Einleitung
Innerhalb der Gruppe der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen gibt es einige Krankheitsbilder, die zu schweren Störungen führen können.
Dazu gehören unter anderem:
- Gestationshypertonie oder schwangerschaftsinduzierter Hypertonus
(SIH) - Präeklampsie und die Komplikation Eklampsie
- HELLP-Syndrom
Die Gemeinsamkeit dieser Krankheitsbilder ist der erhöhte Ruheblutdruck bei der schwangeren Frau. Die Ausprägung der Symptomatik ist jedoch von Krankheitsbild zu Krankheitsbild sehr unterschiedlich.
Als Ursache für den Bluthochdruck
Da eine neu aufgetretene Hypertonie
Gestationshypertonie
DefinitionDie Gestationshypertonie, auch schwangerschaftsinduzierter Hypertonus
(SIH) genannt, tritt nach der 20. Schwangerschaftswoche auf und ist definiert als Blutdruck über 140/90 mmHg. Definierend ist auch, dass zuvor eine normotone Blutdrucksituation vorgelegen hat. Steigt der Blutdruck während der Schwangerschaft über Werte von 160/110 mmHg, spricht man von einer schweren Gestationshypertonie und die Patientinnen haben ein Risiko von 1:4, eine Präeklampsie zu erleiden.
Therapie der Gestationshypertonie
Da es außer der Beendigung der Schwangerschaft keine kausale Therapie der Schwangerschaftshypertonie gibt, wird diese im Verlauf der Schwangerschaft kontrolliert und ggf. gesenkt, jedoch nicht bis zur Geburt
Bei isoliert auftretender stabiler Hypertonie
Je nach Symptomatik kann jedoch eine stationäre Behandlung angezeigt sein.
InfoIndikationen für eine stationäre Behandlung der Patientin sind:
- Hinweise auf eine fetale Gefährdung (z.B. durch ein auffälliges CTG, Oligohydramnion
oder eine auffällige Dopplersonographie) - Kombinierte Risikofaktoren, die für eine Präeklampsie sprechen
- Rasch zunehmende Ödeme
bzw. Gewichtszunahme > 1 kg/Woche im 3. Trimenon - Zunehmende Verschlechterung des Zustandes der Patientin
- Blutdruckwerte über 160/110 mmHg
Zu den grundlegenden Maßnahmen sollte die Vermeidung von Stress gehören. Zusätzlich können blutdrucksenkende Medikamente verabreicht werden. Da einige Medikamente in der Schwangerschaft kontraindiziert sind, muss die Medikamentengabe gut überlegt sein.
Das Medikament der Wahl ist Alpha-Methyldopa. Alternativ stehen Metoprolol
Im Falle einer akuten, therapiebedürftigen Blutdruckentgleisung sollten Nifedipin
Präeklampsie
DefinitionDie Präeklampsie ist ein Symptomkomplex, zu dem unter anderem ein Blutdruck über 140/90 mmHggehört. Neben dem erhöhten Blutdruck treten auch Endorganschäden durch den erhöhten Blutdruck an mindestens einem Organ auf. Am häufigsten ist die Niere betroffen, was zu einer Veränderung des Verhältnisses von Eiweiß zu Kreatinin
oder zu einer Proteinurie führt. Außerdem können Ödeme in den Beinen der Schwangeren auftreten.
InfoUnterschied zwischen Präeklampsie und EPH-Gestose
Dieser Symptomkomplex gab der Präeklampsie früher den Namen EPH-Gestose. EPH stand damals für die drei Leitsymptome der Präeklampsie:
- E für Edema (=Ödem)
- P für Proteinuria (=Eiweißausscheidung im Urin)
- H für Hypertension (=Hypertonie)
Da neben den genannten Symptomen auch andere Endorganschäden wie z.B. vitale Funktionsstörungen, Thrombozytopenien oder visuelle Symptome die Erkrankung definieren, ist der Begriff EPH-Gestose veraltet, auch wenn er im klinischen Kontext teilweise noch verwendet wird.
Die Präeklampsie wird weiter unterteilt in Early-Onset-Präeklampsie, Late-Onset-Präeklampsie und schwere Präeklampsie.
