Zusammenfassung
Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine Blutungsneigung bei Neugeborenen, die durch einen Vitamin-K-Mangel und die dadurch gestörte Synthese von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X) entsteht. Die Blutungen treten typischerweise in der Haut, im Gastrointestinaltrakt oder intrakraniell auf und können bei schweren Verläufen lebensbedrohlich sein. Zur Behandlung werden Vitamin K
Ursachen des Vitamin-K-Mangels
Der Vitamin-K-Mangel bei Neugeborenen hat multifaktorielle Ursachen, die sowohl vorgeburtliche als auch nachgeburtliche Einflüsse umfassen. Vitamin K
Pränatale Faktoren:
- Mangelernährung der Schwangeren: Unzureichende Vitamin-K-Aufnahme während der Schwangerschaft
- Antikonvulsive Therapie: Einnahme von Medikamenten wie Antiepileptika
durch die Schwangere, die den Vitamin-K-Stoffwechsel beeinträchtigen - Frühgeburtlichkeit
: Verminderte Vitamin-K-Speicher aufgrund eines verkürzten Schwangerschaftsverlaufs
Postnatale Faktoren:
- Chronische Diarrhöen: Führen zu einer verminderten Aufnahme von fettlöslichem Vitamin K
im Gastrointestinaltrakt des Neugeborenen - Antibiotikatherapie: Längere Gabe stört die Vitamin-K-produzierende Darmflora, da Neugeborene ohnehin nur über ein unreifes Mikrobiom verfügen
- Cholestatische Erkrankungen: Bei Cholestase
gelangen zu wenige Gallensalze in den Darm, was die Resorption fettlöslicher Vitamine, einschließlich Vitamin K , reduziert
Tipp„Fettlösliche Vitamine gibt es bei EDEKA zu kaufen“ → Vitamin E, Vitamin D, Vitamin K
und Vitamin A sind fettlöslich.
Klinik
Die klinische Präsentation des Vitamin-K-Mangels bei Neugeborenen variiert je nach Zeitpunkt des Auftretens der Blutungen. Man unterscheidet drei Hauptmanifestationsarten, die sich durch unterschiedliche Lokalisationen der Blutungen und zugrunde liegende Ursachen auszeichnen.
1. Frühe Manifestation
- Zeitpunkt: 1. Lebenstag
- Typische Lokalisationen:
- Schädelknochen (sub-/periostal)
- Meningen
- Gehirn
- Intrathorakal
- Intraabdominell
- Ursache: Vor allem durch maternale Medikamente, z. B. Antikonvulsiva
oder Antikoagulanzien
2. Klassische Manifestation
- Zeitpunkt: 2.–7. Lebenstag
- Typische Lokalisationen:
- Gastrointestinaltrakt
- Haut (z. B. Petechien
, Hämatome) - Nebennieren
- Nase (Epistaxis)
- Wunde nach Zirkumzision
- Intrakraniell
- Ursachen: Häufig idiopathisch, jedoch auch durch maternale Medikamenteneinnahme bedingt
3. Späte Manifestation
- Zeitpunkt: 2.–12. Lebenswoche
- Typische Lokalisationen:
- Intrakraniell (oft lebensbedrohlich)
- Gastrointestinaltrakt
- Ursachen:
- Idiopathisch
- Cholestatische Erkrankungen, z. B. Mukoviszidose oder Gallengangsatresie, die die Resorption fettlöslicher Vitamine beeinträchtigen
AchtungLetalität bei Spätmanifestation bei 20%
Diagnostik
Die Diagnostik stützt sich auf labordiagnostische Parameter und spezifische Tests zur Abklärung der Blutungsquelle. Eine rechtzeitige Diagnose ist entscheidend, um potenziell lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern.
Gerinnungslabor
- Quick-Wert
: Erniedrigt (typisch für Vitamin-K-Mangel) - Partielle Thromboplastinzeit (PTT): Verlängert
- Vitamin-K-abhängige Gerinnungsfaktoren
(II, VII, IX, X): Reduziert

Shimon, Vitamin K in der Gerinnungskaskade, Public domain, via Wikimedia Commons
TippVitamin K
dient als essentieller Cofaktor für die γ-Carboxylierung von Glutamatseitenketten in den Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Eine praktische Eselsbrücke zur Erinnerung: Die Gerinnungsfaktoren, die auf Vitamin K
angewiesen sind, können mit der Zahl 1972 (Neun-Zehn-Sieben-Zwei) verknüpft werden, welches das Jahr der letzten Olympischen Spiele in Deutschland ist.
Alkaliresistenztest
- Ziel: Differenzierung zwischen maternalem Blut
(Hämoglobin A, HbA) und eigenem Blut des Neugeborenen (Hämoglobin F, HbF) bei Blut im Stuhl oder Erbrochenem - Methode:
- Zugabe von 1 % Natronlauge zur blutigen Probe
- Ergebnis: Maternalem HbA denaturiert sofort und verfärbt sich gelblich-braun, während HbF stabil bleibt
Therapie
Therapie bei relevanten Blutungen
- Intravenöse Gabe von Vitamin K
, um die Synthese der Gerinnungsfaktoren zu fördern - Intravenöse Gabe von Fresh-Frozen-Plasma
(FFP) zur unmittelbaren Substitution fehlender Gerinnungsfaktoren
Prävention
Die wirksamste Maßnahme zur Vermeidung eines Vitamin-K-Mangels und der damit verbundenen Blutungen bei Neugeborenen ist die Vitamin-K-Prophylaxe. Sie wird routinemäßig bei allen Neugeborenen durchgeführt und ist in den Vorsorgeuntersuchungen verankert.
Standardprophylaxe:
- Orale Gabe:
- 2 mg Vitamin K
im Rahmen der U1, U2 und U3 - Diese mehrfache Verabreichung stellt sicher, dass ausreichende Vitamin-K-Spiegel im Blut
aufgebaut werden, da die Leber- und Darmfunktion bei Neugeborenen noch unreif ist
- 2 mg Vitamin K
Prophylaxe bei Resorptionsstörungen:
- Subkutane oder intramuskuläre Gabe:
- Indiziert bei Hinweisen auf eine unzureichende enterale Resorption, z. B. bei cholestatischen Erkrankungen oder ausgeprägter Frühgeburtlichkeit
- Indiziert bei Hinweisen auf eine unzureichende enterale Resorption, z. B. bei cholestatischen Erkrankungen oder ausgeprägter Frühgeburtlichkeit
Die flächendeckende Durchführung dieser Prophylaxe hat die Inzidenz des Morbus haemorrhagicus neonatorum deutlich reduziert und schwere Verläufe nahezu eliminiert
Quellen
- S2k-Leitlinie: Vitamin-K-Mangel-Blutungen bei Neugeborenen, Prophylaxe, Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI)