Zusammenfassung
Interstitielle Lungenerkrankungen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die das Lungeninterstitium betreffen. Diese Krankheiten führen zu einer chronischen Entzündung und gehen oft im Verlauf mit einer Lungenfibrose einher. Die wichtigsten Ursachen umfassen inhalative Noxen wie Staub oder Chemikalien, Medikamente, systemische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Sarkoidose und idiopathische Formen, bei denen die Ursache unbekannt ist. Die Leitsymptome interstitieller Lungenerkrankungen sind chronischer, meist trockener Husten und zunehmende Belastungsdyspnoe. Diagnostische Befunde umfassen inspiratorisches Knisterrasseln
Epidemiologie
- Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) sind relativ seltene Erkrankungen, die etwa 10-20 von 100.000 Menschen pro Jahr betreffen
Ursachen
Hinter den interstitiellen Lungenerkrankungen verbirgt sich eine Vielzahl an möglichen Ursachen und Auslösern:
- Idiopathisch: Ungefähr die Hälfte der interstitiellen Lungenerkrankungen entsteht ohne erkennbare Ursachen = Idiopathische interstitielle Pneumonie
(IIP) - Die andere Hälfte der interstitiellen Lungenerkrankungen entsteht sekundär aufgrund anderer Erkrankungen:
- Inhalative Noxen:
- Anorganisch: Pneumokoniosen (Asbetose, Silikose, etc)
- Organisch: Exogen-allergische Alveolitis (z.B. durch Vogelexkremente ➜ Vogelzüchterlunge, Schimmel ➜ Farmerlunge, Holzstäube ➜ Holzarbeiterlunge)
- Gase, Aerosole, Rauchen
- Nicht-inhalative Noxen
- Medikamente: Amiodaron
, Bleomycin , Busulfan, Methotrexat , Penicillamin - Strahlenpneumonitis: Exposition gegenüber ionisierender Strahlen
- Herbizide: z.B. Paraquat
- Medikamente: Amiodaron
- Inhalative Noxen:
- Systemische Erkrankungen:
- Sarkoidose
- Rheumatoide Arthritis
- Kollagenosen (systemische Sklerose, Lupus erythematodes)
- Vaskulitiden (z.B. Granulomatose mit Polyangiitis)
Pathophysiologie
- Entzündung: Interstitielle Lungenerkrankungen beginnen häufig mit einer initialen Entzündungsreaktion im Lungeninterstitium (oft sind zudem auch die Alveolen
und Bronchiolen betroffen), die durch inhalative Noxen, Medikamente oder systemische Erkrankungen ausgelöst wird. Diese Entzündung führt zu Einwanderung von Immunzellen und Freisetzung von Entzündungsmediatoren, die weitere Schäden am Lungengewebe verursachen - Fibrose: Die chronische Entzündung aktiviert Fibroblasten und fördert die Kollagenablagerung, was zu einer Verdickung und Vernarbung des Lungeninterstitiums führt. Dies resultiert in einer verminderten Elastizität und Compliance
der Lunge (Restriktive Ventilationsstörung ), was die Atemmechanik erheblich beeinträchtigt - Beeinträchtigung des Gasaustauschs: Die Verdickung der alveolokapillären Membran durch Fibrose reduziert die Diffusionskapazität
für Sauerstoff , was zu Hypoxämie und Dyspnoe führt
Klassifikation
Die Einteilung der ILDs erfolgt anhand der Ursachen (s. Ätiologie). Die Idiopathischen interstitiellen Lungenerkrankungen (IIP) können zusätzlich noch nach der American Thoracic Society und der European Respiratory Society in Untergruppen aufgeteilt werden:
- Chronisch fibrosierende IIPs: Hauptteil der IIPs (80%)
- Idiopathische pulmonale Fibrose (häufigste Form) = IPF
- Nicht-spezifische interstitielle Pneumonie
= NSIP
- Tabakrauch-assoziierte IIPs: 15% aller IIPs
- Respiratory bronchiolitis interstitial lung disease = RB-ILD
- Desquamative interstitielle Pneumonie
= DIP
- Akute/Subakute IIPs
- Akute interstitielle Pneumonie
= AIP - Kryptogen organisierende Pneumonie
= COP
- Akute interstitielle Pneumonie
- Seltene IIPs:
- Lymphozytäre interstitielle Pneumonie
= LIP (sehr selten) - Pleuroparenchymale Fibroelastose = PPFE (sehr selten)
- Lymphozytäre interstitielle Pneumonie
- Unklassifizierbare idiopathische interstitielle Pneumonien
Klinik
- Chronischer, trockener (Reiz-)Husten: Ein anhaltender, nicht produktiver Husten ist ein häufiges Symptom, das oft über Monate bis Jahre besteht
- Belastungsdyspnoe: Atemnot bei körperlicher Anstrengung ist typisch und kann im Verlauf auch in Ruhe auftreten
- Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel: Diese Veränderungen der Finger und Nägel können bei fortgeschrittenen Erkrankungen auftreten und sind Zeichen einer chronischen Hypoxie
Diagnostik
- Die Diagnosestellung von interstitiellen Lungenerkrankungen beruht auf einer Kombination aus mehreren Befunden und bedarf einer umfangreichen Diagnostik: Anamnese, körperliche Untersuchung, Labordiagnostik, Bildgebung (HRCT), Lungenfunktionsdiagnostik
, ggf. BAL (= bronchoalveoläre Lavage ) oder Lungenbiopsie - Die meisten IIPs, also die idiopathischen interstitiellen Lungenerkrankungen, sind Ausschlussdiagnosen, das bedeutet, es gibt keine pathognomischen (=beweisende) Befunde, sondern alle anderen Ursachen müssen ausgeschlossen werden
- Die Diagnosestellung dauert durchschnittlich ca. 7 Monate
Anamnese
- Aktuelle Anamnese: Symptombeginn, auslösende Faktoren, Begleitsymptomatik, Inhalation schädlicher Noxen
- Allergien
- Medikamentenanamnese: Einnahme auslösender Medikamente
- Vorerkrankungen: Kollagenosen, Vaskulitiden, etc.
- Risikofaktoren: Rauchen
- Berufsanamnese: berufliche Exposition
- Familienanamnese
Körperliche Untersuchung
- Zeichen der Hypoxämie
: Zyanose, Nagelveränderungen (Trommelschlägelfinger, Uhrglasnägel) - Im Endstadium: Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
mit peripheren Ödemen und gestauten Halsvenen - Lungenuntersuchung:
- Perkussion: Zeichen einer Restriktion (Lungenverschieblichkeit möglicherweise eingeschränkt)
- Auskultation: Spätinspiratorisches Knisterrasseln
= „Sklerosiphonie“, nicht-klingend, je nach Unterform ein- oder beidseitig; bei fortgeschrittener ILD „Korkenreiben“
- Auskultation: Spätinspiratorisches Knisterrasseln

“Dedos con acropaquia.jpg” von Desherinka, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Labordiagnostik
Zur Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen gehört immer auch die Labordiagnostik zur Klärung der Ursache und für differentialdiagnostische Überlegungen.
- Differentialblutbild
- Infektparameter: CRP
, BSG - Rheumatologische Antikörperdiagnostik: ANA, ANCA, CCP
- Labordiagnostik für eine exogene allergische Alveolitis: präzipitierende spezifische IgG-Antikörper
Lungenfunktionsdiagnostik
- Indikation: Eine Spirometrie
und eine Bodyplethysmografie sollten im Verlauf regelmäßig durchgeführt werden. Auch eine Messung der Diffusionskapazität liefert wichtige, diagnostische Informationen - Mögliche Befunde: Restriktive Ventilationsstörung
- Vitalkapazität (VC) vermindert
- Residualvolumen (RV) vermindert
- Totale Lungenkapazität (TLC) vermindert
- Intrathorakales Gasvolumen (ITGV) vermindert
- Compliance
(C) verringert - Diffusionskapazität
: DLCO vermindert (Hinweis auf eine Diffusionsstörung aufgrund der Verlängerung der Diffusionsstrecke zwischen den Alveolen und den Kapillaren) - Die FEV1 kann im Verlauf verändert sein, der Tiffeneau-Index bleibt aber in der Regel normwertig
Bildgebende Verfahren
MerkeZur Diagnostik bei interstitiellen Lungenerkrankungen gehört immer auch die Bildgebung zur Darstellung der parenchymatösen Veränderungen. Ein hochauflösendes CT (= HRCT High-resolution computer tomography) kann die Veränderungen in der Lunge am besten darstellen.
- Röntgen-Thorax
- Indikation: Bei V.a. interstitielle Lungenerkrankung häufig als Erstdiagnostik durchgeführt
- Erkennt frühe Veränderungen schlechter als ein HRCT
- Mögliche Befunde:
- Noduläre Infiltrate meist beidseits im interstitiellen Lungengewebe
- Retikuläre Zeichnungsvermehrung
- Veränderungen der Lungendichte, dadurch ggf. verschwommenes Aussehen der Lunge

James Heilman, MD, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
- CT-Thorax
- Indikation: Das CT ist der Goldstandard in der Diagnostik von interstitiellen Lungenerkrankungen
- Es wird optimalerweise als HRCT durchgeführt
- Auch frühe Veränderungen und zugrunde liegende Ursachen können besser erkannt werden
- Mögliche Befunde im CT sind:
- Verdickung der interlobulären Septen
- Verschwommene Lungenmuster, Milchglastrübungen oder Netzmuster durch Verdichtung des interstitiellen Lungengewebes
- Honigwabenmuster, Hohlräume, auch „Honeycombing“ genannt
- Traktionsbronchiektasen (vergrößerte Bronchien durch Zug des schrumpfenden Lungengewebes)
- Ggf. Verkleinerung der Lungen
- Anhand des HRCT können die interstitiellen Lungenerkrankungen nach radiologischen Mustern eingeteilt werden und Hinweise auf zugrunde liegende Ursachen geben
“Pulmon fibrosis.PNG” von Drriad, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Die Abbildungen sind Derivate der oben genannten Abbildung. Das Bild wurde zugeschnitten. Es wurden Overlay, Pfeile und Vergrößerung ergänzt.
Ergänzende Diagnostik:
- Belastungstests: Gehtest mit Bestimmung der Sauerstoffsättigung
; die Gehstrecke korreliert mit der Belastungsfähigkeit und dem Stadium der Erkrankung - Bronchoalveoläre Lavage
: Kann bei bestimmten Ursachen wie beispielsweise bei Sarkoidose oder seltenen IIPs wegweisend sein und dem Ausschluss von Malignomen oder Infektionen dienen - Lungenbiopsie: Kann bei unklaren Befunden zusätzliche Informationen liefern und wird bei zentralen Befunden bronchoskopisch und bei peripheren Befunden CT-gestützt durchgeführt
Differentialdiagnosen
- Lungenödem
- COPD
- Lungenkarzinom
- Pneumonie
Therapie
Allgemein
Die Therapie von interstitiellen Lungenerkrankungen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Wenn die Ursache bekannt ist, kann eine spezifische Therapie eingeleitet werden.
- Inhalative Noxen: Gase, Aerosole, Stäube, Rauchen, Pneumokoniosen ➜Expositionsstopp, Raucherentwöhnung
- Medikamentöse Ursachen: Amiodaron
, Bleomycin , Busulfan ➜Absetzen der Medikamente - Systemische Erkrankungen: Sarkoidose, rheumatoide Arthritis, Kollagenosen, Vaskulitiden ➜ Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankungen
Therapie der idiopathischen interstitiellen Pneumonie (IIP)
Da die IIPs eine heterogene Gruppe von interstitiellen Lungenerkrankungen unklarer Ursache sind, gestaltet sich die Therapie hier etwas komplexer.
Mögliche Therapieansätze sind:
- Idiopathische pulmonale Fibrose (IPF)
- Antifibrotische Therapie mit Nintedanib oder Pirfenidon
- Nintedanib: Tyrosinkinaseinhibitor, der antifibrotisch wirkt; kann bei allen Schweregraden der IPF eingesetzt werden
- Pirfenidon: Wirkt als TGF-β1-Agonist, bei leichten bis mittelerschweren Formen der IPF
- Bei Therapie der IPF sollte sie nur bei einer akuten Exazerbation stattfinden, da Glukokortikoide
den Verlauf einer IPF verschlechtern können
- Antifibrotische Therapie mit Nintedanib oder Pirfenidon
- Andere idiopathische interstitielle Pneumonien (IIP):
- Immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden (Prednisolon
) und ggf. anderen Immunsuppressiva (Cyclophosphamid , Azathioprin , Methotrexat , Mycophenolat-Mofetil )
- Immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden (Prednisolon
- Lungentransplantation als Ultima Ratio
Supportive Therapie
- Pulmonale Rehabilitation, „Lungensport“
- Sauerstoff
-Langzeittherapie: Bei hypoxischer, respiratorischer Insuffizienz - Impfungen zur Prävention von Atemwegsinfektionen: Influenza, Pneumokokken
- Vermeidung inhalativer Noxen

“O2Sonde.jpg” von Hermann Thomas, CC BY-SA 3.0, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons
Komplikationen
- Respiratorische Insuffizienz
- Zu Beginn: pO₂ reduziert, pCO₂ normwertig ➜ Hypoxämische respiratorische Insuffizienz
- Im Verlauf: pO₂ reduziert, pCO₂ erhöht ➜ Hyperkapnische respiratorische Insuffizienz
- Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie
und Cor pulmonale mit Rechtsherzinsuffizienz - Manche Formen der interstitiellen Lungenerkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms assoziiert: Idiopathische, pulmonale Fibrose
Prognose
Die Prognose interstitieller Lungenerkrankungen ist interindividuell sehr unterschiedlich und hängt von den zugrunde liegenden Ursachen ab. Manche Formen sind behandelbar und reversibel, während andere Formen irreversible Verläufe zeigen.
Quellen
- S1 Leitlinie Interdisziplinäre Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen im Erwachsenenalter, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP)