Zusammenfassung
Im Rettungsdienst ist der Einsatz von Medizinprodukten streng geregelt: Sie müssen speziell gekennzeichnet, ordnungsgemäß gewartet, dokumentiert und nur nach Einweisung verwendet werden. Gesetzestexte schreiben zudem die Meldung von Vorkommnissen, die Rückverfolgbarkeit und die hygienische Aufbereitung vor – zum Schutz von Patient:innen und Anwender:innen. Eine sichere Handhabung der genutzten Geräte und Materialien ist dabei für alle Beteiligten wichtig.
Um einen Überblick über die Anwendung von Medizinprodukten im Rettungsdienst und die vorhandenen rechtlichen Grundlagen zu bekommen, fasst dieser Artikel alles Wichtige zusammen.
Definitionen
DefinitionMedizinprodukte sind Produkte, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind und eine medizinische Zweckbestimmung haben. Dazu gehören z.B. Kanülen
, Rettungsdecken als auch Verbandmaterial.
Medizinprodukte sind aus der modernen Notfallversorgung nicht mehr wegzudenken. Ob Defibrillatoren, Beatmungsgeräte, Monitoring-Systeme oder automatisierte Reanimationshilfen – sie ermöglichen hoch spezialisierte Maßnahmen unter Zeitdruck und in komplexen Versorgungssituationen. Ihre sichere und sachgerechte Anwendung stellt im Rettungsdienst jedoch nicht nur eine technische, sondern vor allem auch eine rechtliche Herausforderung dar. Fehler im Umgang mit diesen Produkten können unmittelbare Gefährdungen für Patient:innen nach sich ziehen und sowohl straf- als auch haftungsrechtliche Konsequenzen für Anwender und Betreiberorganisationen nach sich ziehen.
DefinitionDas Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) regelt die Anforderungen an die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten sowie deren Bereitstellung auf dem Markt, Überwachung und klinische Prüfungen.
Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) beinhaltet, wie Medizinprodukte zu errichten, zu betreiben und zu warten sind. So werden Risiken für Patient:innen, Anwender und Dritte minimiert. Sie enthält Vorschriften für die Einweisung von Anwendern, die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen, sicherheitstechnische Kontrolle (STK) und die Erstellung von Betriebsanweisungen. Darüber hinaus regelt sie die Beauftragung von Sachkundigen für die Wartung und Prüfung von Medizinprodukten.
Fallsituation
Ein neuer Mitarbeitender in der Rettungswache nutzt während eines Reanimationseinsatzes ein automatisiertes externes Thoraxkompressionsgerät (ATCD), das zuvor im Lager lange ungenutzt war. Während des Einsatzes fällt das Gerät aus, es kommt zu einer Unterbrechung der Thoraxkompressionen über mehrere Minuten. Später stellt sich heraus: Das Gerät war weder gewartet noch in das Qualitätssicherungssystem der Organisation eingebunden. Eine STK (Sicherheitstechnische Kontrolle) war seit über drei Jahren überfällig. Der Patient verstirbt. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein Organisationsverschulden und eine fahrlässige Tötung vorliegt.

Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALL·E (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Rechtliche Grundlagen
DefinitionNach § 3 MPDG sind Medizinprodukte alle Instrumente, Apparate, Software oder Materialien, die zur medizinischen Anwendung am Menschen bestimmt sind – sei es zur Diagnostik, Therapie, Überwachung oder Kompensation von Behinderungen.
Beispiele im Rettungsdienst:
- Defibrillatoren
- Beatmungsgeräte
- Monitoring-Systeme
- Infusionstechnische Geräte
- Absaugpumpen
- Automatisierte Reanimationshilfen
InfoMit Inkrafttreten der neuen EU
-Verordnung (EU ) 2017/745 (MDR) am 26. Mai 2021 war eine Anpassung des nationalen Rechts erforderlich. Das MPG wurde daher weitgehend aufgehoben und durch das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) ersetzt.
Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) ist eine zentrale Rechtsverordnung in Deutschland, die Betreiber- und Anwenderpflichten beim Einsatz von Medizinprodukten regelt. Sie ist rechtlich an das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) sowie an die EU
Für Anwender:innen im Rettungsdienst gelten daher:
- Technische und sicherheitsbezogene Vorschriften (z.B. STK, Einweisung) → weiterhin in der MPBetreibV
- Behördliche Verfahren, Prüfungen und Meldepflichten → nun in der MDR und im MPDG
MerkeDas MPDG bildet zusammen mit der EU
-MDR und der MPBetreibV den rechtlichen Rahmen für sicheren und rechtskonformen Einsatz von Medizinprodukten im Rettungsdienst. Kenntnisse über Meldepflichten, Einweisungen, STK und Betreiberverantwortung sind verpflichtend – auch für Auszubildende.
Rechtliche und technische Anforderung
MPG oder MPDG?
Das Medizinproduktegesetz (MPG) war bis 2020 die zentrale nationale Rechtsgrundlage für das Inverkehrbringen und den Betrieb von Medizinprodukten in Deutschland. Aufgrund der europäischen Neuregelung durch die Medical Device Regulation (MDR) (EU
Medizinproduktegesetz (MPG) | Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) |
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MerkeDas MPDG ist kein eigenständiges, vollumfängliches Gesetz wie das frühere MPG, sondern ein Ergänzungsgesetz zur EU
-Verordnung MDR. In der Praxis gelten also MDR und MPDG gemeinsam.
Wichtige Paragrafen:
§ 2 MPDG – Begriffsbestimmungen
- Legt zentrale Begriffe wie "klinische Prüfung", "Sponsor" oder "schwerwiegendes Vorkommnis" fest
- Wichtig für das Verständnis aller folgenden Paragrafen und Pflichten
- Grundlage für die Bewertung, ob ein Vorfall meldepflichtig ist
§ 3 MPDG – Anwendungsbereich
- Bestimmt, wann das MPDG neben der MDR greift (z.B. bei Aufsicht und Sanktionen)
- Klärt die Zuständigkeit nationaler Behörden bei europarechtlichen Vorgaben
- Wichtig für das Verständnis, warum NotSan auch nationale Regeln beachten müssen
§ 4 MPDG – Aufgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
- BfArM koordiniert Meldungen, prüft klinische Studien und erstellt Empfehlungen
- Zentraler Ansprechpartner bei schwerwiegenden Vorkommnissen
- Auch für Anwender:innen relevant bei Rückrufen oder Warnmeldungen
§ 6 MPDG – Aufgaben der zuständigen Behörden
- Länderbehörden überwachen Einhaltung der Vorschriften vor Ort
- Dürfen Betriebe inspizieren und Maßnahmen anordnen
- NotSan müssen z.B. bei Kontrollen durch Aufsichtsbehörden mitwirken
§ 8 MPDG – Meldepflichten
- Schwerwiegende Vorkommnisse (z.B. Patient:innenschäden durch Gerätefehler) müssen gemeldet werden
- Gilt auch für Anwender:innen, nicht nur Hersteller:innen
- Meldung erfolgt an das BfArM innerhalb definierter Fristen
§ 14 MPDG – Prüfungen und Inspektionen
- Behörden dürfen Fahrzeuge, Geräte und Dokumentationen prüfen
- Ziel: Überprüfung von Einhaltung, Wartung, Schulung und Anwendung
- Relevanz z.B. bei Betriebsprüfungen von Rettungswachen
§ 43 MPDG – Ordnungswidrigkeiten
- Regelt Bußgelder bei Verstößen gegen das MPDG
- Z.B. bei fehlender Meldung, falscher Anwendung oder unterlassener Wartung
- Wichtig für NotSan: Auch Fahrlässigkeit kann geahndet werden
MPBetreibV
Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) regelt die Pflichten von Betreibern und Anwendern von Medizinprodukten in Deutschland. Es ist wichtig, dass in Gesundheitseinrichtungen der Umgang mit Medizinprodukten sicher und ordnungsgemäß erfolgt. So legt die Verordnung beispielsweise fest, dass Medizinprodukte nur von entsprechend geschultem Personal betrieben, angewendet oder instand gehalten werden dürfen.
