Zusammenfassung
Nicht-Opioid-Analgetika sind Schmerzmittel, die zur Behandlung leichter bis mäßiger Schmerzen sowie zur Fiebersenkung und Entzündungshemmung eingesetzt werden. Sie wirken durch die Hemmung der Cyclooxygenase (COX)-Enzyme, die für die Synthese von Prostaglandinen verantwortlich sind, welche Schmerzen, Fieber und Entzündungen vermitteln. Zu den wichtigsten Klassen gehören unselektive COX-Hemmer (Acetylsalicylsäure
Physiologie des Schmerzes
- Schmerz dient als Schutzmaßnahme des Körpers vor drohender oder tatsächlicher Gewebeschädigung
- Um zu verstehen, auf welchen Ebenen die Schmerztherapie wirkt, sollte man den physiologischen Weg des Schmerzes kennen
- Es wird die aufsteigende Schmerzbahn, welche die Information einer peripheren Gewebsschädigung zum Gehirn transportiert, von der absteigenden schmerzhemmenden Schmerzbahn unterschieden
- Die absteigende Schmerzbahn kann übermäßigen Schmerz hemmen. Zum Beispiel wird in einer Kampfsituation der Schmerz unterdrückt, da er in dieser Situation hinderlich wäre
Periphere Nozizeption
- Unter Nozizeption
versteht man die Wahrnehmung des Schmerzes - Für diesen Vorgang sind Rezeptoren, die sogenannten Nozizeptoren
, notwendig, welche sich durch spezifische Reize aktivieren lassen - Die Aktivierung führt entweder durch Öffnung eines Ionenkanals (ionotrope Rezeptoren) oder durch das Auslösen einer intrazellulären Signalkaskade (metabotrope Rezeptoren) zur Depolarisation
und damit zur Aktivierung des zweiten Neurons
- Die Aktivierung führt entweder durch Öffnung eines Ionenkanals (ionotrope Rezeptoren) oder durch das Auslösen einer intrazellulären Signalkaskade (metabotrope Rezeptoren) zur Depolarisation
- Als Reaktion auf einen Schmerzreiz, wie zum Beispiel die unten dargestellte Schnittwunde, werden eine Vielzahl von Effekten angestoßen, welche zu einer Entzündung des Gewebes führen
- Alle führen zu einer Aktivierung der Schmerzfasern
- Ein Mechanismus, der pharmakologisch große Relevanz hat, ist die periphere Sensibilisierung (~ Vorverstärkung am Reizort)
- Durch die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Bradykinin, Histamin, Serotonin, Kalium
, PGE2, Protonen und Substanz P wird die Reizschwelle der Nozizeptoren herabgesetzt und es werden „ruhende“ Nozizeptoren im umliegenden Gewebe aktiviert - Dies führt dazu, dass entzündete Körperstellen schon bei leichten Reizen schmerzhaft sind (lat. „dolor“)
→ Dieses Phänomen wird auch Hyperalgesie genannt - Die Entzündungsmediatoren sorgen zudem für eine Vasodilatation
→ Die betroffene Region ist damit stärker durchblutet und erscheint gerötet und erwärmt (lat. „rubor“ und „calor“) → Dadurch wird das Gefäßendothel permeabler und mehr Entzündungszellen (Leukozyten) und Flüssigkeit treten aus den Gefäßen in das Gewebe ein (Schwellung lat. „tumor“) - Die Entzündungszellen wie Makrophagen
/Granulozyten steigern die Synthese ihrer COX2 und bilden vermehrt Prostaglandin E2. Dadurch wird die Entzündungsreaktion aufrecht gehalten und weitere Entzündungszellen gelangen an den Ort der Entzündung - Im Allgemeinen ist die Funktion des betroffenen Gewebes eingeschränkt (lat. „functio laesa“)
- Durch die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Bradykinin, Histamin, Serotonin, Kalium
MerkeDie fünf Kardinalsymptome der Entzündung sind 1. dolor 2. rubor 3. calor 4. tumor 5. functio laesa.
Cycloocxygenasen
- Die Cyclooxygenasen katalysieren die Umwandlung von Arachidonsäure zu Prostaglandin H2 → dieses wird dann zu den verschiedenen Prostaglandinen (PGD2, PGE2, PGF2, PGI2) sowie Thromboxan A2 umgewandelt
- Man unterscheidet zwei verschiedene Isoenzyme:
Cyclooxygenase 1 (COX1) | Cyclooxygenase 2 (COX2) | |
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Konstitutiv (kontinuierlich) exprimiert in:
| Induzierbar in:
Prostacyclin (PGI2)
| Konstitutiv exprimiert in:
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Hemmung der COX1 bewirkt | Hemmung der COX2 bewirkt | |
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MerkeAbhängig von der Selektivität der COX-Hemmer ergibt sich das jeweilige Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil. Bei vermehrter COX1-Hemmung kommt es vermehrt zu Magen
- und Darmulzera sowie Nierenschädigung. Bei vermehrter COX2-Hemmung stehen dagegen eher kardiovaskuläre Nebenwirkungen im Vordergrund.
Klassifikation
InfoNSAR (Nicht-steroidale Antirheumatika) bzw. NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drug): COX-Inhibitoren verlieren in der modernen Rheumatherapie immer mehr an Bedeutung. Daher sind diese Begriffe im Grunde nicht mehr zeitgemäß. Wir verwenden daher die oben gezeigte Einteilung mit Fokus auf dem Wirkmechanismus.
Übersicht
Unselektive COX-Hemmer | Wirkung | Besonderheiten | Nebenwirkungen |
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| Besondere Indikationen:
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Selektive COX-Hemmer | Wirkung | Besonderheiten | Nebenwirkungen |
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COX-Hemmer mit weiteren Wirkungen | Wirkung | Besonderheiten | Nebenwirkungen |
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Antipyretisch | Analgetisch | Antiphlogistisch | Hemmung der Thrombozyten | |
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| + | + | + | + |
| + | + | + | (+)* |
| + | + | + | - |
| + | + | - | - |
*Therapeutisch nicht relevant, nur Nebenwirkung |
Indikationen
- Allgemein: Analgesie, Entzündung, Fiebersenkung, Thrombozytenaggregationshemmung
- Schmerzen (Analgesie und Entzündung):
- Unselektive und selektive COX-Hemmer (NSAR) vorteilhaft bei orthopädisch-rheumatischen Schmerzen (Bewegungsapparat)
- Coxibe sind vorteilhaft bei erhöhtem Risiko für GI-Blutungen oder wenn keine Thrombozytenaggregationshemmung gewünscht ist
- Durch die spamolytische Wirkung ist Metamizol
vorteilhaft bei viszeralen Schmerzen wie zum Beispiel Koliken
- Fiebersenkung:
- Vor allem Ibuprofen
, Metamizol und Paracetamol
- Vor allem Ibuprofen
- Thrombozytenaggregationshemmung
- Nur ASS
Kontraindikationen (Auswahl)
- Leiten sich aus den Nebenwirkungen ab
- Unselektive und selektive COX-Hemmer (NSAR):
- Aktive Blutungen oder Ulzera
- Herzinsuffizienz
(NYHA III-IV) - Niereninsuffizienz
- 3. Trimenon → Gabe von Paracetamol
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- ASS: bei fieberhaften Infekten im Kindesalter bis 12 Jahre kontraindiziert (Gefahr des Reye-Syndroms)
- Metamizol
: - Blutbildveränderungen, reduzierte Knochenmarksfunktion
- Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (Favismus, G6PD-Mangel)
- Vorkommen: v.a. Südeuropa, Afrika, Südostasien, mittlerer Osten
- Folge: akute hämolytische Anämie
- Paracetamol
: schwere Leberinsuffizienz
Medikamentöse Schmerztherapie
Die Schmerztherapie sollte nach den dargestellten Prinzipien erfolgen:
Prinzip | Erklärung | |
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„By the mouth“ |
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„By the clock“ |
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„By the ladder“ |
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Merke„DNA“→ Durch den Mund, Nach der Uhr, Auf der Leiter
- Bei der Therapie des chronischen Schmerzes hat sich das WHO-Stufenschema etabliert:
- Ziel: adäquate Schmerztherapie
- Sofern die Analgesie in der niedrigeren Stufe nicht mehr ausreicht, wird in die nächsthöhere gewechselt
- Bei sehr starken Schmerzen kann auch auf einer höheren Stufe bspw. mit einem hochpotenten Opioid + Nicht-Opioid-Analgetikum begonnen werden
Quellen
- Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
- Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012
- Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5
- Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4