Die maschinelle Beatmung ist ein entscheidender Bestandteil der Anästhesie. Sie kommt bei fehlender oder unzureichender Spontanatmung zum Einsatz (respiratorische Insuffizienz). Die maschinelle Ventilation durch das Beatmungsgerät ermöglicht einen kontrollierten Gasaustausch mit Oxygenierung und CO2-Elimination. Dabei können das Atemzugvolumen (AZV, Vt)/Inspirationsdruck (Pinsp), die Atemfrequenz (f), PEEP, Inspirations-Exspirations-Verhältnis (I/E) und der inspiratorische Sauerstoffgehalt präzise gesteuert werden.
Ursachen einer respiratorischen Insuffizienz
Das Atmungssystem lässt sich in zwei Kompartimente unterteilen:
Die Lunge als Gasaustauschorgan
Die Atempumpe (Atemmuskulatur, Atemzentrum etc.).
Entsprechend wird die respiratorische Insuffizienz in Lungenparenchymschaden (Oxygenierungsproblem) und Atempumpversagen (Ventilationsproblem) unterteilt.
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Definition
Definition
Maschinelle Beatmung: Medizinisches Verfahren zur Unterstützung oder vollständigen Übernahme der Atmungsfunktion einer Person durch ein Beatmungsgerät (Respirator), das die kontrollierte Zufuhr von Sauerstoff und die Entfernung von Kohlendioxid (CO2) sicherstellt.
Vergleich von physiologischer Atmung und maschineller Beatmung
Physiologisch wird bei der Inspiration ein Unterdruck erzeugt, der das Atemgas in die Lunge „saugt“. Bei der maschinellen Beatmung wird im Gegensatz dazu ein Überdruck erzeugt, der das Atemgas in die Lunge „presst“.
Hämodynamische Effekte der maschinellen Beatmung:
Erhöhter intrathorakaler Druck
Erhöhter pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR)
Erhöhte rechtsventrikuläre Nachlast
Erniedrigte rechtsventrikuläre Vorlast
Erniedrigte linksventrikuläre Vorlast
Abfall des Herzzeitvolumens
Übersicht über verschiedene Formen der Beatmung
Bei den verschiedenen Unterkategorien der maschinellen Beatmung kann eine grobe Unterscheidung zwischen assistierter und kontrollierter Beatmung vorgenommen werden, wobei diese wiederum volumen- oder druckbasiert sein können.
Assistierte Beatmung
Kontrollierte Beatmung
Definition
Synchronisierte Unterstützung bei erhaltener Spontanatmung
Beatmungsgerät übernimmt komplett die physiologische Atmungsfunktion → Fehlende oder stark eingeschränkte Spontanatmung
Beatmung
Volumen-unterstützt
Druckunterstützt
Volumen-kontrolliert
Druckkontrolliert
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Kontrollierte Beatmungsformen
Im Allgemeinen werden volumen- und druckkontrollierte Beatmungsformen als gleichwertig angesehen, sofern die Grenzwerte der lungenprotektiven Beatmung eingehalten werden.
Volumenkontrollierte Beatmung (VCV)
Druckkontrollierte Beatmung (PCV)
Beatmungzyklus
Einstellbare Beatmungsparameter
Atemzugvolumen (AZV, Vt,Tidalvolumen)
Beatmungsfrequenz (f)
PEEP
Inspirations-Exspirations-Verhältnis (I/E) → Aus dem eingestellten Atemzugvolumen resultiert ein entsprechender Beatmungsdruck (Pinsp) → Drucklimitierung (Pmax)
Inspirationsdruck (Pinsp)
Beatmungsfrequenz (f)
PEEP
Inspirations-Exspirations-Verhältnis (I/E) → Aus dem eingestellten Inspirationsdruck resultiert abhängig von der Compliance der Lunge das applizierte Atemzugvolumen
Vorteile
KonstantesAtemzugvolumen auch bei intraoperativen pulmonalen Druckveränderungen → z.B. Laparoskopie
Gute Druckkontrolle mit geringerer Gefahr eines Barotraumas
Konstantes inspiratorisches Druckplateau und der dezelerierende Flow → Öffnung kollabierter Alveolen
Nachteile
Potentielle Gefahr eines Barotraumas durch hohen Spitzendruck → Es sollte eine Drucklimitierung (Pmax ≤30 mmHg) eingestellt werden
Pulmonale Druckveränderungen können mit schwankenden Atemzugvoluminaeinhergehen → Gefahr der Hyper- oder Hypoventilation mit konsekutiver respiratorischer Alkalose oder Azidose
Bsp.: Laparoskopie: Kapnoperitoneum führt zu einem erhöhten pulmonalen Druck → Geringeres Atemzugvolumen → Pinsp muss angepasst werden, um eine ausreichende Ventilation zu gewährleisten
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Wichtige Beatmungsparameter
PEEP (Positive EndExspiratory Pressure)
Definition: Positiver Druck, der am Ende der Ausatmung in den Atemwegen aufrechterhalten wird, um die Lungenbelüftung zu verbessern und das Kollabieren der Alveolen zu verhindern