Die Early-Onset-Präeklampsie unterscheidet sich von der Late-Onset-Präeklampsie durch den Beginn der Störung. Liegt dieser vor der 33+6 Schwangerschaftswoche
Eine schwere Präeklampsie wird diagnostiziert, wenn eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Blutdruck über 160/110 mmHg
- Neurologische Störungen, die auf ein Hirnödem
hinweisen können (z.B. Kopfschmerzen , Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen) - Leberfunktionsstörungen mit laborchemisch nachgewiesenen erhöhten Transaminasen
oder anhaltenden Oberbauchschmerzen - Thrombozytopenie
unter 100.000/µL - Zeichen einer Hämolyse
(z.B. niedriges Haptoglobin , erhöhtes indirektes Bilirubin oder erhöhte Retikulozytenzahl) - Serumkreatinin unter 1,1 mg/dl
- Oligurie
- Lungenödem
oder andere Atemstörungen - Intrauterine Wachstumsretardierung
Die Komplikation der Präeklampsie ist die Eklampsie, die tonisch-klonische Krämpfe während der Schwangerschaft beschreibt. Andere Ursachen dieser Krampfanfälle müssen ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose Eklampsie gestellt werden kann. Eklamptische Anfälle treten bei etwa einer von 1000 Schwangerschaften auf, Präeklampsien bei mindestens einer von 200 Schwangerschaften. Häufig geht der Anfall mit einem Blutdruck von über 180 mmHg systolisch einher. Er kann aber auch ohne Bluthochdruck
MerkeWarnzeichen für einen Krampfanfall im Sinne einer Eklampsie sind Kopfschmerzen
und Sehstörungen in der Schwangerschaft!
Therapie einer Präeklampsie
Oberstes Ziel der Therapie der Präeklampsie ist die Vermeidung von Krampfanfällen im Sinne einer Eklampsie. Wenn also bereits ein Krampfanfall aufgetreten ist oder Symptome wie Sehstörungen, Hyperreflexie oder Übelkeit und Erbrechen bei bestehender Präeklampsie auftreten, wird Magnesium
Die Therapie muss engmaschig überwacht werden. Für den Fall einer Magnesiumüberdosierung ist das Antidot Calciumgluconat bereitzuhalten.
Liegt bei der Patientin bereits ein generalisierter tonisch-klinischer Krampfanfall vor, steht die Rettung der Mutter im Vordergrund. Dementsprechend können hier alle Medikamente eingesetzt werden, die auch beim klassischen Krampfanfall eingesetzt werden, obwohl sie im Verdacht stehen, teratogen zu sein. Denn das Überleben des Kindes ist nur durch das Überleben der Mutter gesichert. Dazu ist z.B. die Durchbrechung eines Status epilepticus
Geeignete Medikamente sind hier größtenteils Benzodiazepine
Auch eine Einleitung der Geburt
Selbst bei einer leichten Präeklampsie wird eine Entbindung vor der 37 + 0 Schwangerschaftswoche
Ein noch früherer Termin für eine eingeleitete Geburt
Gründe für eine Entbindung vor der 34. Schwangerschaftswoche
InfoExkurs: Lungenreifung
Für die physiologische Funktion der Lunge des Neugeborenen ist die Produktion von Surfactant durch Typ 2 Pneumozyten notwendig. Da dieser Prozess in den ersten Schwangerschaftswochen noch nicht ausgereift ist und physiologisch erst nach der 34. Schwangerschaftswoche
voll ausgereift ist, kann es notwendig sein, die Produktion im Rahmen einer Geburtseinleitung zu stimulieren. Dazu werden präpartal Glukokortikoide verabreicht, die die Produktion der Pneumozyten anregen sollen, um ein Atemnotsyndrom zu verhindern. Am häufigsten werden Betametha-
son oder Dexamethasoneingesetzt. Im klinischen Setting kann zudem Surfactant verabreicht werden um die Lungenreife zu provozieren. Im präklinischen Setting ist das nicht üblich.
Beim Atemnotsyndrom kommt es beim Neugeborenen nach der Geburt
zu einem Kollaps der Alveolen , da die Oberflächenspannung durch das notwendige Surfactant nicht herabgesetzt werden kann. Da die Lungenreifung erst in der 24. Schwangerschaftswoche
einsetzt, sollte eine Entbindung vor diesem Zeitpunkt wegen der erhöhten Risiken besonders gut überlegt sein.
