmonale Hypertonie
: z.B. bei zugrundeliegender pulmonaler oder kardialer Erkrankung oder bei dem Verdacht auf eine pulmonal-arterielle Hypertonie (= PAH) oder eine Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (= CTEPH) - Angeborene Herzfehler: z.B. Vorhof- oder Ventrikelseptumsdefekt, offener Ductus Botalli, offenes Foramen ovale
- Myokardbiopsie
: z.B. bei Myokarditis - Herzklappenvitien des rechten Herzens: Trikuspidal- und Pulmonalklappe
- Intensivmedizinische Fragestellung: erweitertes hämodynamisches Monitoring
(Steuerung der Flüssigkeitssubstitution, unklarer Schockzustand , Rechtsherzversagen, etc.)
Messwerte bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung
Mithilfe einer Rechtsherzkatheteruntersuchung (Pulmonalarterienkatheter oder auch Swan-Ganz-Katheter genannt) lassen sich verschiedene hämodynamische Messwerte erheben.
Wichtige Messwerte:
- Zentraler Venendruck
(ZVD ): - Messung des Drucks in der oberen Hohlvene
(Vena cava superior ) nahe dem rechten Vorhof . Der ZVD gibt Aufschluss über das Volumen und den Druck im venösen System und die Funktion des rechten Herzens
- Messung des Drucks in der oberen Hohlvene
- Druckmessung
im rechten Vorhof : - Direkte Messung des Drucks im rechten Vorhof
. Diese Daten sind wichtig für die Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion und der Füllungsdrücke
- Direkte Messung des Drucks im rechten Vorhof
- Druckmessung
in der rechten Kammer: - Erfassung des Drucks in der rechten Herzkammer
, um die Funktion des rechten Ventrikels und die Druckverhältnisse während der Systole und Diastole zu bewerten
- Erfassung des Drucks in der rechten Herzkammer
- Pulmonal-arterieller Mitteldruck (mPAP):
- Messung des Drucks in der Pulmonalarterie. Bei einem chronischen mPAP >20 mmHg in Ruhe liegt eine pulmonale Hypertonie
vor
- Messung des Drucks in der Pulmonalarterie. Bei einem chronischen mPAP >20 mmHg in Ruhe liegt eine pulmonale Hypertonie
- Pulmonary Capillary Wedge Pressure (PCWP):
- Indirekte Messung des Drucks im linken Vorhof
durch Aufblasen eines Ballons in der Pulmonalarterie. Der PCWP gibt Aufschluss über die linksventrikuläre Funktion und die Volumenbelastung des linken Herzens
- Indirekte Messung des Drucks im linken Vorhof
- Herzminutenvolumen:
- Die Menge an Blut
, die das Herz pro Minute pumpt
- Die Menge an Blut
- Oxymetrie
und gemischt-venöse Sauerstoffsättigung (SgvO2): - Messung der Sauerstoffsättigung
im venösen Blut in der Arteria pulmonalis. Diese enthält das venöse Blut aus der V. cava inferior , der V. cava superior und des Sinus coronarius aus dem Herzen
- Messung der Sauerstoffsättigung
InfoPulmonary Capillary Wedge Pressure (= PCWP)
Der pulmonale Verschlussdruck (Pulmonal Capillary Wedge Pressure) kann gemessen werden, indem der Rechtsherzkatheter in einen Ast der A. pulmonalis geschwemmt wird. Anschließend wird ein Ballon aufgeblasen, sodass das Gefäß verschlossen wird. Der distal des Ballons gemessene Druck korreliert mit dem enddiastolischen Druck im linken Vorhof
.
Durchführung
1. Zu Beginn werden die Patienten auf dem Herzkathetertisch in Rückenlage gelagert und anschließend steril abgedeckt.
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Die Herzkatheteruntersuchung beginnt mit der Gabe von Heparin
2. Linksherzkatheter: bevorzugt A. radialis
Rechtsherzkatehter: V. jugularis oder V. femoralis
3. Anschließend erfolgt der Vorschub des Führungsdrahtes in das Gefäßsystem. Der Führungsdraht kann vom Interventionalisten vorgeschoben, zurückgeschoben und gedreht werden, so lässt er sich durch das Gefäßsystem zum Herzen steuern.
3.1 Bei einer Rechtsherzkatheteruntersuchung wird der Führungsdraht bis zum rechten Vorhof
3.2 Bei einer Linksherzkatheteruntersuchung wird der Führungsdraht bis in die Aorta
4. Abhängig vom Befund der Koronararterien
4.1 Diagnostisch kann eine genauere Untersuchung erfolgen. Um die Therapiebedürftigkeit einer Stenose zu ermitteln, kann eine Messung der fraktionelle Flussreserve (= FFR) erfolgen. Anhand dieser kann beurteilt werden, ob eine Stenose hämodynamisch relevant ist und der Patient von einer Therapie profitieren würde.
InfoMuss jede Stenose behandelt werden? Fraktionelle Flussreserve:
Die fraktionelle Flussreserve (= FFR) ist ein Index mit dem druckbasiert die Hämodynamik in den Koronargefäßen
beurteilt werden kann. Hierdurch können Stenosen identifiziert werden, die mit einem erhöhten Risiko für eine myokardiale Ischämie einhergehen. Die invasive Behandlung von Stenosen, die zu keiner Ischämie führen, bringen für den Patienten keinen Vorteil. In der reinen Angiographie lässt sich nicht ableiten, ob die Stenose zu einer Ischämie führt. Auch eine als hochgradig dargestellte Stenose muss nicht unbedingt zu einer Ischämie führen. Bei jeder Stenose mit einer visuell eingeschätzten Stenosierung unter 90% muss der Nachweis einer Ischämie erfolgen, damit eine Revaskularisierung gerechtfertigt werden kann (Ausnahme: akuter Myokardinfarkt
). Der Ischämienachweis kann nicht-invasiv mit einer Ergometrie, Stress-Echokardiographie
, Myokardszintigraphie oder einem Stress-MRT erfolgen. Invasiv kann der Ischämienachweis anhand der FFR erfolgen. 4.1 Bei der Messung der FFR wird ein Druckdraht (möglichst weit) distal der Stenose platziert. Anschließend wird (ggf. unter Medikamentenapplikation) der Druck distal der
Stenose und der Druck in der Aorta
gemessen. Diese Druckwerte werden zueinander in ein Verhältnis gesetzt. Physiologisch sollte die FFR bei 1 liegen. Das heißt der Druck in der Koronararterie und der Aorta sind gleich. Bei einer hämodynamisch relevanten Stenose sinkt der Druck distal von der Stenose im Verhältnis zum Aortendruck und die FFR sinkt unter 1. Bei einem hohen Widerstand der Mikrozirkulation und einem kleinem Versorgungsgebiet kann trotz einer höhergradigen Stenose ein (nahezu) normwertiger poststenotischer Druck vorliegen. Ab einer FFR von <0,8 spricht man von einer hämodynamisch und prognostisch relevanten Stenose. Eine interventionelle Therapie oder die Versorgung mit einem Bypass kann sinnvoll sein.
4.2 Weiterhin kann ein intravaskulärer Ultraschall (= IVUS) durchgeführt werden. Mit diesem können z.B. ältere Stents dargestellt werden.
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5. Im Rahmen einer interventionellen Therapie einer Stenose der Koronararterien
5.1 Anschließend erfolgt die Positionierung und Dilatation eines Ballons.
5.2 Damit die nun geöffnete Stenose auch langfristig offen bleibt, kann die Applikation eines Stents erfolgen. Heutzutage erfolgt primär die Anwendung von Drug eluting Stents (= DES). Diese sind unter anderem mit Immunsuppressiva
Stark verkalkte Stenosen können auch mit einer sogenannten Rotablation geöffnet werden. Diese kann man sich ähnlich wie ein Bohrer vorstellen, mit dem die Engstelle aufgebohrt wird.
6. Nach der erfolgten Diagnostik oder der Intervention wird der Führungsdraht zurückgezogen, aus dem Gefäßsystem entfernt und die Punktionsstelle wird komprimiert. Bei der Punktion der A. radialis
Kontraindikationen einer Herzkatheteruntersuchung
Absolute Kontraindikationen:
- Risiko durch Komorbiditäten ist höher als der zu erwartende Nutzen
- Fehlende therapeutische Konsequenz (z.B. palliatives Konzept)
Relative Kontraindikationen:
- Ausgeprägte kardiale Dekompensation
: erst Rekompensation ➜ anschließend Herzkatheter - Einnahme von oralen Antikoagulantien
(ggf. ein Tag Pausierung des direkten oralen Antikoagulans (= DOAK ) vor der Herzkatheteruntersuchung) - Thrombozytopenie
<50.000/mL, akute gastrointestinale Blutung - Niereninsuffizienz
- Hyperthyreose
: jodhaltiges Kontrastmittel kann eine Hyperthyreose verstärken
➜ Kontrastmittelprophylaxe mit Natriumperchlorat (hemmt die Jod-Aufnahme) - Akute Infektion, Kontrastmittelallergie, Schwangerschaft
AchtungIm Rahmen der Herzkatheteruntersuchung wird Heparin
gegeben. Überwiegt das Risiko einer Komplikation (wie z.B. einer Blutung) den Nutzen, sollte die Herzkatheteruntersuchung nicht durchgeführt werden. Eine Herzkatheteruntersuchung sollte nur durchgeführt werden, wenn eine therapeutische Konsequenz resultieren kann.
Komplikationen
- Kontrastmittelallergie, vasovagale Reaktion
- Kardiale Dekompensation
, Herzrhythmusstörungen, Dissektion der Koronararterien mit akutem Myokardinfarkt, Perforation des Herzmuskels - Vasospasmus der A. radialis
, Verschluss der A. radialis , Blutungen aus dem punktierten Gefäß, Gefäßperforation, Thrombembolien (Extremitätenischämie, Lungenembolie , Schlaganfall ), Restenosierung („In-Stent Restenose“)
Praktische Tipps
Vor der Herzkatheteruntersuchung:
- Indikation prüfen und konkrete Anforderung stellen
- Risikofaktoren optimieren: z.B. euthyreote Stoffwechsellage anstreben und Rekompensation bei kardialer Dekompensation
- Labor:
- TSH
-Wert: bei erniedrigtem TSH -Wert/hyperthyreoter Stoffwechsellage Kontrastmittel-Prophylaxe mit Natrium -Perchlorat (z.B. Irenat für bis zu 10 Tage nach der Kontrastmittelexposition) - Nierenretentionsparameter/Elektrolyte, kleines Blutbild
, Gerinnungsparameter
- TSH
- Bestimmte Medikamente pausieren:
- Metformin: 48 Stunden vor dem Eingriff
- Sulfonylharnstoffe
, DOAK : 24 Stunden - Phenprocuomon: nach Möglichkeit INR <1,5 bei femoraler Punktion
- Bei geplanter PCI/akutem Myokardinfarkt: Ansetzen der antithrombozytären Medikation/“loading“
- Bei Niereninsuffizienz: ggf. periinterventionelle Flüssigkeitssubstitution (auf bilanzierten Flüssigkeitshaushalt
achten ➜ bei dekompensierter Nieren- und Herzinsuffizienz ggf. auch Diuretikatherapie oder Dialyse notwendig - Bei Kontrastmittelallergie: Prophylaxe mit H1-Antihistaminikum (z.B. Dimentiden
) + H2-Antihistaminikum (z.B. Ranitidin ) + Cortison (z.B. Prednisolon ) - Punktionsstellen (radial und femoral) rasieren
Nach der Herzkatheteruntersuchung:
- Druckverband
nach definierter Zeit abnehmen (siehe Interventionsprotokoll) - Auf Nachblutungen achten
- Nach Punktion der A. femoralis
: Auskultation der Leiste - Bei Strömungsgeräusch: mögliches Aneurysma spurium ➜ Druckverband
erneut anlegen und Durchführung/Anmeldung einer Duplexsonographie
- Bei Strömungsgeräusch: mögliches Aneurysma spurium ➜ Druckverband
- Nach Beschwerden Fragen/auf Vitalparameter achten
- Je nach Intervention/vorheriger Medikation Beginn/Ausbau einer antithrombozytären Medikation und Fortsetzen der zuvor pausierten Medikation
Quellen
- Leitlinie: Durchführung der perkutanen Koronarintervention, Manual der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK)
- Leitlinie: Diagnostische Herzkatheteruntersuchung, Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.