§ 4 MPBetreibV - Allgemeine Anforderungen:
Einweisungspflicht:
Medizinprodukte dürfen nur verwendet werden, wenn die Anwender zuvor nachweislich eingewiesen wurden, entweder durch Fachpersonal oder Hersteller:innen. Die Einweisung muss dokumentiert und bei Software-Updates oder anderen Änderungen wiederholt werden.
AchtungFehlende Einweisungen führen zur individuellen und organisatorischen Haftung – auch für Auszubildende bei fehlerhafter Anwendung.
Sicht- und Funktionsprüfung:
Vor jeder Nutzung ist eine Sicht- und Funktionsprüfung verpflichtend:
- Stromversorgung, Kabel, Akkuzustand
- Anzeigeelemente und Alarmsysteme
- Verbrauchsmaterialien, Funktionstests (z.B. bei Beatmungsgeräten)
MerkeDiese Maßnahmen werden in vielen Systemen protokolliert (z.B. digital oder analog).
§ 12 MPBetreibV - Sicherheitstechnische Kontrolle (STK):
Die STK ist eine regelmäßige, gesetzlich vorgeschriebene Prüfung bestimmter Medizinprodukte mit dem Ziel, deren sicherheitstechnische Eignung im laufenden Betrieb sicherzustellen.
- Zentrale Inhalte der STK:
- Überprüfung auf sicherheitstechnische Mängel
- Bewertung der Funktionalität
- Einhaltung der Herstelleranforderungen
- Prüfung von elektrischer Sicherheit, Alarmfunktionen und Schnittstellen
- Pflicht zur STK besteht für:
- Defibrillatoren
- Beatmungsgeräte
- Perfusoren und Infusionspumpen
- Absaugpumpen
- Monitoring-Systeme
→ Liste in Anlage 1 MPBetreibV
- Fristen:
- In der Regel: alle 12 bis 24 Monate (Herstellerangabe maßgeblich)
- STK ist auch bei Nichtverwendung erforderlich (Lagergeräte, Reservegeräte)
- Verantwortlichkeit:
- Die Verantwortung für die Durchführung obliegt dem Betreibenden (also der Person, welche das Gerät nutzt)
- Durchführung nur durch befähigte Personen oder zertifizierte Dienstleister:innen
- Die Verantwortung bleibt auch bei Delegation bestehen (Stichwort: Organisationsverschulden)
- Dokumentation der STK:
- Prüfprotokoll mit Datum, Prüfendem, Ergebnis, Maßnahmen
- Nachvollziehbare Archivierung (z.B. im digitalen Gerätebuch)
- Bei Beanstandungen: sofortige Außerdienststellung
§ 3 MPBetreibV i. V. m. MPDG - Meldepflicht bei Vorkommnissen:
Bei Vorkommnissen, die zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden oder zum Tod führen, besteht eine unverzügliche Meldepflicht an das BfArM (innerhalb von 24–48 Stunden abhängig vom Schweregrad). Auch Beinahe-Ereignisse sind relevant.
AchtungDie Missachtung der Meldepflicht kann straf- und bußgeldrechtlich geahndet werden!
AchtungOrganisationsverantwortung im Rettungsdienst
Fehlende STK, unterlassene Einweisungen oder unsachgemäße Dokumentation sind klassische Fälle von Organisationsverschulden (§ 823 BGB i. V. m. § 31 BGB, Deliktshaftung). Nicht nur Trägerorganisationen, sondern auch verantwortliche Leitungspersonen haften bei Versäumnissen persönlich.
Checkliste im Rettungsdienst
TippDie folgende Tabelle zeigt eine mögliche Checkliste für die korrekte Anwendung von Medizinprodukten gem. MPDG.
Diese Checkliste kann laminiert im Gerätefach oder als digitales Formular auf einem mobilen Endgerät hinterlegt werden.
🔍Vor der Anwendung eines Medizinprodukts (Check durch die Anwender:innen):
Prüfschritt | Erledigt? |
🔌 Sichtprüfung des Geräts:
| ☐ |
⚙️ Funktionsprüfung durchgeführt?
| ☐ |
📦 Verbrauchsmaterialien einsatzbereit? (z.B. Elektroden, Filter, Beatmungsschläuche) | ☐ |
📅 Letzte STK dokumentiert und gültig? (Datum im Gerätebuch/Sticker) | ☐ |
🧼 Gerät hygienisch einwandfrei? (Desinfektion nach vorherigem Einsatz) | ☐ |
📤 Nach der Anwendung:
Prüfschritt | Erledigt? |
✍️ Einsatzdokumentation (Gerätetyp, Funktion, Auffälligkeiten?) | ☐ |
📆 Nächste STK prüfen und ggf. melden? | ☐ |
🧼 Reinigung und Aufbereitung durchgeführt? | ☐ |
📢 Störungen oder Beinahe-Vorkommnisse gemeldet? (z.B. an QM, Technik oder BfArM bei schwerem Vorfall) | ☐ |
Prüfungswissen
DefinitionMedizinprodukte sind Produkte, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind und eine medizinische Zweckbestimmung haben.
Nach § 3 MPDG sind Medizinprodukte alle Instrumente, Apparate, Software oder Materialien, die zur medizinischen Anwendung am Menschen bestimmt sind – sei es zur Diagnostik, Therapie, Überwachung oder Kompensation von Behinderungen.
DefinitionDas Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) regelt die Anforderungen an die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten sowie deren Bereitstellung auf dem Markt, Überwachung und klinische Prüfungen.
Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) konkretisiert, wie Medizinprodukte zu errichten, zu betreiben und zu warten sind. Sie enthält Vorschriften für die Einweisung von Anwendern, die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen und die Erstellung von Betriebsanweisungen. Darüber hinaus regelt sie die Beauftragung von Sachkundigen für die Wartung und Prüfung von Medizinprodukten.
AchtungDas Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) ist seit Mai 2021 geltendes deutsches Gesetz zur Umsetzung und Ergänzung der europäischen MDR (Medical Device Regulation). Es regelt u.a. Zuständigkeiten, Überwachung, klinische Prüfungen und Sanktionen.
- § 2 MPDG – Begriffsbestimmungen
= Definition von klinischer Prüfung, Sponsor, Ethik-Kommission etc. - § 3 MPDG – Anwendungsbereich
= Geltung des Gesetzes in Bezug auf MDR und nationale Ergänzungen - § 8 MPDG – Meldepflichten
= Betrifft auch Anwender:innen: Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen - § 43 MPDG – Ordnungswidrigkeiten
= Bußgelder bei Verstößen gegen Melde- oder Anwendungspflichten - § 4 MPBetreibV - Einweisungspflicht:
= Einweisung muss nachgeweisen und dokumentiert werden können
= Wiederholung bei Software-Updates oder anderen Änderungen - § 10 MPBetreibV - Sichtprüfung und Funktionsprüfung durch Anwender:innen:
= Muss vor jeder Inbetriebnahme erfolgen
= Funktionsprüfungen werden oft in den Geräten protokolliert - § 11 MPBetreibV - Sicherheitstechnische Kontrolle (STK):
= Regelmäßige, vorgeschriebene Prüfung auf sicherheitstechnische Eignung
= Obliegt dem Betreibendem
Quellen
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. (2023). Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV). https://www.bfarm.de, Stand 01.07.2025, aufgerufen am 25.07.2025
- BfArM - Medizinprodukte - Medizinprodukteverordnung (MDR) und Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), Stand 01.07.2025, aufgerufen am 25.07.2025
- H. Böhme: Medizinprodukterecht für Betreiber und Anwender, Ein Praxishandbuch mit einem Kommentar der MPBetreibV für den Praxisalltag. medhochzwei, 2022, ISBN 978-3-86216-906-1