Die Organdurchblutung wird durch lokale und zentrale Mechanismen reguliert.
Lokale Mechanismen:
Der Bayliss-Effekt und die myogene Autoregulation halten die Durchblutung konstant
Die metabolische Autoregulation passt die Durchblutung an die Aktivität des Organs an
Bayliss-Effekt
Eine Dehnung der Gefäßwand löst in den meisten Gefäßen durch den Anstieg des transmuralen Drucks eine Vasokonstriktion aus (Bayliss-Effekt)
Mechanosensitive Kationenkanäle werden in den Gefäßmuskelzellen aktiviert, wenn die Gefäße gedehnt werden
Die Aktivierung der Kationenkanäle führt zu einer Membrandepolarisation und erhöhtdie Öffnungswahrscheinlichkeit von spannungsgesteuerten Ca2+-Kanälen
Die erhöhte zytosolische Ca2+-Konzentration bewirkt eine Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur
Eine Hemmung der Ca2+ Kanäle senkt den Tonus der Gefäßmuskelzellen
Dieser Mechanismus hält den Blutfluss in das nachgeschaltete Organ auch bei Zunahme oder Abnahme des arteriellen Blutdrucks konstant
Bei einer Zunahme des Blutdrucks würde die Organdurchblutung zunehmen ➜ durch die gegenregulatorische Vasokonstriktion durch den Bayliss-Effekt reduziert sich der Blutfluss und die Organdurchblutung bleibt konstant
Bei einer Abnahme des Blutdrucks würde die Organdurchblutung abnehmen ➜ durch eine gegenregulatorische Vasodilatation erhöht sich der Blutfluss und die Organdurchblutung bleibt konstant
Merke
Der Bayliss-Effekt ist in Niere und Gehirn von zentraler Bedeutung!
Bei einer Zunahme des Blutdrucks würde die Organdurchblutung zunehmen ➜ durch die gegenregulatorische Vasokonstriktion durch den Bayliss-Effekt reduziert sich der Blutfluss und die Organdurchblutung bleibt konstant
Organdurchblutung: Lokale und zentrale Mechanismen
Zu den lokalen Mechanismen, die die Organdurchblutung regulieren, gehören neben dem zuvor dargestellten Bayliss-Effekt (lokal-mechanisch) auch lokal-metabolische und lokal-chemische Mechanismen. Zu den zentralen Mechanismen, die die Organdurchblutung regulieren, gehören zentral-nervale und zentral-hormonelle Mechanismen.
Zentral-metabolisch:
Bei einer erhöhten Organaktivität (z.B. bei Sport in der Skelettmuskulatur) werden Stoffwechselprodukte wie pCO2, Laktat, K+ oder ADP gebildet. Weiterhin kommt es zu einer Reduktion des pO2 und des pH-Wertes
Um die Stoffwechsel-Abbauprodukte abzutransportieren und das Gewebe mit neuen Nährstoffen zu versorgen, wird die Organdurchblutung durch eine Veränderung der Blutgaspartialdrücke (pCO2 und O2); der Stoffkonzentrationen (Laktat, K+, ADP, cAMP, cGMP, Adenosin); der Osmolarität; einiger Hormone wie Bradykinin und eine Veränderung des pH-Wertes (Erhöhung der H+-Konzentration) beeinflusst
Lokal-chemisch:
So führt z.B. Stickstoffmonoxid (= NO) oder Prostacyclin (PHI2) zu einer Vasodilatation
Im Rahmen einer allergischen Reaktion wird Histamin ausgeschüttet, dieses führt zu einer Vasodilatation und einer Steigerung der Gefäßpermeabilität
In den Lungen führt der Euler-Liljestrand-Mechanismus bei einer geringen Sauerstoffsättigung zu einer Vasokonstriktion. Hierdurch wird verhindert, dass Lungenabschnitte durchblutet werden, die nicht gut belüftet sind. Es sollen primär die gut belüfteten Lungenabschnitte durchblutet werden, sodass Kohlenstoffdioxid (= CO2) abgegeben und Sauerstoff (= O2) aufgenommen werden können
Zentral-nerval:
Aus den Nervenendigungen der sympathischen Nervenfasern wird Noradrenalin ausgeschüttet. Dieses bewirkt an α1-Rezeptoren eine Vasokonstriktion und über β2-Rezeptoren eine Vasodilatation
Zentral-hormonell:
Zusätzlich bewirkt die Sympathikus-Aktivität eine Ausschüttung von Adrenalin aus den Nebennierenrinden. Dieses bewirkt über β2-Rezeptoren eine Dilatation der Gefäße der Skelettmuskulatur und einer Dilatation der Koronararterien und über α1-Rezeptoren eine Konstriktion fast sämtlicher übriger Gefäßmuskulatur (z.B. körperliche Aktivität ➜ Vasodilatation in der Skelettmuskulatur und Vasodilatation in den Koronararterien aufgrund eines erhöhten Sauerstoffbedarfs in der Skelettmuskulatur und in den Herzmuskelzellen ➜ zusätzlich Vasokonstriktion in den Geweben, die bei körperlicher Aktivität keiner verstärkten Durchblutung bedürfen)
Angiotensin II wurde bereits im Rahmen des Renin-Angiotensin-Systems dargestellt. Es bewirkt über die Angiotensin-II-Rezeptoren Typ 1 (= AT1-Rezeptoren) eine Vasokonstriktion. Zusätzlich beeinflusst es über den AT1-Rezeptor die Herzkontraktilität, die glomeruläre Filtration, die Freisetzung von Aldosteron und Vasopressin (= antidiuretisches Hormon/ADH). Weiterhin stimuliert es das Zellwachstum
β2-Rezeptoren: Dilatation der Gefäße der Skelettmuskulatur und der Koronararterien α1-Rezeptoren: Konstriktion fast sämtlicher übriger Gefäßmuskulatur
Noradrenalin
Überwiegend über α1-Rezeptoren Vasokonstriktion
Angiotensin II
Vasokonstriktion
Lokal-mechanisch (myogen)
Bayliss-Effekt (Autoregulation)
Vasokonstriktion
Lokal-chemisch
Stickstoffmonoxid (NO)
Erhöhung von cGMP ➜ führt zu einer NO-Synthese ➜ Vasodilatation
Acetylcholin
NO-Freisetzung in Endothelzellen ➜ Vasodilatation
Kinine (Bradykinin, Kallidin)
Vasodilatation Steigerung der Gefäßpermeabilität
Histamin
Vasodilatation
Euler-Liljestrand-Mechanismus
Vasokonstriktion
Serotonin
Je nach Rezeptortyp: Vasodilatation oder Vasokonstriktion
Prostacyclin (PGI2)
Erhöhung von cAMP ➜ Vasodilatation
Endothelin 1 (ET-1)
Vasokonstriktion über ETA-Rezeptoren (überwiegend in Arterien) Vasodilatation über ETB-Rezeptoren (überwiegend im Niederdrucksystem)
Lokal-metabolisch
Anstieg von pCO2, K+, ADP, Laktat, cGMP, cAMP, Adenosin, Osmolarität und einiger Hormone wie Bradykinin
Vasodilatation
Reduktion von pH-Wert und pO2(Erhöhung der H+-Konzentration)
Vasodilatation
Reaktion auf einen erhöhten Blutdruck
Reaktion auf einen erniedrigten Blutdruck
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Besonderheiten der Durchblutung einzelner Organe
Anteilige und spezifische Organdurchblutung
Organe
Organdurchblutung in ml/min pro 100 g Organgewicht
Anteil am Herzzeitvolumen in %
Nieren
350
20
Myokard
85
5
Gehirn
50
15
Eingeweide
50
30
Haut und Skelett
10
10
Muskulatur
3
20
Kreislaufregulation in bestimmten Situationen
Im täglichen Leben muss sich der Kreislauf an die jeweilige Aktivität des Menschen und an die äußeren Bedingungen anpassen.
Als Orthostase wird die aufrechte Körperposition bezeichnet
Beim Übergang vom Liegen ins Stehen „versacken“ ca. 500 ml des zentralen Blutvolumens " in den Kapazitätsgefäßen des Beines
Gegenregulatorisch erfolgt folgender Mechanismus: der venöse Rückstrom zum Herzen ist reduziert → Vorlast↓ → Schlagvolumen↓ → HZV↓ → systolischer Blutdruck↓ → Aktivität der Pressorezeptoren und Volumenrezeptoren↓ → Gegenregulation
Effekte der Gegenregulation: Vasokonstriktion der Widerstandsgefäße → total peripherer Widerstand↑, Vasokonstriktion der Kapazitätsgefäße → venöser Rückstrom↑, Katecholaminausschüttung aus dem Nebennierenmark↑, Herzfrequenz↑ → Herzzeitvolumen (HZV) leicht erniedrigt
Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und vermehrte ADH-Ausschüttung führen zur Vasokonstriktion und langfristigen Volumenretention
Orthostatische Synkope: Anpassungsreaktionen sollen ausreichend hohen arteriellen Blutdruck erzeugen, um Organperfusion aufrechtzuerhalten, bei unzureichender Gegenregulation kommt es zur Minderperfusion der Organe, v.a. das Gehirn ist betroffen. Symptome können sein: Sehstörungen, Schwindel, Bewusstseinsverlust
Besonderheiten der Durchblutung einzelner Organe
In den verschiedenen Organen gibt es aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Durchblutung Besonderheiten in der Regulation der Durchblutung.
Organe
Besonderheiten der Durchblutung
Regulationsmechanismen
Lunge
Wird vom gesamten HZV durchflossen
Gefäßdurchmesser ändert sich druckpassiv
Anpassung der Gefäßdurchblutung an die Ventilation
Insbesondere die myogene Autoregulation (Bayliss-Effekt) ist wichtig, um die Durchblutung der Nieren konstant zu halten
Extrem geringe Sauerstoffausschöpfung (∼10%)
Skelett-muskel
Hoher HZV-Anteil bei insgesamt großem Gewicht
Lokal-metabolische und lokal-chemische Autoregulation, nervale Regulation
Geringe spezifische Durchblutung im Ruhezustand
Stark steigerbar bei Arbeit (20-30-fach)
Gehirn
Gesamtorgandurchblutung sehr konstant
Insbesondere lokal-metabolische Autoregulation (O2, CO2, pH-Wert) und myogene Autoregulation (Bayliss-Effekt)
Lokale Durchblutung stark aktivitätsabhängig
Haut
Hautdurchblutung dient der Temperaturkontrolle
Akren: Insbesondere sympathische Innervation; Körperstamm: Insbesondere lokal-chemische Autoregulation
Stark schwankender Anteil am HZV
Spezifische Durchblutung regulierbar durch arteriovenöse Anastomosen
Myokard
Hohe spezifische Durchblutung, 4-5-fach steigerbar bei Belastung (Koronarreserve)
Insbesondere lokal-metabolische Autoregulation
Größte arteriovenöse O2-Differenz (∼70-80%)
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Zuletzt aktualisiert am 19.09.2024
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