Zusammenfassung
Die Hirnnervenuntersuchung ist ein wesentlicher Bestandteil der neurologischen Untersuchung und dient der Beurteilung der Funktion der zwölf Hirnnerven. Dabei werden verschiedene Tests durchgeführt, um sensorische, motorische und autonome Funktionen zu evaluieren, die durch diese Nerven vermittelt werden. Die Untersuchung umfasst beispielsweise das Testen der Geruchs- und Sehfähigkeit, der Gesichtsmuskulatur, der Hör- und Gleichgewichtsfunktion sowie der Schluck- und Sprechfunktionen. Eine sorgfältige Bewertung kann helfen, neurologische Erkrankungen oder Schädigungen, wie etwa Tumore, Schlaganfälle oder entzündliche Erkrankungen des ZNS, frühzeitig zu erkennen.
Einen Überblick findest du im Abschnitt zum Thema orientierende neurologische Untersuchung
Ursachen von Hirnnerven-Ausfällen
- Periphere Läsion von Hirnnerven: Während manche Nerven durch ihren Verlauf häufiger von einer Läsion betroffen sind (z.B. Fazialisparese), treten andere Nervenläsionen so gut wie nie isoliert auf
- Der Ausfall eines Hirnnerven kann auf eine zentrale Hirnstammläsion hinweisen → Durch die enge Nachbarschaft der Hirnnervenkerne und anderer Bahnen im Hirnstamm
, kommt es typischerweise zum ipsilateralen Hirnnervenausfall in Kombination mit kontralateraler Hemisymptomatik
Übersicht
Hirnnerv | Untersuchung | Normalbefund | Pathologischer Befund |
---|---|---|---|
I. N. olfactorius |
| Erkennen von aromatischen Stoffen |
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II. N. opticus |
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III. N. oculomotorius |
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IV. N. trochlearis |
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V. N. trigeminus |
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VI. N. abducens |
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VII. N. facialis |
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à Die Lage der Läsion bestimmt die Ausprägung der Symptomatik |
VIII. N. vestibulocochlearis |
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IX. N. glossopharyngeus |
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X. N. vagus | |||
XI. N. accesorius |
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XII. N. hypoglossus |
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CAVE: Die Zunge ist der einzige Muskel, auf dem man Fibrillationen mit dem bloßen Auge |
I. Hirnnerv (N. olfactorius)
Untersuchung des Geruchsempfindens
- Durchführung: Prüfung z.B. mit „Riechsticks“ oder anderen aromatischen Düften (Kaffee, Zimt, Minze, etc.) - Häufig sind anamnestische Angaben ausreichend
- Physiologisch: Gerüche werden wahrgenommen und können teilweise benannt werden
- Pathologisch: Anosmie, Hyposmie, Parosmie
- Kontrolle mit Trigeminusreizstoffen (z.B. Ammoniak): Differenzierung einer Störung des Geruchsempfindens von einer psychogenen Anosmie: Bei einer Störung des Geruchsempfindens wird Ammoniak trotzdem als scharfer Geruch wahrgenommen
AchtungEine Reduktion des Geruchssinns muss nicht immer pathologisch sein. In vielen Fällen ist erst der komplette Verlust des Geruchssinns (= Anosmie) von neurologischer Relevanz.