HELLP-Syndrom
DefinitionEine weitere Form der Hypertonie
in der Schwangerschaft ist das HELLP-Syndrom. Auch hier handelt es sich um ein Akronym, das die Leitsymptome der Erkrankung zusammenfasst:
- H für Haemolysis (= Hämolyse
) - EL für Elevated Liver Enzymes (= erhöhte Transaminasen
) - LP für Low Platelet Count (= niedrige Thrombozytenzahl)
Es dominieren also Hämolysezeichen, erhöhte Leberenzymwerte im Sinne erhöhter Transaminasen
Dieser Schmerz wird manchmal von Symptomen begleitet, die an eine Präeklampsie erinnern, nämlich Proteinurie
Die Präeklampsie und das HELLP-Syndrom sind eng miteinander verbunden, da die Abgrenzung zwischen beiden Erkrankungen oft schwierig ist. Liegt eine der beiden Erkrankungen vor, sollte die andere definitiv ausgeschlossen werden.
MerkeBei 80% der Patientinnen mit HELLP-Syndrom tritt auch eine Präeklampsie auf.
Neben den bereits genannten Symptomen treten beim HELLP-Syndrom häufig auch eine Anämie
Interessant ist, dass ein HELLP-Syndrom auch nach der Geburt
Therapie eines HELLP-Syndroms
Die Therapie richtet sich nach der Ausprägung der einzelnen Symptome dieses Komplexes:
Bei erniedrigtem Fibrinogenspiegel (< 100 mg/dL) ist eine Plasmatransfusion anzustreben. Bei schwerer Thrombozytopenie
Eine krampflösende Therapie mit Magnesium
Auch hier gilt, dass die Geburt
34. SSW zu entbinden.
Prüfungswissen
Ursachen:
- Wissenschaftlich noch nicht genau geklärt
- Mutmaßlich ein Missverhältnis des zunehmenden Blutvolumens im mütterlichen
Kreislauf zu den physiologischen Gegebenheiten der Mutter
Kennzeichen eines Schwangerschaftsinduzierten Hypertonus (SIH):
- RR > 140/90 mmHg ab der 20. SSW
- In schweren Fällen RR> 160/110 mmHg
Kennzeichen einer Präeklampsie:
- RR > 140/90 mmHg ab der 20. SSW
- Mind. eine erstmalig aufgetretene Organmanifestation, meist Niere, mit resultierender Proteinurie
- Wenn schwere Präeklampsie
- RR > 160/110 mmHg
- Störungen von ZNS, Leber, Niere oder Lunge
- Intrauterine Wachstumsretardierung
Kennzeichen eines HELLP-Syndroms:
- H: Hämolyse
- EL: erhöhte Leberenzymwerte
- LP: niedrige Thrombozytenzahl
Mögliche Indikationen für stationäre Therapie von Hypertonus in der Schwangerschaft:
- Fetale Gefährdung laut CTG oder Sonografie
- Drohende oder manifeste Präeklampsie
- Zunehmende Ödeme
oder maternales Gewicht (> 1 kg KG/Woche) - Zunehmende Verschlechterung der Patientin
- RR > 160/110 mmHg
Blutdrucksenkung in der Schwangerschaft:
- Vermeidung von Stress
- Anpassung der Ernährung
- Medikamentös
- Mittel der Wahl: Alpha-Methyldopa
- Alternativ Metoprolol
oder Nifedipin - Bei Entgleisung: Urapidil
(Off-Label-Use) oder Nifedipine
Therapie von Krampfanfällen in der Schwangerschaft:
- Anfallsprophylaxe mittels Magnesium
- CAVE: Enges Monitoring notwendig
- Bei manifestem Krampfanfall Behandlung wie klassischer Krampfanfall (z.B. Benzodiazepine
)
Spezielle Therapie-Elemente bei HELLP-Syndrom:
- Tranfusion von Plasma
- Transfusion von Thrombozytenkonzentrat
- Transfusion von Thrombozytenkonzentrat
Indikationen für frühzeitige Induktion einer Entbindung:
- Vorliegen einer Präeklampsie
- Wachstumsretardierung
- Pathologische Befunde in CTG oder Sonografie
- Drohende oder manifeste Organschäden der Mutter