Zusammenfassung
Meningitis im Kindesalter ist eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, die meist durch Bakterien oder Viren verursacht wird.
Sie stellt einen intensivmedizinischen Notfall dar, der vor allem Kinder unter 5 Jahren betrifft. Die Erkrankung tritt gehäuft im Winter auf und kann sporadisch oder endemisch vorkommen. Vorwiegend entsteht sie durch hämatogene Keimstreuung aus einem anderen Infektionsherd. Typische Symptome sind Fieber, Meningismus
Erregerspektrum der Meningitis
Bakterielle Meningitis:
Das Erregerspektrum der bakteriellen Meningitis variiert je nach Altersgruppe und prädisponierenden Faktoren:
- Alter <6 Wochen:
- Streptococcus agalactiae (Gruppe-B-Streptokokken)
- Escherichia coli (v. a. K1-Stamm)
- Listeria monocytogenes
- Alter ≥6 Wochen:
- Streptococcus pneumoniae
- Neisseria meningitidis
- Haemophilus influenzae
- Erwachsene:
- Streptococcus pneumoniae
- Neisseria meningitidis
- Listeria monocytogenes
- Haemophilus influenzae
Virale Meningitis:
Virale Meningitiden sind meist selbstlimitierend und werden am häufigsten durch folgende Erreger verursacht:
- Enteroviren (z.B. Coxsackie-Viren) – häufigste Erreger
- FSME
-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis , in Endemiegebieten relevant) - Weitere seltenere virale Erreger:
- Adenoviren
- Influenzaviren
- Polioviren (in Endemiegebieten)
- Herpes simplex-Viren (HSV-1 und HSV-2, letztere besonders bei Neugeborenen)
Klinik
Die klinische Präsentation einer bakteriellen Meningitis variiert je nach Alter des Kindes erheblich. Während ältere Kinder häufig die klassischen Leitsymptome zeigen, können insbesondere Neugeborene und Säuglinge mit unspezifischen oder diskreten Zeichen auffallen (der typische Meningismus
MerkeLeitsymptome:
- Fieber
(oft hoch und plötzlich auftretend) - Meningismus
(Nackensteifigkeit , Schmerzen bei passiver Kopfbeugung) - Kopf- und Rückenschmerzen
- Bewusstseinsveränderungen (Lethargie, Reizbarkeit, Somnolenz bis hin zum Koma)
- Weitere Symptome:
- Gespannte Fontanelle(n) (in ca. 40% der Fälle)
- Lichtscheu (Photophobie)
- Erbrechen (oft schwallartig, nicht zwingend mit Übelkeit verbunden)
- Trinkschwäche
- Epileptische Anfälle (fokal oder generalisiert, mögliche Erstmanifestation)
- Hautveränderungen: makulopapulöses oder petechiales Exanthem bis hin zur Purpura fulminans als Zeichen einer begleitenden Sepsis (insbesondere bei Neisseria meningitidis im Rahmen des Waterhouse-Friderichsen-Syndroms)
AchtungJe jünger ein Kind ist, desto unspezifischer kann die Symptomatik sein. Neugeborene und Säuglinge zeigen oft keine klassische Trias aus Fieber
, Nackensteifigkeit und Bewusstseinstrübung . Stattdessen dominieren diskrete Zeichen wie Trinkschwäche, schrilles Schreien, Hypotonie oder unspezifische Apnoen. Dennoch kann der Verlauf fulminant sein, weshalb auch geringste klinische Auffälligkeiten ernst genommen werden müssen.
Diagnostik
MerkeDie Diagnostik der Meningitis im Kindesalter ist eine Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung, laborchemischen Analysen, Liquordiagnostik und – falls erforderlich – bildgebender Diagnostik. Eine schnelle und zielgerichtete Diagnostik ist essenziell, um die Prognose der Patienten zu verbessern und eine adäquate Therapie einzuleiten.
Anamnese
Eine detaillierte Anamnese liefert wichtige Hinweise auf die Ätiologie und Schwere der Erkrankung. Besonders relevant sind:
- Impfstatus (z.B. gegen Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae Typ B)
- Vorangegangene Prodromi (z.B. Fieber
, Infektsymptome, Hautveränderungen) - Weitere Infektzeichen (Otitis media, Sinusitis, Pneumonie, Sepsis-Anzeichen)
- Reiseanamnese (Verdacht auf tuberkulöse oder Pilz-Meningitis)
- Exposition gegenüber potenziellen Erregern (z.B. Kontakt zu Meningitis-Patienten)
Körperliche Untersuchung
Die klinische Untersuchung dient zur Beurteilung des Allgemeinzustands und der neurologischen Symptome. Besondere Aufmerksamkeit gilt:
- Allgemeinzustand und Vitalparameter (Kreislauf, Atmung, Bewusstseinslage)
- Inspektion der Haut: Petechien
/Purpura (Hinweis auf Meningokokken-Sepsis)
Prüfung von Meningismus -Zeichen

- Kernig-Zeichen: Passive Streckung des Unterschenkels bei gebeugtem Hüftgelenk
schmerzhaft? - Brudzinski-Zeichen: Passive Kopfbeugung führt zu reflektorischer Beugung der Beine?
- Lasègue-Zeichen
: Passive Beugung des gestreckten Beins im Hüftgelenk schmerzhaft? - Dreifußzeichen: Kind sitzt mit abgestützten Armen, um Kopfbewegung zu vermeiden?
- Kniekuss-Phänomen: Kann das Kind sein Knie mit dem Mund berühren?
Laborchemische Untersuchungen
Die labordiagnostische Abklärung erfolgt parallel zur klinischen Beurteilung. Folgende Werte sind relevant:
- Entzündungsparameter:
- Procalcitonin
(PCT ): zur Unterscheidung zwischen bakterieller und viraler Meningitis; gut in der Frühphase - C-reaktives Protein
(CRP )
- Procalcitonin
- Differenzialblutbild
: Leukozytose oder Leukopenie - Gerinnungsstatus: Zeichen einer Verbrauchskoagulopathie (Thrombozyten
↓, Fibrinogen ↓, Antithrombin III↓, Fibrinogen ↓, D-Dimere ↑, Fibrinmonomere↑, INR↑) - Blutglukose
: Abnahme direkt vor der Liquorpunktion zur Bestimmung des Liquor-/Serum -Glukose -Quotient - Laktat im Serum
: Erhöhte Werte sprechen für bakterielle Genese - Blutkulturen
MerkeDie Blutkulturen
unbedingt vor Beginn der antibiotischen Therapie entnehmen!
Liquordiagnostik
AchtungVor der Durchführung einer Lumbalpunktion
bei einem Kind müssen folgende Kontraindikationen unbedingt ausgeschlossen werden:
- Zeichen eines erhöhten Hirndrucks (z. B. Stauungspapille, Bewusstseinstrübung
) - Fokal neurologische Defizite
- Herz-Kreislauf-Instabilität
- Schwere Gerinnungsstörung oder Thrombozytopenie
- Lokale Infektion an der Punktionsstelle
Untersuchung des Liquors
- Makroskopische Beurteilung: Trüb bei bakterieller Meningitis
- Mikrobiologische Diagnostik:
- Gramfärbung und Kultur (inkl. Resistenztestung)
- Antigennachweis (Latexagglutinationstest)
- Molekulargenetische Untersuchung (PCR)
- Zytologie:
- Zellzahl → Leukozytose
- Differenzierung der Zellpopulation (Neutrophilie vs. Lymphozytose)
- Achtung: Bei Neutropenie kann eine Pleozytose fehlen!
- Zellzahl → Leukozytose
- Biochemie:
- Eiweißkonzentration
- Laktat
- Liquor-/Serum
-Glukose -Quotient - Glukosekonzentration (erniedrigt bei bakterieller Meningitis)
MerkeUm einen aussagekräftigen Wert für den Liquor-/Serum
-Glukose -Quotienten zu erhalten, ist eine Abnahme von Liquor und Blutglukose in engem zeitlichem Abstand durchzuführen, da sonst Verfälschungen auftreten können.
Bildgebung
Falls klinische Zeichen eines erhöhten Hirndrucks bestehen oder eine fokal-neurologische Symptomatik vorliegt, sollte vor der Lumbalpunktion
Indikationen für eine bildgebende Diagnostik
- Verdacht auf intrakranielle Raumforderung
oder Hydrocephalus - Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks
- Fokale neurologische Defizite
- Bewusstseinsstörung
- Ausschluss von Differentialdiagnosen: wie eine septische Sinusvenenthrombose, Ischämien, Tumoren oder intrakranielle Blutungen
(v.a. Subarachnoidalblutung )
Verfahren
- CCT (kraniale Computertomografie)
- Rasche Diagnostik bei instabilen Patienten
MerkeAufgrund der hohen Strahlenbelastung, erfolgt die Durchführung nur bei strenger Indikation!
- cMRT (kraniale Magnetresonanztomografie)
- Goldstandard bei Kindern und Jugendlichen
- Besonders sensitiv für Hirnparenchymveränderungen
- Sonografie
- Bei Säuglingen mit offener Fontanelle möglich

"Hydrocephalus (cropped).jpg" von Lucien Monfils, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Differenzierung: bakteriell, viral oder tuberkulös
MerkeDie Unterscheidung zwischen bakterieller, viraler und tuberkulöser Meningitis ist essentiell für die gezielte Therapie und die Prognose der Patient:innen. Neben der klinischen Präsentation spielen die Liquorbefunde eine zentrale Rolle in der Differenzialdiagnostik.
Typische Liquorbefunde bei akuter bakterieller Meningitis
Bakterielle Meningitiden zeichnen sich durch eine ausgeprägte Entzündungsreaktion im Liquor aus. Charakteristische Befunde:
- Makroskopie: Trübe, eitrige Liquorflüssigkeit
- Zytologie: Massive granulozytäre Pleozytose mit 1.000–6.000 Zellen/µl (v.a. Neutrophile)
- Gesamtprotein: Deutlich erhöht, meist >2.000 mg/l (entspricht >200 mg/dl), Hinweis auf schwere Blut-Liquor-Schrankenstörung
- Glukose
: Stark erniedrigt, meist <30 mg/dl - Liquor-/Serum
-Glukose -Quotient: <0,3 - Laktat: Deutlich erhöht (>3,5 mmol/l), besonders sensitiv für bakterielle Genese

“Purulent CSF.jpg” von MyName (Whein (talk)), CC BY 3.0 DE, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons
AchtungAtypische Befunde möglich
Bestimmte Faktoren können zu einer abweichenden Liquorbefundkonstellation führen:
- Geringe Zellzahlen bei:
- Sehr früher Probenentnahme im Krankheitsverlauf
- Vorbehandlung mit Antibiotika
(hier ist Liquor-Laktat oft sensitiver) - Fulminanten Krankheitsverläufen mit Immunkompromittierung
- Leukopenie
(z. B. bei hämatologischen Erkrankungen oder Chemotherapie) - Diabetes mellitus
: Erniedrigter Liquor-/Serum -Glukose -Quotient auch ohne Meningitis - Glukose
-Bestimmung beeinflusst durch:
- Probenart
- Art des Probenröhrchens
- Dauer der Probenlagerung
Bacterial Meningitis Score:
Zur schnellen Entscheidungshilfe kann der Bacterial Meningitis Score bei Kindern >3 Monaten angewendet werden. Folgende Parameter sprechen für eine bakterielle Meningitis:
- Positive Gram-Färbung im Liquor
- Neutrophile im Liquor >1000/µl
- Liquor-Eiweiß >50–80 mg/dl
- Neutrophile im Blut >10.000/µl
- Zerebraler Anfall im Rahmen der Erkrankung
- Procalcitonin
>0,5 ng/ml
MerkeTrifft einer oder mehrere dieser Parameter zu, ist eine bakterielle Meningitis wahrscheinlich ➜ Sind alle negativ, spricht dies für eine virale Meningitis.