InfoMögliche Ursachen von Riechstörungen:
- Schädel-Hirn-Trauma mit Abriss der Fila oflactoria
- Morbus Parkinson (Frühsymptom)
- Hirntumore, z.B. Meningeome im Bereich des N. olfactorius
- Rhinitis, Virale Infektionen mit Affektion der Nasenschleimhaut (z.B. bei Covid-Infektionen)
II. Hirnnerv (N. opticus)
Visusprüfung
- Abdeckung eines Auges und seitengetrennte Prüfung des Visus
- Orientierende Prüfung des Visus durch das Zeigen von Fingern in ca. 1 m Entfernung
- Verwendung von Lesehilfen erlaubt
- Bei schwerer Visusminderung: Prüfen der Reaktion auf eine Lichtquelle
- Ggf. Genauere Visusprüfung mit Leseproben, Landolt-Ringen oder Sehtafeln
- Bei bestimmten Sehstörungen kann eine Ophthalmoskopie zusätzliche Informationen liefern (z.B. Stauungspapille) → augenärztliches Konsil

Gesichtsfeldprüfung
- Orientierende Fingerperimetrie
- Durchführung: Patient:innen und Untersuchende sitzen einander gegenüber, jeweils ein Auge
wird mit der Hand abgedeckt (monokulares Prüfen) - Ein Finger wird von außen in das gemeinsame Gesichtsfeld geführt; Aufforderung zu sagen, wann der Finger ins Gesichtsfeld rückt
- Binokulare Prüfung möglich, vor allem wenn keine Visusminderung vorliegt (dann liegt die Läsion meistens hinter dem Chiasma opticum und ist daher homonym ausgeprägt = auf beiden Augen derselbe Defekt)
- Physiologisch: Fingerbewegung kann korrekt benannt werden
- Pathologisch: Patient:innen sehen den Finger zu einem anderen Zeitpunkt als die Untersuchenden / Patient:innen nehmen die Bewegung der Finger in einem bestimmten Quadranten nicht wahr
- Durchführung: Patient:innen und Untersuchende sitzen einander gegenüber, jeweils ein Auge
- Alternative Durchführung
- Die Untersuchenden heben die Hände auf unterschiedliche Höhe im Gesichtsfeld der Patient:innen und bewegen Finger in den unterschiedlichen Quadranten – Die Patient:innen müssen benennen, wo sich die Finger bewegen
- Zur genaueren Untersuchung auf feine Gesichtsfeldausfälle kann z.B. eine kinetische Perimetrie (nach Goldmann) oder eine Schwellenperimetrie durchgeführt werden
- Prüfung auf Auslöschphänomene bei visuellem Neglect
(=räumliche Aufmerksamkeitsstörung): - Erweiterung der Gesichtsfeldprüfung mit beidseits geöffneten Augen; Auf beiden Seiten werden die Hände zuerst einseitig, dann gleichzeitig bewegt
- Physiologisch: Bewegung beider Hände gleichzeitig wird erkannt
- Pathologisch: Patient:innen erkennen nur die Bewegung einer Hand bei gleichzeitiger Bewegung
- Pathologischer Bezug: Sehfunktion und Sehbahn
ist eigentlich erhalten, Hinweis auf kortikale Blindheit (Schädigung des visuellen Kortex)
AchtungDurchführung nur möglich, wenn keine Visusminderung oder Gesichtsfelddefekt vorliegt!
Gesichtsfeldausfälle
MerkeJe nach Gesichtsfeldeinschränkung können Rückschlüsse auf die Lokalisation der Schädigung gezogen werden.
- Schädigung N. opticus → Einseitige Blindheit (monokuläre Anopsie): Ein vollständiger Ausfall des Sehvermögens auf einem Auge
- Schädigung Chiasma opticum → Bitemporale Hemianopsie: Ausfall der äußeren (temporalen) Gesichtsfeldhälften beider Augen
- Schädigung Tractus opticus → Homonyme Hemianopsie: Ausfall der gleichen (kongruenten) Gesichtsfeldhälften beider Augen
- Schädigung von Teilen der Sehstrahlung → Quadrantenanopsie: Ausfall eines Viertels des Gesichtsfelds beider Augen
- Schädigung Okzipitallappen →Hemianopsie mit Aussparung der Fovea centralis: Ausfall der Hälfte des Gesichtsfelds mit Erhaltung des zentralen Sehbereichs (Fovea)
Beurteilung der Pupillen (N. opticus und N. oculomotorius)
Untersuchung | Durchführung | Physiologisch | Pathologisch |
---|---|---|---|
Pupillenform | Begutachtung der Form im Seitenvergleich | Rund; Isokor = auf beiden Seiten gleich geformt, max. 1 mm | Entrundet; Anisokorie = ungleich geformte Pupillen, Seitendifferenz > 1mm
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Pupillenweite | Begutachtung der Weite im Seitenvergleich | Mittelweite Pupillen | Mydriasis (erweiterte Pupillen) trotz Helligkeit, Miosis (verengte Pupillen) trotz Dunkelheit |
Pupillenreaktion | Beurteilung der ipsilateralen Pupillenreaktion (direkte Pupillenreaktion) und der kontralaterale/konsensuellen Pupillenreaktion (indirekte Pupillenreaktion)
Tipp: Um die Lichtstreuung zum kontralateralen Auge | Pupillen reagieren beidseits prompt auf direkte und indirekte Beleuchtung → Verengung (Miosis) der beleuchteten (direkte Lichtreaktion) und der kontralateralen Pupille | Störung des afferenten Schenkels (z.B. N. opticus): Ausfall der direkten und indirekten Lichtreaktion bei Beleuchtung auf der ipsilateralen Seite, intakte direkte und indirekte Lichtreaktion bei Beleuchtung der kontralateralen Seite = amaurotische Pupillenstarre
Störung des efferenten Schenkels (z.B. N. oculomotorius): Ausfall der Lichtreaktion des erkrankten Auges bei direkter Beleuchtung sowie bei Beleuchtung des kontralateralen Auges = absolute Pupillenstarre |
Konvergenzreaktion | Ein Finger oder ein Gegenstand werden aus der Ferne in Richtung der Augen geführt | Konjugierte Augenbewegung nach medial und Miosis
| Störungen des N. oculomotorius oder des Parasympathikus |
Swinging-Flashlight-Test | Untersuchung sollte im abgedunkelten Raum stattfinden. Beide Augen werden abwechselnd und wiederholt mit einer definierten Lichtquelle (Pupillenleuchte) von schräg unten belichtet
| Beim Wechsel der Lichtquelle von einem zum anderen Auge | Eine Pupille |
Info
- Zur genauen Ausmessung des Pupillendurchmessers kann eine Pupillometrie erfolgen
- Zur Differenzierung von Pupillenstörungen können medikamentenhaltige Augentropfen Anwendung finden, um die Reagibilität der Pupillen zu testen
- Verwendete Substanzen z.B. Kokain
zur Auslösung einer Mydriasis, Pilocarpin zur Auslösung einer Miosis
Pathologische Befunde der Pupillen
AchtungEine entrundete oder einseitig erweiterte Pupille
, Anisokorie, kann auf eine intrakranielle Druckerhöhung hinweisen. Der Nervus oculomotorius (Hirnnerv III), der für das Einengen der Pupille zuständig ist, verläuft nahe der Mittellinie des Gehirns und ist anfällig für Kompression durch erhöhten intrakraniellen Druck. Die parasympathischen Fasern, die für die Verengung der Pupille zuständig sind, liegen außen am Nerv und sind deshalb besonders vulnerabel für Kompressionen. Eine Schädigung dieser Fasern führt zu einer Erweiterung der Pupille auf der betroffenen Seite.
- Vor allem in Kombination mit weiteren Symptomen (Vigilanzminderung, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen
) muss die Pupillenstörung als Warnsymptom gewertet werden - Allerdings sollte bei ansonsten gesunden Patient:innen auch nach einem augenärztlichen Eingriff in der Vorgeschichte gefragt werden
Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Untersuchung der Pupillen im Normalzustand (Tageslicht, Blick geradeaus) und während der direkten und indirekten Lichtreaktion. Der jeweils pathologische Befund ist beispielhaft anhand der rechten Pupillen (aus Patientensicht, linke Pupille
III., IV. und VI. Hirnnerv
Definition
- III.Hirnnerv: N. oculomotorius
- IV. Hirnnerv: N. trochlearis
- VI. Hirnnerv: N. abducens
Die Prüfung der Augenbewegungsstörungen umfasst generell:
- Die Prüfung von Blickfolgebewegungen
- Die Beurteilung der Bulbusstellung: Bulbusschiefstellungen, Skew Deviation (=asymmetrische, vertikale Schielstellung)
- Beurteilung beim spontanen Blick in die Ferne
- Beurteilung von: Symmetrie, Parallelstellung der Achsen
- Der Lichtreflex auf der Pupille
kann bei der Orientierung helfen - Die Prüfung von Lidhebung und -schluss
- Eine Nystagmusprüfung (siehe N. vestibulocochlearis)
- Frage nach Augenbewegungsschmerz
Untersuchung | Durchführung | Physiologisch | Pathologisch |
---|---|---|---|
Prüfung von Blickfolgebewegungen | Patient:innen folgen dem Finger der Untersuchenden mit ihrem Blick (ohne den Kopf zu bewegen) Beobachten der Augen: Blickparesen? Sakkaden? Nystagmus? Gleichzeitiges Fragen nach Auftreten von Doppelbildern in einer bestimmten Blickrichtung: Wie stehen die Doppelbilder zueinander? Verändern sie sich bei Kopfdrehung? Nehmen Sie bei der Bewegung in eine bestimmte Richtung zu? | Glatte und gleichsinnige Bewegung beider Augen | Sakkadierte Blickfolgen, ruckartige Unterbrechungen, Blickparesen, pathologische Nystagmen |
Testung auf sakkadierte Blickfolge (= schnelle, ruckartige Augenbewegungen)
| Schnelle Fixierung eines Fingers des Untersuchenden in unterschiedlichen Positionen → Beurteilung von Metrik und Geschwindigkeit der Augenbewegungen: Glatte Folgebewegungen? Dysmetrie der Augenbewegungen? | Glatte und schnelle Fixation mit minimaler Verzögerung | |
Abdecktest (= Schiel-Test oder Cover-Test)
| Durch die Abdeckung eines Auges kann ein latenter Strabismus (Schielen) in Erscheinung treten Einfacher Abdecktest: Patient:innen fixieren die Nase des Untersuchers, wiederholtes Abdecken und Aufdecken eines Auges durch die Hand des Untersuchers
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Für die Untersuchung von Augenbewegungen ist die Kenntnis der Augenmuskeln, ihrer Funktion und der sie innervierenden Hirnnerven von Bedeutung.
Prüfung der Blickfolgebewegungen in alle geraden und diagonalen Richtungen:

Einordnung von Augenbewegungsstörungen und ihren zugrundeliegenden Ursachen:
- Zentral bedingte Augenbewegungsstörung: Konjugierte (also aufeinander abgestimmte) Bewegung beider Augen in eine bestimmte Richtung nicht möglich = Konjugierte Blickparese (meistens keine Doppelbilder, Bulbi stehen parallel zueinander)
- Peripher bedingte Augenbewegungsstörung: Störung abhängig vom betroffenen Hirnnerven, Auftreten von Doppelbildern beim Blick in die Richtung des gelähmten Muskels, Bulbusfehlstellungen
AchtungEiner peripheren Augenbewegungsstörung kann neben einer Hirnnervenläsion auch eine muskuläre Schädigung zugrunde liegen. Liegt eine Bulbusfehlstellung ohne Doppelbilder vor, kann es sich um einen Strabismus concomitans handeln (Begleitschielen, häufig angeboren).
V. Hirnnerv (N. trigeminus)
Sensibilitätsprüfung im Gesicht
- Durchführung: Bestreichen beider Gesichtshälften mit den Fingern oder einem Gegenstand, Frage nach Sensibilitätsstörung im Seitenvergleich
- Ggf. zusätzliche Prüfung von Schmerz- und Temperaturempfinden
- Tasten der Trigeminusdruckpunkte:
- Durchführung: Ausüben von Druck auf die Austrittsstellen der drei sensibel versorgenden Trigeminusäste (N. ophthalmicus (V1): Foramen supraorbitale; N. maxillaris (V2): Foramen infraorbitale; N. mandibularis (V3): Foramen mentale)
- Pathologisch: Starke Schmerzen beim Druck auf die Austrittstellen
- Ggf. zusätzliche Prüfung von Schmerz- und Temperaturempfinden
- Auswertung
- Periphere Sensibilitätsstörung = Läsion des N. trigeminus
- Ort des Sensibilitätsstörung; Dermatome der einzelnen Äste des N. trigeminus
- Rückschluss auf den betroffenen Ast möglich
- V1 = N. ophtalmicus, V2 = N. maxillaris, V3 = N. mandibularis
- Ort des Sensibilitätsstörung; Dermatome der einzelnen Äste des N. trigeminus
- Zentrale Sensibilitätsstörung:
