Zusammenfassung
Nach operativen Eingriffen können verschiedene Komplikationen auftreten. Dazu gehören implantatassoziierte Frakturen und implantatassoziierte Infektionen.
Implantatassoziierte Frakturen
Implantatassoziierte Frakturen bezeichnen Frakturen im Übergangsbereich der mit einer Prothese oder Osteosynthese stabilisierten Bruchzonen zum gesunden Knochen, die während oder nach der Einbringung der Implantate entstehen können. Dabei stellen periprothetische Frakturen und insbesondere die periprothetische Femurfraktur
Risikofaktoren sind vor allem eine hohe Sturzneigung (Alter, neurologische Erkrankungen, Medikamente), sowie eine verminderte Knochenqualität (Osteoporose, Medikamente, konsumierende Erkrankungen)
Periprothetische Frakturen
Die AWMF-Leitlinie 2019 der peripothetischen Frakturen unterscheidet:
- Periprothetische Frakturen während der Prothesenimplantation
- Periprothetische Frakturen bei Prothesenlockerung und Trauma
- Periprothetische Frakturen bei Prothesenlockerung ohne Trauma
- Periprothetische Frakturen ohne Prothesenlockerung
Info¾ aller periprothetischen Frakturen entstehen durch Niederenergietraumata in Kombination mit Risikofaktoren wie einer Osteoporose oder einer Prothesenlockerung
Um ein Gefühl für die Häufigkeit dieser Frakturen zu bekommen, sollen einige Beispiele genannt werden:
- Intraoperative Fraktur bei primärer Hüft-Endoprothetik = 0,2-3%
- Intraoperative Fraktur bei Revisions-Hüft-Endoprothetik = bis 20%
- Periprothetische Fraktur nach primärer Knie-Endoprothetik = 0,3-5,5%
- Periprothetische Fraktur nach Revisions-Knie-Endoprothetik = bis 38%
InfoBesonders im Rahmen von Prothesenrevisionen kommt es zu einer hohen Rate an periprothetischen Frakturen!
Klassifikation
Es gibt eine Vielzahl an Klassifikationssystemen für periprothetische Frakturen. Hier sollen die gebräuchlichsten Klassifikationen der Hüft- und Knie-Endoprothetik genannt werden.
Vancouver-Klassifikation
Bei periprothetischen Femurfrakturen
- Typ A = Fraktur des Trochanter minor oder major
- Typ B = Fraktur distale des Trochanter minor bis zur Prothesenspitze
- Typ B1 = festes Implantat
- Typ B2 = gelockertes Implantat
- Typ B3 = bei schlechter Knochenqualität
- Typ C = Fraktur distal der Prothese
Klassifikation nach Su et al.
Bei der periprothetischen Femurfrakturen

- Typ I = Fraktur proximal der Prothese
- Typ II = Fraktur von der proximalen Prothesenbegrenzung nach proximal
- Typ III = Fraktur distal der proximalen Prothesenbegrenzung
Klassifikation nach Felix et al.
Bei der periprothetischen Tibiafrakturen bei implantierter Knieprothese:
- Typ I = Fraktur des Tibiakopfes
mit Kontakt zum Interface - Typ II = Fraktur im Bereich des Metaphyse-Diaphyse-Übergangs
- Typ III = Fraktur distal der Prothesenspitze
- Typ IV = Fraktur mit Verletzung des distalen Knie-Streckapparates
- Diese können noch in A (stabile Prothese), B (instabile Prothese) oder C (intraoperative Therapie) untergliedert werden
Diagnostik
Bei der Anamnese sollte neben Vorerkrankungen, Risikofaktoren und Unfallhergang der Prothesentyp und Hersteller, ggf. durch einen Prothesenpass oder OP-Bericht in Erfahrung gebracht werden. Klinisch können milde Symptome mit Gelenkdysfunktion bis zu offenen Frakturen vorliegen.
Radiologisch wird im ersten Schritt eine Röntgenaufnahme der betroffenen Extremität mit angrenzenden Gelenken in 2 Ebenen durchgeführt und wenn möglich mit Voraufnahmen nach Prothesenimplantation verglichen (Lockerungssäume? Frakturlokalisation?). Auch sollte die Knochenqualität beispielsweise durch eine Knochendichtemessung beurteilt werden. Häufig wird eine CT-Untersuchung zur genauen Beurteilung des Frakturverlaufs
Therapie
Konservative Therapie
Stabile Frakturen oder bei Kontraindikationen einer operativen Therapie→Bewegungslimitierung + Teilbelastung 6-12 Wochen
- Vancouver Typ A bei Trochanter minor oder kaum disloziertem Trochanter major oder Felix Typ I-IV A Frakturen
Operative Therapie
Standardversorgung bei allen instabilen Frakturen mit oder ohne Lockerung der Prothese
- Vancouver Typ A bei > 10-20mm disloziertem Trochanter major: Platte / Cerclage
- Vancouver Typ B1/B2: winkelstabile Plattenosteosynthese
- Vancouver Typ B3: Revisionsschaft (teils B2), proximaler Femurersatz
- Vancouver Typ C: Revisionsschaft, proximaler intramedullärer Nagel
- Frakturen im Bereich zwischen einer einliegenden Hüft- und Knie-Prothese: Platten- und Cerclageosteosynthese bis Revisions-TEPs oder proximalem Femurersatz
- Su Typ I & II bei Oberflächenersatz: intramedulläre Nagel und / oder Platten- / Cerclageosteosynthese, ggf. Revisionsprothese
- Su Typ I & II bei anderen Prothesentypen: Winkelstabile Plattenosteosynthese
, ggf. Revisionsprothese - Su Typ III: Plattenosteosynthese
bis Revisionsendoprothetik oder proximalem Femurersatz - Felix Typ IIA / B, Typ IIIA / B und Typ IV: winkelstabile Plattenosteosynthese
ggf. Revisionsprothese - Felix Typ IB: Revisionsprothese
Periosteosynthetische Frakturen
Periosteosynthetische Frakturen sind vor allem bei Marknagelosteosynthesen zu finden zum Beispiel durch die Wahl eines falschen Eintrittspunktes, eine zu geringe Zugangspräparation oder eine falsche Ratio der Marknagelgröße zum Knochenkanal oder dem Kortex bedingt. Bei Schrauben- und Fixateur externe
Wie bei den periprothetischen Frakturen sollten Risikofaktoren, der Verletzungsmechanismus, der Implantattyp und die Knochenqualität in Erfahrung gebracht werden. Radiologisch wird einer initialen Röntgendiagnostik meist eine CT-Untersuchung ergänzt.
Bei der Versorgung kommt es auf die Stabilität der initialen Osteosynthese an. Ist diese stabil, kann die neue periosteosynthetische Fraktur ggf. isoliert durch eine 2. Osteosynthese adressiert werden. Ist diese instabil, muss die neue Osteosynthese sowohl die neue als
Therapeutisch kommt meist eine individuelle operative Therapie infrage. Einliegende Marknägel können verlängert oder ergänzende Platten- und Cerclageosteosynthesen die neue und alte Fraktur stabilisieren.
InfoWährend Klassifikationen für periprothetische Frakturen existieren sind periosteosynthetische Frakturen in der Literatur nur wenig beschrieben, es existiert keine einheitliche Klassifikation und folglich auch keine einheitliche Therapie
Implantatassoziierte Infektionen
Implantatassoziierte Infektionen entstehen nach Prothesenimplantation oder osteosynthetischer Versorgung von Frakturen durch Ablagerung von Erregern auf der Implantatoberfläche. Unterschieden werden Infektionen nach Prothesenimplantation (periprothetische Infektionen), sowie nach Osteosynthesen (periosteosynthetische Infektionen). Mit 1-5% ist die Rate von Infektionen nach osteosynthetischer Versorgung etwas höher als
MerkeAufgrund des demografischen Wandels und auch dadurch bedingt ansteigenden endoprothetischen Operationen, steigt auch die Zahl der implantatassoziierten Komplikationen!
Periprothetische Infektionen
Nach Tsukayama et al. werden Früh- von Spätinfekten und hämatogener Infektion unterschieden. Dabei unterscheidet der Zeitpunkt der Symptom-ausprägung die Art der Infektion. Treten Symptome innerhalb von 4 Wochen nach Operation auf spricht man vom Frühinfekt, anschließend von Spätinfekten. Nach 2 Jahren geht man von einer Übertragung der Erreger durch eine Bakteriämie aus und spricht von einer hämatogenen Infektion. Betrachtet man das Keimspektrum, unterscheidet man agressive Keime, die eine akute high-grade Infektion auslösen (z.B. Staphylokokkus aureus, gramnegative Bakterien) und meist frühzeitig auftreten, von weniger agressiven Keime, die chronische low-grade Infektionen auslösen (z.B. koagulase negative Staphylokokken oder Propionibakterien) und eher als
Akute high-grade Infektionen werden meist durch Keime hervorgerufen, die sich planktonisch (frei beweglich) auf der Implantatoberfläche ausbreiten und einen regen Stoffwechsel, sowie eine rasche Vermehrungsrate aufweisen. Ein Vorteil bei der akuten Infektion stellt das hohe Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie dar, wodurch teilweise eine prothesenerhaltened Therapie gewählt werden kann.
Chronische low-grade Infektionen werden hingegen eher durch Keime hervorgerufen, die sich sessil in einem amorphen Biofilm aus Polysacchariden anordnen, sich dadurch dem Immunsystem entziehen und durch einen verlangsamten Stoffwechsel resistenter gegen antibiotische Therapien werden. Sie rufen weniger stark und zu einem späteren Zeitpunkt klinische Symptome hervor, durch ihre Eigenschaften ist eine Therapie jedoch meist nur durch eine Entfernung des mit dem Biofilm überzogenen Implantats (nicht-prothesenerhaltend) möglich.
TippWährend planktonische Erreger zur Ausprägung klinischer Symptome führen, sind sessile Erreger hingegen für die Entwicklung von Rezidiven verantwortlich!
Diagnostik
Diagnostisch liefert die Anamnese wichtige Informationen. Neben einem Ruhe- und Nachtschmerz sollten folgende Punkte erfragt werden:
- Vergangene Infektionen (Wundinfektion? Pneumonie
? Harnwegsinfekt? etc.) - Schwächung des Immunsystems (Vorerkrankungen, Immunsuppressiva
) - Vergangene Operationen (Zeitpunkt, Implantattyp, postoperativer Verlauf)
- Klinische Infektzeichen (B-Symptomatik
wie z.B. Fieber, Schwellung, Rötung, Überwärmung, Sekretion, Wundheilungsstörungen, Pseudarthrosen im Heilungsverlauf)
In der klinischen Untersuchung sollte ebenfalls nach Entzündungszeichen wie einer Rötung oder Überwärmung des OP-Zugangsgebiets, sowie einem Gelenkerguss, Fieber oder einer Fistelbildung Ausschau gehalten werden. Besonders bei chronischen low-grade Infektionen kann der klinische Befund auch unauffällig sein.

Anschließend sollte eine ergänzende radiologische Diagnostik und eine Labordiagnostik mit Bestimmung der Entzündungsmarker, sowie dem Versuch eines Keimnachweises erfolgen.