Vorteile:
Verbesserte Oxygenierung der Lunge durch Offenhalten der Alveolen
Erhöhter intrathorakaler Druck → Reduzierter venöser Rückstrom zum Herzen → Reduziertes Herz-Zeit-Volumen → Erhöhter Hirndruck durch verminderten venösen Abfluss
Erhöhter intrapulmonaler Druck → Ab einem bestimmten Druckniveau nimmt die Compliance der Lunge wieder ab → Barotrauma
Standardeinstellung: 5–7 mbar
Info
PEEP beim kardialen Lungenödem
Inspirationsdruck (Pinsp)
Definition: der vom Beatmungsgerät während der Inspiration erzeugte Druck, um die Atemgase in die Lungen zu befördern
Allgemein:
Bei PCV: direkt einstellbar
Bei VCV: der Inspirationsdruck resultiert aus dem eingestellten Atemzugvolumen → Drucklimitierung
Standardeinstellung: ~10–15 mbar (Lungengesunde)
Inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2)
Definition: Volumenanteil von Sauerstoff im eingeatmeten Gasgemisch
Bereich: 0,21 bis 1,0 (21 % bis 100 %)
Allgemein:
Durch Applikation von 100 % Sauerstoff bei Ein- und Ausleitung kann eine Sauerstoffreserve aufgebaut werden → Verlängert die Zeit bis zum Auftreten einer Hypoxie
Resorptionsatelektasen (siehe S. 80)
Eine hohe FiO2 (>60 %) über mehrere Tage führt durch reaktive Sauerstoffspezies zu Gewebeschädigung und Lungenfibrose
Atemzugvolumen (Vt, Tidalvolumen)
Definition: während eines Beatmungs- bzw. Atemzyklus ein- und ausgeatmetes Volumen
Allgemein
Bei VCV: direkt einstellbar
Bei PCV: Atemzugvolumen resultiert aus eingestelltem Inspirationsdruck (Pinsp) und der Compliance der Lunge
Zielwert: 6–8 ml/kgKG (Ideales Körpergewicht)
Beatmungsfrequenz
Definition: Anzahl der Atemzüge pro Zeiteinheit (meist Minuten)
Allgemein
Bei Einstellung auf ausreichendes Atemzugvolumen achten
Auf Veränderungen der pH und paCO2-Werte bei Hyper- oder Hypoventilation achten
Vermeidung von „Air-Trapping“ (Anstieg des endexspiratorischen Lungenvolumens durch zu hohe Atemfrequenz)
Tipp
Atemfrequenz (min) = 60/Atemzykluszeit (sek). Die Atemzykluszeit ist von Beginn der Inspiration bis Ende der Exspiration. Bsp. Atemzykluszeit von 6 sek: 60/6= 10/min. Die Atemfrequenz beträgt 10 Atemzüge pro Minute.
Definition: Verhältnis von Inspirationszeit zu Exspirationszeit
Allgemein
Physiologisch:
Erwachsene: 1:1,5 bis 1:2,5
Kindern: 1:1
Intraoperativ: ~1:1,5 bis 1:2
Bei Obstruktion (z.B. COPD): bei zu kurzer Exspirationszeit ist bei obstruktiver Lungenerkrankung keine vollständige Ausatmung mehr möglich → Es kann zu einer sukzessiven Überblähung der Lunge kommen („Air-Trapping“)
Achtung
Eine Beatmung mit umgekehrtem Atmungszeitverhältnis (Inspirationszeit > Exspirationszeit) wird nicht empfohlen.
Flow (Gasflow)
Inspirationsflow:
Flussgeschwindigkeit eines bestimmten Atemvolumens bei Inspiration (l/min)
Je größer der Inspirationsflow ist, desto schneller erfolgt die Dehnung der Lunge
Frischgasflow:
Von außen zugeführte Frischgasmenge
Bei Ein- und Ausleitung: hoher Frischgasflow (4–6 l/min) wichtig für das rasche An- und Abfluten der Inhalationsanästhetika
Intraoperativ: Minimal-Flow-Narkose (Frischgasflow: 0,5 L/min) oder Low-Flow-Narkose (Frischgasflow: 1 l/min) → Reduzierter Verbrauch von Narkosegasen durch Rückatmung
Grundeinstellungen des Beatmungsgeräts:
Beatmungsform: PCV oder VCV
PEEP: 5–7 mbar
Pinsp: 10–15 mbar einstellen bzw. anstreben
FiO2
Bei Ein- und Ausleitung: 1,0 → Um Sauerstoffreserve aufzubauen
Intraoperativ: ~0,4–0,8 (je nach Standard der Klinik und Vorerkrankungen)
Atemzugvolumen: 6–8 ml/kgKG (Standardgewicht) einstellen bzw. anstreben
Beatmungsfrequenz: 10–12/min
I/E: 1:2 (~ Inspirationszeit Tinsp= 1,7 sek)
Frischgasflow: initial 4–6 l/min, im Verlauf reduzieren
Beispielhafte Darstellung eines Monitors eines Beatmungsgeräts
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Das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) ist eine schwere hyperkapnische respiratorische Insuffizienz, die durch eine akute Schädigung der Lunge gekennzeichnet ist. Es ist charakterisiert durch eine erhöhte Permeabilität der alveokapillären Membran, eine Entzündungsreaktion und die Ausbildung eines Lungenödems. Durch eine lungenprotektive Einstellung der Beatmungsparameter sollen beatmungsbedingte Schäden (Baro- oder Volutrauma) vermieden werden.
VT ≤6 ml/kg Ideales Körpergewicht → Um Volutrauma zu vermeiden
Endinspiratorischer Spitzendruck: Pmax≤30 mbar → Um Barotrauma zu vermeiden
Zielwerte der Oxygenierung: SpO2 90–94 % bzw. paO2 60–80 mmHg
Permissive Hyperkapnie (bis zu paCO2-Werten von ~50-60 mmHg und bis pH von 7,2) tolerierbar zugunsten reduzierter Atemzugvolumina
FiO2 <60 % → Um die Schädigung durch reaktive Sauerstoffspezies zu vermeiden
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Komplikationen der maschinellen Beatmung
Abfall der Sauerstoffsättigung
Auffällige Kapnografiebefunde
Bronchospasmus
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Abfall der Sauerstoffsättigung
Abfall der Sauerstoffsättigung
Initial: FiO2 auf 1,0 erhöhen
„DOPES“ (Ursachen) herausfinden und beheben
DOPES
Beschreibung
Handlung
D
Dislokation
Sind Tubus und das gesamte Schlauchsystem korrekt konnektiert (Leckage)?
Ist der Tubus korrekt platziert?
Kontrolle aller Verbindungsstellen
Lagekontrolle des Tubus (Auskultation der Lunge und des Epigastriums)
O
Obstruktion
Okklusion von Tubus oder Filter durch Sekret (rasselnde Geräusche)?
Manuelle Beatmung mit Beatmungsbeutel bis zur Klärung eines möglichen Gerätedefekts, ggf. Wechsel des Narkosegeräts
Einstellungen am Beatmungsgerät überprüfen
S
Stomach
Wird der Magen beatmet?
Ist der Magen überbläht?
Auskultation
Lagekontrolle des Tubus → Lageanpassung
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Kapnografiebefunde
Definition
Kapnografie ist eine Überwachungstechnik, die kontinuierlich den Kohlendioxidgehalt in der Atemluft eines Patienten misst und die Daten grafisch als Kurve (Kapnogramm) darstellt.
Kapnometrie hingegen bezieht sich auf das einmalige direkte Messung des Kohlendioxid-Gehalts in der ausgeatmeten Luft.
1.Normale Kapnografiekurve
(1) Abatmung des des Totraumvolumens mit geringem CO2-Gehalt
(2) Anstieg: Abatmung CO2-haltiger Luft aus den Alveolen
(3) Plateauphase: die Kurve steigt nur noch langsam an die Luft kommt fast ausschließlich aus den Alveolen → Der höchste CO2-Wert wird am Ende des Plateaus erreicht (endtidaler CO2-Partialdruck/etCO2)
(4) In der Inspiration fällt die Kurve fällt steil ab
4. Schräges Plateau: „Sägezahn- oder Haifischkonfiguration“
Erklärung: verzögerte Entleerung der Alveolen
Mögliche Ursachen:
Obstruktion (Asthma, COPD)
Verlegung von Tubus oder Beatmungsschlauch
5. Unterbrechung des Kurvenverlaufs
Erklärung: der normale Kurvenverlauf wird durch Einschnitte oder Auslenkungen kurzfristig unterbrochen
Mögliche Ursachen:
Pressen durch Patient:innen
Spontanatmungsversuche
Druck von außen auf den Thorax (z.B. durch Operateur)
6. Oszillation der Kurve
Erklärung: pulssynchrone Oszillation während der Inspiration
Mögliche Ursachen:
Mangelnder Frischgasfluss
7. Fehlender Abfall auf die Nullinie
Erklärung: inspiratorisches CO2 (CO2-Rückatmung)
Mögliche Ursachen:
Atemkalk verbraucht
Beatmungsgerät falsch konnektiert
8. Abfallen der Kurve
Erklärung: die anfänglich normale Kurve wird mit jedem Atemzug flacher
Mögliche Ursachen:
Low-Output-Syndrom: Lungenembolie, Myokardinfarkt
Ösophageale Fehlintubation (Abatmung von CO2 aus dem Magen)
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Vorgehen bei Bronchospasmus
Ursächlichen Reiz stoppen
FiO2 auf 1,0 erhöhen, Frischgasfluss (>10 l/min)
Manuelle Beatmung → Häufig erschwerte Beatmung → „Air-Trapping“ mit fehlender Füllung des Beatmungsbeutels bei Exspiration
Intravenös: Reproterol (0,09 mg i.v. als langsame Injektion über 30 bis 60 sek)
Inhalativ: Salbutamol (1–2 Sprühstöße bei Inspiration über Tube Inhaler)
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Quellen
S1-Leitlinie: Atemwegsmanagement,Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)