- Ort der Sensibilitätsstörung: Innerhalb der Sölder-Linien, diese repräsentieren die Anordnung der sensibel versorgten Areale im Hirnnervenkern des N. trigeminus
- Ort der Sensibilitätsstörung: Innerhalb der Sölder-Linien, diese repräsentieren die Anordnung der sensibel versorgten Areale im Hirnnervenkern des N. trigeminus
- Periphere Sensibilitätsstörung = Läsion des N. trigeminus
Prüfung der Masseter-Funktion
- Durchführung: Aufforderung den Mund zu öffnen und fest zu schließen, bei gleichzeitiger Palpation des Masseters im Seitenvergleich (Palpation im Bereich des Kiefergelenks)
- Pathologische Befunde:
- Ausgeprägte Seitenunterschiede: einseitige Parese des M. masseter
- Überwindbarer Kieferschluss: beidseitige Parese des M. masseter
Masseterreflex
- Defintion: Muskeleigenreflex
des M. masseter, vermittelt durch den N. trigeminus - Durchführung: Ein Zeigefinger wird knapp über dem Kinn auf den leicht geöffneten Unterkiefer gelegt. Mit dem Reflexhammer wird dann sanft der eigene Zeigefinger beklopft Beurteilung des Kieferschlusses
- Physiologisch: kurze Kieferschlussbewegung durch reflektorische Masseterkontraktion
- Pathologisch: Ausbleiben der Reflexantwort
Kornealreflex
- Definition: Der Kornealreflex ist ein Schutzmechanismus des Auges, bei dem die Berührung der Kornea eine Reflexreaktion
auslöst, die afferent über den Nervus trigeminus (sensible Innervation der Kornea) vermittelt wird und efferent über den Nervus facialis zum Lidschluss führt - Afferenz: N. trigeminus
(sensible Innervation der Kornea) - Efferenz: N. facialis (Lidschluss)
- Afferenz: N. trigeminus
- Durchführung: Sanfte Berührung der Kornea mit einem Wattestäbchen oder Tupfer von der Seite führt zu Lidschluss auf beiden Augen
AchtungVermeide die Berührung der Wimpern oder der Pupille
!
- Pathologisch: Kein oder verlangsamter Lidschluss auf einem oder beiden Augen
- Je nachdem, ob nur ein oder beide Augen betroffen sind, können Rückschlüsse auf den Ort der Läsion erfolgen
VII. Hirnnerv (N. facialis)
Prüfung der Mimik (N. facialis)
- Durchführung:
- Aufforderung zur Ausführung der folgenden Bewegungen:
- Stirnrunzeln (M. frontalis)
- Augen zukneifen (M. orbicularis oculi)
- Nase rümpfen (M. procerus)
- Backen aufpusten (M. buccinator)
- Zähne zeigen (M. levator labii superioris, M. zygomaticus, M. risorius)
- Beurteilung der Mimik in der oberen und unteren Gesichtshälfte
- Aufforderung zur Ausführung der folgenden Bewegungen:
- Pathologische Befunde:
- Gesichtslähmung auf einer Seite
- Bell-Phänomen (Lagophthalmus): Bei Augenschluss bleibt durch die Parese ein Teil der Sklera sichtbar
- Zilienzeichen (“Signe de cils“): Bei schwächer ausgeprägter Parese bleiben bei maximalem Lidschluss die Wimpern sichtbar
- Zentrale Fazialisparese: Die obere Gesichtshälfte ist nicht mit betroffen
- Auf der betroffenen Seite ist die nasale und orale mimische Muskulatur geschwächt, aber es ist ein normaler Lidschluss möglich
- Erklärung: Für die Motorik der oberen Gesichtshälfte erfolgt die Innervation des Hirnnervenkerns zusätzlich durch die kontralaterale Seite
- Periphere Fazialisparese: Die gesamte ipsilaterale Gesichtshälfte ist betroffen
- Lagophthalmus (= Bell-Phänomen): unvollständiger Lidschluss durch Ausfall der mimischen Muskulatur der oberen Gesichtshälfte, Sklera bleibt sichtbar
- Wimpernzeichen (= „signe des cils“): Lidschluss weniger kräftig, dadurch bleiben die Wimpern sichtbar
- Info: Ist ein Hirnnervenkern betroffen, entsteht ebenfalls das Bild einer peripheren Fazialisparese
AchtungDie häufigste Form der Fazialisparese ist die idiopathische Fazialisparese, bei der keine spezifische Ursache gefunden werden kann.

Andrea Kamphuis, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Untersuchung des Geschmackssinn , der Tränen- und Speichelsekretion
- Geschmackssinn
: Die Qualitäten süß, sauer, salzig und bitter der vorderen 2/3 der Zunge werden durch den N. facialis vermittelt - Der Geschmack kann z.B. mit einer Zuckerlösung oder 10%-iger Kochsalzlösung untersucht werden
- Störung der Tränen- und Speichelsekretion: Störung wird subjektiv häufig kaum wahrgenommen
- Hyperakusis: Geräuschüberempfindlichkeit durch Ausfall des Stapediusreflexes
VIII. Hirnnerv (N. vestibulocochlearis)
InfoZur Untersuchung des N. vestibulocochlearis gehören:
- Die Prüfung des Hörempfindens
- Nystagmusprüfung
- Untersuchung des vestibulo-okulären Reflexes (= VOR) mit dem Kopf-Impuls-Test
- Gang- und Standprüfungen
Prüfung des Hörempfindens
- Kann beiläufig im Gespräch erfolgen, alternativ durch Fingerreiben im Seitenvergleich (mit geschlossenen Augen) oder Flüsten von Zahlen getrennt in beide Ohren
- Bei V.a. eine Hörstörung kann eine Tonaudiometire oder genauere Untersuchungen (Rinne-Versuch, Weber-Versuch) erfolgen, um zwischen einer Schallempfindungsstörung und einer Schalleitungsstörung zu unterscheiden
- Schallempfindungsstörung: Störung des Innenohrs oder der Cochlea
- Schalleitungsstörung: Störung des Mitellohrs oder Gehörgangs
Rinne-Versuch
- Durchführung: Stimmgabel wird auf das Mastoid gehalten (Knochenleitung), bis kein Ton mehr zu hören ist, dann wird sie vor das Ohr gehalten (Luftleitung)
- Rinne positiv: physiologischer Befund, durch die Luftleitung wird der Ton etwa doppelt so lange wahrgenommen, wie bei der Knochenleitung
- Rinne negativ: Ton wird vor dem Ohr nicht oder nur kurz wahrgenommen Schalleitungsstörung (Mittelohr, Gehörgang)
Weber-Versuch
- Durchführung: Stimmgabel wird auf die Mitte des Scheitel aufgesetzt, Frage nach Lateralisierung in eine Richtung
- Physiologisch: Keine Lateralisierung
- Pathologisch:
- Lateralisierung zur kranken Seite bei einer Schalleitungsstörung (Mittelohr, Gehörgang)
- Lateralisierung zur gesunden Seite bei einer Schallempfindungsstörung (Innenohr
, N. vestibulocochlearis)
Nystagmusprüfung
- Ein Nystagmus beschreibt schnelle ruckartige Bewegungen der Augen, die physiologisch oder pathologisch sein kann
TippDie Schlagrichtung des Nystagmus (horizontal, upbeat, downbeat, torsional) wird nach der schnellen Rückstellbewegung bezeichnet.
- Untersuchung des Nystagmus:
- Beobachten der Augen in Ruhe: Spontannystagmus?
- Blickfolgebewegungen: Blickrichtungsnystagmus (Mehr als 3 Schläge)?
- Untersuchung mit Frenzel-Brille: Ein zentraler Nystagmus kann durch die Fixierung unterdrückt werden, mit der Frenzel-Brille wird die Fixation aufgehoben und ein zentraler Nystagmus tritt deutlicher in Erscheinung
- Physiologische Nystagmusformen:
- Endstellnystagmus: Tritt beim Blick auf die Seite auf, maximal 3 Schläge, erschöpflich
- Optokinetischer Nystagmus: Tritt bei schneller Bewegung der Umgebung auf (z.B. beim Beobachten der Umwelt aus einem fahrenden Zug)
- Pathologische Nystagmusformen (alle übrigen Formen)
- Spontannystagmus: Auftreten ohne Auslöser, beim Blick geradeaus
- Blickrichtungsnystagmus: Auftreten beim Blick in eine bestimmte Richtung
- Die genaue Charakterisierung eines Nystagmus nach auslösender Situation, Richtung und Unterdrückbarkeit kann Hinweise auf die Ursache geben
Vestibulo-okulärer Reflex (= VOR)
- Hirnstammreflex
zur Gewährleistung der Blickstabilität - Vermittelt durch den N. vestibulocochlearis (Afferenz) und den N. oculomotorius (Efferenz)
- Durchführung (= Kopf-Impuls-Test = Halmagyi-Test): Aufforderung den Blick auf der Nase des Untersuchers zu fixieren, Kopf wird in horizontaler Richtung ruckartig um ca. 20°C gedreht
- Physiologisch: Blick bleibt auf der Nase fixiert
- Pathologisch: Abweichung des Blicks mit einer Nachstellsakkade zur erneuten Fixation des Untersuchers
- Alternative Durchführung bei komatösen Patient:innen: Kopf ruckartig in der horizontalen Ebene um 20° in verschiedene Richtungen drehen
- Physiologisch: Blick wendet sich mit einer leichten Latenz wieder in die ursprüngliche Blickrichtung (ehemals „Puppenkopfphänomen“)
- Pathologisch: Blick bleibt starr, trotz Veränderung der Kopfposition
- Prüfung der Unterdrückbarkeit des VOR
- Durchführung: Patient:innen werden aufgefordert den eigenen Daumen in 1 m Entfernung zu fixieren, Bewegung des Oberkörpers in beide Richtungen und Überprüfung der Fixation
- Physiologisch: Fixation auf dem Daumen bleib konstant
MerkeDer vestibulo-okuläre Reflex
(VOR) zeigt bei wachen und komatösen Patient:innen unterschiedliche physiologische Befunde. Bei wachen Patient:innen wird der VOR durch den Kopf-Impuls-Test untersucht und dient der Differenzierung von zentralen und peripheren Schwindelursachen. Bei intensivmedizinischen Patient:innen dient der VOR der Einschätzung von Hirnstammläsionen.
InfoWeiterer klinischer Nutzen des vestibulo-okulären Reflexes:
- Differenzierung von supranukleären (also kortikalen) oder peripheren Okulomotoriusstörungen
- Kortikale Okulomotoriusstörungen lassen sich durch den VOR überwinden, das bedeutet, die Augenbewegungen beim VOR sind intakt
- Okulomotoriusstörungen im Hirnstamm
lassen sich durch den VOR nicht überwinden
IX. Hirnnerv und X. Hirnnerv
Definition
- IX.Hirnnerv: N. glossopharyngeus
- X. Hirnnerv: N. vagus
Untersuchung der Rachenmuskulatur
- Racheninspektion: Beurteilung der Gaumensegel (weicher Gaumen), in Ruhe und nach Phonation („A“ sagen)
- Physiologisch: Symmetrisches Anheben der beiden Gaumensegel, Uvula steht mittig
- Pathologisch: Abweichen des Gaumensegels zur gesunden Seite → „Kulissenphänomen“
Würgereflex
- Afferenz und Efferenz: N. glossopharyngeus, N. vagus
- Pathologisch: Bestreichen des Gaumens oder der Rachenwand (oder Reizen des Rachens z.B. durch sanftes Wackeln an Tubus) führt nicht zum Würgereiz
AchtungKann bei älteren Patient:innen physiologisch reduziert sein.
Schluckreflex
- Afferenz und Efferenz: N. glossopharyngeus, N. vagus
- Pathologisch: Durch Nahrungsaufnahme wird kein Schlucken ausgelöst
XI. Hirnnerv (N. accesorius)
Kraftprüfung
- M. sternocleidomastoideus: Kopfdrehung in beide Richtungen
- M. trapezius (oberer Anteil)
- Gegen Widerstand, Beurteilung anhand der Kraftgrade
im Seitenvergleich
XII. Hirnnerv: N. hypoglossus
Untersuchung der Zungenmuskulatur
- Durchführung: Die Patient:innen bitten, die Zunge gerade heraus zu strecken und von einer zur anderen Seite zu bewegen
- Alternativ: Zunge von innen gegen die Wange drücken lassen, gegen Widerstand
- Physiologisch: Zunge kann gerade heraus gestreckt werden, Zungentrophik normal
- Pathologisch: Zunge weicht zur erkrankten Seite ab, ggf. Atrophie
der Zungenmuskulatur