Zusammenfassung
Die chirurgische Naht dient der Adaptation von Gewebe, um die Wundheilung zu optimieren und Komplikationen wie Infektionen oder Dehiszenzen zu vermeiden. Wichtige Prinzipien sind eine exakte Gewebeadaptation ohne übermäßige Spannung und eine atraumatische Technik zur Minimierung der Gewebeschädigung sowie die Wahl eines geeigneten Nahtmaterials. Ein schichtweiser Wundverschluss sorgt für Stabilität: Tiefere Strukturen wie Muskulatur und Faszien werden mit resorbierbarem Material genäht, eine Subkutannaht passt das Unterhautfettgewebe an, und die Hautnaht gewährleistet eine äußere Adaptation mit möglichst ästhetischem Ergebnis.
MerkePatient:innen beurteilen die Qualität des chirurgischen Eingriffs oft anhand der Hautnaht. Daher sollte bei der Hautnaht auf eine präzise Adaptation der Wundränder und eine feine Nahttechnik geachtet werden.
Nahttechniken
Allgemein
- Nadel
senkrecht zur Haut (90°) einstechen → Minimiert Gewebetrauma - Bei langen Wunden zuerst eine Naht in der Wundmitte setzen, dann schrittweise halbieren → Fördert eine gleichmäßige Adaptation und verhindert Spannungsungleichgewicht
- Nadel
entsprechend ihres Radius durch eine Drehbewegung im Handgelenk führen → Reduziert Gewebeschäden und erleichtert das Einführen - Ein- und Ausstich auf gleicher Höhe setzen → Gewährleistet eine symmetrische Wundadaptation
- Wenn möglich, auf sich zu stechen → Erhöht die Kontrolle über die Nadelbewegung
- Bei gewinkelten oder gezackten Wunden zuerst die Ecken vernähen → Unterstützt eine präzise Adaptation der Wundränder
Einzelknopfnaht
- Indikation: Universell für Haut, Faszien, Organe
- Vorteil: Hohe Adaptationsgenauigkeit, einfache Korrektur möglich
- Nachteil: Zeitaufwendig bei langen Wunden
- Durchführung:
- Einstich ca. 0,5 cm vom Wundrand entfernt auf der gegenüberliegenden Seite
- Nadel
aus der Wunde herausdrehen und erneut in den Nadelhalter einspannen - Auf der nahen Seite auf gleicher Höhe einstechen und ca. 0,5 cm vom Wundrand entfernt ausstechen
- Faden
durchziehen und sicher verknoten (z.B. mit einem Instrumentenknoten siehe unten) - Fadenenden auf ca. 1 cm Länge kürzen
InfoDer Abstand zwischen den Nähten richtet sich nach Gewebetyp, Beanspruchung und Spannung der Wunde. In der Regel beträgt der Abstand zwischen den Stichen etwa 1–1,5 cm.
Einfache fortlaufende Naht
- Indikation: Längere Wunden, Faszien- oder Peritonealverschluss
- Vorteil: Schnelle Durchführung (Zeitersparnis), gute Adaptation
- Nachteil: Bei Nahtinsuffizienz komplette Öffnung der Wunde, ggf. unangenehmer Fadenzug, Verschiebung der Wundränder möglich
- Durchführung:
- Erste Einzelknopfnaht setzen und mit Knoten
fixieren - Das Fadenende ohne Nadel
auf ca. 1 cm kürzen - Den Faden
kontinuierlich in gleichmäßigen Abständen (ca. 0,5–1 cm) entlang der Wundränder führen - Darauf achten, dass die Wundränder spannungsfrei adaptiert werden
- Beim letzten Stich den Faden
nicht komplett durchziehen, sodass eine Fadenschlaufe stehen bleibt - Die herausstehende Schlaufe mit dem freien Fadenende verknoten
- Den Knoten
neben der Wunde platzieren und Fadenenden kürzen
- Erste Einzelknopfnaht setzen und mit Knoten
Rückstichnaht nach Donati
- Indikation: Hautnaht, Wunden mit Wundtiefe >1 cm
- Vorteil: Gute Adaptation der Wundränder, exakte Adaptation der Gewebeschichten, stabiler Wundverschluss (auch an Orten mit Zug- oder Scherkräften)
- Nachteil: Aufwendiger als Einzelknopfnaht, pro Naht wird die Hautoberfläche 4-mal duchstochen → kosmetisch nachteilig
- Durchführung:
- Die Nadel
wird in Vorhandposition eingespannt - Einstich ca. 1 cm vom Wundrand entfernt, Nadel
senkrecht durch Kutis und Subkutangewebe führen - Nadel
herausdrehen und erneut in den Nadelhalter einspannen - Einstich gegenüberliegend im Subkutangewebe auf gleicher Höhe, Ausstich durch die Haut ebenfalls 1 cm vom Wundrand entfernt
- Rückstich: Nadel
um 180° drehen (Rückhandposition), auf halber Strecke (ca. 0,5 cm) zwischen Ausstich und Wundrand erneut einstechen und intrakutan bleiben - Auf der ersten Wundseite intrakutan einstechen und auf halber Strecke (ca. 0,5 cm) zwischen erstem Einstich und Wundrand ausstechen
- Faden
knoten und überschüssigen Faden abschneiden
- Die Nadel
TippAbhängig von der Größe der Wunde bzw. Nadelkrümmung kann entweder in der Tiefe der Wunde ausgestochen und die Nadel
neu eingespannt werden, oder in einem Zug durchgestochen werden.
Rückstichnaht nach Allgöwer
- Indikation: Hautnaht bei exponierten Wunden und Wunden am Haaransatz
- Vorteil: Geringe Narbenbildung, gute kosmetische Ergebnisse
- Nachteil: Etwas geringere Stabilität im Vergleich zur Donati-Rückstichnaht und der Einzelknopfnaht → Da nur auf einer Seite die feste Oberhaut durchstochen wird
- Durchführung:
- Nadel
in Vorhandposition einspannen - Einstich ca. 1 cm vom Wundrand entfernt senkrecht durch Kutis und Subkutis
- Nadel
herausdrehen, neu einspannen und gegenüber im Subkutangewebe einstechen. In einer Bogenbewegung in die Kutis führen (Rundstich), ohne die Hautoberfläche zu durchstoßen - Rückstich: Nadel
um 180° drehen (Rückhandposition) und in die Kutis der ersten Wundseite einstechen und auf halber Strecke (ca. 0,5 cm) zwischen erstem Einstich und Wundrand ausstechen - Faden
knoten und überschüssigen Faden abschneiden
- Nadel
Fortlaufende Intrakutannaht
- Indikation: Kosmetische Wunden, Gesicht, Handchirurgie
- Vorteil: Keine sichtbaren Fäden
, gute kosmetische Ergebnisse - Nachteil: Höherer Zeitaufwand, exakte Technik erforderlich
- Durchführung:
- Einstich im Gesunden ca. 1 cm vom Wundwinkel entfernt, intrakutan, mit Ausstich im Wundwinkel
- Fixierung des Fadenendes ohne Nadel
durch einen Knoten oder alternativ mit einem Pflasterzug - Anheben der Wundränder mit der Pinzette und horizontales Führen der Nadel
intrakutan entsprechend dem Nadelradius - Einstich auf gleicher Höhe wie der vorherige Ausstich, um eine gleichmäßige Adaptation zu gewährleisten
- Letzter Stich: Faden
nicht vollständig durchziehen, sodass eine Fadenschlaufe stehen bleibt - Knoten
setzen: Herausstehende Schlinge mit dem freien Fadenende verknoten, Knoten intrakutan platzieren (Besonders geeignet für resorbierbares Nahtmaterial )
Subkutannaht
- Anwendung: Adaptation des Unterhautfettgewebes zur spannungsfreien Wundrandanpassung und Verkleinerung des Wundraums
- Vorteil: Verringerung von Spannung auf der Hautnaht, Minimierung von Hohlräumen
- Nachteil: Gefahr von Hämatomen
oder Seromen bei unzureichendem Verschluss - Durchführung:
- Einstich unterhalb der Dermis in das obere Subkutangewebe, Ausstich im unteren Subkutangewebe
- Auf der gegenüberliegenden Wundseite Einstich in das untere Subkutangewebe (in Höhe des vorherigen Ausstichs) und die Nadel
in Richtung des oberen Subkutangewebes führen und dort ausstechen - Knoten
unterhalb der Hautoberfläche setzen
- Alternativ: Subkutannaht mit invertiertem Knoten
bei ästhetisch anspruchsvollen Wunden - Einstich in das untere Subkutangewebe, Ausstich im oberen Subkutangewebe
- Auf der gegenüberliegenden Wundseite Einstich in das obere Subkutangewebe (in Höhe des vorherigen Ausstichs) und die Nadel
in Richtung des unteren Subkutangewebes führen und dort ausstechen - Knoten
in der Tiefe setzen
Nahttechniken im Überblick
AchtungNahtfehler
- Fadenabstand:
- Zu groß: Reduziert die Stabilität der Wundnaht und erhöht das Risiko des erneuten Aufklaffens der Wunde
- Zu klein: Können das sogenannte Briefmarkenphänomen verursachen, bei dem das Gewebe zwischen den Stichen ausreißt
- Unregelmäßige Stichfolge: Führt zu ungleichmäßiger Belastungsverteilung und Schwachstellen in der Naht
- Zu wenig gefasstes Gewebe: Verringert die Belastbarkeit der Naht, besonders bei starker mechanischer Beanspruchung
- Zu dünnes Nahtmaterial
: Erhöht das Risiko des Durchschneidens des Gewebes bei Belastung (z. B. Husten oder Erbrechen, besonders bei Bauchwandnähten) - Schlechte Knotentechnik: Kritisch bei monofilen Fäden
(glatte Oberfläche) – neigen dazu, sich zu lösen - Zu hohe Fadenspannung: Verursacht eine Ischämie des gefassten Gewebes und beeinträchtigt die Heilung
Knotentechniken
Die Knotentechnik stellt eine fundamentale Fähigkeit in der Chirurgie dar. Ein sicherer Knoten
MerkeSichere Knotentechnik
- In der Regel sind mehrere Knoten
sind notwendig, um den Faden stabil zu fixieren. Wichtig ist dabei, mindestens einen gegenläufigen Knoten zu setzen, um ein Aufgehen zu verhindern - Monofile Fäden
(glatte Fäden ) brauchen mehr Knoten , weil sie leichter verrutschen - Polyfile Fäden
(geflochtene Fäden ) haben eine höhere Reibung und bleiben mit weniger Knoten sicher fixiert
Grundlagen der Knotentechnik:
Ein chirurgischer Knoten
- Sicherheit: Der Knoten
darf sich nicht selbstständig lösen - Stabilität: Auch unter Zugbelastung muss der Knoten
halten - Gewebeschonung: Übermäßige Spannung ist zu vermeiden, um Ischämien zu verhindern
- Reproduzierbarkeit: Die Technik sollte standardisiert und konsistent wiederholbar sein
Instrumentenknoten
- Anwendung: Der Instrumentenknoten ist eine der am häufigsten verwendeten Knotentechniken in der Chirurgie und wird universell eingesetzt
- Vorteil: Geeignet für tiefe, schwer einsehbare Operationsfelder und kurze Fadenenden
- Durchführung:
- Das lange Fadenende (mit Nadel
) zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand fixieren und das lange Fadenende zweimal von hinten nach vorne um den Nadelhalter schlingen - Mit dem Nadelhalter
das kurze Fadenende greifen - Das kurze Fadenende durch die entstandene Schlaufe ziehen (erster Halbknoten)
- Nun das lange Fadenende einmal in der entgegengesetzten Richtung (von vorne nach hinten) um den Nadelhalter
wickeln - Erneut das kurze Fadenende mit dem Nadelhalter
greifen und durch die Schlaufe ziehen. - Die Fadenenden wieder in entgegengesetzte Richtungen ziehen
- Das lange Fadenende (mit Nadel
Einhandknoten
Der Einhandknoten ist eine grundlegende Knotentechnik in der Chirurgie. Eine Hand führt die Knotenbewegung aus, während die andere den Faden
- Vorteile
- Technik einfach zu erlernen → Bsp. mit Schnürsenkeln am Schuh
- Erlaubt Einsatz in der Tiefe des OP-Gebiets → Nur eine Hand benötigt Platz für die Knotenbewegung und der Knoten
kann in die Tiefe geschoben werden - Kontinuierlicher Zug am Faden
reduziert das Auftreten von Luftknoten
- Nachteile
- Kein direkter Knotenhalt → Stabilität erst nach mehreren gegenläufigen Knoten
- Geringere Haltekraft bei falscher Technik
- Kein direkter Knotenhalt → Stabilität erst nach mehreren gegenläufigen Knoten
- Durchführung des Einhandknotens: Zeigefingerknoten und Mittelfingerknoten
Zeigefingerknoten
- Anwendung: Der Zeigefingerknoten wird unter kontinuierlicher Spannung mit der linken Hand durchgeführt. Der Faden
wird mit dem rechten Zeigefinger durch die Schlinge geführt - Fadenbezeichnungen:
- Zugfaden (violett): Fadenende, das die Spannung aufrechterhält (in der linken Hand gehalten)
- Knüpffaden (türkis): Fadenende, mit dem der Knoten
gebunden wird (in der rechten Hand geführt)
- Durchführung mit der rechten Hand:
- Halte das rechte Fadenende zwischen Daumen und Mittelfinger der rechten Hand. Die linke Hand hält den Zugfaden unter Spannung. Spanne den Knüpffaden auf, indem du den rechten Zeigefinger unter den Knüpffaden entlanggleiten lässt (ähnlich einer Pistolenhaltung der Hand)
- Lege den Zugfaden parallel zum Knüpffaden über das Endglied des Zeigefingers
- Beuge den Zeigefinger und umgreife den Zugfaden, sodass der Knüpffaden auf der Nadelseite des Fingers zu liegen kommt
- Ziehe den Knüpffaden mit dem Zeigefinger durch die gebildete Schlinge → dabei wird die Hand rotiert, sodass nun die Außenseite nach oben zeigt
- Greife den Faden
mit Daumen und Mittelfinger - Schiebe den Knoten
mit dem Zeigefinger gezielt in die Tiefe und fixiere ihn
Mittelfingerknoten
- Anwendung: Der Mittelfingerknoten ist ähnlich zum Zeigenfingerknoten, allerdings wird der Faden
mit dem rechten Mittelfinger durch die Schlinge geführt und mit dem Zeigefinger in die Tiefe geschoben - Durchführung mit der rechten Hand:
- Halte die Fadenenden zwischen Daumen und Zeigefinger, die linke Hand hält den Zugfaden unter Spannung
- Drehe die rechte Handinnenfläche nach oben und lade dabei den Knüpffaden auf die Handinnenfläche auf, sodass er sich um den kleinen Finger wickelt
- Lege den Zugfaden auf die Endglieder der rechten Finger (Mittelfinger, Ringfinger, kleiner Finger)
- Umgreife mit dem rechten Mittelfinger den Zugfaden
- Führe den Mittelfinger unter den Knüpffaden und strecke ihn nach vorne, sodass eine Schlinge entsteht
- Klemme den Knüpffaden zwischen Ring- und Mittelfinger ein und ziehe den Knüpffaden mit dem Mittelfinger durch die gebildete Schlinge
- Greife den durchgezogenen Faden
mit Daumen und Mittelfinger und drücke den Knoten mit dem rechten Zeigefinger gezielt in die Tiefe und positioniere ihn exakt an der gewünschten Stelle
MerkeEin chirurgischer Knoten
wird erst stabil, wenn auf zwei gleichläufige Knoten ein gegenläufiger Knoten folgt. Dies verhindert ein Aufgehen und sorgt für dauerhafte Fixierung. Stabile Knoten -Kombinationen sind z. B. zwei Zeigefingerknoten der rechten Hand, gefolgt von einem Mittelfingerknoten der rechten Hand oder zwei Mittelfingerknoten der rechten Hand, abgeschlossen mit einem Zeigefingerknoten der rechten Hand.
Zweihandknoten
- Anwendung:
- Beidhändiges Knoten
- Kombination aus Mittelfinger- und Zeigefingerknoten
- Beidhändiges Knoten
- Vorteile
- Besserer Halt des Knotens → durch die doppelte Umschlingung der beiden Fadenenden entsteht eine höhere Reibung
- Nachteile
- Keine kontinuierliche Spannung am Faden
während des Knotens - Zweihandknoten ist etwas schwieriger zu erlernen
- Keine kontinuierliche Spannung am Faden
Entfernung von Nahtmaterial
- Zeitpunkt der Nahtentfernung
- Erwachsene:
- Gesicht: 5–7 Tage
- Extremitäten: 10–14 Tage
- Rumpf: 8–10 Tage
- Kinder:
- Gesicht: 3–5 Tage
- Extremitäten: 10–14 Tage
- Rumpf: 5–7 Tage
- Erwachsene:
- Durchführung der Nahtentfernung
- Wunde inspizieren und auf Infektionszeichen prüfen
- Mit einer Pinzette den Knoten leicht anheben
- Mit einer sterilen Schere oder einem Skalpell
den Faden knapp über der Haut und von der Wunde weg durchtrennen - Faden
vorsichtig herausziehen
AchtungUm Infektionen zu vermeiden, sollte der Faden
immer so nah wie möglich an der Haut abgeschnitten werden, damit möglichst wenig Nahtmaterial von außen durch die Wunde gezogen wird.
Quellen
- Liehn et al.: OP-Handbuch: Grundlagen, Instrumentarien, OP-Ablauf. 6. Auflage Springer 2016, ISBN: 978-3-662-49280-2
- Karl-Hermann Fuchs, Rainer Engemann, Arnulf Thiede (Hrsg.): Klammernahttechnik in der Chirurgie. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1993, ISBN 978-3-642-78113-1
- Andreas Hirner, Kuno Weise: Chirurgie: Schnitt für Schnitt. Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 978-3-13-130841-2
- Schumpelick et al.: Operationsatlas Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2021, ISBN: 978-3-132-43847-7
- Schwarz: Allgemein- und Viszeralchirurgie essentials. Georg Thieme Verlag KG 2023, ISBN: 978-3-132-44752-3