Typische Liquorbefunde bei viraler Meningitis
Virale Meningitiden verlaufen meist milder und zeigen eine lymphozytäre Pleozytose. Typische Befunde:

"4 vials of human cerebrospinal fluid.jpg" von James Heilman, MD, CC BY 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons
- Makroskopie: Klare Liquorflüssigkeit
- Zytologie: Lymphozytäre Pleozytose mit 10–500 Zellen/µl, ggf. Monozytose
- Gesamtprotein: Normal bis leicht erhöht (bis ca. 500 mg/l bzw. 50 mg/dl)
- Glukose
: Normal (>50 mg/dl) - Liquor-/Serum
-Glukose -Quotient: >0,5 - Laktat: Normal (0,9–2,7 mmol/l)
- PCR-Diagnostik: Nachweis viraler Erreger (z.B. Enteroviren, HSV, VZV, CMV, EBV)
Typische Liquorbefunde bei tuberkulöser Meningitis
Die tuberkulöse Meningitis hat oft einen subakuten oder chronischen Verlauf. Typische Liquorveränderungen:
- Makroskopie: Klare Flüssigkeit mit Spinngewebsgerinnseln
- Zytologie: Buntes Zellbild mit 30–500 Zellen/µl (Lymphozytose, Monozytose, Granulozytose)
- Gesamtprotein: Erhöht (>500 mg/l bzw. >50 mg/dl)
- Glukose
: Vermindert (<45 mg/dl) - Liquor-/Serum
-Glukose -Quotient: <0,3 - Laktat: Erhöht (>2,5 mmol/l)
- Spezielle Diagnostik:
- PCR für Mycobacterium
tuberculosis - Ziehl-Neelsen-Färbung (niedrige Sensitivität
) - Liquorkultur (Goldstandard, lange Dauer)
- ADA (Adenosindesaminase) im Liquor als zusätzlicher Marker
- PCR für Mycobacterium
Übersicht der Unterschiede im Liquor
Liquor Parameter | Normalbefund | Bakterielle Meningitis | Tuberkulöse Meningitis | Virale Meningitis |
---|---|---|---|---|
Aussehen: | Klar | Trüb, eitrig | Klar mit Spinngewebsgerinnseln | Klar |
Zellzahl/µl: | <5 | 1.000–6.000 | 30–500 | 10–500 |
Zellart: | - | Ausgeprägte granulozytäre Pleozytose, insb. Neutrophile | Buntes Bild: Lymphozytose, Monozytose, Granulozytose | v.a. Lymphozytose, ggf. Monozytose |
Liquor-/Serum | >0,5 | <0,3 (meist <30 mg/dL Glukose | Vermindert | >0,5 |
Laktat (mmol/L): | 0,9–2,7 | Deutlich erhöht (>3,5) | Erhöht (>2,5) | Normal |
Gesamteiweiß (mg/dl): | <50 (entspricht <500 mg/L) | Erhöht, meist >200 mg/dl (entspricht >2.000 mg/l) | Erhöht | Normal bis leicht erhöht |
Intrathekale Ig-Synthese: | Im Verlauf IgA und IgG | Im Verlauf IgA | Im Verlauf IgG |
Therapie
MerkeDie Therapie der Meningitis im Kindesalter erfordert ein schnelles und strukturiertes Vorgehen, um lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern. Die Behandlung basiert auf der Sicherung der Vitalfunktionen, einer schnellen kalkulierten antimikrobiellen Therapie, supportive Maßnahmen und der Behandlung möglicher Komplikationen.
Sicherung der Vitalfunktionen
Zu Beginn steht die Stabilisierung der Vitalfunktionen im Vordergrund:
- Atmung: Überwachung der Atemfrequenz
und -qualität; bei Bedarf Sauerstoffgabe oder Intubation - Kreislauf und Flüssigkeitshaushalt
: Kontinuierliche Überwachung von Herzfrequenz , Blutdruck und Urinausscheidung; bei Hypotonie oder Schockzeichen sofortige Volumensubstitution mit isotonen Lösungen
Initiales Management bei unklarer Ätiologie
- Blutkulturen
vor erster Antibiotikagabe abnehmen - Kalkulierte antibiotische Therapie:
- Beginn: idealerweise innerhalb 1 Stunde, spätestens innerhalb 3 Stunden nach Aufnahme
- Dexamethason
i.v.: - Bei Verdacht auf Pneumokokken-Meningitis (Kinder >6 Wochen)
- Timing: unmittelbar vor oder mit der ersten Antibiotikadosis
- Ziel: Reduktion der Entzündungsreaktion, Verbesserung neurologischer Outcomes
- Aciclovir i.v.:
- Ergänzend bei Verdacht auf HSV- oder VZV-Meningoenzephalitis bis zum Erregernachweis oder -ausschluss
AchtungIn der Neonatologie wird Dexamethason
bei Neugeborenen nicht empfohlen, da eine frühe Gabe (<1 Woche postpartal ) das Risiko für eine Zerebralparese sowie eine nekrotisierende Enterokolitis (NEC) erhöhen kann.
Lumbalpunktion und Bildgebung:
- Unkomplizierter Verlauf ohne Kontraindikationen:
- Liquorpunktion
vor Antibiotikatherapie möglich
- Liquorpunktion
- Komplizierter Verlauf (z.B. Bewusstseinsstörung, fokal-neurologische Defizite, Verdacht auf Hirndruck):
- Unverzüglicher Start der Antibiotikatherapie
- Anschließend Bildgebung (CT/MRT)
- Danach Liquordiagnostik:
- Lumbalpunktion
bei fehlenden radiologischen Hirndruckzeichen - Externe Liquordrainage bei radiologischen Hirndruckzeichen
- Lumbalpunktion
Kalkulierte Antibiotikatherapie bei Kindern
MerkeDie frühzeitige Antibiotikatherapie ist bei bakterieller Meningitis die entscheidende lebensrettende Maßnahme und sollte idealerweise innerhalb der ersten Stunde, spätestens jedoch innerhalb von drei Stunden nach Krankenhausaufnahme begonnen werden.
- Neugeborene (0–6 Wochen):
- Kombination aus Ampicillin (gegen Listerien und B-Streptokokken) und einem Aminoglykosid
(z.B. Gentamicin) - Alternativ bei gramnegativen Erregern (z.B. E. coli): Cefotaxim + Gentamicin
- Kombination aus Ampicillin (gegen Listerien und B-Streptokokken) und einem Aminoglykosid
- Säuglinge und Kinder (älter als 6 Wochen):
- Cephalosporin
der 3. Generation (z.B. Cefotaxim oder Ceftriaxon) als Monotherapie - Bei Aufenthalten oder Reisen in Regionen mit Penicillin
-resistenten Pneumokokken: Kombination mit Vancomycin oder Rifampicin
- Cephalosporin
Mindestdauer der Antibiotikatherapie
- Neugeborene:
- ≥14 Tage, bei Enterobacteriaceae (z.B. E. coli): ≥21 Tage
- Säuglinge und Kinder
- Meningokokken: ≥5 Tage
- Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ b: 7–10 Tage
- Enterobacteriaceae (z.B. E. coli): ≥21 Tage
- Listerien: Häufig mind. 21 Tage
- Ohne Erregernachweis (ab 6 Wochen Alter): 7–10 Tage
Supportive Maßnahmen
- Intensivstation zur engmaschigen Überwachung
- Behandlung von Komplikationen wie epileptische Anfälle (Anfallssuppressiva
), erhöhtem Hirndruck (z.B. Oberkörperhochlagerung, Liquordrainage), Elektrolytstörungen oder septischem Schock - Antipyrese: Einsatz von Ibuprofen
oder Paracetamol - Fokussuche: Insbesondere HNO-Konsil zur Identifikation möglicher Entzündungsherde (z.B. Sinusitis), ggf. operative Sanierung
Postexpositionsprophylaxe für Kontaktpersonen
- Indikation: enger Kontakt bei Meningokokken- oder H. influenzae-Meningitis
- Isolation von Erkrankten bis mind. 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie (z.B. Rifampicin
, bei Schwangeren: Ceftriaxon) - Postexpositionsprophylaxe für enge Kontaktpersonen wird durch das Gesundheitsamt organisiert
MerkePatient:innen gelten nach einer Therapiedauer von mehr als 24 Stunden mit einem Cephalosporin
der 3. Generation nicht mehr als ansteckend.
MerkeMeningokokkenfälle sind meldepflichtig an das Gesundheitsamt!
Komplikationen
Frühkomplikationen:
- Hirnödem
: Gefahr der intrakraniellen Drucksteigerung bis hin zur Einklemmung - Hydrocephalus: Durch Abflussstörungen des Liquors
- Epileptische Anfälle, Status epilepticus
: Insbesondere bei bakterieller Meningitis häufig - Sepsis: bei bakterieller Meningitis
- Disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC): Verbrauchskoagulopathie mit Blutungs- und Thromboseneigung
- Vaskulitische Komplikationen: Ischämische Schlaganfälle oder Hirninfarkte
Spätkomplikationen:
- Hörverlust: Besonders bei Pneumokokken- oder Meningokokken-Meningitis häufig
- Bleibende neurologische Defizite: Z.B. Paresen, Entwicklungsverzögerungen, kognitive Einschränkungen
- Epilepsie: Sekundäre Epilepsien infolge von Hirnschädigungen
- Verhaltensauffälligkeiten: Konzentrationsstörungen, emotionale Labilität
- Seh- und Sprachstörungen: Je nach Lokalisation der Hirnschädigung
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom ist eine fulminante, lebensbedrohliche Komplikation der bakteriellen Meningitis, insbesondere bei Neisseria meningitidis (Meningokokken). Es entsteht durch eine überschießende Entzündungsreaktion mit disseminierter intravasaler Koagulopathie (DIC) und bilateraler Nebennierenrindennekrose. Dies führt zu einem rasch progredienten septischen Schock
Epidemiologie
- Betrifft v. a. Kleinkinder, Jugendliche und immunsupprimierte Erwachsene
- Häufigste Ursache: Meningokokken-Infektion
- Seltener durch andere Bakterien (z.B. Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae, Staphylokokken)
Pathophysiologie
- Bakterielle Endotoxine (v. a. von Meningokokken) → massive Zytokinfreisetzung → überschießende Immunreaktion mit Aktivierung der Gerinnungskaskade
- Disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC): Verbrauchskoagulopathie → Mikrothromben & Einblutungen in Haut, Schleimhäute und Organe
- Nebennierenrindennekrose: Einblutungen in die Nebennieren
→ akute Nebenniereninsuffizienz (Addison-Krise) → fehlende Kortisol - und Aldosteronproduktion - Kreislaufversagen: Hypovolämie
, Hypotonie, Schock → Multiorganversagen
Klinik
- Frühzeichen: Unspezifische Meningitis-Symptome:
- Hohes Fieber
, Kopfschmerzen , Meningismus (Nackensteifigkeit ) - Bewusstseinsveränderungen, Unruhe, Lichtscheu
- Hohes Fieber
- Sepsis-Zeichen:
- Rasch progrediente petechiale Blutungen → flächenhafte Hautnekrosen (Purpura fulminans)

“Petechien” von DrFO.Jr.Tn, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
- Schwere Kreislaufdysregulation: Kaltschweißigkeit, Hypotonie, Tachykardie
- Zeichen des Multiorganversagens (Nieren-, Leber
- und Lungenbeteiligung) - Endokrine Manifestation:
- Addison-Krise: Nebennierenrindeninsuffizienz mit Hypoglykämie, Hyponatriämie
, Hyperkaliämie - Schock
mit therapierefraktärer Hypotonie
- Addison-Krise: Nebennierenrindeninsuffizienz mit Hypoglykämie, Hyponatriämie
- ZNS-Beteiligung:
- Hirnödem
→ neurologische Ausfälle, Gefahr der zentral bedingten Atemlähmung
- Hirnödem
Diagnostik
Sofortiger Notfallverdacht! Das Syndrom entwickelt sich schnell, daher ist ein zügiges diagnostisches Vorgehen entscheidend.
- Klinik: Sepsis mit rasch progredienten Hautblutungen → hochverdächtig!
- Labor:
- Zeichen einer DIC: Thrombozytopenie
, erhöhte D-Dimere , verlängerte Gerinnungszeiten - Nebenniereninsuffizienz: ↓ Cortisol
, ↓ Natrium , ↑ Kalium , Hypoglykämie - Infektparameter: Leukozytose
/-penie, CRP ↑, Prokalzitonin ↑
- Zeichen einer DIC: Thrombozytopenie
- Bildgebung (CCT/MRT): Nebennierenblutungen als Hinweis auf Nebennierennekrose
Therapie
AchtungSofortige intensivmedizinische Maßnahmen sind lebensrettend!
- Antibiotische Therapie:
- Unverzüglicher Start einer kalkulierten Therapie mit Cephalosporinen der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon oder Cefotaxim) plus Ampicillin
- Zusätzlich ggf. Dexamethason
zur Reduktion der Entzündung
- Schocktherapie:
- Volumengabe (z.B. kristalloide Lösungen) zur Stabilisierung der Kreislaufsituation
- Katecholamine
(z.B. Noradrenalin ) bei therapierefraktärer Hypotonie
- Hydrocortison
-Substitution bei Nebenniereninsuffizienz - Amputation als Ultima Ratio bei ausgeprägten Nekrosen
Prognose
- Unbehandelt nahezu 100 % Letalität innerhalb von 12–24 Stunden
- Trotz optimaler intensivmedizinischer Therapie beträgt die Letalität 40–50 %
- Überlebende haben oft schwere neurologische Folgeschäden (z. B. Hörverlust, Entwicklungsverzögerungen, Amputationen durch Purpura fulminans)
Prognose
Letalität:
Insgesamt 1-8 % (am höchsten bei Meningitis durch Streptococcus pneumoniae)
Faktoren, die die Prognose verschlechtern können
- Kinder <6 Monate haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe und Spätfolgen
- Hohe Bakterienkonzentration im Liquor ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert
- Auftreten von zerebralen Anfällen > 4 Tage nach Therapiebeginn deutet auf einen komplizierten Verlauf hin
- Verzögerter Behandlungsbeginn (> 24 Stunden nach Symptombeginn)
- Bewusstseinseintrübung oder Koma bei Aufnahme
- Erhöhter Hirndruck oder fokale neurologische Ausfälle
- Erreger mit hoher Virulenz (z. B. Streptococcus pneumoniae)
Art der Spätfolgen:
- Hörschädigungen (am häufigsten)
- Bei Streptococcus pneumoniae: in 30 % der Fälle
- Bei Haemophilus influenzae: in 5-20 % der Fälle
- Bei Neisseria meningitidis: in 10 % der Fälle
- Schwere entwicklungsneurologische Einschränkungen (in 10-20 % der Fälle)
- Z. B. spastische Paresen, kognitive Defizite, epileptische Anfälle
- Leichte entwicklungsneurologische Einschränkungen und Verhaltensauffälligkeiten (in bis zu 50 % der Fälle)
- Lern- und Konzentrationsstörungen, emotionale Auffälligkeiten
- Zerebrale Anfälle
- Sowohl akute Krampfanfälle als auch chronische Epilepsie möglich
Prognose bei rechtzeitigem Therapiebeginn:
- Bei frühzeitiger und adäquater Therapie bestehen gute Überlebenschancen
- Die Wahrscheinlichkeit schwerer Folgeschäden ist bei schneller Diagnosestellung und Therapie geringer
Langzeitprognose:
- Regelmäßige Nachkontrollen erforderlich (v. a. Hörtests und entwicklungsneurologische Untersuchungen)
- Risiko für kognitive Beeinträchtigungen (Gedächtnisstörungen, Lernprobleme) ist insbesondere bei schwerem Krankheitsverlauf erhöht
Prävention von Folgeschäden:
- Frühzeitige Gabe von Dexamethason
kann das Risiko von Hörverlust bei Streptococcus pneumoniae-Meningitis verringern - Zeitnah eingeleitete rehabilitative Maßnahmen (Physio-, Ergo- und Sprachtherapie) bei neurologischen Ausfällen können die Lebensqualität verbessern
Quellen
- S1-Leitlinie Nicht-eitrige ZNS Infektionen von Gehirn und Rückenmark im Kindes- und Jugendalter, Gesellschaft für Neuropädiatrie e.V. (GNP)
- S2k-Leitlinie Ambulant erworbene bakterielle Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter, Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
- S1-Leitlinie Lumbalpunktion und Liquordiagnostik, Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
- S2k-Leitlinie Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen, Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI)