Zusammenfassung
Eine regelrechte Geburt
- Die Eröffnungsperiode markiert den Beginn der Geburt
mit der Weitung des Muttermundes. - In der Austrittsperiode erfolgt die Geburt
des Kindes durch die aktive Mitwirkung der Mutter. - Abschließend wird in der Nachgeburtsperiode die Plazenta ausgestoßen, womit der Geburtsprozess abgeschlossen wird.
Während die Reihenfolge und der ungefähre Ablauf der Phasen bei fast allen Gebärenden gleich ist, kann die Dauer der Phasen sehr unterschiedlich sein. Dies hängt zum einen von der Anzahl der vorangegangenen Geburten
Die hier gegebene Beschreibung ist daher nur beispielhaft und kann individuell abweichen.
MerkeJede dieser Phasen wird von typischen Merkmalen begleitet, anhand derer der Geburtsfortschritt verfolgt werden kann. Anhand der Wehenform und des klinischen Bildes kann die Dauer der aktuellen Phase abgeschätzt und die weiteren Maßnahmen geplant und eingeleitet werden.
Regulärer Ablauf einer Geburt
1. Eröffnungsperiode
- Beginn: ab muttermundwirksamen Eröffnungswehen
- Ende: vollständige Öffnung des Muttermundes (ca. 10 cm) und Blasensprung
- Dauer: 3 bis 12 h (abhängig von Anzahl der bisherigen Geburten
) - Wehenform: Eröffnungswehen
- Klinisches Bild:
- Muttermund (vollständig) eröffnet
- Verkürzte Zervix
- Ggf. Abgang des Schleimpropfes mit einhergehender Blutung (sog. Zeichnungsblutung)
- Am Ende der Eröffnungsperiode: Rechtzeitiger Blasensprung
2. Austrittsperiode
- Beginn: Muttermund vollständig geöffnet
- Ende: vollständige Geburt
des Kindes - Dauer: 30 min bis 2 h (abhängig von Anzahl der bisherigen Geburten
) - Wehenform: Austrittswehen
- Geburtsmechanik:
- Der Kopf steht zunächst in einem hohen Querstand (maximaler Durchmesser liegt horizontal), um durch den Beckeneingang zu passen
→ Die Pfeilnaht lässt sich horizontal tasten - Drehung des Kindes um 90° Grad und maximale Flexion des Kopfes, sodass nun der Kopf im tiefen Geradstand den Beckenausgang passieren kann und die Schultern im hohen Querstand ins Becken eintreten
→ Die Pfeilnaht lässt sich nun vertikal tasten, die kleine hintere Fontanelle ist führend tastbar - Deflexionsbewegung des kindlichen Kopfes (Kopf des Kindes überstreckt sich, das Gesicht zeigt bei vorderer Hinterhauptslage Richtung mütterlichem Steißbein)
→ Nach und nach lassen sich die größere vordere Fontanelle (eher rautenförmig) und das kindliche Gesicht ertasten - „Einschneiden“ des Kopfes: kindlicher Kopf wird während einer Wehe zwischen den Vulvalippen sichtbar
- „Durchschneiden“ des Kopfes: der Kopf verbleibt während der Wehenpause in der Vulva
- Geburt
des kindlichen Kopfes - Der Kopf dreht sich um 90 Grad zur Seite (Gesicht zeigt nach rechts oder links)
→ Die Schultern stehen dadurch vertikal im tiefen Geradstand, ihr maximaler Durchmesser erstreckt sich von dorsal nach ventral, um durch den Beckenausgang zu passen - Die Schultern des Kindes werden nacheinander geboren
- Nachdem die Schultern geboren sind, entwickelt sich mit der nächsten Wehe auch der restliche kindliche Körper
- Der Kopf steht zunächst in einem hohen Querstand (maximaler Durchmesser liegt horizontal), um durch den Beckeneingang zu passen
3. Nachgeburtsperiode
- Beginn: Abschluss der Geburt
des Kindes - Ende: Abschluss der Geburt
der Plazenta inkl. Eihäuten - Dauer: bis zu 30 min
- Wehenform: Nachgeburtswehen
- Klinisches Bild:
- Die Plazenta entwickelt sich selbstständig (möglichst ohne Zug von außen)
- Normaler Blutverlust postnatal: 300-400 ml
- Plazenta muss im Nachhinein auf Vollständigkeit und Beschaffenheit kontrolliert werden
Jmarchn, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons.
Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Die Texte wurden ins Deutsche übersetzt
Wehenformen
DefinitionUm den Fötus auf die Welt zu bringen, muss die Gebärmuttermuskulatur (das Myometrium) sich zusammenziehen und das Kind durch den Geburtskanal pressen. Diese Kontraktionen werden als Wehen bezeichnet.
Je nach Stadium der Schwangerschaft oder später bei der Geburt
Die Wehenformen werden in 4 unterschiedliche Gruppen eingeteilt:
- Schwangerschaftswehen
- Senk- und Vorwehen
- Geburtswehen
- Nachgeburtswehen
1. Schwangerschaftswehen
In der Schwangerschaft finden sogenannte Schwangerschaftswehen oder Übungswehen statt. Diese werden in Alvarez-Wellen und Braxton-Hicks-Wehen unterteilt. Beide Formen sind ab der 20. Schwangerschaftswoche
- Die Alvarez-Wellen zeichnen sich durch eine geringe Druckamplitude (2-3 mmHg) und eine hohe Frequenz (10 Kontraktionen/10min) aus. Ein weiteres Merkmal der Alvarez-Wellen ist, dass sie lokal begrenzt sind und sich nicht über das gesamte Abdomen ausbreiten.
- Braxton-Hicks-Kontraktionen zeichnen sich durch eine höhere Druckamplitude (30 mmHg) bei geringerer Frequenz (3-5 Kontraktionen/Stunde) aus. Unter der Wehe ist ein größerer Teil des Abdomens betroffen, oft ist der ganze Bauch hart zu tasten. Die Wehen dauern maximal 1 Minute.
Beide Formen der Wehentätigkeit zeigen nicht den unmittelbaren Beginn der Geburt
2. Senk- und Vorwehen
In einem späteren Stadium der Schwangerschaft gibt es noch zwei weitere Formen der Wehentätigkeit, die Senkwehen und die Vorwehen.
Beide Formen sind physiologisch und dienen der richtigen Positionierung des Kindes und Reifung der Zervix (Verkürzung der Zervix um ein Drittel und erste Dilatation). Während die Senkwehen eher als mittelstark eingestuft werden, sind die Vorwehen sehr stark (Druckamplituden bis zu 40 mmHg). Die Vorwehen treten oft einige Tage vor der Eröffnungsperiode auf. Sie dienen dazu, den Kopf des Fötus richtig im Becken zu positionieren. Sowohl die Senkwehen als auch die Vorwehen weisen ein unkoordiniertes und unregelmäßiges Muster auf.
TippAuch Senk- und Vorwehen kündigen noch keinen unmittelbaren Geburtsbeginn an und der Transport in die Klinik ist möglich.
MerkeSenk- und Vorwehen unterscheiden sich von den Geburtswehen durch den fehlenden Rhythmus, die niedrigere Frequenz und die niedrigere Druckamplitude.
3. Geburtswehen
Eröffnungswehen
- Funktion: Koordinierte, regelmäßige und rhythmische Wehen mit hoher Intensität zur Eröffnung des Muttermundes
- Frequenz: Zu Beginn ca. alle 10 Minuten, im Verlauf dieser ersten Phase werden die Abstände jedoch immer kürzer und die Dauer der einzelnen Kontraktionen nimmt zu
→ Wenn die Eröffnungsperiode in die Austrittsperiode übergeht, beträgt der Abstand zwischen den Kontraktionen oft nur noch 2-3 min - Druckanstieg: Bis zu 60 mmHg (20–30-faches der Alvarez-Wellen in der Frühschwangerschaft)
- Dauer der Eröffnungswehen: etwa 30 Sekunden (in der späten Phase)
- Ziel: Weitung des Muttermunds auf bis zu 10 cm, dann Beginn der
- Abnormitäten:
- Frustrane Wehen: Keine Muttermundsweitung trotz Wehen
- Vorzeitige Wehen: Eröffnungswehen vor der 37. SSW
- Dauer der Eröffnungsperiode:
- Erstgebärende: ca. 12 Stunden
- Mehrgebärende: ca. 2 Stunden
- Transportentscheidung in der Eröffnungsperiode:
- Wehenabstand: Transport bei Wehenabständen von 10 Minuten möglich, aber nicht bei 2 Minuten
- Vorgeschichte der Mutter: Eine Frau, die bereits mehrere Kinder geboren hat, durchläuft die verschiedenen Phasen der Geburt
oft schneller als eine Erstgebärende. Handelt es sich also bereits um die vierte Schwangerschaft, ist ein Transport in der Eröffnungsperiode risikoreicher als bei der ersten Schwangerschaft. Allerdings kann die Patientin oft selbst gut einschätzen, wie weit der Geburtsvorgang fortgeschritten ist und in die strategische Planung einbezogen werden - Vorgeschichte des Fötus: Für eine komplikationslose Geburt
ist unter anderem die Lage des Kindes wichtig. Liegt das Kind in Beckenendlage , ist eine Geburt im Krankenhaus oder ein Notfallkaiserschnitt deutlich sicherer als eine Hausgeburt. Die Kindslage kann von erfahrenen Untersucher:innen auch ohne Ultraschall festgestellt werden, wird aber auch bei den vorgeburtlichen Untersuchungen im Gravidogramm festgehalten, welches sich im Mutterpass befindet
Austrittswehen
- Funktion: Koordinierte, regelmäßige und rhythmische Wehen mit hoher Intensität zur Austreibung des Kindes
- Frequenz: Alle 4–1 Minuten
- Druck: Basaltonus steigt auf 15 mmHg, am Ende Wehendruck bis zu 220 mmHg
→ "Presswehen"- Oberhalb von 100 mmHg kommt die Uterusdurchblutung weitgehend zum Erliegen, was zu einem physiologischen Sauerstoffmangel des Kindes während der Wehen führt
- Verhalten der Gebärenden:
- Starker Drang zu pressen
- Unterstützung der Wehen durch Bauchpresse
- Transportmöglichkeiten:
- Kein Transport mehr möglich!
- Medizinische und psychologische Unterstützung notwendig
4. Nachgeburtswehen
- Funktion: Austreibung der Plazenta und Eihäute
- Intensität: Geringer als Presswehen, aber mit jeder Geburt
stärker - Die Kontraktionen sind im Gegensatz zu den vorhergehenden Wehen eher unregelmäßig
- Dauer: Phase sollte ca. 30 Minuten nach Geburt
des Kindes abgeschlossen sein
Nachwehen
- Funktion: Unregelmäßige, oft lokal begrenzte Kontraktionen zur Rückbildung des Uterus, Verschluss uteriner Gefäße zur Reduktion des postpartalen Blutverlustes
- Dauer: bis einige Tage nach der Geburt
Übersicht über die Wehenformen
Wehenform | Funktion | Frequenz / Druck | Besonderheiten | Zeitpunkt | |
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Schwangerschaftswehen | Alvarez-Wellen |
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Braxton-Hicks-Kontraktionen |
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Senkwehen |
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Vorwehen |
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Geburtswehen | Eröffnungswehen |
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Austrittswehen |
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Presswehen |
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Nachgeburtswehen |
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Nachwehen |
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Quellen
- S3-Leitlinie Die Sectio caesarea, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
- Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2023, ISBN: 978-3-132-44180-4
- Christine Geist, Ulrike Harder, Andrea Stiefel: Hebammenkunde. Hippokrates Verlag 2007, ISBN: 978-3-830-45388-8