Zusammenfassung
Die Gesprächsführung im klinischen Alltag weist häufig ein großes Verbesserungspotential auf. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber noch immer aktuell. Nachdem die Folgen mangelhafter Kommunikation im Artikel
Gesprächsstruktur
Eine Schwierigkeit beim Erlernen kommunikativer Kompetenz ist die effektive Übertragung theoretischer Kenntnisse in reale Szenarien. Für eine erfolgreiche Kommunikation in der Praxis ist es deshalb hilfreich, Gespräche zu strukturieren und sich auf den Ablauf vorzubereiten.
Dazu eignet sich das Calgary-Cambridge-Modell - eine evidenzbasierte Methode für die Gesprächsführung zwischen Mitarbeitenden der Gesundheitsberufe und Patient:innen. Die Strukturierung von Gesprächen steht dabei im Vordergrund. Diese erleichtert die Anwendung erlernter Kommunikationsfertigkeiten und hilft so u.a. dabei, eine erfolgreiche Beziehung aufzubauen.
Das Modell fasst das Gespräch als einen Prozess zusammen, der in 5 aufeinanderfolgenden Schritten abläuft:
- Gesprächsbeginn
- Sammeln von Informationen
- Körperliche Untersuchung
- Erläuterung und Planung
- Gesprächsende
Die Strukturierung und der Beziehungsaufbau sind fundamentale Schritte, die das gesamte Gespräch begleiten. Die folgende Abbildung zeigt das Grundgerüst des Modells.
InfoIm Folgenden liegt der Fokus auf Gesprächen zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Die Kommunikationsmodelle und die Kommunikationsskills sind jedoch auch für die anderen Berufsgruppen und für die interdisziplinäre Kommunikation anwendbar.
Diese Grundstruktur wird dadurch ergänzt, dass in jedem der Schritte zusätzlich bestimmte Ziele erreicht werden sollen. Um diese Ziele zu erreichen, sind wiederum eine Reihe von spezifischen Kommunikationsskills und Verhaltensweisen notwendig. Die Begründer des Modells identifizierten insgesamt 71 evidenzbasierte Kompetenzen (sog. „Microskills“), die in den Aufgaben- und Zielrahmen passen. Diese Erweiterung des Grundgerüsts hilft dabei, die zahlreichen Kommunikationsfertigkeiten besser zu organisieren und in Gesprächsverläufe zu integrieren.
→ Jedes ärztliche Gespräch hat eine Struktur, in der Ziele, Inhalte und Kompetenzen einzelnen Phasen zugeordnet werden können. Das Was und das Wie der ärztlichen Kommunikation sind keine Alternativen – sie sind miteinander verknüpft!
Erweiterte Struktur - Ziele und Kompetenzen
In der folgenden Übersicht werden die Ziele der einzelnen Schritte dargestellt. Zusätzlich werden einige der 71 Microskills, die für die Zielerreichung relevant sind, exemplarisch aufgeführt.
Ziele | Beispiele für relevante Kommunikationsskills und Verhaltensweisen | |
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Gesprächsbeginn |
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Sammeln von Informationen | Erkundung von Problemen der Patient:innen auf verschiedenen Ebenen:
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Körperliche Untersuchung | Die Ziele und Kompetenzen im Zusammenhang mit der körperlichen Untersuchung variieren je nach Grund und Art der Konsultation. Wichtig ist ein respektvoller Umgang und eine Beachtung der Privatsphäre der Patient:innen. | |
Erläuterung und Planung |
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Gesprächsende |
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Struktur |
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Beziehung |
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Das Calgary-Cambridge-Modell ist insgesamt eine gute Möglichkeit, Gesprächsabläufe zu organisieren und so theoretische Kenntnisse in der Praxis leichter anwenden zu können. Eine klare Struktur hilft zudem dabei, auch in ausführlicheren Beratungsgesprächen oder in speziellen Situationen die Orientierung
Das Modell kann an dieser Stelle als erster Überblick über den Ablauf und die Inhalte des ärztlichen Gesprächs betrachtet werden. Im weiteren Verlauf werden die einzelnen Kommunikationsschritte näher besprochen. Dabei werden essenzielle Kommunikationsskills und hilfreiche Gesprächstechniken genauer erläutert.
Beziehungsaufbau
Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist die Basis der ärztlichen Gesprächsführung. C. R. Rogers beschreibt in seinem personenzentrierten Ansatz 3 Kernelemente, die den Aufbau und den Erhalt einer guten Beziehung fördern: Kongruenz (Echtheit), Akzeptanz (Wertschätzung) und Empathie.
MerkeEine funktionierende Beziehungsebene ist die Voraussetzung für den Inhaltsaspekt. Störungen auf der Beziehungsebene übertragen sich auf den Inhaltstransfer und haben so unmittelbaren Einfluss auf Verstehen und Missverstehen. (Watzlawick)
Kongruenz
Unter Kongruenz oder Echtheit versteht man die Grundhaltung, Patient:innen als Mensch zu begegnen und sich nicht hinter einer Fassade zu verstecken. In der Praxis bedeutet Kongruenz bspw., dass Ärzt:innen offen und ehrlich auf Fragen antworten und hinter ihren Äußerungen stehen.
Akzeptanz
Akzeptanz beschreibt eine wertschätzende Haltung, welche nicht an Bedingungen geknüpft ist. Die Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen der Patient:innen sollen ohne Wertung oder Beurteilung wahrgenommen und akzeptiert werden. Wertschätzung wird bspw. ausgedrückt, indem Ärzt:innen Anteilnahme zeigen.
Empathie
Unter Empathie versteht man das Einfühlen in die subjektive Wahrnehmung der Patient:innen. Es geht darum, sich in die Welt des anderen hineinzuversetzen, um emotionale Komponenten und deren Bedeutungen zu erfassen. Empathie ermöglicht es bspw. nachzuvollziehen, weshalb bestimmte Medikamente oder Therapien abgelehnt werden.
Empathie wird u.a. durch „aktives Zuhören“ ausgedrückt. Aktives Zuhören bedeutet, dass sich der Empfänger auf das Gesagte des Senders konzentriert und sich bemüht den Sender wirklich zu verstehen. Die Präsenz und die Bereitschaft zuzuhören wird dabei durch verbale und nonverbale Aufmerksamkeitsreaktionen vermittelt.
- Verbal: Bestätigungslaute (z.B. „Ah“, „Ja“, „Mhm“), kurze Rückfragen (z.B. „Und wie fühlen Sie sich dabei?“), paraphrasieren („Verstehe ich richtig, dass…“)
- Nonverbal: zugewandte Körperhaltung, Augenkontakt, Nicken

Neben den von Rogers beschriebenen Kernelementen gibt es weitere Faktoren, die den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung fördern. Dazu zählt u.a. ein selbstbewusstes Auftreten und eine unterstützende Haltung der Ärzt:innen. Auch die Einbeziehung der Patient:innen ist an dieser Stelle ein wichtiger Faktor. Dies gelingt bspw., indem Ärzt:innen ihre eigenen Gedanken teilen und gleichzeitig die Gedanken der Patient:innen berücksichtigen.
Gespräche beginnen
Laut Calgary-Cambridge-Modell dient der Schritt „Gesprächsbeginn“ dazu, auf das Gespräch vorzubereiten, einen ersten Kontakt herzustellen und die Gründe für die Konsultation zu eruieren.
Um sich auf das Gespräch mit Patient:innen vorzubereiten, eignen sich bspw. Checklisten mit kurzen Fragen zur Selbstkontrolle. So gelingt es, sich in kurzer Zeit einen Überblick zu verschaffen und sich auf das anschließende Gespräch vorzubereiten.
Eine Checkliste könnte z.B. folgende Fragen beinhalten:
- Ist genügend Zeit für das Gespräch eingeplant?
- Existieren Störfaktoren? Wenn ja, lassen sie sich beseitigen? (z.B. Raumtemperatur, Nebengeräusche, aufgeräumtes Zimmer)
- War der Patient/die Patientin bereits bei Ihnen? à Wenn ja: Wann und weshalb?
- Kennen Sie die Krankenakte? Haben Sie alle Arztbriefe
und Untersuchungsergebnisse gelesen? - In welchem psychischen und physischen Zustand ist der Patient/die Patientin?
- Bestehen Verständigungsprobleme oder Probleme auf Beziehungsebene? Muss ggf. ein:e Dolmetscher:in organisiert werden?
- Haben Sie alle notwendigen Unterlagen vorbereitet?
TippDie Vorbereitung von Gesprächen spart Zeit. Auch wenn es sich wie zusätzliche Arbeit anfühlt, wird die Gesprächszeit durch prägnantere Kommunikation besser genutzt.
Für die erste Kontaktaufnahme sollten Ärzt:innen ihre Patient:innen freundlich begrüßen. Danach folgt eine namentliche Vorstellung, innerhalb derer die Ärzt:innen kurz über sich selbst, ihre Rolle und die Art des Gesprächs informieren. An dieser Stelle ist es auch hilfreich, den verfügbaren Zeitrahmen zu kommunizieren. Dies bietet den Patient:innen Orientierung
Beispiel:
„Mein Name ist Dr. Müller und ich bin der Chefarzt dieser Station. Wir werden heute erst einmal darüber sprechen, warum Sie hier sind und dann gemeinsam entscheiden wie es weitergeht. Dafür nehmen wir uns Zeit. Wir müssen jedoch bedenken, dass es noch weitere Patient:innen auf dieser Station gibt, mit denen wir heute sprechen möchten.“
Schon während der Begrüßung ist es wichtig, eine respektvolle Atmosphäre zu schaffen und den Patient:innen Interesse für ihre Anliegen entgegenzubringen.
Ein weiterer, wichtiger Schritt ist die Eruierung der Gründe für die Konsultation. Dafür eignet sich eine passende Eröffnungsfrage wie: „Was führt Sie denn heute zu mir?“ oder „Was möchten Sie heute besprechen?“. Es ist wichtig, dass Ärzt:innen der initialen Rede aufmerksam zuhören und die Patient:innen dabei nicht unterbrechen. Nach Beantwortung der Eröffnungsfrage werden weitere eventuell bestehende Probleme erfragt. Abschließend wird die Agenda für das folgende Gespräch gemeinsam festgelegt.
AchtungÄrzt:innen unterbrechen ihre Patient:innen im Schnitt schon nach 18 Sekunden. Ohne Unterbrechung benötigen Patient:innen ca. 90 Sekunden, um die Eröffnungsfrage zu beantworten. Obwohl dies nach einem großen Unterschied klingt, bleibt die Gesamt-Konsultationszeit nahezu gleich. Die Folge: Es wird keine Zeit gespart, aber wichtige Informationen gehen verloren.
Informationen sammeln
Im Rahmen der Informationsgewinnung geht es darum, Probleme der Patient:innen auf verschiedenen Ebenen zu erkunden. Gerade in dieser Phase sollte man viele Fragen stellen und zuhören.
Ärztliche Gespräche sind ein Wechselspiel zwischen Fragen und Antworten. Dabei wird zwischen verschiedenen Frageformen unterschieden. Je nach Art und Zeitpunkt der Fragen, können Gespräche gezielt gelenkt werden. Dies ist vor allem im späteren Verlauf des Gesprächs von Bedeutung. Folgende Fragetypen werden unterschieden:
Offene Fragen („W-Fragen“) | Geschlossene Fragen |
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Eine zusätzliche Frageform sind gezielte Fragen. Diese dienen der Präzisierung, lassen sich aber im Unterschied zu geschlossenen Fragen nicht nur mit Ja oder Nein beantworten. Eine solche Frage wäre z.B.: „Wohin strahlt der Schmerz aus?“.
Die Anwendung jeder dieser Frageformen ist berechtigt. Wichtig dabei ist, dass der Einsatz vom gewünschten Ziel abhängt. Grundsätzlich gilt das sogenannte Trichterprinzip: Die Fragetechnik verändert sich mit dem Gesprächsverlauf vom offenen Stil hin zum geschlossenen.
So haben Patient:innen die Möglichkeit, Probleme und Anliegen zuerst in eigenen Worten zu schildern. Geschlossene und gezielte Fragen dienen im weiteren Verlauf dem raschen und direkten Informationsgewinn.
Problematische Frageformen
- Suggestivfragen: Frageform, welche die Befragten in ihrer Beantwortung beeinflusst. Die fragende Person will das Gegenüber gezielt in eine Richtung lenken.
Beispiel: „Ich nehme an, Sie haben ihre Tabletten ordnungsgemäß eingenommen?“ - Doppelfragen: Frageform, die 2 Fragen hintereinander enthält. Empfänger sind oft verwirrt und wissen nicht, auf welche Frage sie antworten sollen. Häufig wird nur eine der Fragen beantwortet, was dann wiederum den ursprünglichen Sender verwirrt. Dies kann zu einem Informationsverlust führen.
Beispiel: „Haben Sie die Medikamente wie besprochen eingenommen und haben Sie dabei Nebenwirkungen festgestellt?“ - Konfrontationsfragen: Konfrontierende Fragen können zum Nachdenken anregen und damit auch zur Problemlösung beitragen. Häufig werden derartige Fragen jedoch als Kritik aufgefasst und können so eine Abwehrhaltung der Patient:innen hervorrufen.
Beispiel: „Denken Sie, dass die Therapie erfolgreich sein kann, wenn Sie die Medikamente nicht einnehmen?“
WWSZ–Technik
Unter dem Akronym WWSZ (Warten, Wiederholen, Spiegeln, Zusammenfassen) werden wichtige Basistechniken zusammengefasst, welche den Prozess der Informationsgewinnung unterstützen. Während Patient:innen auf die Fragen antworten, besteht die erste Aufgabe der Ärzt:innen darin, zu warten. Patient:innen sollen dabei nicht unterbrochen werden. In einem weiteren Schritt soll das Gesagte wiederholt werden. Die Wiederholung in eigenen Worten dient dabei v.a. der Verständigung. Patient:innen haben so die Möglichkeit, das Verstandene zu korrigieren, zu ergänzen oder zu bestätigen. Außerdem kann das Wiederholen dazu dienen, einen stockenden Gesprächsfluss wieder anzuregen. Ein weiterer Schritt ist das Spiegeln. Dabei wird versucht, unausgesprochene Gefühle oder Gedanken des Gegenübers in eigenen Worten auszudrücken. Verbale und nonverbale Signale können bspw. auf bestimmte Emotionen oder Befürchtungen hinweisen. Schließlich ist auch das Zusammenfassen eine wichtige Basistechnik. Zusammenfassungen sollten vorher angekündigt werden und in eigenen Worten wiedergeben, was bisher verstanden wurde. Patient:innen haben dadurch nochmals die Möglichkeit Korrekturen vorzunehmen oder Informationen zu ergänzen.
Beispiel:
Frau Müller spricht mit ihrem Arzt. Sie möchte das verschriebene Antibiotikum nicht einnehmen. Sie hat im Internet von den zahlreichen Nebenwirkungen gelesen.
Patientin: „Ich habe gelesen, dass das Antibiotikum schlimme Nebenwirkungen hat.“
Arzt: Warten → Nach Satzende kurz Pausieren, Ergänzungen abwarten; zugewandte Haltung
Arzt: Wiederholen → Patientin zum Weiterreden ermutigen: „Schlimme Nebenwirkungen?“
Patientin: „Ja. Ich habe bspw. gelesen, dass es zu gefährlichen Hautreaktionen kommen kann.“
Arzt: Spiegeln → „Okay, und Sie haben jetzt Angst, dass das bei Ihnen auch eintreten könnte?“
Patientin: „Ja.“
Arzt: Zusammenfassen → „Wir haben nun über das Antibiotikum gesprochen. Sie wollen es nicht einnehmen, da Sie Angst vor den möglichen Nebenwirkungen haben…“
Neben dem adäquaten Einsatz verschiedener Fragestile und aktivem Zuhören ist es wichtig, dass die Informationsgewinnung auf verschiedenen Ebenen erfolgt. Abgesehen von der biomedizinischen Perspektive der Erkrankung und den Hintergrundinformationen, ist auch die Perspektive der Patient:innen relevant.
- Biomedizinische Perspektive: Reihenfolge der Ereignisse, Symptomanalyse, körperliche Untersuchung
- Hintergrundinformationen: Krankengeschichte, Familienanamnese, Allergien und Medikamente, persönliche Geschichte
- Perpektive der Patient:innen: Ideen und Überzeugungen, Ängste und Sorgen, Erwartungen, Gefühle, Auswirkungen auf das Leben
Die Perspektive der Patient:innen ist wichtig, um die individuelle Krankheitserfahrung nachvollziehen zu können. Eine Diagnosestellung, die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses und weitere Entscheidungen erfolgen auf Basis der Informationen aller Perspektiven.
Informationen vermitteln
Patient:innen wünschen sich in der Regel, umfassend über ihren Gesundheitszustand und die Therapie informiert zu werden. Das Problem dabei ist, dass Patient:innen die Informationen häufig nicht verstehen. Gründe dafür sind u.a. eine falsche Menge an Informationen oder unverständliche Erklärungen. Die Aufnahmekapazität ist grundsätzlich begrenzt. Sind Patient:innen zum Zeitpunkt des Gesprächs z.B. besorgt oder ängstlich, kann die Aufnahmefähigkeit zusätzlich verringert sein. Es ist außerdem unklar, welche der Informationen behalten und welche vergessen werden. So ist es z.B. möglich, dass sich Patient:innen an Details erinnern, wesentliche Informationen jedoch verloren gegangen sind. Informieren bedeutet also nicht gleich Behalten.
Vor Beginn der Informationsvermittlung sollte die Ausgangssituation eingeschätzt werden. Hierbei werden Patient:innen gefragt, wieviel Sie bereits über die jeweilige Thematik wissen und welche Informationen sie gerne mitgeteilt bekommen möchten.
AchtungDie Aufnahmekapazität ist begrenzt: Menschen können nur 7 ± 2 neue Informationseinheiten (Chunks) auf einmal im Kurzzeitgedächtnis abspeichern. Wenn viele Informationen vermittelt werden müssen, sollten die wichtigen Informationen zuerst und ausführlicher vermittelt werden. Ggf. sollten unwichtige Informationen der Einfachheit halber ausgelassen und in einem anderen Gespräch dargestellt werden.
Um die Informationsvermittlung zu erleichtern, ist eine Strukturierung des Prozesses hilfreich. Hierfür hat Langewitz den Begriff der Buch-Metapher eingeführt. Genauso wie die Gliederung von Buchinhalten, können auch medizinische Informationen segmentiert vermittelt werden.
Beispiel:
1. Titel: Die geplante Herzkatheteruntersuchung
→ „Ich möchte mit Ihnen über die geplante Herzkatheteruntersuchung
2. Inhaltsverzeichnis: Besprechung von 4 Themen: 1. Warum, 2. Wie, 3. Risiken, 4. Wie geht es danach weiter
→ „Dabei würde ich gerne folgende Punkte besprechen: 1. Warum die Untersuchung durchgeführt wird, 2. Wie die Untersuchung abläuft…“ Pause
3. Kapitelüberschrift: Warum ist eine Herzkatheteruntersuchung
→ Auf Einverständnis der Patient:innen warten, dann zum ersten Thema zurückkehren: „Also, zum ersten Punkt: Warum die Untersuchung durchgeführt werden soll…“
4. Text: Genauere Informationen zum ersten Punkt
Im Zuge der Informationsvermittlung ist zudem stets auf eine einfache und prägnante Sprache zu achten. Fachbegriffe sollten vermieden werden. Es ist außerdem hilfreich, Informationen in kleinen Einheiten zu vermitteln.
Merke„Der alte Arzt spricht Latein, der junge Arzt spricht Englisch. Der gute Arzt spricht die Sprache des Patienten“ – Prof. Lehr
Die sogenannte „Teach-Back-Technik“ ist eine gut untersuchte Methode, um das Verständnis der Patient:innen zu überprüfen. Diese werden aufgefordert, die Informationen nochmals in eigenen Worten wiederzugeben. Die Aufforderung sollte dabei jedoch nicht wie eine Prüfungsfrage klingen.
Beispiel:
„Ich finde, das waren ziemlich viele Informationen und es war nicht einfach für mich, das Ganze verständlich zu erklären. Wie würden Sie Ihrem Partner heute Abend die Inhalte erläutern? So kann ich überprüfen, ob ich etwas noch einmal besser erklären sollte.“
Neben der Überprüfung des Verständnisses können mit der Teach-Back-Technik auch Missverständnisse aufgedeckt werden. Durch die Wiederholung in eigenen Worten prägen sich die Informationen zudem besser ein.
1. Ausgangssituation klären |
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2. Informationen vermitteln |
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3. Verständnis prüfen |
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Gespräche beenden
Am Ende des Gesprächs wird die weitere Vorgehensweise gemeinsam geplant und nächste Schritte konkret festgelegt. Dabei sollten Ärzt:innen überprüfen, ob die Patient:innen mit dem geplanten Vorgehen zufrieden sind. Außerdem sind die Patient:innen über mögliche unerwartete Ereignisse zu informieren. Dies können bspw. Nebenwirkungen bestimmter Medikamente sein. Ärzt:innen sollten dabei auch erwähnen, wer in einem solchen Fall zu verständigen ist. Weiterhin sollten die Patient:innen auf besonders wichtige Punkte hingewiesen werden (z.B. notwendige Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern nach koronararterieller Stentimplantation).
In einem weiteren Schritt sollten die Sitzung und der Behandlungsplan kurz zusammengefasst werden. Abschließend sind noch offene Fragen oder weitere Anmerkungen abzuklären.
Insbesondere ältere Personen sind häufig vergesslich. In diesem Fall ist es z.B. hilfreich, nach Möglichkeit ein Gesprächsprotokoll zu führen, in dem die wichtigsten Punkte der Konsultation schriftlich festgehalten werden.
Umgang mit Emotionen
Gespräche zwischen Ärzt:innen und Patient:innen gehen häufig mit intensiven Emotionen einher. Wichtig ist zuerst einmal die Tatsache, dass Emotionen grundsätzlich Mitteilungscharakter haben. Deshalb sind wahrgenommene Emotionen immer anzusprechen und zu benennen. Werden hingegen keine Emotionen ausgedrückt, sollte der Gefühlsausdruck gefördert werden.
Beispiel:
„Sie wirken recht gefasst. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen gerade sehr viel durch den Kopf geht?“
Der Umgang mit Emotionen ist gerade im Hinblick auf intensive Gefühle schwierig. In diesen Situationen hat sich das NURSE-Modell bewährt. Die einzelnen Schritte müssen dabei nicht strikt eingehalten werden, sondern dienen eher als Orientierung
Wichtig ist jedoch, dass Emotionen stets Vorrang haben. Das bedeutet, dass es z.B. in einer Situation starker Emotionen keinen Sinn macht, mit der Vermittlung von Informationen fortzufahren.
InfoNURSE - Modell
Naming: Emotionen benennen
Understanding: Verständnis ausdrücken
Respecting: Emotionen respektieren
Supporting: Unterstützung anbieten
Exploring: Hintergründe eruieren
Naming
Das Benennen der Emotionen ist dann sinnvoll, wenn Patient:innen Gefühle zum Ausdruck bringen, diese aber selbst nicht konkret benannt haben.
Beispiel:
Herr Müller wackelt während dem Aufklärungsgespräch
Ärztin: „Ich habe den Eindruck, dass Sie unruhig sind. Möchten Sie mir erklären, was genau Sie nervös macht?“
Understanding
Indem Verständnis für die Emotionen gezeigt wird, wird gleichzeitig Wertschätzung ausgedrückt. Dies wirkt sich positiv auf die Beziehung aus und gibt den Patient:innen ein besseres Gefühl.
Beispiel:
„Ich kann Ihre Emotionen in diesem Zusammenhang sehr gut nachvollziehen.“
Respecting
In den meisten Fällen empfinden Menschen den Ausdruck von Emotionen als unangenehm. An dieser Stelle ist es wichtig, die Gefühle zu respektieren und den Patient:innen zu vermitteln, dass die Emotionen in dieser Situation ganz normal und verständlich sind.
Beispiel:
„Es ist völlig normal, dass Sie sich in dieser Situation so fühlen!“
Supporting
Unterstützung wird bspw. geboten, indem den Patient:innen Möglichkeiten zur Problembewältigung aufgezeigt werden. Um herauszufinden, auf welche Weise man Patient:innen in ihrer Situation unterstützen kann, ist es auch hilfreich, konkret nachzufragen.
Beispiel:
„Was würde Ihnen helfen, um mit dieser Situation besser umgehen zu können?“
Exploring
In diesem Schritt geht es darum, Hintergründe, Ursachen und das Ausmaß der Gefühle genauer zu erkunden und so ein besseres Verständnis zu schaffen.
Beispiel:
„Ich würde gerne noch besser verstehen, was Sie in diesem Moment so beschäftigt.“
Darüber hinaus ist es sinnvoll sich zu vergewissern, ob das Gespräch an dieser Stelle weitergeführt werden kann oder nicht.
CALM-Modell
Nicht selten äußern sich Emotionen auch in aggressivem oder wütendem Verhalten. Stress, Angst, Frustration und Überforderung sind Beispiele für mögliche Ursachen von Aggression. Das sogenannte CALM-Modell ist eine Methode, um Konflikte zu bewältigen und aggressives Verhalten zu deeskalieren. Auch bei diesem Modell müssen nicht alle 4 Stufen strikt durchlaufen werden. Je nach Situation kann zur nächsten Stufe gewechselt oder direkt bei einer höheren Stufe begonnen werden.
Contact
- Verbal und nonverbal Ruhe bewahren
- Mögliche Fehler eingestehen, jedoch nicht rechtfertigen
- Schwierige Situation akzeptieren
→ Verzicht von Floskeln wie: „Ach, das ist doch nicht so schlimm.“ - Zusammenhänge erläutern, die zu dieser Situation geführt haben: „Ich glaube, ich habe mich da falsch ausgedrückt…“
Appoint
- Wahrgenommene Emotionen benennen
- Verbale und/oder körperliche Ausbrüche ansprechen und stoppen
- Nachdem sich die Patient:innen beruhigt haben, können ursächliche Emotionen aufgegriffen werden: „Ich nehme an, dass Sie gerade sehr besorgt sind und sich fragen, wie es weitergeht. Das kann ich nachvollziehen.“
Look ahead
- Bei anhaltend aggressivem Verhalten sollte darauf hingewiesen werden, dass man nicht gegeneinander arbeitet, sondern beide dasselbe Ziel verfolgen
- Planung, wie eine weitere Zusammenarbeit aussehen kann: „Ich frage mich jetzt, wie wir nun weiter vorgehen. Was halten Sie davon, wenn…“
- Grenzen und Regeln für die weitere Zusammenarbeit festlegen und benennen (Drohungen vermeiden!)
Make a decision
- Konkreten „Vertrag“ anbieten, den die Patient:innen annehmen oder ablehnen können
- Deutlich machen, dass es keine weiteren Diskussionen geben wird: „Es hilft uns nicht, weiter darüber zu diskutieren. Sie können mein Angebot entweder annehmen oder ablehnen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“
- Bedenkzeit geben