Die Hämolyse fetaler Erythrozytendurch Anlagerung maternaler Antikörper an fetale Erythrozytenaufgrund einer Blutgruppeninkompatibilität zwischen Fötus und schwangeren Person wird als Morbus haemolyticus neonatorum bezeichnet. Es sind mehr als 60 Antigen-Inkompatibilitäten bekannt, von denen die Rhesus- und AB0-Inkompatibilität die bekanntesten sind. Pränatal kann eine fetale Anämie zu einem Hydrops fetalis führen, postnatal kann das Neugeborene durch Anämie, Hepatosplenomegalie und Ikterus auffallen.
Ätiologie & Pathophysiologie
AB0-Inkompatibilität
Häufigkeit ca. 1:100 Schwangerschaften
Kann bereits in 1. Schwangerschaft auftreten: Antikörper gegen nicht selbst exprimierende Antigene liegen beim AB0-System bereits ohne Sensibilisierung vor - meist jedoch in Form nicht-plazentagängiger IgM-Antikörper. Nur wenn IgG-Antikörper gegen das AB0-System vorliegen, kann ein Morbus haemolyticus neonatorum entstehen
Vor allem bei schwangerer Person mit Blutgruppe 0
Meist milder Krankheitsverlauf (Die AB0-Antigene auf fetalen Erythrozyten werde erst spät im Verlauf der Schwangerschaft exprimiert - daher ist eine Antigen-Antikörper-Reaktion erst gegen Ende der Schwangerschaft möglich, die Folgen somit nicht mehr so drastisch)
Rhesus-Inkompatibilität
Bei Rh-negativer schwangere Person und Rh-positivem Kind
Erst ab 2. Schwangerschaft: schwangere Person bildet nach Kontakt mit Rh-positivem Blut (vornehmlich bei Geburt des 1. Rh-positiven Kindes) IgM-Antikörper → im Verlauf erfolgt eine Serokonversion der Rh-Antikörper zu plazentagängigen IgG-Antikörpern → bei erneuter Schwangerschaft mit Rh-positivem Kind → Hämolyse fetaler Erythrozyten bereits ab Beginn der Schwangerschaft à schwerer Verlauf
Durch Rhesus-Prophylaxe inzwischen selten
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Anaemia neonatorum (Hb <10 g/dl in der ersten Lebenswoche) → Erythrozyten, an die maternale Antikörper gebunden haben, werden in der Milz abgebaut, wobei der Abbau der Erythrozyten schneller ist als die Neubildung
Hepatosplenomegalie → Der Abbau der Erythrozyten in der Milz bedingt die Größenzunahme der Milz. Die Größenzunahme der Leber erklärt sich durch die extramedulläre Blutbildung, die in der Leber stattfindet, um die starke Anämie zu kompensieren
Icterus neonatorum praecox und gravis (10-20 % der Fälle) → durch den vermehrten Abbau von Erythrozyten kommt es früher und zu einem stärkeren Anfall von Bilirubin als physiologisch erwartbar.
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Diagnostik
Pränatale Diagnostik
Doppler-Sonografie der fetalen Gefäße
Erhöhte Strömungsgeschwindigkeit (z. B. in der A. cerebri media) deutet auf eine fetale Anämie hin, verursacht durch gesteigerten Blutfluss bei verringertem Hb-Gehalt
Nabelvenenpunktion (Cordozentese)
Durchführung zur direkten Bestimmung des fetalen Hämoglobinwerts (Hb), um den Grad der Anämie zu beurteilen
Indirekter Coombs-Test bei der schwangeren Person
Nachweis von Anti-D-Antikörpern (AK) bei Rhesus-Inkompatibilität
Kritischer Titer: Anti-D-Antikörper >1:8, was eine relevante Sensibilisierung gegen das Rhesus-Antigen bestätigt
Postnatale Diagnostik
Blutbild des Neugeborenen
Zeichen einer hämolytischen Anämie:
Vermindertes Hb
Indirekte Hyperbilirubinämie (Abbauprodukte der Hämolyse)
Direkter Coombs-Test beim Neugeborenen
Unterscheidung der Ursachen:
Rhesus-Inkompatibilität: Test ist positiv
AB0-Inkompatibilität: Test ist schwach positiv oder negativ (bedingt durch geringere Immunreaktion)
Info
Direkter Coombs-Test
Der Person, bei der eine Hämolyse aufgrund von irregulären IgG-Antikörpern vermutet wird, wird Blut abgenommen. Diese Blutprobe wird mit dem Coombs-Serum, die ebenfalls IgG-Antikörper enthält, versetzt. Wenn die Erythrozyten der Testperson tatsächlich bereits IgG-Antikörper gebunden hatten, dann quervernetzen diese nun mit denen des Coombs-Serums und es kommt zur Agglutination der Probe.
Merke: Beim direkten Coombs-Test kann bestätigt werden, dass bei der Testperson Erythrozyten mit gebundenen IgG-Antikörpern vorkommen.
Indirekter Coombs-Test
Der Person, bei der eine Bildung von IgG-Antikörpern vermutet wird, wird Blut abgenommen und das jeweilige Serum mit Test-Erythrozyten versetzt, an welche die IgG-Antikörper - falls tatsächlich im Serum vorhanden, binden. Diesem Gemisch wird Coombs-Serum mit IgG-Antikörpern zugefügt, welches mit den auf den Test-Erythrozyten gebunden IgG-Antikörpern reagiert und somit zur Agglutination der Probe führt.
Merke: Beim indirekten Coombs-Test, kann bestätigt werden, dass bei der Testperson IgG-Antikörper gebildet werden.
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Therapie
Die Behandlung der fetalen Erythroblastose erfordert eine abgestufte Herangehensweise, die pränatale und postnatale Maßnahmen umfasst. Im Fokus stehen die Stabilisierung des Fetus und die Verhinderung schwerwiegender Komplikationen durch Anämie und Hyperbilirubinämie.
Pränatale Therapie:
Intrauterine Bluttransfusionen:
Durchführung über die Nabelschnurvene
Ziel ist die Korrektur der fetalen Anämie und die Verbesserung der Sauerstoffversorgung
Postnatale Therapie:
Behandlung der Anämie:
Eisensubstitution, um die Blutbildung zu unterstützen
Bluttransfusionen, abhängig vom Hämoglobinspiegel (Hb)
Therapie der Hyperbilirubinämie:
Phototherapie, um die Bilirubinspiegel zu senken (siehe auch Ikterus neonatorum)
Bei ineffektiver Phototherapie oder schwerwiegenden Fällen kann eine Austauschtransfusion erforderlich sein
Immunglobulingabe (bei schweren Verläufen):
Ziel ist das Eliminieren der mütterlichen Antikörper aus der kindlichen Zirkulation
Dies reduziert die fortschreitende Hämolyse
Die Wahl der spezifischen Maßnahmen hängt von der Schwere der Erkrankung und den individuellen Bedingungen des Patienten ab. Ein interdisziplinärer Ansatz, der Neonatologen und pränatale Diagnostik einbezieht, ist essenziell.
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Prävention
Die wichtigste Maßnahme zur Prävention der fetalen Erythroblastose ist die Rhesusprophylaxe. Ziel ist die Verhinderung der Bildung von Anti-D-Antikörpern bei Rh-negativen Schwangeren, die ein Rh-positives Kind erwarten. Dies wird durch die Verabreichung von Anti-D-Immunglobulin erreicht, das die Bildung dieser Antikörper verhindert, indem es die fetalen Rh-positiven Erythrozyten im Blut der Mutter neutralisiert.
Maßnahmen zur Rhesusprophylaxe:
Verabreichung von Anti-D-Immunglobulin:
Erfolgt bei Rh-negativen schwangeren Personen, die ein Rh-positives Kind erwarten.
Die erste Gabe erfolgt innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt eines Rh-positiven Kindes.
Weitere Gaben sind erforderlich, wenn es zu einem möglichen Blutaustausch zwischen Kind und Mutter kommt, z. B. bei Fehlgeburten, invasiven diagnostischen Verfahren (wie Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) oder bei Trauma.
Diese prophylaktische Maßnahme ist entscheidend, um das Risiko einer fetalen Erythroblastose in späteren Schwangerschaften zu minimieren, da die Bildung von Anti-D-Antikörpern zu schweren Komplikationen führen kann, wenn diese in eine folgende Schwangerschaft übertragen werden.
Achtung
Rhesusprophylaxe nach Fehlgeburten oder Transfusionen mit Rh-positivem Blut nicht vergessen!
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