- Röntgen- / CT-Untersuchung: Periimplantäre Osteolysen = Resorptionssäume, Sinterung / Migration, heterotope Ossifikationen, Kortikalisreaktion
- Sonografie: Nachweis eines Gelenkergusses
- Labor: z.B. kleines Blutbild
, CRP , Ferritin (chronische Infekte häufig mit Eisenmangelanämie ), PCT (Procalcitonin = Marker für bakterielle Infektionen besonders bei Sepsis), ggf. Nieren- / Leberwerte und Gerinnungsparameter - Gelenkpunktion: Kultur zum Erregernachweis (in Blutkulturflaschen, bei geringen Mengen in Paed-Flaschen, teilweise Langzeitbebrütung bis 14 Tage zum Nachweis von Biofilm-Erregern), Zellzahlbestimmung (> 2000 Leukozyten
/µl oder >70% Granulozytenanteil weisen auf eine Infektion hin) - Histologie: Klassifikation periprothetischer Gewebeproben in vier Typen nach Krenn und Morawietz (Typ I = Abriebtyp - nicht infektiös, Typ II = infektiöser Typ, Typ III = Mischtyp, Typ IV = Interferenztyp - nicht infektiös)
- Weiterer Erregernachweis: Multiple Biopsien, Sonikation (Anwendung von Ultraschall auf entfernte Implantate zur Erregerlösung)
Therapie
Therapeutisch kommen folgende Optionen in Betracht, die abhängig von den Begleiterkrankungen, den individuellen Wünschen, dem Alter und dem nachgewiesenen Keimspektrum individuell abgewogen werden sollten:
- Antibiotikatherapie ohne Operation (keine vollständige Eradikation, jedoch akzeptable Beherrschung über längere Zeit, Antibiotika
mit hoher Bioverfügbarkeit und Gewebegängigkeit in Kombination mit Rifampicin zur Verminderung der Resistenzentwicklung bei gram-positiven Infektionen) - Keimreduktion durch Débridement, Synovialektomie und Dauerdrainagen-Einlage (keine vollständige Eradikation, jedoch akzeptable Beherrschung durch Sekretabfluss über längere Zeit möglich)
- Einzeitiger Prothesenwechsel (höheres Risiko des Rezidivs als
zweizeitiger Wechsel) - Zweizeitiger Prothesenwechsel mit Implantation
eines intermediären Antibiotika -Spacers (Intervall von ca. 6-12 Wochen zur Erreger Eradikation vor der Reimplantation mit niedrigerem Rezidivrisiko) - Arthrodese (vor allem im Knie und Sprunggelenk
bei nicht zu erhaltender Gelenkfunktion z.B. bei fehlendem Streckapparat) - Resektionsarthroplastik = RSA (im Hüft- / Schulter- und Ellenbogengelenk der Arthrodese vorzuziehen, da eine geringe Gelenkfunktion erhalten wird, im Bereich der Hüfte spricht man von einer „Girdlestone Situation“)
- Amputation (Ultima-Ratio; im Anschluss häufig mit Prothesenversorgung)

Periosteosynthetische Infektionen
Im Gegensatz zu periprothetischen Infektionen handelt es sich bei periosteosynthetischen Infektionen zumeist um Frühinfektionen mit Ausprägung von klinischen Symptomen wie Rötung / Schwellung / Überwärmung oder Sekretion. Risikofaktoren gleichen denen der periprothetischen Infektionen.
Besonders wichtig ist hier die meist noch nicht verheilte Fraktursituation und dadurch Notwendigkeit der Osteosynthese. Da eine antibiotische Therapie alleine meist nicht ausreichend ist, sollte zumindest ein Debridement und eine Spülung zur Keimreduktion und ggf. die Einlage von Antibiotikaträgern (z.B. Ketten oder resorbierbare Antibiotikaträger) erfolgen. Bei Fehllage oder Lockerungszeichen muss die Osteosynthese hingegen zusätzlich entfernt werden. Teilweise kann auf ein frakturferne Osteosynthese mittels Fixateur externe
Quellen
- S1-Leitlinie Hygieneanforderungen beim ambulanten Operieren, Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF