Zusammenfassung
Als Nebennierenrindeninsuffizienz (NNRI), kurz auch Nebenniereninsuffizienz, bezeichnet man eine unzureichende Hormonproduktion der Nebennierenrinde, die auf einer funktionellen Störung beruht.
Je nach Ursache wird zwischen drei Formen unterschieden:
- Primäre NNRI (Morbus Addison): Schädigung der Nebennierenrinde selbst
- Sekundäre NNRI: Mangel an ACTH infolge einer Hypophyseninsuffizienz
- Tertiäre NNRI: Mangel an CRH bei hypothalamischer Dysfunktion
Klinisch äußert sich die Erkrankung häufig durch unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Schwäche, orthostatische Hypotonie oder Gewichtsverlust.
Die Diagnose erfolgt primär anhand typischer Laborveränderungen und wird durch dynamische Funktionstests ergänzt, wobei der ACTH-Kurztest als Goldstandard zur Diagnosesicherung gilt.
Die Therapie basiert auf einer lebenslangen Substitution mit Glucocorticoiden
Die Addison-Krise ist eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation, weshalb präventiven Maßnahmen eine zentrale Bedeutung zukommt. Dazu zählen insbesondere regelmäßige Schulungen sowie das Mitführen eines Notfallausweises und einer Notfallmedikation.
Epidemiologie
- Primäre NNR-Insuffizienz:
- Prävalenz: ca. 100–140 Fälle pro 1 Million Einwohner
- Inzidenz: ca. 4 pro 1 Million Einwohner pro Jahr
- Häufigkeitsgipfel: 30.–50. Lebensjahr
- Gesamtprävalenz: ca. 40 / 100 000
Ursachen
Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
DefinitionDie primäre NNR-Insuffizienz ist durch eine chronisch verminderte Hormonproduktion gekennzeichnet, die infolge einer direkten Schädigung oder Zerstörung des Nebennierenrindengewebes entsteht.
Ursachen:
- Autoimmunadrenalitis (ca. 70–90 %) → Häufig im Rahmen eines polyendokrinen Autoimmunsyndroms
- Infektiöse Erkrankungen:
- Tuberkulose
- Zytomegalie-Virus-Infektion (insb. bei AIDS-Patient:innen)
- Meningokokkensepsis mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
(Hämorrhagische Nekrose )
- Primäre Karzinome der Nebennierenrinde oder Metastasen (z.B. Mamma-, Bronchialkarzinom
) - Amyloidose
- Blutungen
Sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz
DefinitionDie sekundäre NNR-Insuffizienz entsteht durch einen Mangel an ACTH infolge einer Schädigung oder Funktionsstörung der Hypophyse. Dadurch kommt es zu einem selektiven Cortisolmangel, während die Mineralocorticoidproduktion typischerweise intakt bleibt.
Ursachen:
- Tumoren
- Verletzungen (z.B. Schädel-Hirn-Traumata)
- Durchblutungsstörungen → Sonderform: Sheehan-Syndrom (postpartale Hypophysennekrose durch Hypovolämie / Schock bei Geburt)
- Entzündliche oder infiltrative Erkrankungen
- Bestrahlungen oder Operationen in der Hypophysenregion
Tertiäre Nebennierenrindeninsuffizienz
DefinitionDie tertiäre NNR-Insuffizienz ist durch eine verminderte Freisetzung von CRH aus dem Hypothalamus gekennzeichnet. Dies ist meist auf eine chronische Therapie mit Glucocorticoiden
zurückzuführen. Seltener liegt eine strukturelle Schädigung des Hypothalamus vor. Durch die verminderte Freisetzung von CRH kommt es zu einem sekundären ACTH-Mangel, was wiederum zu einer reduzierten Cortisolproduktion führt.
Ursachen:
- Häufigste Ursache: langfristige Therapie mit Glucocorticoiden
- Strukturelle/organische Ursachen (selten):
- Tumoren
- Traumata oder Blutungen (z.B. Schädel-Hirn-Traumata mit hypothalamischer Beteiligung)
- Entzündliche oder infiltrative Erkrankungen
- Chirurgische Eingriffe oder Bestrahlung im Bereich des Hypothalamus
MerkeIn der Praxis ist die Langzeitgabe von Glucocorticoiden
mit Abstand die häufigste Ursache einer tertiären NNR-Insuffizienz, die dann auch als „iatrogene Nebennierenrindeninsuffizienz” bezeichnet wird.
AchtungDie iatrogene NNR-Insuffizienz ist meist reversibel, allerdings kann das plötzliche Absetzen von Glucocorticoiden
zu einer Addison-Krise führen!
Pathophysiologie
Physiologische Grundlagen

Originalabbildung von Servier Medical Art by Servier (www.smart.servier.com), lizensiert unter einer Creative Commons Attribution 3.0 Unported License. Es wurden die Markierungen und Beschriftungen ergänzt.
Hormone der Nebennierenrinde :
Die Nebennieren
Die Nebennierenrinde lässt sich wiederum in 3 Schichten unterteilen, die sich sowohl histologisch als auch funktionell voneinander unterscheiden. In jeder Schicht werden unterschiedliche Hormone
- Zona glomerulosa
- Zona fasciculata
- Zona reticularis
Syntheseort | Hormonklasse | Hauptvertreter | Wirkung |
Zona glomerulosa | Mineralcorticoide | Aldosteron |
|
Zona fasciculata | Glucocorticoide | Cortisol |
|
Zona reticularis | Androgene | DHEA, DHEAS, Androstendion |
|
TippMerkspruch: „Salt, sugar, sex, the deeper you go, the better it gets.“
Die Sekretion von Glucocorticoiden
Die Sekretion von Mineralocorticoiden wird hingegen hauptsächlich über das Renin-Angiotensin-Aldosteron
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren -Achse (HPA-Achse):
Um die pathophysiologischen Vorgänge der Nebenniereninsuffizienz zu verstehen, sind Grundkenntnisse der HPA-Achse essenziell.
Im Rahmen dieses neuroendokrinen Regelkreises setzt der Hypothalamus Corticotropin-Releasing-Hormon
Cortisol
Stimuliert wird die CRH-Sekretion insb. durch Hypoglykämie sowie durch physische und psychische Stressoren (z.B. Schmerzen). Auch Katecholamine
Bei der Spaltung des Vorläuferproteins Proopiomelanocortin (POMC) entstehen neben ACTH weitere Peptidhormone, darunter das Melanozyten-stimulierende Hormon

Pathophysiologie
Primäre NNR-Insuffizienz (Morbus Addison):
- Zerstörung oder Funktionsverlust der Nebennierenrinde → Verminderte Konzentration der endogenen Glucocorticoide
(v.a. Cortisol ), Mineralocorticoide (v.a. Aldosteron ) und Androgene - Cortisolproduktion↓ → Ausfall des negativen Feedbackmechanismus von Cortisol
auf die Hypophyse und den Hypothalamus → Kompensatorischer Anstieg von CRH & ACTH - ACTH-Überschuss → Vermehrte Freisetzung von MSH durch das Vorläufermolekül POMC → Hyperpigmentierung
- ACTH-Überschuss → Vermehrte Freisetzung von MSH durch das Vorläufermolekül POMC → Hyperpigmentierung
- Cortisolproduktion↓ → Ausfall des negativen Feedbackmechanismus von Cortisol
Sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz:
- Insuffizienz der Hypophyse → Sekretion von ACTH↓ → Stimulation der Zona fasciculata↓ → Cortisolproduktion↓
- ACTH ist erniedrigt → Kein Überschuss an MSH → Keine Hyperpigmentierung
- Die Aldosteronsekretion bleibt relativ erhalten, da diese primär durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron
-System gesteuert wird
- ACTH ist erniedrigt → Kein Überschuss an MSH → Keine Hyperpigmentierung
Tertiäre Nebennierenrindeninsuffizienz:
Die Ursache der tertiären NNR-Insuffizienz liegt im Hypothalamus. In der Folge wird zu wenig CRH gebildet, sodass die Hypophyse nicht ausreichend zur Produktion von ACTH angeregt wird. Aufgrund der ähnlichen Pathophysiologie entspricht das klinische Bild der tertiären NNR-Insuffizienz weitgehend dem der sekundären Form.
In den meisten Fällen ist die tertiäre NNR-Insuffizienz auf eine länger andauernde Behandlung mit Corticosteroiden
Der anhaltende ACTH-Mangel führt zu einem Verlust trophischer Reize auf die Nebennierenrinde, was im weiteren Verlauf eine Atrophie
MerkeBei der sekundären und tertiären Form ist die Mineralcorticoid-Sekretion kaum eingeschränkt, da diese weitgehend ACTH-unabhängig ist und hauptsächlich durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron
-System (RAAS ) gesteuert wird.
Klinik
Symptome einer manifesten NNR-Insuffizienz

“Addison'sLegs.jpg” von James Heilman, MD, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/69/Addison%27sLegs.jpg, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0 via Wikimedia Commons
- Folgen des Cortisolmangels:
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
- Müdigkeit, Schwäche, Leistungsminderung
- Depressive Verstimmung, Konzentrationsstörungen
- Hypoglykämieneigung
- Stressintoleranz
- Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen
- Folgen des Aldosteronmangels (bei primärer NNR-Insuffizienz):
- Arterielle Hypotonie und / oder orthostatische Dysregulation (Freisetzung von Mineralcorticoiden↓ → Retention von Wasser & Natrium
in der Niere↓ → Hypovolämie → Hypotonie) - Dehydratation
- Hyponatriämie
, Hyperkaliämie - Metabolische Azidose
- Vermehrter Harndrang
- Salzhunger
- Arterielle Hypotonie und / oder orthostatische Dysregulation (Freisetzung von Mineralcorticoiden↓ → Retention von Wasser & Natrium
- Folge der gesteigerten POMC-Sekretion (bei primärer NNR-Insuffizienz):
- Pathomechanismus: kompensatorisch gesteigerte Synthese von POMC → MSH-Sekretion↑ → Stimulation der Melanozyten zur Pigmenteinlagerung
- Hyperpigmentierung
der Haut & Schleimhäute (insb. an Druckstellen, Handinnenflächen oder Narben )
- Folge der verminderten POMC-Sekretion (bei sekundärer / tertiärer NNR-Insuffizienz):
- Blasses Hautkolorit
- Folgen des Androgenmangels (bei Frauen):
- Libidoverlust
- Verlust der Sekundärbehaarung
InfoIn der Regel treten Symptome erst auf, wenn 90 % der Nebennierenrinde zerstört bzw. inaktiv sind.
MerkeEine Hyperpigmentierung
von Haut und Schleimhäuten beobachtet man nur bei primärer, nicht aber bei sekundärer und tertiärer Nebennierenrindeninsuffizienz.
Diagnostik
Anamnese
- Leitsymptome: Müdigkeit und Schwäche, abdominelle Beschwerden, Hypotonie, Gewichtsverlust etc.
- Medikamentenanamnese (insb. Therapie mit Glucocorticoiden
) - Vorgeschichte und Begleiterkrankungen (z.B. Traumata, infektiöse Erkrankungen, chirurgische Eingriffe)
Körperliche Untersuchung
- Blutdruck: Hypotonie, orthostatische Dysregulation
- Inspektion der Haut & Schleimhäute:
- Hyperpigmentierung bei primärer NNR-Insuffizienz bzw. blasses Hautkolorit bei sekundärer / tertiärer NNR-Insuffizienz
- Zeichen eines Volumenmangels (z.B. trockene Schleimhäute, stehende Hautfalten)
Labordiagnostik
- Typische Veränderungen bei NNR-Insuffizienz:
- Basal-Labor:
- Cortisol
(Serum ): <83 nmol/l → NNR-Insuffizienz wahrscheinlich - ACTH (Plasma):
- Primäre NNR-Insuffizienz: ACTH↑
- Sekundäre / tertiäre NNR-Insuffizienz: ACTH↓ oder normal
- Cortisol
- Evtl. Bestimmung der Plasma-Renin-Konzentration:
- Primäre NNR-Insuffizienz: Renin↑ (kompensatorisch)
- Sekundäre / tertiäre NNR-Insuffizienz: Renin normal
- Elektrolytverschiebungen:
- Hyponatriämie
- Hyperkaliämie (bei primärer NNRI durch Aldosteronmangel)
- Evtl. Hypercalcämie
- Hyponatriämie
- Glucose
: Hypoglykämie möglich - Anämie
, Lymphozytose, Eosinophilie
- Basal-Labor:
MerkeCortisol
& ACTH - Aussagekraft der Basalwerte Bei Verdacht auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz stellt die Bestimmung von Cortisol
und ACTH einen ersten orientierenden diagnostischen Schritt dar. Die Sekretion beider Hormone unterliegt jedoch einer zirkadianen Rhythmik und wird bedarfsabhängig reguliert. Vor diesem Hintergrund ist die alleinige Bestimmung der Basalwerte zur Diagnosestellung nur eingeschränkt aussagekräftig. Insbesondere bei unklaren oder grenzwertigen Befunden sind dynamische Funktionstests erforderlich, um eine sichere Diagnose stellen zu können.
Funktionstests
ACTH-Kurztest:
- Goldstandard zur Diagnosesicherung
- Prinzip: Verabreichung von synthetischem ACTH → Stimulation der Cortisolproduktion
- Durchführung: Messung des Serumcortisolspiegels → Verabreichung von 250 µg synthetischem ACTH i.v. → Erneute Messung des Serumcortisols nach 30 und 60 Minuten
- Interpretation:
- Anstieg des Cortisolspiegels auf >25 µg/dl → Normale Nebennierenrindenfunktion
- Anstieg des Cortisolspiegels <18 µg/dl → Insuffiziente Nebennierenrindenfunktion
- Graubereich: Anstieg des Cortisolspiegels auf 18-25 μg/dl → Interpretation des Testergebnisses individuell in Zusammenhang mit der Klinik (ggf. Durchführung eines Insulin
-Hypoglykämie-Tests)
Mithilfe des ACTH-Kurztests lässt sich nur feststellen, ob die Nebenniere
- ACTH↑ + Cortisol
↓ → Primäre NNR-Insuffizienz - ACTH↓ oder normal + Cortisol
↓ → sekundäre / tertiäre NNR-Insuffizienz
AchtungIn den sehr frühen Stadien einer sekundären oder tertiären NNR-Insuffizienz (z.B. nach abruptem Absetzen von Glucocorticoiden
) können aufgrund einer noch nicht eingetretenen Nebennierenatrophie falsch-negative Testergebnisse auftreten. In diesen Fällen ist ggf. die Durchführung eines Insulin -Hypoglykämie-Tests erforderlich.
Primäre NNRI | Sekundäre / tertiäre NNRI | |
Serumcortisol | ↓ | ↓ |
Serumcortisol (nach ACTH-Kurztest) | Nicht (bzw. kaum) messbarer Anstieg |
|
Plasma-ACTH | ↑ (kompensatorisch) | ↓ oder normal |
Renin | ↑ | normal |
Insulin -Hypoglykämie-Test:
- Indikationen:
- Überprüfung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Funktion
- Verdacht auf sekundäre / tertiäre NNRI bei normalem oder unsicherem Cortisol
-Basalwert und auffälligem ACTH - Verlaufskontrolle nach chirurgischer Entfernung eines ACTH-produzierenden Hypophysenadenoms
- Verdacht auf Wachstumshormonmangel
- Kontraindikationen:
- KHK
- Zerebrovaskuläre Erkrankungen
- Epilepsie
- Bekannte schwere Nebennierenrindeninsuffzienz.
- KHK
- Prinzip: durch Insulingabe wird eine hypoglykämische Stressreaktion ausgelöst → Aktivierung der HPA-Achse (CRH↑ → ACTH↑ → Cortisol
↑) - Durchführung: Blutentnahme (Glucose
, Cortisol , ACTH, GH ) → Verabreichung von Insulin i.v. (z. B. Humaninsulin 0,1–0,15 IE/kg KG) → Alle 15–30 Min erneute Blutentnahme - Interpretation:
- Cortisolanstieg auf >20 µg/dl → Normale Funktion der HPA-Achse
- Cortisolanstieg <20 µg/dl → Verdacht auf adrenocorticotrope Insuffizienz
Abklärung der Ursache
Labor:
- NNR-Autoantikörper (meist 21-Hydroxylase-Antikörper): bei ca. 80 % der Patient:innen mit Autoimmunadrenalitis nachweisbar (→ Häufigste Ursache der primären NNRI)
- Weitere Autoantikörper bei polyglandulärem Autoimmunsyndrom: z.B. Antiparietalzell-Antikörper, TPO-Antikörper
Apparative Diagnostik:
- Sekundäre / tertiäre NNR-Insuffizienz: kranielles MRT zum Ausschluss von Raumforderungen (z.B. Hypophysenadenome, Granulome)
- Primäre NNR-Insuffizienz: ggf. CT
der Nebennieren zum Ausschluss von Raumforderungen und Infektionen
Differentialdiagnosen
- Hyponatriämie
/ Hyperkaliämie anderer Genese (z.B. SIADH ) - Psychiatrisch: Erkrankungen, die zum Gewichtsverlust führen (z.B. Anorexia nervosa, Depression)
- Hypothyreose
- Maligne oder andere konsumierende Erkrankung
- Akutes Abdomen
Therapie
Glucocorticoidsubstitution:
- Standardpräparat: Hydrocortison
(chemische Struktur entspricht der des körpereigenen Cortisols): - Tagesdosis (15-25 mg Hydrocortison
) wird auf 2-3 Einzeldosen aufgeteilt, um den natürlichen Tagesrhythmus nachzuahmen (z.B. 10-5-5 mg) - Bei Belastungen (z.B. fieberhafter Infekt, Operation) muss die Dosis entsprechend erhöht werden
- Tagesdosis (15-25 mg Hydrocortison
- Alternative zu Hydrocortison
: Prednisolon (3-5 mg/Tag) als Einzeldosis
AchtungBei Belastungen kann der Hydrocortisonbedarf des Körpers auf das bis zu Zehnfache ansteigen. In relevanten Stresssituationen muss die Glucocorticoiddosis daher unbedingt angepasst werden.
Mineralcorticoidsubstitution:
- Nur bei primärer NNR-Insuffizienz
- Standardpräparat: Fludrocortison
- Als morgendliche Einzeldosis (0,05–0,2 mg/Tag)
- Zielparameter: Serumnatrium und Serumkalium im Normbereich bei normotensiven Blutdruckwerten ohne orthostatische Hypotonie
Androgensubstitution:
- Bei Frauen mit Libidoverlust und / oder depressiver Symptomatik kann der Einsatz von Dehydroepiandrosteron (DHEA) erwogen werden
- DHEA als morgendliche Einzeldosis (25–50 mg)
- Keine Standardtherapie (Wirkung wissenschaftlich nicht eindeutig belegt → Therapie basiert auf der individuellen Einzelfallentscheidung)
Komplikationen
Addison-Krise (akute NNR-Insuffizienz)
Ursachen:
- Gesteigerter Bedarf an Glucocorticoiden
(z.B. Trauma, Stress, Infektionen) - Abruptes Absetzen einer Glucocorticoidtherapie
- Stresszustände im Rahmen einer chronischen NNR-Insuffizienz
- Plötzlicher Ausfall der Nebennierenrindenfunktion (z.B. bei NNR-Infarkt)
Klinisches Bild:
- Symptome des Hypocortisolismus (siehe: Nebennierenrindeninsuffizienz - Symptome) - zusätzlich:
- Akut auftretende, progrediente Schwäche
- Fieber
- Oligurie
und Exsikkose - Hypotonie bis zum Kreislaufschock
- Symptome der Bewusstseinstrübung
(Somnolenz bis zum Koma) - Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
, abdominelle Schmerzen
Therapie:
- Sofortmaßnahmen vor Klinikeinweisung:
- Hydrocortison
-Bolusgabe: 100 mg i.v. - Flüssigkeitssubstitution:
- Infusion von 0,9%iger NaCl-Lösung (500-1000 ml innerhalb der ersten Stunde, dann je nach Volumenstatus)
- Ggf. zusätzlich 5 %ige Glucose
-Lösung
- Hydrocortison
- Maßnahmen in der Klinik:
- Intensivmedizinische Überwachung
- Flüssigkeitssubstitution (0,9%ige NaCl-Lösung) entsprechend der Dehydratation
- Hydrocortison
-Dauerinfusion: 100–200 mg/24 Std - Zusatz von Glucose
nach Bedarf - Rasche Klärung der Ursache und ätiologische Therapie
AchtungDie Addison-Krise stellt einen medizinischen Notfall dar, der umgehend notärztlich und intensivmedizinisch behandelt werden muss.
Präventivmaßnahmen:
- Mitführen eines Notfallausweises
- Notfallmedikation: Ausstattung mit Hydrocortison
-Injektionslösung 100 mg und/oder Glucocorticoid -Zäpfchen - Schulung von Patient:innen und Angehörigen:
- Gründe für die Anpassung der Glucocorticoid
-Dosis - Diskussion klassischer Situationen, die eine Dosisanpassung notwendig machen
- Symptome einer beginnenden Nebennierenkrise
- Schulung in der Eigeninjektion von Hydrocortison
(intramuskulär/subkutan)
- Gründe für die Anpassung der Glucocorticoid
Prognose
Bei adäquater Substitutionstherapie mit regelmäßigen Laborkontrollen ist die Lebenserwartung in der Regel nicht eingeschränkt.
Trotzdem berichtet ein signifikanter Anteil der Patient:innen über krankheitsassoziierte Symptome wie Müdigkeit, Energiemangel
Da Addison-Krisen potenziell lebensbedrohlich verlaufen können, sollten alle Patient:innen entsprechend geschult werden und stets einen Notfallausweis sowie eine Notfallmedikation bei sich tragen.
InfoAddison-Krisen treten bei 5–15 % der Patient:innen pro Jahr auf und sind mit einer Sterblichkeit von 6–15 % pro Ereignis verbunden.
Quellen
- Schäffler A: Funktionsdiagnostik in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Springer Verlag, 2024. ISBN: 978-3-662-68563-1
- Diederich S et al.: Checkliste Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag, 2025. ISBN: 9783132454132
- Arastéh K et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Georg Thieme Verlag, 2024. ISBN: 9783132443471
- Bancos I, Hahner S, Tomlinson J, Arlt W. Diagnosis and management of adrenal insufficiency. Lancet Diabetes Endocrinol 2015; (3):216-26. doi: 10.1016/S2213-8587(14)70142-1
- Pilz S. Nebenniereninsuffizienz und Nebenniereninzidentalome. Wien. Klin. Wochenschr 2017; (12):81–101. doi: 10.1007/s11812-016-0080-2