Einleitung
Die Herztransplantation (HTx) ist die bevorzugte Therapieoption für Patient:innen mit terminaler Herzinsuffizienz, wenn keine anderen Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Sie bietet eine erhebliche Verbesserung der Überlebenschancen und der Lebensqualität.
Internationale Daten zeigen eine Einjahres-Überlebensrate von über 90 %, während die medianen Überlebenszeiten bei etwa 12,5 Jahren liegen. In Deutschland ist die Einjahresüberlebensrate mit ca. 80 % etwas niedriger, was unter anderem auf ein höheres Durchschnittsalter der Spenderorgane zurückgeführt wird.
In Deutschland finden jährlich ca. 300 Herztransplantationen statt.
Indikationen
Eine Herztransplantation sollte in Betracht gezogen werden, wenn eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz vorliegt und andere therapeutische Optionen ausgeschöpft sind. Die wichtigsten Voraussetzungen sind:
- Schwerwiegende Herzinsuffizienz mit schlechter Prognose
– Trotz maximaler medikamentöser und apparativer Therapie bleibt die Erkrankung progredient - Psychische und emotionale Belastbarkeit
– Die Patient:innen sollten gut informiert und motiviert sein, um die Therapie aktiv mitzugestalten. Weiterhin sollten sie psychisch-emotional stabil sein - Ausreichende soziale Unterstützung
– Ein stabiles familiäres und soziales Umfeld ist essenziell für die postoperative Betreuung - Fähigkeit zur langfristigen Therapieadhärenz
– Die Bereitschaft, lebenslang an medizinischen Nachsorgeprogrammen teilzunehmen und die Medikation zuverlässig einzunehmen
Kontraindikationen
Bestimmte gesundheitliche oder soziale Faktoren können eine Transplantation ausschließen oder mit einem erhöhten Risiko verbinden.
Absolute Kontraindikationen:
- Pharmakologisch irreversible pulmonale Hypertonie
(PVR >3 Wood Units)
– Falls sich der Lungengefäßwiderstand durch Medikamente nicht senken lässt → Es sollte die Implantation eines LVADszur Entlastung des Lungenkreislaufs erwogen werden (Bridge to candidacy) - Schwerwiegende Gefäßerkrankungen (pAVK)
– Eine weit fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit kann das Risiko für postoperative Komplikationen erhöhen - Systemische Erkrankungen mit Multiorganbeteiligung
– Erkrankungen, die mehrere Organe betreffen und die Langzeitprognose erheblich verschlechtern (z.B. HIV) - Schwere Begleiterkrankungen mit begrenzter Lebenserwartung
– Zum Beispiel schwere Lungenerkrankungen oder terminale Leberinsuffizienz - Aktiver Substanzmissbrauch
– Der fortgesetzte Konsum von Alkohol, Nikotin (inkl. E-Zigaretten) oder anderen Drogen stellt eine klare Kontraindikation dar - Aktive oder nicht ausreichend behandelte Krebserkrankung
– Ein hohes Risiko eines Tumorrezidivs nach der Transplantation schließt eine HTx aus - Mangelnde Compliance und fehlende soziale Unterstützung
– Unzuverlässigkeit in der Medikamenteneinnahme oder fehlende Betreuung können den Behandlungserfolg gefährden
Relative Kontraindikationen:
- Übergewicht
mit BMI >35 kg/m²
– Erhöhtes operatives Risiko und schlechtere Langzeitprognose - Bestehende Infektionen
– Falls eine Device-Infektion vorliegt, kann sie in einigen Fällen jedoch auch eine frühzeitige Transplantationsindikation darstellen - Schwere irreversible Nierenschädigung (eGFR <30 ml/min)
– Eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz stellt eine relative Kontraindikation dar
Organvergabe und Wartelistenmanagement
Die Zuteilung von Spenderorganen erfolgt über Eurotransplant und basiert auf zwei Hauptkriterien:
- Dringlichkeit der Transplantation (HU-Status)
- Erfolgsaussicht der Behandlung
Es gibt folgende Kategorien:
- T (transplantabel) – Die Patient:innen können grundsätzlich transplantiert werden
- HU (high urgent, hochdringlich) – Lebensbedrohlicher Zustand, der eine sofortige Transplantation erfordert
- NT (nicht transplantabel) – Die Patient:innen erfüllen derzeit nicht die Voraussetzungen für eine HTx
Kriterien für eine Hochdringlichkeit (HU-Status):
- Box-A-Kriterien: Schwere Kreislaufinsuffizienz (kardiales Hypoperfusionssyndrom) mit Inotropika-Abhängigkeit
- Box-B-Kriterien: Komplikationen unter mechanischer Unterstützung (z.B. LVAD
mit Schlaganfall oder GI-Blutungen ) - Box-C-Kriterien: Spezialfälle wie kardialer Amyloidose, angeborene Herzfehler oder unkontrollierbare lebensbedrohliche Arrhythmien mit schwerer Dekompensation
Wie wird die Warteliste geführt?
- Regelmäßige Risikoevaluation mindestens alle drei Monate
- Überprüfung von Nieren- und Leberfunktion, Kreislaufstatus und pulmonalen Widerstandswerten (PVR)
- Falls PVR kritisch ansteigt: ggf. häufigere Untersuchungen, Testung der Reversibilität, gezielte Intervention
TippBei einer potenziellen Listung für eine Herztransplantation sollte eine frühzeitige Anbindung an eine Transplantationsambulanz erfolgen, da es teilweise zu längeren Wartezeiten kommen kann. In der Transplantationsambulanz kann weiterhin eine regelmäßige Evaluation der Herzinsuffizienz
und der Therapieoptionen erfolgen.
Ablauf der Herztransplantation
Die Herztransplantation ist ein hochkomplexer chirurgischer Eingriff, der eine präzise Koordination zwischen Entnahme-, Transport- und Implantationsteams erfordert. Die gesamte Prozedur unterliegt strengen zeitlichen und logistischen Vorgaben, um das Risiko einer Ischämie- und Reperfusionsschädigung des Spenderorgans zu minimieren.
Entnahme und Transport des Spenderherzens
Spenderkriterien und Organselektion:
Die Spenderherzen stammen in der Regel von Hirntoten (Donation after Brain Death), die zuvor einer umfassenden medizinischen Evaluation unterzogen wurden. Folgende Faktoren spielen eine Rolle bei der Selektion eines geeigneten Spenderherzens:
- Alter des/der Spender:in: Jüngere Spender:innen (<40 Jahre) haben meist eine bessere Organqualität
- Herzfunktion: Beurteilung mittels Echokardiographie
und ggf. invasiver Hämodynamik - Begleiterkrankungen: Keine schwere koronare Herzkrankheit
oder Myokardschädigung - Infektionsstatus: Keine aktive systemische Infektion oder maligne Erkrankung
- Blutgruppe und HLA-Kompatibilität: Vermeidung von Hyperakut-Abstoßungen
Organentnahme:
Das Spenderherz wird unter sterilen Bedingungen in einem multidisziplinären Organentnahmeteam entnommen, das auch für andere Organe (z.B. Leber
- Systemische Heparinisierung des/der Spender:in zur Vermeidung intravasaler Thrombosen
- Explantation des Herzens: Sternotomie
und Mobilisation - Kardioplegische Schutzlösung: Das Herz wird durch kardioplegische Perfusion stillgelegt, um die Ischämiezeit zu minimieren
- Sofortige Kühlung in einer kardioprotektiven Lösung bei 4 °C zur Verlangsamung des Zellstoffwechsels
Transport des Spenderorgans:
Das explantierte Herz wird in einer speziellen Kühlbox transportiert, um die Ischämiezeit so kurz wie möglich zu halten. Die zulässige kalte Ischämiezeit beträgt in der Regel maximal 4–6 Stunden, um eine optimale Transplantatfunktion zu gewährleisten.
Vorbereitung des/der Empfänger:in
Während das Spenderherz transportiert wird, erfolgt parallel die Operationsvorbereitung des/der Empfänger:in. Dies umfasst:
- Induktion der Allgemeinanästhesie
und invasive hämodynamische Überwachung - Sternotomie
und Freilegung des Herzens - Kardiopulmonaler Bypass mittels Herz-Lungen-Maschine
: Das Blut wird extrakorporal oxygeniert und decarboxyliert, um die Perfusion des Kreislaufs und die Versorgung der Gewebe während der Explantation und Implantation sicherzustellen - Explantation des erkrankten Herzens, wobei die hintere Wand der Vorhöfe erhalten bleibt (das Empfängerherz wird erst explantiert, wenn das Spenderherz verifiziert und als geeignet bestätigt wurde)
Implantation des Spenderherzens
Die Implantation
Chirurgische Schritte:
- Positionierung des Spenderherzens in der Thoraxhöhle
- Anastomosierung der linken und rechten Vorhöfe
(bzw. direkte Hohlvenenanastomosen bei der bikavalen Technik) - Anastomosierung an die Empfängerpulmonalarterie
- Aortenanastomose und Reperfusion des Organs
- Schrittweise Wiedererwärmung und Entwöhnung von der Herz-Lungen-Maschine
Während der letzten Phase wird das Spenderherz reaktiviert und seine Funktion durch transösophageale Echokardiographie

D Dinneen, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons: Es wurden die Markierungen und Beschriftungen ersetzt. Die Icons unten links und die Pfeile unten links wurden hinzugefügt.
Intra- und Perioperative Herausforderungen
Während der Transplantation können eine Reihe von Komplikationen auftreten, die eine unmittelbare Intervention erfordern:
- Primäre Transplantatdysfunktion (Primary Graft Dysfunction):
- Tritt innerhalb der ersten 24 Stunden auf
- Häufig durch Ischämie- und Reperfusionsschäden verursacht
- Therapie: Inotropika, mechanische Unterstützung (ECMO
)
- Reperfusionsschäden:
- Durch plötzliche Wiederherstellung der Durchblutung kann es zu Myokardschäden kommen
- Therapie: Sorgfältige Steuerung der Reperfusion und medikamentöse Schutzstrategien
- Hämodynamische Instabilität:
- Postoperativ kann ein hypodynamer Kreislauf auftreten
- Therapie: Vasopressoren, Flüssigkeitsmanagement, ggf. intraaortale Ballonpumpe (IABP)
- Blutungen und Gerinnungsstörungen:
- Erhöhtes Risiko durch lange OP-Zeit, Antikoagulation und HLM-Nutzung
- Therapie: Transfusionen, Gerinnungsmanagement (Fibrinogen
, Faktorpräparate)
Postoperative Überwachung
Nach der erfolgreichen Implantation
- Echokardiographische Kontrolle der Transplantatfunktion
- Engmaschiges hämodynamisches Monitoring
zur Steuerung der Inotropika - Frühe Myokardbiopsien zur Erkennung akuter Abstoßungsreaktionen
Innerhalb der ersten 24–48 Stunden ist das Risiko für eine akute Abstoßung oder Transplantatdysfunktion besonders hoch, weshalb eine intensive Betreuung in einer spezialisierten Transplantationseinheit erforderlich ist.
Nachsorge und Prognose
Frühkomplikationen nach der Transplantation
- Akute Abstoßung (innerhalb der ersten 3 Monate):
- Symptome: unspezifische Symptome (Schwäche, subfebrile
Körpertemperatur ), Herzrhythmusstörungen, Symptome einer Herzinsuffizienz - Erkennung durch Myokardbiopsien
- Behandlung z.B. mit hochdosierten Kortikosteroiden, Antithymozytenglobulin (ATG) oder Immunsuppressiva
- Symptome: unspezifische Symptome (Schwäche, subfebrile
- Reperfusionsschäden und primäre Transplantatdysfunktion
- Infektionen, insbesondere durch opportunistische Erreger (z.B. CMV) durch die Immunsuppression
Langfristige Risiken
- Chronische Abstoßungsreaktion (insbesondere Transplantatvaskulopathie): fortschreitende immunologisch vermittelte Verengung der Koronararterien
mit diffusen Durchblutungsstörungen - Immunsuppressionsbedingte Komplikationen: z.B. Nierenfunktionsstörungen, Infektionen
Medikamentöse Immunsuppression
Das Ziel ist eine Vermeidung von Abstoßungsreaktionen bei minimaler Immunsuppression. In der Regel erfolgt eine Dreifachkombination aus:
- Calcineurininhibitor
: Ciclosporin A - Zytostatikum: Mycophenolatmofetil
- Glucocorticoide
AchtungBei einer Umstellung der Medikation (auch der anderen Medikamente) sollte eine Rücksprache mit der Transplantationsambulanz erfolgen. Die Immunsuppressiva
haben ein hohes Interaktionspotenzial. Je nach Immunsuppressivum sind regelmäßige Kontrollen des Wirkstoffspiegels erforderlich.
Nachsorge
- Nach der Herztransplantation sollten engmaschige Kontrollen und Nachsorgen erfolgen. Es sollte eine regelmäßige Vorstellung in einer spezialisierten Transplantationsambulanz erfolgen
- Untersuchungen: Anamnese, körperliche Untersuchung, Labor, 12-Kanal-EKG
, TTE , Stressechokardiographie, Spirometrie , Linksherzkatheter - Bei dem Verdacht auf eine Transplantatabstoßung: ggf. MRT, Labordiagnostik, Myokardbiopsie
, Immunszintigraphie - Es sollte insbesondere nach Hinweisen für die folgenden Erkrankungen/Befunde gesucht werden:
- Infektionen: insbesondere opportunistische Infektionen wie CMV → vermeintlich bakterielle Infekte sollten großzügig antibiotisch behandelt werden
- Nebenwirkungen der Immunsuppressiva
- Nierenerkrankungen
- Diabetes mellitus
- Maligne Erkrankungen: insbesondere Hauttumore → konsequente Umsetzung der Empfehlungen zur Tumorfrüherkennung
- Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren
- Keine Impfung mit Lebendimpfstoffen aufgrund der Immunsuppression
Prognose
- Goldstandard in der Therapie der terminalen Herzinsuffizienz
- 1-Jahres-Überlebensrate: ca. 80% in Deutschland
- Mediane Überlebenszeit: ca. 12,5 Jahre
- Überlebensrate abhängig von:
- Abstoßungsreaktion (z.B. Transplantatvaskulopathie)
- Komplikationen unter immunsuppressiver Therapie (z.B. Niereninsuffizienz, Infektionen)
- Erneutes Auftreten der Grunderkrankung (z.B. koronare Herzkrankheit
)
Quellen
Schulze, P.C., Barten, M.J., Boeken, U. et al., Implantation mechanischer Unterstützungssysteme und Herztransplantation bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz. Kardiologie 16, 296-307 (2022). https://doi.org/10.1007/s12181-022-00561-5