Zusammenfassung
Immunsuppressiva sind eine Klasse von Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken. Sie werden eingesetzt, um Autoimmunreaktionen zu behandeln, die Immunreaktion nach einer Organtransplantation zu unterdrücken oder im Rahmen einer zytostatischen Therapie. Die pharmakologisch geschwächte Immunabwehr erhöht das Risiko für Infektionen und maligne Erkrankungen.
Wirkorte
Immunsuppressiva sind eine heterogene Wirkstoffgruppe, welche an verschiedenen Stellen in die Aktivierung und Proliferation von Immunzellen eingreifen. Da T- und B-Lymphozyten im Rahmen der Immunantwort stark proliferieren, benötigen sie viele DNA-Bausteine wie Purin- und Pyrimidinbasen. Daher ist die Hemmung der Neusynthese von Purin- und Pyrimidinbasen ein wichtiger pharmakologischer Wirkmechanismus der Immunsuppressiva.
Aktivierung der Immunzellen

Physiologie der T-Zell-Aktivierung
- Antigen-Präsentation
- Ein Makrophage (antigenpräsentierende Zelle, APZ) nimmt ein Antigen auf, verarbeitet es und präsentiert es auf seiner Oberfläche mit Hilfe des MHCII-Komplexes.
- Erstes Signal (Antigen-Erkennung)
- Der T-Zell-Rezeptor (TCR) der T-Helfer-Zelle erkennt den Antigen-MHCII-Komplex auf der APZ.
- CD3 und CD4 sind Co-Rezeptoren, die die Signalübertragung verstärken.
- Zweites Signal (Costimulation)
- CD28 auf der T-Helfer-Zelle bindet an B7 auf der APZ.
- Diese Bindung liefert das notwendige zweite Signal für die vollständige Aktivierung der T-Helfer-Zelle.
- Intrazelluläre Signalwege
- Nach der Aktivierung durch das erste und zweite Signal wird Calcineurin aktiviert.
- Calcineurin dephosphoryliert NFAT, wodurch NFAT in den Zellkern transloziert.
- NFAT im Zellkern aktiviert die Transkription von Zytokin-Genen, insbesondere Interleukin-2 (IL-2).
- Autostimulation durch IL-2
- Die aktivierte T-Helfer-Zelle produziert und sekretiert IL-2.
- IL-2 bindet an den IL-2-Rezeptor auf derselben T-Helfer-Zelle (Autostimulation) oder auf anderen T-Zellen, was zur weiteren Aktivierung und Proliferation dieser Zellen führt.
- T-Zell-Proliferation
- IL-2 aktiviert den mTOR-Signalweg über seinen Rezeptor.
- Der mTOR-Signalweg fördert die Zellproliferation und das Wachstum der T-Zellen.
- Transkription von proinflammatorischen Genen
- NF-κB, ein weiterer Transkriptionsfaktor, wird ebenfalls aktiviert und fördert die Transkription von proinflammatorischen Genen.
Hemmung der T-Zell-Aktivierung
- Blockade des T-Zell-Rezeptors
- Muromonab: Bindet an CD3 und verhindert die Aktivierung des T-Zell-Rezeptors durch den Antigen-MHCII-Komplex
- Hemmung der Autostimulation über IL-2
- Basiliximab: Blockiert den IL-2-Rezeptor
- Calcineurin-Inhibitoren
- Ciclosporin A: Bindet an Cyclophilin, und der Komplex hemmt Calcineurin.
- Tacrolimus: Bindet an FKBP12, und der Komplex hemmt ebenfalls Calcineurin.
- Beide verhindern die Dephosphorylierung und Aktivierung von NFAT, wodurch die Transkription von Zytokin-Genen blockiert wird
- mTOR-Inhibitoren
- Sirolimus (Rapamycin) und Everolimus: Binden an FKBP12 und hemmen den mTOR-Signalweg, wodurch die T-Zell-Proliferation unterdrückt wird
- Glukokortikoide
- Hemmen die Aktivierung von NF-κB, was die Transkription von proinflammatorischen Genen reduziert und die Immunantwort dämpft
Proliferation der Immunzellen

Hemmung der Proliferation
Durch die Hemmung der Purinsynthese und anderer Schritte in der DNA-Synthese wird die Fähigkeit der Immunzellen, sich zu teilen und zu proliferieren, stark eingeschränkt. Dadurch kann die Anzahl der aktiven Immunzellen reduziert werden.
- Mycophenolat-Mofetil: Umgewandelt in Mycophenolsäure, welche die IMPDH hemmt, verhindert die Konversion von IMP zu XMP
- Azathioprin: Wird zu 6-Mercaptopurin metabolisiert, welcher die Purinsynthese hemmt durch Hemmung der Thiopurin-Methyltransferase
- Methotrexat: Hemmt die Dihydrofolat-Reduktase und blockiert die Konversion von Dihydrofolat zu Tetrahydrofolat, was die Thymidylat-Synthase und damit die Pyrimidin-Synthese beeinträchtigt
- Cyclophosphamid: Verhindert die DNA-Replikation direkt durch Quervernetzung/
Alkylierung der DNA
Übersicht
Hemmung der T-Zell-Aktivierung
Wirkstoffe | Wirkung | Nebenwirkungen | Besonderheiten |
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Calcineurin-inhibitoren
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Ciclosporin A:
Tacrolimus:
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mTOR-Inhibitoren
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Hemmung der Proliferation
Wirkstoffe | Wirkung | Nebenwirkungen | Besonderheiten |
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Purin-Analogon
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Folsäure-Analogon
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Alkylanz
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Allgemeine Indikationen:
- Organtransplantation
- Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Psoriasis, etc.)
- Zytostatische Therapie (siehe Artikel Zytostatika
)
Biologicals
Es gibt weiterhin eine Vielzahl an biotechnologisch hergestellten Antikörpern, die gezielt in die Immunantwort eingreifen. Sie werden auch Biologicals genannt und enden auf „-mab“, was für „monoclonal antibody“ steht.
TippMonoklonale Antikörper können nur parenteral verabreicht werden (subkutan oder intravenös).
- Allgemeine Indikationen:
- Organtransplantation
- Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Psoriasis, etc.)
- Malignome
Antikörper | Zielstruktur | Besonderheiten |
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TNF-alpha-Inhibitoren
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InfoKontraindikationen:
- Akute Infektion
- Chronische Infektionen (bspw. Tuberkulose) → Gefahr einer Reaktivierung
- TNF-alpha hat eine zentrale Funktion in der Abwehr von Tuberkuloseerregern
- Multiple Sklerose (MS) → Progression ↑
- Malignome → Erhöhtes Risiko (Lymphome ↑)
- Herzinsuffizienz
(NYHA III/IV) → Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko CAVE: Vor dem Therapiestart mit TNF-alpha-Inhibitoren sollte eine latente Tuberkulose mit einem Quantiferon-Test ausgeschlossen werden.
TippEs ist wichtig, regelmäßig den Impfstatus von Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, zu überprüfen und die Impfungen gemäß den STIKO-Empfehlungen aufzufrischen!
Video
Quellen
- Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
- Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012
- Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5
- Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4